Rn 84

Spiegelbildlich zu dem Verwertungs- bzw. Einziehungsverbot gegenüber dem Gläubiger kann das Gericht dem vorläufigen Insolvenzverwalter erlauben, die mit den betreffenden Fremdrechten belasteten Gegenstände zur Fortführung des Schuldnerunternehmens einzusetzen. Der Einsatz dieser Wirtschaftsgüter ist allerdings begrenzt. So spricht die Gesetzesbegründung ausdrücklich davon, dass von der insolvenzgerichtlichen Erlaubnis der Verbrauch der Vermögensgegenstände nicht erfasst sei.[235] Die Nutzung im Sinne eines vorschriftsgemäßen Einsatzes liegt also nur vor, so lange die Sache als solche erhalten bleibt und nicht im Rahmen der Verwendung verbraucht wird. Es entfällt also unter dieser Sicherungsmaßnahme die Veräußerung oder Verarbeitung des sicherungsübereigneten Lagers an Waren, Halbfertigprodukten oder Vorräten. Denkbar ist in diesem Zusammenhang daher lediglich die Fortsetzung der Nutzung eines sicherungsübereigneten Kraftfahrzeugs.

Der Einsatz der Zahlungseingänge auf sicherungszedierte Forderungen zur Finanzierung der Betriebsfortführung ist nach diesen Vorgaben nicht erlaubt.[236] Dazu bedarf es also nach wie vor einer individuellen Verwertungsvereinbarung mit dem Sicherungsnehmer, um die notwendige Rechtssicherheit hinsichtlich des späteren Massebestandes zu erhalten. Andernfalls können nur die Kostenbeiträge des § 171 vorzeitig realisiert werden. Darin ist vermutlich der Hauptgrund zu sehen, weshalb diese vorläufige Maßnahme bisher in der Fortführungspraxis keine große Bedeutung erlangt hat.

 

Rn 85

Dies gilt erst recht für Aussonderungsgegenstände, die zur Fortführung des Schuldnerunternehmens eingesetzt werden sollen. Der zugrundeliegende Gedanke mag bei mit Absonderungsrechten belastetem Sicherungsgut noch überzeugen, da diese Vermögensgegenstände regelmäßig wirtschaftlich dem Schuldnervermögen zuzuordnen sind. In Aussonderungsfällen trifft dies allenfalls auf die an den Schuldner unter Eigentumsvorbehalt gelieferten Gegenstände zu. Alle anderen Aussonderungsgüter gehören bzw. gehörten zu keinem Zeitpunkt in das Schuldnervermögen, sondern allenfalls das schuldrechtlich im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses übertragene Nutzungsrecht an diesen Gegenständen. Die gerichtliche Maßnahme bewirkt also nur eine temporäre Zuweisung der Nutzung eines solchen Gegenstandes zum Schuldnerunternehmen mit der Folge, dass die Nutzung oder eine damit verbundene Entwertung grundsätzlich vergütet oder entschädigt wird.

[235] BGH ZInsO 2019, 563, Tz. 34; HambKomm-Schröder, § 21 Rn. 82; RegE zum "Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens", BR-Drs. 549/06, S. 28. Kritisch: Smid, ZInsO 2019, 2554 (2563).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge