Rz. 75

Mit den neuen ErbG FBuH und Brčko Distrikt BuH wurde in die Rechtssysteme dieser beiden Teile Bosnien und Herzegowinas der Erbvertrag als neuer Berufungsgrund neben und insbesondere vor dem Testament und dem Gesetz eingeführt. Es handelt sich um eine große Neuheit, da das bosnisch-herzegowinische Recht traditionell eine restriktive Haltung gegenüber vertraglichen Verfügungen über einen noch nicht geöffneten Nachlass einnahm und somit der Erbvertrag in der Republika Srpska weiterhin nicht zugelassen ist.[67] In der Praxis besteht schon seit längerer Zeit insbesondere im Zusammenhang mit der vertraglichen Regelung der ehelichen Vermögensverhältnisse das Bedürfnis, diese auch über den Tod eines Ehegatten hinaus zu regeln. Ohne diese Möglichkeit konnte auch der Ehevertrag nicht in seiner vollen Kapazität ausgenutzt werden.[68] Diesem praktischen Bedürfnis wurde bislang nicht in ganz BuH entsprochen.

 

Rz. 76

Der Erbvertrag ist ein höchstpersönliches und streng formales Rechtsgeschäft, das der Form einer notariellen Beurkundung bedarf. Er ist reserviert für Ehepartner, zukünftige Ehepartner, wobei in diesem Fall der Vertrag erst mit Eheschließung seine Gültigkeit entfaltet, sowie für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Art. 126 Abs. 2 ErbG FBuH, Art. 130 Abs. 2 ErbG BD BuH.

 

Rz. 77

Die Vertragsparteien können sich mit dem Erbvertrag entweder gegenseitig oder nur eine Vertragspartei die andere einseitig unwiderruflich als Erben einsetzen. Allerdings kann die verfügende Vertragspartei zu Lebzeiten jeweils frei mit dem Gegenstand des Erbvertrages weiter verfügen, was mit einem stillschweigenden Widerruf des Vertrages gleichzusetzen ist. Diese Verfügungsfreiheit kann im Vertrag selbst ausgeschlossen bzw. begrenzt werden, was auch im Grundbuch vermerkt werden kann.[69]

 

Rz. 78

Der Gegenstand des Erbvertrages unterscheidet sich von dem Gegenstand anderer Verträge mit erbrechtlichen Folgen (siehe Rdn 8289). Im Gegensatz zum Leibrentenvertrag und zum Vertrag über die Aufteilung des Nachlasses zu Lebzeiten des Erblassers kann durch Erbvertrag auch über zukünftiges, im Moment des Vertragsschlusses noch nicht vorhandenes Vermögen verfügt werden. Die Rechte der Noterben bleiben grundsätzlich vom Erbvertrag unberührt, Art. 129 Abs. 2 ErbG FBuH, Art. 133 Abs. 2 ErbG BD BuH.

 

Rz. 79

Die grundsätzliche einseitige Unwiderruflichkeit des Erbvertrages greift nicht bei Vorliegen von Willensmängeln sowie bei nachträglicher Enterbung eines Vertragspartners seitens des anderen, die durch testamentarische Verfügung aus einem der gesetzlich vorgeschriebenen Enterbungsgründe (siehe Rdn 104 f.) vorgenommen wird, ungeachtet dessen, dass das Testament einen schwächeren Erbberufungsgrund als der Erbvertrag darstellt, Art. 131 Abs. 2 ErbG FBuH, Art. 135 Abs. 2 ErbG BD BuH. Dies gründet auf der Überlegung, dass, wenn das Verhalten einer Partei diese als Erben disqualifiziert, dies einen einseitigen Widerruf des Erbvertrages rechtfertigt. Der Erbvertrag kann ebenfalls einseitig widerrufen werden, wenn die vertragliche Erbeinsetzung an die Erfüllung einer Leistung geknüpft war, es jedoch zu Lebzeiten des Erblassers gewiss wird, dass diese Leistung nicht wie vereinbart erfüllt werden wird. Diese Vertragskündigung muss der anderen Partei in Form einer notariellen Beurkundung eingereicht werden Art. 131, ErbG FBuH, Art. 135 ErbG BD BuH. Der Nichtbestand der Ehe bzw. der nichtehelichen Lebensgemeinschaft stellen weitere Gründe für die Auflösung des Erbvertrages dar.

[67] Für einen Überblick der Standpunkte der Doktrin sowie für eine Gegenüberstellung der Argumente für und gegen einen Erbvertrag siehe Povlakić, in: Bikić/Povlakić/Suljević/Plavšić, Notarsko pravo, S. 482 ff.
[68] Softić Kadenić, Bračni ugovor i ugovor o nasljeđivanju, S. 136 ff.; Povlakić/Mezetović-Međić, S. 52–53.
[69] Povlakić, in: Povlakić/Softić Kadenić, Da li je potrebno uvesti nove forme raspolaganja, S. 189.

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