Rz. 49

Das Gesetz geht nicht nur von dem Grundsatz der formellen Gleichstellung der Erben aus, wonach die Erben gleicher Stellung zum Erblasser zu gleichen Teilen erben sollten,[50] sondern trägt der tatsächlichen Gleichstellung Rechnung. Die vorgeschriebene Quote kann vergrößert oder verkleinert werden, abhängig von den Lebensverhältnissen gewisser Erben. Es kann dabei von einem Grundsatz der Berücksichtigung spezifischer Umstände und Bedürfnisse gewisser Erben gesprochen werden. Das Gericht kann einem Ehegatten, einem Kind oder einem Elternteil, wenn diese nicht die zum Leben notwendigen Mittel aufbringen und Erwerbsunfähig sind, auf Antrag zu Lasten der anderen gesetzlichen Erben eine höhere Quote, notfalls den gesamten Nachlass zuweisen, Art. 24, 26–27 ErbG FBuH, Art. 22, 24–25 ErbG RS, Art. 25, 27–28 ErbG BD BuH.

 

Rz. 50

Die Gleichstellung wird auch dadurch erzielt, dass jedem Erben auf seinen Erbteil die zu Lebzeiten des Erblassers angenommenen Schenkungen (colatio bonorum) sowie Vermächtnisse angerechnet werden, Art. 49–61 ErbG FBuH, Art. 50–62 ErbG RS, Art. 55–65 ErbG BD BuH. Die Anrechnung der Schenkungen wird so durchgeführt, dass als erstes andere Erben einen entsprechenden Wert aus dem Nachlass erhalten und dann der Nachlassrest unter den Erben aufgeteilt wird. Reicht der Wert des Vermögens zum Zeitpunkt des Todes nicht aus, um andere Erben gleichzustellen, kommt es nicht zu einer Schenkungsrückabwicklung, es sei denn, der Pflichtteil wurde dadurch verletzt. Der Erblasser kann anordnen, dass keine Schenkungsanrechnung durchgeführt werden sollte; diese Anordnung gilt allerdings nicht im Falle der Pflichtteilsverletzung.

[50] Gavella/Belaj, S. 28.

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