Rn 3

Mit der Einführung des Begriffs der unentgeltlichen Leistung[1] hat sich der Gesetzgeber der weiten Auslegung des nach dem alten Recht erforderlichen Tatbestandsmerkmals der unentgeltlichen Verfügung durch die Rechtsprechung angepasst: Diese hatte nicht nur Verfügungen und somit Rechtsgeschäfte, durch die bestehende Rechte unmittelbar verändert, übertragen, belastet oder aufgehoben werden,[2] als anfechtungsrelevant erachtet. Vielmehr wurden in weiter Auslegung des § 32 Nr. 1 KO auch verpflichtende Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte,[3] ferner jede Vermögensentäußerung, das Unterlassen eines Rechtsbehelfs und der Verzicht auf die Unterbrechung von Verjährungs-, Ersitzungs- oder Ausschlussfristen[4] mit einbezogen.

 

Rn 4

Der Begriff der unentgeltlichen Leistung ist mithin weiter zu verstehen als derjenige der Schenkung nach § 516 BGB, so dass letztlich alle Fälle erfasst werden, in denen ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass der Empfänger eine ausreichende Gegenleistung an den Verfügenden oder mit dessen Einverständnis an einen Dritten erbringt.[5] Dabei kommt es weniger auf die objektive Gleichwertigkeit der Leistungen an, sondern vielmehr darauf, ob die Parteien den Gegenwert (subjektiv) als ausgeglichen erachtet haben.[6] Die irrtümliche einseitige Vorstellung des Anfechtungsgegners, er habe dem Schuldner einen Gegenwert für die Leistung erbracht, vermag das Tatbestandsmerkmal der Unentgeltlichkeit jedoch nicht entfallen zu lassen.[7] Ebenso wenig relevant sind einseitige Vorstellungen des Schuldners über mögliche wirtschaftliche Vorteile der von ihm getätigten Zuwendung, deren Eintritt nicht rechtlich von dieser abhängig sind.[8]

 

Rn 5

Bei sog. gemischten Zuwendungen, also Austauschgeschäften mit einer erheblichen Wertdifferenz zwischen den jeweils erbrachten Leistungen, die dem Empfänger der Mehrleistung unentgeltlich zukommen soll, ist wie folgt zu differenzieren[9]: Kann die fragliche Gegenleistung in einen entgeltlichen, und einen unentgeltlichen Teil zerlegt werden, so ist § 134 alleine auf den unentgeltlichen, überschießenden Teil anzuwenden, während sich der entgeltliche Teil der Gegenleistung allenfalls über die anderen Anfechtungstatbestände der §§ 129 ff. zur Masse ziehen lässt. Ist eine solche Aufteilung nicht durchführbar, so kommt es für die nunmehr notwendige einheitliche Beurteilung des Rechtsgeschäfts darauf an, ob der Hauptzweck des Geschäfts auf eine Freigebigkeit des Schuldners gerichtet ist, was bejahendenfalls die Anfechtbarkeit des gesamten Geschäfts nach § 134 nach sich zieht. Ansonsten kommt nur die Rückabwicklung nach den übrigen Anfechtungstatbeständen der §§ 129 ff. in Betracht.

[1] Kritisch zur Terminologie der InsO: Häsmeyer, Rn. 21.89.
[2] Palandt-Heinrichs, Überblick vor § 104 Rn. 16.
[3] BGHZ 41, 298 (299).
[4] BGH WM 1975, 1182 (1184).
[5] Vgl. zur Unentgeltlichkeit bei Leistung an einen Dritten BGH ZIP 1992, 1089 [BGH 25.06.1992 - IX ZR 4/91] (1091 f.).
[6] Häsemeyer, Rn. 21.90 ff.
[7] Kilger/K. Schmidt, KO § 32 Anm. 2.
[8] Vgl. dazu das Beispiel in BGH ZIP 1991, 35 [BGH 29.11.1990 - IX ZR 29/90] (37 f.).
[9] Vgl. Kilger/K. Schmidt, KO § 32 Anm. 3a) m.w.N.

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