a) Erbschaftsrechnungswert

 

Rz. 95

Den Pflichtteilsberechtigten sollte nicht nur ein bestimmter Anteil an der Erbschaft, sondern auch ein bestimmter Wert dieses Anteils garantiert werden. Zu diesem Zweck wird ein Erbschaftsrechnungswert errechnet. Dieser wird in der Weise berechnet, dass auf den reinen Nachlass (Nachlass abzüglich aller Kosten, wie z.B. Verfahrenskosten, Nachlasssicherungskosten, Beerdigungskosten, Testamentsvollstreckungskosten, und aller Pflichten) der Wert bestimmter Schenkungen, welche der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat, angerechnet wird. In Betracht kommen die Schenkungen des Erblassers an gesetzliche Erben unabhängig von der Zeit der Schenkung, auch wenn diese ihren Anteil ausgeschlagen haben, sowie Schenkungen an Dritte Personen innerhalb des letzten Lebensjahres des Erblassers, Art. 31 Abs. 1 Nr. 3 ErbG FBuH, Art. 32 Abs. 1 ErbG RS, Art. 35 Abs. 1 ErbG BD BuH.

 

Rz. 96

Die Feststellung des Erbschaftsrechnungswertes ist vorerst eine rein mathematische Operation, um den Wert des jeweiligen Pflichtteils zu errechnen. Sollte der im Moment des Todes bestehende Nachlass ausreichen, um den auf diese Art und Weise ausgerechneten Pflichtteil zu befriedigen, bleibt es bei dieser mathematischen Operation. Im umgekehrten Fall bzw. im Fall übermäßiger Verfügungen des Erblassers kann es zur Rückabwicklung der Schenkungen kommen.

b) Rückabwicklung von Schenkungen

 

Rz. 97

Da ein Pflichtteil durch die übermäßigen unentgeltlichen Verfügungen zu Lebzeiten sowie durch die testamentarischen und vertraglichen Verfügungen über den verfügbaren Teil hinaus verletzt werden kann, richten sich die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten zuerst auf die Minderung der testamentarischen Verfügungen und, wenn dies nicht zur Befriedigung des Pflichtteilsberechtigten ausreicht, auf die Rückabwicklung gewisser Schenkungen. Die testamentarischen Verfügungen werden verhältnismäßig gemindert; die testamentarischen Erben, deren Erbteil gemindert worden ist, können auch eine entsprechende Minderung der ihnen auferlegten Pflichten oder Legaten verlangen, es sei denn, das Testament bestimmt etwas anderes, Art. 40 ErbG FBuH, Art. 41 ErbG RS, Art. 44 ErbG BD BuH. In der Föderation BuH und Brčko Distrikt BuH werden zuerst die testamentarischen Verfügungen begrenzt, dann die vertraglichen und wenn auch dies nicht ausreichen sollte, um den Pflichtteil herzustellen, kann es zur Rückabwicklung der Schenkungen kommen, Art. 38 ErbG FBuH, Art. 42 ErbG BD BuH. In der Republik Srpska kann es, wenn die Reduzierung der testamentarischen Verfügungen nicht genügt, nur zur Schenkungsrückabwicklung kommen, Art. 40 ErbG RS.

 

Rz. 98

Für die Rückabwicklung kämen nur diejenigen Schenkungen in Frage, die bei der Feststellung des zur Berechnung des Pflichtteils dienenden Nachlasswertes berücksichtigt worden sind. Die Schenkungsrückabwicklung wird in umgekehrter Reihenfolge getätigt: Die zeitlich späteren Schenkungen werden zuerst zurückgefordert, Art. 41 ErbG FBuH, Art. 40 ErbG RS, Art. 45 ErbG BD BuH. Die Rückabwicklung wird nur in dem für die Befriedigung des Pflichtteils notwendigen Maß getätigt. Wurden mehrere Schenkungen zur gleichen Zeit gemacht, werden sie verhältnismäßig zurückgefordert.

 

Rz. 99

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Rückabwicklung der Schenkung sind sehr bescheiden, letztlich wird vorgesehen, dass der Beschenkte bis zu dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme über den Anspruch des Pflichterben als gutgläubig betrachtet werden soll. Diese Regelung weist dann auf das Sachenrecht hin (Stellung des Verklagten im Eigentumsprozess, Art. 129 SachRG FBuH, Art. 129 SachRG RS, Art. 42 Gesetz über Eigentum und andere dingliche Rechte BD BuH.

c) Pflichtteilsklage

 

Rz. 100

Obwohl der Pflichtteil als Erbrecht und nicht nur als eine Geldforderung gegenüber den Erben gesehen wird (siehe Rdn 90), steht den Pflichtteilsberechtigten nicht die Erbrechtsklage (hereditas petitio), die sonst gegen Scheinerben gerichtet wird, zu, sondern eine Pflichtteilsklage, deren Voraussetzungen und Fristen anders geregelt sind als diejenigen bei der Erbrechtsklage.

 

Rz. 101

Die Pflichtteilsklage verjährt innerhalb von drei Jahren ab Testamentseröffnung (wenn die Minderung der testamentarischen Verfügungen verlangt wird) oder ab dem Tod des Erblassers (wenn die Schenkungsrückabwicklung oder Minderung der vertraglichen Verfügungen verlangt wird), Art. 44 ErbG FBuH, Art. 45 ErbG RS Art. 48 ErbG BD BuH.

 

Rz. 102

Passivlegitimiert sind die testamentarischen Erben oder die Beschenkten bzw. deren Erben. Die Aktivlegitimation war im ehemaligen jugoslawischen Recht umstritten und diese Unklarheit ist auch im bosnisch-herzegowinischen Recht teilweise geblieben. In der Republik Srpska ist ausdrücklich vorgesehen worden, dass nur die Pflichterben ihren Antrag anfordern können, Art. 44 ErbG RS. Die Diskussion ging darüber, ob die Erben der Pflichterben den Pflichtteil beanspruchen könnten. Nach einer Auffassung ist nur der Pflichtteilsberechtigte selbst aktivlegitimiert und nicht seine Erben, so dass der Pflichtteil als ein streng persönliches Recht gesehen wird.[77] Nach ...

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