Rn 45

Durch Art. 18 des zum 01.01.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG wurde § 19 um einen Abs. 6 ergänzt. Dieser sieht vor, dass, wenn ein Anleiheschuldner Forderungen aus Schuldverschreibungen in ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach dem StaRUG einbezieht, die für das Insolvenzverfahren eines Anleiheschuldners geltenden Abs. 25 von § 19 entsprechend anzuwenden sind.

 

Rn 46

Abs. 6 eröffnet damit einem Anleiheschuldner für den Fall einer Restrukturierung nach den StaRUG eine zusätzliche Sanierungsmöglichkeit. Er kann die Schuldverschreibungsforderungen im Restrukturierungsplan gestalten, die Anleihebedingungen, soweit dies in ihnen vorgesehen ist, nach §§ 5 ff. mit oder ohne Verknüpfung mit dem Restrukturierungsplan über eine Bedingung nach § 62 StaRUG ändern oder gänzlich auf die Gestaltung der Anleiheforderungen in seinem Restrukturierungskonzept verzichten. Wählt er die erste Variante, gelten für die Beschlüsse der Gläubiger die Bestimmungen des StaRUG, soweit sich nicht aus der entsprechenden Anwendung der Abs. 25 von § 19 etwas anderes ergibt.[107] § 19 Abs. 6 ist also im Grundsatz dahingehend zu verstehen, dass das StaRUG einen Anwendungsvorrang vor dem SchVG genießt, soweit es im Vergleich der beiden Regelungswerke die spezielleren Vorschriften aufweist. Nur soweit ausnahmsweise die Abs. 2–5 bestimmte Konstellationen ausdrücklich regeln, sind diese Regelungen wiederum gegenüber dem StaRUG vorrangig.

 

Rn 47

Durch das StaRUG können im Übrigen Schuldverschreibungen unabhängig davon restrukturiert werden, ob für sie ein Opt-In i.S.v. § 5 Abs. 1 erfolgte. Die Neuregelung soll nach dem Gesetzgeber die Änderungen von Anleihen auf der Grundlage eines Restrukturierungsplans auch dann ermöglichen, wenn die Voraussetzungen für eine kollektive Änderung der Anleihen nach dem SchVG nicht erfüllt sind.[108]

 

Rn 48

Der grundsätzliche Vorrang des StaRUG vor dem SchVG hat u.a. zur Folge, dass Mehrheitsentscheidungen nicht mehr mit 75 % der teilnehmenden Stimmrechte, sondern nur noch mit 75 % aller Stimmrechte getroffen werden können.[109]

 

Rn 49

Aus § 19 Abs. 6 und seinem Verhältnis zum SchVG im Übrigen bzw. dem StaRUG ergeben sich eine Reihe von Folgefragen, die noch einer Aufarbeitung in Rechtsprechung und Literatur bedürfen.[110]

[107] RegE, BT-Drucks. 19/24181, S. 222. Der noch im Gesetzentwurf erwähnte § 69 StaRUG ist letztlich als § 62 StaRUG Bestandteil des Gesetzes geworden.
[108] Vgl. BR-Drucks. 619/20, S. 125; Lürken, ZIP 2021, 1305.
[109] Skauradszun/Kümpel, WM 2021, 1122; Lürken, ZIP 2021, 1305, der deshalb de lege ferenda für ein 75 %-iges Mehrheitserfordernis der abstimmenden Gläubiger plädiert.
[110] Vgl. zu ersten Themenkomplexen: Skauradszun/Kümpel, WM 2021, 1122; Lürken, ZIP 2021, 1305.

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