Gesetzestext

 

(1) 1Besteht zwischen dem Schuldner und Dritten eine Gemeinschaft nach Bruchteilen, eine andere Gemeinschaft oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so erfolgt die Teilung oder sonstige Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens. 2Aus dem dabei ermittelten Anteil des Schuldners kann für Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis abgesonderte Befriedigung verlangt werden.

(2) 1Eine Vereinbarung, durch die bei einer Gemeinschaft nach Bruchteilen das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer oder auf Zeit ausgeschlossen oder eine Kündigungsfrist bestimmt worden ist, hat im Verfahren keine Wirkung. 2Gleiches gilt für eine Anordnung dieses Inhalts, die ein Erblasser für die Gemeinschaft seiner Erben getroffen hat, und für eine entsprechende Vereinbarung der Miterben.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen §§ 16, 51 KO. Rechtsprechung und Literatur zu §§ 16, 51 KO können also zur Auslegung des § 84 herangezogen werden.

Wird ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Person eröffnet, die mit einem oder mehreren Dritten in einer Bruchteilsgemeinschaft, einer anderen Gemeinschaft oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit steht, so fällt selbstverständlich nicht das gesamte Gemeinschafts- oder Gesellschaftsvermögen, das dem Insolvenzschuldner ja nicht allein gehört, sondern nur der Anteil des Insolvenzschuldners an diesem Vermögen in die Insolvenzmasse (vgl. § 35). Zur Ermittlung dieses Anteils bedarf es einer Teilung oder sonstigen Auseinandersetzung. An diese Voraussetzung knüpft § 84 an. Seine Aussage, die Teilung oder Auseinandersetzung erfolge "außerhalb des Insolvenzverfahrens" (Abs. 1 Satz 1), bedeutet, dass sie den allgemeinen, auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens geltenden Regeln, nicht besonderen insolvenzrechtlichen Normen folgt (Ausnahme: § 84 Abs. 2).[1] Bei dieser Teilung oder Auseinandersetzung tritt der Insolvenzverwalter freilich an die Stelle des Insolvenzschuldners (§ 80). Abs. 1 Satz 2 schließlich gewährt den anderen Teilnehmern für Ansprüche aus dem Gemeinschafts- oder Gesellschaftsverhältnis mit dem Insolvenzschuldner ein Absonderungsrecht.[2]

[1] MünchKomm-Stodolkowitz/Bergmann, § 84 Rn. 13; Uhlenbruck-Hirte, § 84 Rn. 14. Ebenso zum sinngleichen § 16 KO Jaeger-Lent, KO, § 16 Rn. 8, 10. Im Einzelnen siehe unten bei Rn. 5.
[2] Näher unten bei Rn. 10.

2. Betroffene und nicht betroffene Gemeinschaften und Gesellschaften

 

Rn 2

In den Anwendungsbereich des § 84 fallen die Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB (bei Miteigentumsgemeinschaft zusätzlich §§ 1008 ff. BGB), andere nicht rechtsfähige Gemeinschaften, z. B. die Erbengemeinschaft nach §§ 2032 ff. BGB, sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Als "Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit" nennt § 11 Abs. 2 Nr. 1 die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die oHG (§§ 105 ff. HGB), die KG (§§ 161 ff. HGB), die Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG, die Partenreederei (§§ 489 ff. HGB)[3] und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung. Unter § 84 fällt auch das Gemeinschaftskonto des Insolvenzschuldners mit einem Dritten, und zwar nicht nur, wenn beide Kontoinhaber nur gemeinschaftlich verfügungsbefugt sind (sog. Und-Konto),[4] sondern auch bei Einzelverfügungsbefugnis jedes Kontoinhabers (sog. Oder-Konto).[5] Denn die Verfügungsbefugnis im Außenverhältnis besagt nichts über die Verteilung eines Guthabens im Innenverhältnis. Hierfür bedarf es vielmehr einer Auseinandersetzung.

Bei einigen Gemeinschaften ist ein Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft gesetzlich ausgeschlossen, und zwar auch für den Fall der Insolvenzeröffnung gegen einen Beteiligten, so bei der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 11 Abs. 1 und 2 WEG und bei der Miteigentümergemeinschaft hinsichtlich der von Kapitalanlagegesellschaften zu bildenden Sondervermögen nach § 38 Abs. 5 Investmentgesetz.[6] Daraus wird verschiedentlich die Unanwendbarkeit des § 84 für diese Gemeinschaften gefolgert.[7] Dem ist nicht zu folgen.[8] Denn der Insolvenzverwalter kann den Anteil des Insolvenzschuldners durch Verkauf verwerten, und dies ist auch eine "sonstige Auseinandersetzung" i. S. des § 84 Abs. 1.[9]

 

Rn 3

Nicht anwendbar ist § 84, wenn während des Bestehens einer ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines der Ehegatten eröffnet wird. Zwar handelt es sich bei dem Gesamtgut um gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten (§ 1416 Abs. 1 BGB). Aber die insolvenzrechtliche Behandlung orientiert sich nicht an dieser Vermögenszuordnung, sondern daran, wer das Gesamtgut verwaltet (§ 1421 BGB, § 37). Danach gilt:

  • Bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des allein verwaltenden Ehegatten gehört das Gesamtgut vollständig, also einschließlich des Anteils des anderen Ehegatten, zur Insolvenzmasse; eine Auseinandersetzung findet nicht statt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 und 2).
  • Durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten wird das Gesamtgut nicht berührt (§ 37 Abs. 1 Satz 3). Es bleibt also insolvenzfreies Vermö...

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