Rn 7

Damit das bisherige Recht der Eigenverwaltung in den §§ 270 bis 285 InsO in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist, muss die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sein. Ebenso wie das "Beruhen" der Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in § 1 Abs. 1 COVInsAG bezeichnet auch das "Zurückzuführensein" einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Insolvenzreife und den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Wie im Kontext der Aussetzung der Antragspflicht in § 1 Abs. 1 COVInsAG ist ein mittelbarer Verursachungszusammenhang hinreichend, solange er nicht eine völlig untergeordnete Rolle bei den Krisenursachen des Unternehmens spielt.

 

Rn 8

Der § 5 COVInsAG enthält für den Zusammenhang zwischen Insolvenzreife und COVID-19-Pandemie in seinen Abs. 2 und 3 ebenso wie § 1 Abs. 1 COVInsAG einen Vermutungstatbestand. Die Vermutung ist widerleglich und es gilt § 292 ZPO.

4.1 Vermutungstatbestand nach Abs. 2

 

Rn 9

Allerdings ist dieser Vermutungstatbestand in § 5 Abs. 2 COVInsAG enger gefasst als im Kontext der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in § 1 Abs. 1 COVInsAG. Muss nämlich der Schuldner nach § 1 Abs. 1 COVInsAG lediglich darlegen, dass er am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war, damit vermutet werden kann, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit im Aussetzungszeitraum beseitigen zu können, verlangt der Abs. 2 von § 5 COVInsAG für die Vermutung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einerseits und der COVID-19-Pandemie andererseits insgesamt drei Umstände als Vermutungsbasis:

1. Der Schuldner darf am 31.12.2019 nicht nur nicht zahlungsunfähig gewesen sein, er darf auch nicht überschuldet gewesen sein;
2. der Schuldner muss in dem letzten vor dem 01.01.2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet haben; und
3. der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 muss im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 % eingebrochen sein.
 

Rn 10

Überdies müssen diese Umstände vom Schuldner nicht nur einfach behauptet werden, sondern müssen von einem in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation bescheinigt werden. Die Bescheinigung ändert freilich nichts daran, dass die (bescheinigte) Vermutungsbasis im Falle des Bestreitens durch die Gegenseite auch bewiesen werden muss.

 

Rn 11

Die Ratio, die dem Vermutungstatbestand nach Abs. 2 zugrunde liegt, ist klar erkennbar: Die Unternehmen, die vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie ein funktionierendes Geschäftsmodell und eine positive Fortführungsprognose hatten, sollen dann, wenn die COVID-19-Pandemie zur Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung geführt hat, unter erleichterten Voraussetzungen diese Insolvenzreife im Wege eines Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahrens beseitigen können. Ob nun die in dem Vermutungstatbestand des Abs. 2 genannten Umstände, insbesondere ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und der Umsatzeinbruch um mehr als 30 % im Vergleich zum Vorjahr, geeignete Indikatoren für ein solches funktionierendes Geschäftsmodell sind, ist für die Praxis nicht entscheidend. Sie hat sich auf diese Tatbestände einzustellen.

 

Rn 12

Allerdings sind diese Grenzen des Vermutungstatbestandes nicht starr. Vielmehr ordnet Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich an, dass auch von Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 abweichende Umstände es gleichwohl zulassen, dass die Insolvenzreife auf die COVID-19-Pandemie zurückgeführt werden kann. Diese besonderen Umstände, die anderweitig einen Zusammenhang zwischen der Insolvenzreife und der COVID-19-Pandemie begründen, sind in der Bescheinigung im Sinne des Satzes 1 darzulegen. Die im Zuge des Gesetzgebungsprozesses herabgesetzte Umsatzschwelle von 40 % auf 30 % trägt dem Umstand Rechnung, dass je nach Branche bereits geringere Umsatzeinbußen zu pandemiebedingten Schieflagen führen können.[7] Diese Anpassung der Umsatzschwelle macht deutlich, dass der Vermutungstatbestand die rechtstatsächlich unterschiedlichen Sachverhalte pauschaliert. Lassen sich branchenspezifisch andere Relationen begründen und z.B. darlegen, dass bereits geringere Umsatzeinbrüche zu pandemiebedingten Schieflagen geführt haben, greift der "Auffangtatbestand" nach Abs. 2 Satz 2. Auf den Umstand gem. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, dass der Schuldner am 31.12.2019 weder zahlungsunfähig noch überschuldet war, kann jedoch nicht verzichtet werden.

[7] Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 19/25353, S. 16.

4.2 Vermutungstatbestand nach Abs. 3

 

Rn 13

Der Abs. 3 von § 5 COVInsAG enthält einen weiteren Vermutungstatbestand für den Zusammenhang zwischen Insolvenzreife und COVID-19-Pandemie. So kann der Schuldner auch im Eröffnungsantrag darlegen, dass keine Verbindlichkeiten bestehen, die am 31.12.2019 bereits fällig und unbestritten waren. In dem ohnehin ...

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