Rn 103

Zur Entscheidung über die Anordnung der Maßnahmen des § 21 ist der Richter berufen, dessen funktionelle Zuständigkeit aus der allgemeinen Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG folgt. Im Beschwerdeverfahren kann auch das Beschwerdegericht vorläufige Maßnahmen ergreifen, weil es an die Stelle des Insolvenzgerichts tritt, nicht jedoch das Rechtsbeschwerdegericht.[275]

Das Gericht ordnet vorläufige Maßnahmen von Amts wegen an, ohne dass es eines Antrags bedarf. Wird dennoch ein Antrag gestellt, ist dieser in eine Anregung umzudeuten und muss nicht förmlich beschieden werden.[276] Erlassene Anordnungen sind unter Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens jederzeit abänderbar oder können aufgehoben werden.

Die Kosten der vorläufigen Maßnahmen sind im Falle der Eröffnung Massekosten (§ 54). Kommt das Verfahren nicht zur Eröffnung sind sie grundsätzlich in die Kostengrundentscheidung der verfahrensbeendenden Entscheidung einbezogen, mit Ausnahme der Kosten der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Diese gehören nach der Rechtsprechung des BGH nicht zu den nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GKG erstattungsfähigen Auslagen.[277] Aufgrund des neu eingefügten § 26a werden sie nunmehr durch gesonderten Beschluss festgesetzt (vgl. die Kommentierung zu § 26a). Ein Vorschuss für die Kosten der vorläufigen Maßnahmen wird weder angefordert, noch eine Kostendeckung geprüft.[278]

[275] BGH ZInsO 2005, 1321 (1322).
[276] HambKomm-Schröder, § 21 Rn. 99.
[278] A.A. AG Potsdam DZWIR 2004, 439 (440). Zu Recht kritische Anmerkungen: Eickmann, DZWIR 2004, 412; Vallender, EWiR 2004, 609.

5.1 Rechtliches Gehör

 

Rn 104

Eine vorherige Anhörung des Schuldners vor Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ist nicht erforderlich.[279] Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss aus § 21 Abs. 3 Satz 1, der für die Haftanordnung die vorherige Anhörung des Betroffenen ausdrücklich vorschreibt (s.o. Rdn. 99). Weiterhin setzt die vorläufige Postsperre nach §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, 99 Abs. 1 Satz 2 grundsätzlich eine vorherige Anhörung voraus (s.o. Rdn. 72). Ansonsten kommt es jedoch nicht darauf an, ob durch eine vorherige Schuldneranhörung im konkreten Fall der Sicherungszweck gefährdet würde oder nicht.[280] Eine effektive Wirkung des Sicherungsinstrumentariums in § 21 ist nur gewährleistet, wenn die notwendigen Sicherungsmaßnahmen ohne jegliche Verzögerung ergriffen werden können, um Vermögensnachteile zu verhindern. Im Übrigen richten sich Sicherungsanordnungen meist gegen den Schuldner, dem bei vorheriger Information dann die Möglichkeit eröffnet würde, noch rechtzeitig vor Wirksamwerden der Sicherungsanordnungen masseschädigende Verfügungen zu treffen. Eine Anordnung vorläufiger Maßnahmen ohne Anhörung ist für den Schuldner auch nicht überraschend, da er entweder selbst den Insolvenzantrag gestellt hat oder bei einem Fremdantrag nach § 14 Abs. 2 bereits dazu angehört wurde und deshalb mit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen rechnen musste.

Verbleiben insbesondere bei Fremdanträgen noch Zweifel beim Insolvenzgericht hinsichtlich Erforderlichkeit oder Verhältnismäßigkeit, so steht es ihm selbstverständlich frei, den Schuldner ausnahmsweise vorher anzuhören, um ungerechtfertigte Eingriffe zu vermeiden.

Soweit – wie regelmäßig – aber von der Anhörung des Schuldners vor Erlass von Sicherungsmaßnahmen abgesehen wurde, ist aus rechtsstaatlichen Gründen die Gewährung rechtlichen Gehörs nachzuholen.[281] Dies kann durch die Zustellung des betreffenden Anordnungsbeschlusses erfolgen. Darüber hinaus steht dem Schuldner gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 die Möglichkeit zur Verfügung, im Rahmen einer sofortigen Beschwerde die Rechtmäßigkeit, insbesondere die Verhältnismäßigkeit einer angeordneten Maßnahme überprüfen zu lassen. Dabei wird im Abhilfeverfahren vor dem Insolvenzgericht das rechtliche Gehör nachgeholt.[282] Durch diese Rechtsschutzmöglichkeit werden die Schuldnerinteressen ausreichend geschützt.

[280] So aber:; MünchKomm-Haarmeyer/Schildt, § 21 Rn. 31 f.; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Sander, § 21 Rn. 9; Braun-Kind, § 21 Rn. 41; wie hier: BGH ZInsO 2011, 1742, Tz. 13 (allgemein zu befürchtende Gefährdung); HK-Rüntz/Laroche, § 21 Rn. 54; Kübler/Prütting/Bork-Blankenburg, § 21 Rn. 20; HambKomm-Schröder, § 21 Rn. 100; FK-Schmerbach, § 21 Rn. 45; LG Göttingen ZInsO 2003, 337 (338).
[282] BGH WKRS 2011, 31568, Tz. 4; ZInsO 2009, 1491, Tz. 11.

5.2 Entscheidungsform

 

Rn 105

Vorläufige Maßnahmen werden durch Beschluss angeordnet, wobei es keinen Unterschied macht, ob die einzelnen Maßnahmen jeweils in einem gesonderten Beschluss oder alle meist kombinierten Maßnahmen aus dem Katalog des § 21 in einem einheitlichen Beschluss enthalten sind.

Mit Rücksicht auf die Anfechtbarkeit der Entscheidung (s.u. Rdn. 110 ff.) empfiehlt sich eine kurze, aber gleichwohl aussagefähige Begründung des Beschlusses über die Anordnung der vorläufigen Maßnahmen, um dem Beschwerdegericht eine Überprüfungsm...

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