Leitsatz (amtlich)

›Zur Frage der Anpassung der Vergütungsregelung eines Altvertrages über die Aufführung einer Oper an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.‹

 

Verfahrensgang

LG München I

OLG München

 

Tatbestand

Die Klägerin, ein Musikverlag, nimmt die Aufführungsrechte an der Oper "Salome" des 1949 verstorbenen Komponisten Richard Strauss in Anspruch. Sie streitet mit dem beklagten Freistaat, der Rechtsträger der Bayerischen Staatsoper in München ist, aus Anlaß höherer Vergütungsforderungen darüber, ob der Beklagte vertraglich berechtigt ist, diese Oper aufführen zu lassen.

Der Beklagte leitet seine Berechtigung zur Aufführung der Oper aus einem zwischen der Hohen General-Intendantur der Königlichen Hoftheater in München einerseits und dem Komponisten Dr. Richard Strauss und dem Musikverleger A. F. andererseits geschlossenen Vertrag vom 18./29. Januar 1906 her. Darin ist eine Tantieme in Höhe von 6 % der Bruttoeinnahmen für jede abendfüllende Aufführung vereinbart worden. Auf dieser Grundlage haben die Parteien bis heute abgerechnet.

Mit der Klage begehrt die Klägerin in erster Linie Feststellung, daß der Beklagte weder aufgrund des Vertrages aus dem Jahre 1906 noch aufgrund einer späteren Vereinbarung zur Aufführung der Oper "Salome" berechtigt sei; hilfsweise, daß der Beklagte nur gegen Zahlung der angemessenen und allgemein üblichen Urhebervergütung gemäß der Regelsammlung Verlage (Vertriebe)/Bühnen bzw. (weiter hilfsweise) in einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Höhe zur Aufführung berechtigt sei.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte könne sich nicht auf den Vertrag aus dem Jahre 1906 stützen, weil die Aufführungsrechte darin nur der Hohen General-Intendantur der königlichen Hoftheater eingeräumt worden seien; der Vertrag habe daher 1918 mit dem Ende des Königreichs Bayern seine Gültigkeit verloren. Seitdem bestehe ein vertragsloser Zustand, da die Parteien keinen neuen Vertrag geschlossen hätten. Zumindest könne sie - die Klägerin - sich gegenüber einem etwaigen Vertrag aber auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, die jedenfalls eine Anpassung an die heute üblichen Vergütungssätze rechtfertigen würden. Denn im Vergleich zum Jahre 1906 habe sich die Relation zwischen Einnahmen und Subventionen laufend verändert. Während der Opernbetrieb noch im Jahre 1906 nahezu vollständig aus verkauften Eintrittskarten finanziert worden sei, werde er inzwischen nur noch zu etwa 10 % aus Einnahmen und zu 90 % aus Subventionen finanziert. Überdies seien die Vertragsparteien im Jahre 1906 davon ausgegangen, daß das Verhältnis zwischen der Höhe der Vergütung des Urhebers (Verlegers) einerseits und der Bezahlung der Dirigenten, Solisten, Chormitglieder usw. gleichbleiben würde. Tatsächlich hätten zwar alle anderen Beteiligten von der ganz erheblichen Ausweitung des Gesamtetats der Oper profitiert, nicht jedoch der Urheber.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten und im übrigen die Ansicht vertreten, der Vertrag von 1906 bestehe fort; der Freistaat Bayern sei nicht im Wege der Rechtsnachfolge Vertragspartei geworden, es habe nur ein "Strukturwandel" stattgefunden. Auch sei die Geschäftsgrundlage des Vertrages nicht weggefallen. Bei Vertragsabschluß im Jahre 1906 habe der Gedanke an Subventionen oder sonstige Finanzquellen noch keine Rolle gespielt. Geschäftsgrundlage der Vereinbarung sei allein der Erfolg des Stückes gewesen. Subventionen seien als Anknüpfungspunkt für Urheberrechtsvergütungen ungeeignet. Die Einkünfte der an der Aufführung der Oper Beteiligten seien mit den Tantiemen der Urheber nicht vergleichbar.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage mit dem Haupt-Feststellungsantrag stattgegeben (OLG München ZUM 1988, 581 ff. mit Anm. Dietz S. 566).

Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hat die Aktivlegitimation der Klägerin bejaht und der Feststellungsklage mit dem Hauptantrag entsprochen. Es ist davon ausgegangen, daß der Vertrag aus dem Jahre 1906, dessen Fortbestand das Berufungsgericht unterstellt hat, durch die in der Klageerhebung liegende Kündigung sei die Klägerin nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage berechtigt gewesen. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt: Im Streitfall sei die objektive Geschäftsgrundlage unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung entfallen. Bei Vertragsabschluß im Jahre 1906 sei die Finanzierung des Königlichen Hoftheaters unstreitig zu ca. 18 % durch Subventionen und zu 82 % durch Einnahmen erfolgt, im Jahre 1982 hingegen zu 73 % durch Subventionen und zu 27 % aus Einnahmen. Der für die Berechnung der Tantiemen maßgebende Betrag habe sich somit auf ein Drittel reduziert. Hinzu komme, daß die Gesamtkosten des Opernbetriebs numerisch von 1906 bis 1984 um etwa das Fünfzigfache gestiegen seien. Entsprechend hätten auch die seinerzeitigen Einnahmen und Subventionen steigen müssen, damit die erhöhten Gesamtkosten hätten aufgebracht werden und es bei derselben Geschäftsgrundlage hätte bleiben können. Tatsächlich seien die tantiemepflichtigen Einnahmen um etwa das Zwanzigfache, die Subventionen um das Einhundertsechsundneunzigfache gestiegen. Im Vergleich zur Entwicklung der Gesamtkosten seien somit die Eintrittspreise um das Eineinhalbfache hinter der Kostenentwicklung zurückgeblieben, während die Subventionen die Steigerungen der Gesamtkosten noch um das Vierfache übertroffen hätten. Im Verhältnis hierzu wiederum sei die Steigerung der Einnahmen hinter der Steigerung der Subventionen um das Einhundertsechsundsiebzigfache zurückgeblieben.

Die eingetretene Äquivalenzstörung, die in den Risikobereich keiner der Parteien falle, erfordere grundsätzlich eine Anpassung an die heutigen Verhältnisse. Da der Beklagte sich geweigert habe, eine höhere Vergütung zu zahlen, sei die Klägerin berechtigt, sich im Wege der Kündigung, die in der Klageerhebung zu sehen sei, vom Vertrage zu lösen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen hinsichtlich des Hauptantrages zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden landgerichtlichen Urteils und hinsichtlich der Hilfsanträge zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Geschäftsgrundlage des Vertrages aus dem Jahre 1906 - dessen Fortbestand das Berufungsgerichts unterstellt hat - inzwischen unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung weggefallen und der Vertrag daher von der Klägerin im Wege der Kündigung wirksam aufgelöst worden sei, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Ohne Rechtsverstoß ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, daß die aus § 242 BGB hergeleiteten Regeln über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich auch auf Aufführungsverträge der vorliegenden Art anzuwenden sind. Die Sonderregelung des § 36 UrhG gilt gemäß § 132 Abs. 1 UrhG nicht für Altverträge.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Geschäftsgrundlage des streitgegenständlichen Vertrages sei entfallen, wird aber von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.

a) Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluß aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut (st. Rspr., vgl. BGHZ 25, 390, 392; 40, 334, 335 f; 61, 153, 160; 84, 1, 8 f; 89, 226, 231; BGH, Urt. v. 10.10.1984 - VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313, 314).

