Rn 8

Uneinheitlich beurteilt wird die Frage, ob ein Verfahren nach § 207 einzustellen ist, wenn eine ausreichende Masse zwar nicht gegenwärtig, aber voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt vorhanden ist. Die Problematik der sog. "temporären Verfahrenskostenunterdeckung" wird primär im Zusammenhang mit der Frage der Verfahrenseröffnung bei § 26 diskutiert; sie ist aber auch im Rahmen des § 207 relevant.

 

Rn 9

Der BGH hat in einer Entscheidung zur Frage der Eröffnung des Verfahrens einen Prognosezeitraum von einem Jahr nicht beanstandet.[20] Nach einzelnen Entscheidungen von Instanzgerichten soll der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht entgegenstehen, dass eine die Verfahrenskosten deckende Masse erstmals in zwei Jahren realisiert werden kann.[21]

 

Rn 10

Der Wille des Gesetzgebers, Verfahrenseinstellungen nach Möglichkeit zu verhindern, spricht entscheidend für eine Berücksichtigung einer zukünftig zu erwartenden Masseanreicherung. Nach der hier vertretenen Auffassung ist allerdings grundsätzlich nur eine zeitnah realisierbare und hinreichend wahrscheinliche Masseanreicherung zu berücksichtigen.[22] Hierbei scheint ein Prognosezeitraum von einem Jahr als oberste Grenze angemessen. Ein längerer Zeitraum ist nur ausnahmsweise hinzunehmen, wenn zum einen die Generierung ausreichender Masse weitgehend sicher erscheint und zum anderen wesentliche sonstige Masseverbindlichkeiten nicht zu erwarten sind.[23] In den anderen Fällen ist § 207 tatbestandlich erfüllt. Es wäre dem Insolvenzverwalter in diesem Fall nicht zuzumuten, weitere Tätigkeiten zu erbringen, ohne eine hinreichend sichere Aussicht auf eine Vergütung zu haben. Zudem würde eine solche Handhabung ein unangemessenes Haftungsrisiko für den Verwalter darstellen[24] oder auf Kosten der sonstigen Massegläubiger gehen. Die Fortführung des Verfahrens dient in erster Linie den Interessen der Insolvenzgläubiger, die bei einer späteren Realisierung freier Masse eine Befriedigung erlangen würden. Dann sollte eine Verfahrensfortführung auch seitens der Insolvenzgläubiger – durch Erbringung eines Verfahrenskostenvorschusses – sichergestellt werden. Sind sie hierzu nicht bereit, ist das Verfahren einzustellen. Die durch die Verfahrenseinstellung drohenden Nachteile für die Gläubiger lassen sich nach der hier vertretenen Auffassung i.Ü. dadurch weitgehend vermeiden, dass man eine Fortführung anhängiger Anfechtungsprozesse durch den Insolvenzverwalter (vgl. Rn. 43) und eine Nachtragsverteilung zulässt (vgl. unten Rn. 51 ff.).

[21] LG Leipzig ZInsO 2002, 576 f.; AG Hamburg NZI 2000, 140 (141); ferner AG Hamburg ZIP 2006, 1784 = ZInsO 2006, 51: Realisierung der Masse innerhalb eines Jahres ist ausreichend; krit. Uhlenbruck-Uhlenbruck, § 207 Rn. 4; ders., NZI 2001, 408 (409).
[22] OLG Köln NZI 2000, 217 = ZIP 2000, 548 [OLG Köln 23.02.2000 - 2 W 21/00]; Nerlich/Römermann-Mönning, § 26 Rn. 27.
[23] Bei entsprechender Höhe der zu erzielenden Masse erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der hinzunehmende Zeitraum unter Umständen auch mehr als zwei Jahre betragen kann. Der Verwalter kann vor übermäßiger Vorleistung durch einen Vorschuss von der Staatskasse analog §§ 5, 9 InsVV geschützt werden (AG Hamburg NZI 2000, 140 [141]; FK-Schmerbach, § 26 Rn. 15).
[24] OLG Köln NZI 2000, 217 (219) = ZIP 2000, 548 [OLG Köln 23.02.2000 - 2 W 21/00].

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