Verfahrensgang

AG Cottbus (Beschluss vom 30.09.1999; Aktenzeichen 53 F 83/96)

 

Gründe

Die Klägerin hat während der Trennungszeit in Prozessstandschaft für die gemeinsamen Kinder der Parteien gegen den Beklagten auf Zahlung von Kindesunterhalt geklagt. Mit Schriftsatz vom 13. Juni 1997 beantragte sie den Beklagten zu verurteilen, Kindesunterhalt ab 1. Juni 1997 in Höhe von monatlich 570,00 DM jeweils für die Kinder M1 und M2 und für das Kind M3 415,00 DM zu zahlen.

Der Beklagte wurde durch das im schriftlichen Verfahren ergangene Versäumnisteil- und Endurteil verurteilt, Kindesunterhalt ab 01.06.1997 in Höhe von monatlich 570,00 DM je Kind, und zwar für die Kinder M1, M2 und M3 zu zahlen.

Ferner hat das Amtsgericht den Streitwert auf 20.520,00 DM (570,00 DM x 12 x 3) festgesetzt.

Das dem Beklagten am 7. August 1997 zugestellte Urteil wurde rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 30. August 1999 beantragte der Beklagte die Berichtigung des Urteils dahin, dass für M3 ein Unterhalt in Höhe von 415,00 DM seit dem 1. Juni 1997 zu zahlen ist.

Ferner legte der Beklagte Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss ein.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Urteil vom 29. Juli 1997 berichtigt und den Streitwert auf 18.660,00 DM festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie rügt, die Entscheidung des Amtsgerichts verstoße gegen § 318 ZPO und gegen die Grundsätze der Rechtskraft, da das Urteil bereits seit über zwei Jahren rechtskräftig sei. Der Anspruch sei im Übrigen verwirkt.

Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht gerechtfertigt.

Mangels Erfolgsaussicht konnte auch die beantragte Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden (§ 114 ZPO).

Das Amtsgericht ist in dem Berichtigungsbeschluss zu Recht davon ausgegangen, dass der Tenor des Urteils vom 29. Juli 1997 eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO enthält. Der Urteilstenor weicht offensichtlich von dem Klageantrag ab und dem Amtsgericht ist bei der Übertragung des Urteilstenors offensichtlich ein Schreibfehler unterlaufen.

Der Berichtigung des Urteils stand der Eintritt der Rechtskraft nicht entgegen. Nach dem klaren Wortlaut des § 319 Abs. 1 ZPO sind offensichtliche Fehler "jederzeit" auch von Amts wegen zu berichtigen. Daraus haben Rechtsprechung und Rechtslehre seit jeher zu Recht entnommen, dass weder die Einlegung eines Rechtsmittels noch der Eintritt der Rechtskraft der Urteilsberichtigung entgegenstehen (BGHZ 18, 350, 356; OLG München, OLGZ 1983, 368; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 187, 188; Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 21 zu § 319).

Der somit auch nach Eintritt der Urteilsrechtskraft noch statthaften Berichtigung gern. § 319 ZPO stehen Gesichtspunkte von Treu und Glauben, insbesondere einer Verwirkung, nicht entgegen, Wenn auch für das Prozessrecht eine dem § 242 BGB vergleichbare Generalklausel fehlt, so beweisen doch Einzelvorschriften, dass der ZPO das Gebot redlichen Verhaltens im Prozess nicht unbekannt ist (vgl. z.B. § 138 ZPO). Inzwischen ist in der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre allgemein anerkannt, dass auch im Zivilprozess das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien den Grundsätzen von Treu und Glauben unterliegt, das den streitenden Parteien die Pflicht zu redlichern Verhalten auferlegt, insbesondere auch, dass eine Partei prozessuale Rechte und Befugnisse verwirken kann (BGH, NJW 1978, 426; OLG München, OLGZ 1983, 368, 369). Wenn danach die Berichtigungsfähigkeit dann ihre Grenze findet, wo der prozessuale Anspruch einer Partei auf Urteilsberichtigung ausnahmsweise entweder verwirkt ist oder sich als Rechtsmissbrauch darstellt, so sind vorliegend die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss der Berichtigung nicht gegeben. Für die Klägerin war es zum einen deutlich erkennbar, dass der Urteilstenor von ihrem eigenen Klageantrag abweicht. Zum anderen hat der Beklagte durch sein eigenes Verhalten keinen Anlass zu einer Vertrauensbildung bei der Klägerin gegeben, denn er hat freiwillig den Unterhalt für die Kinder nicht gezahlt. Vielmehr hat die Klägerin die Vollstreckung des Unterhaltstitels im Wege der Lohnpfändung durchzusetzen versucht.

Allein das Absehen von Rechtsmitteln und der zwischenzeitlich eingetretene Zeitablauf kann nicht zu einer Verwirkung des Berichtigungsanspruchs führen.

Zu Recht hat das Amtsgericht auch den Streitwertbeschluss berichtigt, der seinerseits auf dem offensichtlichen Schreibfehler des Amtsgerichts beruhte. Insoweit stand der Abänderung des Streitwertbeschlusses die Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 3 GKG nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993810

NJW-RR 2000, 1522

MDR 2000, 658

OLGR-Brandenburg 2000, 324

OLGReport-Brandenburg 2000, 324

OLGR-NBL 2000, 324

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