Das Berufungsgericht hat solche Umstände darin gesehen, daß sich die Bruttoeinnahmen der jeweiligen Opernaufführungen, nach denen die 6 %ige Tantieme zu berechnen ist, seit 1906 wesentlich verändert haben. Das Berufungsgericht hat insoweit darauf abgehoben, daß sich das Verhältnis der durch Eintrittskartenverkauf erzielten Einnahmen zu den Subventionen einerseits und das Verhältnis von Einnahmen und Subventionen zu den Gesamtkosten des Opernbetriebes andererseits erheblich geändert habe. Die Revision rügt demgegenüber mit Erfolg, daß das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob - was der Beklagte in den Tatsacheninstanzen bestritten hat - beim Vertragsabschluß im Jahre 1906 entsprechende Vorstellungen zu einem bestimmten Verhältnis der Einnahmen, Subventionen und Gesamtkosten zueinander entweder bei beiden Parteien oder nur bei einer Partei - dann aber für die andere erkennbar - bestanden haben, auf denen sie die Bemessung der Vergütung aufgebaut haben. Dem Berufungsurteil lassen sich auch sonst keine Anhaltspunkte entnehmen, die einen Rückschluß auf das Vorhandensein derartiger Vorstellungen zulassen. Der vom Berufungsgericht angeführte Umstand, daß im Jahre 1906 die Finanzierung des Königlichen Hoftheaters zu ca. 18 % durch Subventionen und zu 82 % durch Einnahmen erfolgt sei, rechtfertigt noch nicht die von ihm gezogene Schlußfolgerung, "Dieses war somit die Ausgangslage (und der Anknüpfungspunkt) bei Abschluß des Vertrages." Das im Vertrag zum Ausdruck gekommene Bemessungskriterium für die Berechnung der 6 %igen Vergütung sind die Bruttoeinnahmen aus den Aufführungen der in Frage stehenden Oper. Für die Annahme, daß der Festlegung des Prozentsatzes eine bestimmte Vorstellung von den Gesamtkosten und der gesamten Finanzierun des Opernbetriebes zugrunde lag, bedarf es konkreter Anhaltspunkte.

b) Das Berufungsurteil ist daher bereits aus diesem Grunde aufzuheben und die Sache zur weiteren tatrichterlichen Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird nunmehr zu prüfen haben, ob die von der Klägerin für das Vorliegen einer Äquivalenzstörung sonst angeführten und vom Landgericht erörterten weiteren Umstände einen Wegfall der Geschäftsgrundlage rechtfertigen. Die Klägerin hat sich insoweit insbesondere darauf berufen, die im Jahre 1906 vereinbarte Vergütung stehe in einem groben Mißverhältnis zu der heute üblichen Vergütung. Uberdies seien die Vertragsparteien im Jahre 1906 von einem gleichbleibenden Verhältnis der Einnahmen des Urhebers bzw. Verlegers einerseits und der übrigen an der Aufführung der Oper Beteiligten (Dirigenten, Solisten, Chormitglieder und Musiker) andererseits ausgegangen; tatsächlich werden alle anderen Beteiligten von den erheblichen Kostensteigerungen und der Ausweitung des Etats profitieren, nicht jedoch der Urheber bzw. sein Verleger.

