Gesetzestext

 

(1) Ist über das Vermögen des Schuldners im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so unterliegen die Beschlüsse der Gläubiger den Bestimmungen der Insolvenzordnung, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist. § 340 der Insolvenzordnung bleibt unberührt.

(2) Die Gläubiger können durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle Gläubiger bestellen. Das Insolvenzgericht hat zu diesem Zweck eine Gläubigerversammlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes einzuberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger noch nicht bestellt worden ist.

(3) Ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger ist allein berechtigt und verpflichtet, die Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren geltend zu machen; dabei braucht er die Schuldurkunde nicht vorzulegen.

(4) In einem Insolvenzplan sind den Gläubigern gleiche Rechte anzubieten.

(5) Das Insolvenzgericht hat zu veranlassen, dass die Bekanntmachungen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zusätzlich im Internet unter der durch § 9 der Insolvenzordnung vorgeschriebenen Adresse veröffentlicht werden.

(6) Bezieht ein Schuldner Forderungen aus Schuldverschreibungen in ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz ein, gelten die vorstehenden Absätze entsprechend.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift enthält in Abs. 1 i.V.m. Abs. 2–5 einige Sonderbestimmungen für den Fall, dass über das Vermögen des Emittenten ein inländisches Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Ähnliches kannte auch bereits das SchVG 1899. Dort regelten §§ 18, 19 und 19a diese Materie.

 

Rn 1a

Durch Art. 18 des zum 01.01.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG wurde die Norm (neben der Erweiterung der Überschrift: „und Restrukturierungssachen) um einen Abs. 6 ergänzt, der für den Fall, dass ein Schuldner Forderungen aus Schuldverschreibungen in ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach dem StaRUG einbezieht, die entsprechende Anwendung der Abs. 2–5 vorsieht.[1]

[1] BGBl. I 2020, 3256.

2. Anwendungsbereich

 

Rn 2

Die in § 19 Abs. 25 enthaltenen Bestimmungen gelangen gem. Abs. 1 unmittelbar nur dann zur Anwendung, wenn (und sobald) über das Vermögen eines Schuldners, also des Emittenten, ein Insolvenzverfahren im Inland eröffnet worden ist. Maßgeblich für die Anwendbarkeit von § 19 ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens; ein vorläufiges Insolvenzverfahren – auch wenn ein sog. starker vorläufiger Verwalter i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO bestellt ist – genügt nicht.[2]

 

Rn 3

Das Insolvenzverfahren muss im Inland eröffnet worden sein. Insoweit knüpft § 19, der als insolvenzrechtliche Regelung zu verstehen ist, an die zur Ermittlung der internationalen Zuständigkeit für Insolvenzverfahren entwickelten Grundsätze an.[3] Entscheidend ist hiernach, wo sich der COMI (Centre of Main Interest) befindet. Dieser muss im Inland belegen sein, damit § 19 Wirkungen zeitigen kann.

 

Rn 3a

Zu einer entsprechenden Anwendung gelangen die Abs. 2–5, wenn der Schuldverschreibungsschuldner die Anleihen in Maßnahmen nach dem StaRUG einbezieht.

[2] Vogelmann/Käppler, ZInsO 2018, 2169 ff.
[3] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 16/12814, S. 25.

3. Rangverhältnis

 

Rn 4

Absatz 1 befasst sich einerseits mit dem Rangverhältnis zwischen der Insolvenzordnung und dem Schuldverschreibungsgesetz und regelt anderseits das Verhältnis der Abs. 2 bis 5 zu §§ 5 ff. bzw. der InsO. Darüber hinaus enthält er einen Hinweis auf § 340 InsO.

3.1 InsO und SchVG

 

Rn 5

Ist über das Vermögen eines Emittenten ein Insolvenzverfahren eröffnet, haben die Vorschriften der InsO grundsätzlich Vorrang vor den Normen des SchVG. Nur § 19 enthält in seinen Absätzen 2 bis 5 den Bestimmungen der InsO ausnahmsweise vorgehende Sondervorschriften.[4] Der Vorrang der InsO reicht wiederum jedoch nur so weit, wie sich der Regelungsgehalt der InsO überhaupt erstreckt. Verhält sich die InsO zu bestimmten Fragen nicht, kommen wieder die Vorschriften des SchVG zur Anwendung.[5]

 

Rn 6

Der Vorrang der InsO betrifft daher insbesondere die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen durch die Anleihegläubiger. Insoweit sind für die Rückzahlungsansprüche der Zeichner §§ 87, 174 ff. InsO zu beachten. Die Vorgaben der InsO über die Geltendmachung von Ansprüchen sind im Übrigen auch vom gemeinsamen Vertreter – auch soweit es um seine Vergütungsforderung geht – zu beachten, weshalb deren Feststellung als Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO nicht in Betracht kommt.[6] Des Weiteren wird auch eine Sicherung, die ein Schuldverschreibungsgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach dem Antrag durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen erlangt hat, mit der Verfahrenseröffnung unwirksam (§ 88 InsO). Auch sieht sich ein Schuldverschreibungsgläubiger dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO während des laufenden Verfahrens gegenüber. Schließlich muss auch ein Anleihegläubiger damit rechnen, vom Insolvenzver...

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