Rn 1

§ 356 InsO normiert das besondere Partikularinsolvenzverfahren, das nach Eröffnung eines ausländischen Hauptinsolvenzverfahren im Inland eröffnet werden kann. Dieses Verfahren wird Sekundärinsolvenzverfahren genannt, um seine sekundäre Stellung im Vergleich zum Hauptinsolvenzverfahren auszudrucken. Durch dieses Verfahren wird das grundsätzlich universell wirkende Hauptinsolvenzverfahren beschränkt, da das inländische Vermögen der Beschlagnahmewirkung des Hauptverfahrens entzogen wird, Das im Inland eröffnete Sekundärinsolvenzverfahren unterliegt dem deutschen Recht.[1]

 

Rn 2

Der negativen Formulierung des Wortlauts ("schließt nicht […] aus") kann jedoch entnommen werden, dass die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens eher unerwünscht ist. Diese Durchbrechung des Universalitätsprinzips sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn es eine besondere Situation erfordert.

 

Rn 3

Durch die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens werden hauptsächliche zwei Ziele verfolgt:[2]

Auf der einen Seite bewirkt die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens die Anwendung des deutschen Insolvenzrechts und damit einer den lokalen Gläubigern bekannten Rechtsordnung. Das Sekundärinsolvenzverfahren gewährleistet somit die Interessen inländischer Gläubiger.
Auf der anderen Seite kann die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens auch für den ausländischen (Haupt-) Insolvenzverwalter von Interesse sein, etwa um die Abwicklung des inländischen Vermögens zu vereinfachen.[3]
 

Rn 4

Darüber hinaus kann durch das Sekundärinsolvenzverfahren vermieden werden, dass die Sekundärinsolvenzmasse zwecks Zahlung der Hauptinsolvenzmasseverbindlichkeiten aufgebraucht wird.[4]

 

Rn 5

§ 356 InsO regelt das Sekundärinsolvenzverfahren nur rudimentär. Abs. 1 postuliert die Zulässigkeit eines solchen Verfahrens und Abs. 2 und 3 enthalten jeweils besondere Regelungen in Bezug auf die Antragsbefugnis und den Eröffnungsgrund. Die Durchführung des Sekundärinsolvenzverfahrens wird in §§ 357 und 358 InsO weiter präzisiert, wie sich aus dem Verweis in § 356 Abs. 1 Satz 2 InsO ergibt ("gelten ergänzend"). Diese Vorschriften regeln die Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter im Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren sowie das Schicksal eines eventuellen Überschusses nach der Schlussverteilung im Sekundärinsolvenzverfahren.

 

Rn 6

Aufgrund der systematischen Stellung des § 356 InsO und der Natur der Sekundär­insolvenzverfahren als Untergruppe des Partikularverfahrens sind auch die §§ 354 und 355 InsO anwendbar.[5] Dies ist insbesondere für die Eröffnungsvoraussetzungen und die besonderen Regelungen zur Restschuldbefreiung und zum Insolvenzplan von Belang.

 

Rn 7

§ 356 Abs. 1 und 3 InsO entspricht Art. 27 EuInsVO,[6] während § 356 Abs. 2 mit Art. 29 EuInsVO korrespondiert.[7]

[1] Uhlenbruck-Lüer, § 356 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork-Kemper/Paulus, § 356 InsO Rn. 1; Smid, Kommentar, § 356 Rn. 4.
[2] Vgl. BT-Drs. 15/16, S. 25; Uhlenbruck-Lüer, § 356 InsO Rn. 2; FK-Wenner/Schuster, § 356 InsO Rn. 1.
[3] Uhlenbruck-Lüer, § 356 Rn. 2.
[5] MünchKomm-Reinhart, § 356 Rn. 7; Braun-Liersch/Delzant, § 356 Rn. 1; Kübler/Prütting/Bork-Kemper/Paulus, § 356 Rn. 3.
[6] HK-Stephan, § 356 Rn. 1, Kübler/Prütting/Bork-Kemper/Paulus, § 356 Rn. 2
[7] MünchKomm-Reinhart, § 356 Rn. 4.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge