Rz. 37

Zur ersten Erbordnung zählen die Abkömmlinge des Erblassers und sein Ehegatte; in der Föderation BuH und BD BuH auch sein nichtehelicher Partner. Innerhalb der ersten Erbordnung erben Kinder des Erblassers und dessen Ehegatte zu gleichen Teilen, Art. 10 ErbG FBuH, Art. 8 ErbG RS, Art. 10 ErbG BD BuH. Bezüglich der Abkömmlinge tritt die Repräsentation nach Stämmen ein. An die Stelle eines Kindes, das nicht erben kann (vor dem Erblasser oder gleichzeitig mit ihm verstorben, erbunwürdig usw.) oder nicht erben will, erben ersatzweise dessen Kinder (Enkelkinder des Erblassers) zu gleichen Teilen, Art. 11 ErbG FBuH, Art. 9 ErbG RS, Art. 11 ErbG BD BuH. Das Repräsentationsprinzip ist innerhalb der ersten Erbordnung nicht begrenzt. Falls auch eines dieser Enkelkinder nicht erbt, erben dessen Abkömmlinge seinen Teil untereinander zu gleichen Teilen, solange es diese Abkömmlinge gibt. Hat der Erblasser nur einen einzigen Nachfahren, erbt dieser das ganze Vermögen. Verstirbt aber der Erblasser ohne Nachfahren und hinterlässt er nur den Ehegatten, kann dieser nicht allein erben und es wird zur zweiten gesetzlichen Erbordnung übergegangen. Dies ist die einzige Ausnahme vom Ausschlussprinzip, da der Ehegatte mit den Erben der ersten und zweiten Erbordnungen erben kann.

 

Rz. 38

Grundsätzlich wurde seit der Verabschiedung des Erbgesetzes im Jahre 1973 im bosnisch-herzegowinischen Recht jeglicher Unterschied zwischen ehelichen und unehelichen Kindern abgeschafft. Die unehelichen Kinder haben die gleiche Stellung gegenüber den eigenen Eltern und Verwandten beider Elternteile. Das Gesetz enthält nur eine allgemeine Grundsatznorm über die Gleichstellung ehelicher und nicht ehelicher (Bluts)Verwandter und keine weiteren Bestimmungen darüber, Art. 4 Abs. 1 ErbG FBuH, Art. 3 Abs. 1 ErbG RS, Art. 4 Abs. 1 ErbG BD BuH.[40]

 

Rz. 39

Die erbrechtliche Stellung der Adoptivkinder und -eltern hängt von der Art der Adoption ab. Das Familienrecht in Bosnien und Herzegowina unterscheidet zwischen einer Volladoption und einer nicht vollständigen Adoption, Art. 91 FamG FBuH, Art. 144 FamG RS, Art. 76 FamG BD BuH.[41] Handelt es sich um eine Volladoption (Regelfall), sind die adoptierten Kinder den natürlichen, eigenen Kindern gleichgestellt; sie erben unter den gleichen Voraussetzungen und können den Erblasser sowie alle seine Verwandten beerben und umgekehrt. Sie unterbrechen zur Gänze die Verbindung mit der eigenen, biologischen Familie, Art. 113 FamG FBuH, Art. 156 FamG RS, Art. 96 FamG BD BuH, und können ihre biologischen Eltern und Verwandte nicht beerben, es sei denn, es handelt sich um eine Adoption durch Stiefvater oder Stiefmutter, Art. 114 FamG FBuH, Art. 97 FamG BD BuH.

 

Rz. 40

In der Praxis spielt die nicht vollständige Adoption eine sehr geringe Rolle. Diese Kinder unterbrechen nicht völlig die Verbindung mit der eigenen Familie (Art. 117 Abs. 2 FamG F BuH, Art. 150 FamG RS, Art. 100 FamG BD BuH) und können sowohl ihre leiblichen als auch die Adoptiveltern beerben. Theoretisch können leibliche Eltern und andere Verwandte parallel mit den Adoptiveltern erben. Für diese Situation hat das Gesetz zwar keine besonderen Bestimmungen bereitgestellt, es könnte allerdings die Lösung befürwortet werden, wonach beide Elternteile je zur Hälfte erben. Das Problem ist aber ohne praktische Relevanz, da die nicht vollständige Adoption sehr selten ist. Im Adoptionsakt sollten die Verhältnisse zwischen den Adoptiveltern und -kindern geregelt werden, darunter auch das Recht sich gegenseitig zu beerben. Das Familienrecht sieht vor, dass dieses Recht unter den im Erbrecht vorgesehenen Vorrausetzungen auch ausgeschlossen werden kann, Art. 119 FamG F BiH, Art. 102 ErbG BD BuH; im Erbrecht wurden allerdings diesbezüglich keine besonderen Voraussetzungen vorgesehen. Eine entsprechende Bestimmung über den Ausschluss der Erbrechte bei einer unvollständigen Adoption ist im FamG RS nicht vorhanden. Für den Fall, dass die unvollständig adoptierten Kinder als Erben berufen sein könnten, haben sie die gleiche Stellung wie die leiblichen Kinder des Erblassers, Art. 22 ErbG FBuH, Art. 20 ErbG RS, Art. 23 ErbG BD BuH; ein Unterschied besteht hinsichtlich des Pflichtteilsrechts (siehe Rdn 9194).

 

Rz. 41

Der Ehegatte als Erbe hat eine besondere Stellung und ist in dem Fall, dass er mit den Kindern des Erblassers erbt, diesen Kindern gleichgestellt. Die gültige, im Zeitpunkt des Erbfalls bestehende Ehe ist Voraussetzung für das Erbrecht des Ehegatten. Aber auch wenn der Erblasser und sein Ehegatte im Zeitpunkt des Todes des Erblassers sich in einer gültigen Ehe befanden, kann es vorkommen, dass der überlebende Ehegatte das Erbe doch nicht antreten kann. Dies kann in den folgenden Situationen geschehen, wenn: a) zu Lebzeiten des Erblassers dieser die Scheidungsklage eingereicht hat, die sich nach seinem Tod als begründet erweist, b) die Ehe nicht gültig war, worüber der überlebende Ehegatte im Zeitpunkt der Eheschließung Kenntnis hatte (spätere Kenntnisnahme schadet ni...

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