Das Berufungsgericht wird bei seiner weiteren Prüfung zu beachten haben, daß bei Verträgen über Dauerschuldverhältnisse, die keine Anpassungsklausel enthalten, eine nachträgliche Anderung der vereinbarten Vergütung aus Billigkeitsgesichtspunkten nur ganz ausnahmsweise unter besonderen Umständen in Betracht kommt. Ist ein Dauerschuldverhältnis auf mehrere Jahrzehnte - hier für die Dauer des Urheberrechtsschutzes an der Oper "Salome" (vgl. nachfolg. unter II. 2. a) - begründet worden, so ist, wenn eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzstörung) als Anpassungsgrund geltend gemacht wird, zu berücksichtigen, daß Verträge mit einer so langen Laufzeit immer in die nicht absehbare Zukunft hineinführen. Die bei sonstigen Austauschverträgen im allgemeinen berechtigte Annahme, daß Leistung und Gegenleistung von den Vertragsparteien als einander gleichwertig angesehen werden, muß daher bei Verträgen mit einer sich über mehrere Jahrzehnte erstreckenden Laufzeit mit der Einschränkung verstanden werden, daß die Vertragsparteien nicht damit rechnen konnen, diese Gleichwertigkeit werde für die ganze Vertragsdauer erhalten bleiben. Es fällt unter das normale Risiko solcher Verträge, daß sich die den Wert der vereinbarten Leistungen beeinflussenden Verhältnisse während der Vertragsdauer zugunsten des einen oder des anderen Vertragspartners ändern können. Im Streitfall war es das Risiko beider Parteien, daß sich die Einnahmen aus dem Eintrittskartenverkauf erhöhen oder verringern konnten. Eine Äquivalenzstörung kann in solchen Fällen ein Anpassungsverlangen nur dann rechtfertigen, wenn das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung (oder jedenfalls das ursprünglich zugrunde gelegte Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung) so stark gestört ist, daß die Grenze des übernommenen Risikos überschritten wird und die benachteiligte Vertragspartei in der getroffenen Vereinbarung ihr Interesse nicht mehr auch nur annähernd gewahrt sehen kann (vgl. BGHZ 90, 227 f zur Erhöhung eines Erbbauzinses). Eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage kann deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn dies zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht vereinbarer und damit der betroffenen Vertragspartei nicht zumutbarer Folgen unabweislich erscheint (vgl. BGHZ 84, l, 9; BGH, Urt. v. 8.2.1985 - VIII ZR 254/82, NJW 1984, 1746, 1747). Insoweit ist ein strenger Maßstab anzulegen (BGH NJW 1985, 313, 314).

Es wird im Streitfall maßgebend darauf ankommen, ob die beiderseitigen Vertragspflichten bei einem Vergleich der vereinbarten Vergütung mit der heute üblichen Vergütung in ein so grobes Mißverhältnis geraten sind, daß eine die "Opfergrenze" überschreitende Äquivalenzstörung anzunehmen ist und deshalb eine Anpassung an die heutigen Verhältnisse unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten unabweislich erscheint; wobei das Berufungsgericht zu klären haben wird, ob von den Verhältnissen von 1906 oder von 1918/19 auszugehen ist (vgl. nachfolg. unter II. 2. a). Es wird dabei vor allem unter Berücksichtigung des von dem Beklagten vorgelegten Zahlenmaterials gegenüberzustellen haben, welche Einnahmen die Klägerin auf der Grundlage der alten Vergütungsregelung für die einzelnen Aufführungen in den letzten Jahren tatsächlich erhalten hat und welche sie bei Zugrundelegung der heute üblichen Sätze erhalten hätte. Ergibt sich insoweit ein grobes Mißverhältnis, so wird das Berufungsgericht im Rahmen der Zumutbarkeit weiter zu prüfen haben, ob eine Anpassung auch unter Berücksichtigung der Anderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen (Lebenshaltungskosten, Einkommen) und im besonderen an der Oper der Billigkeit entspricht. Führt auch diese weitere Prüfung zu der Feststellung, daß die beiderseitigen Vertragspflichten in einem schlechthin unerträglichen Mißverhältnis stehen, so wird der Klägerin ein Festhalten an der alten Vergütungsregelung nicht mehr zumutbar sein.

Das Berufungsgericht wird bei seiner weiteren Prüfung zu beachten haben, daß auch eine wesentliche Anderung der Subventionspraxis nicht ohne weiteres zu berücksichtigen ist. Grundlage für die Zubilligung einer - Urheberrechtsvergütung ist der von der Rechtsprechung anerkannte tragende Leitgedanke des Urheberrechts, daß der Urheber tunlichst angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen, der aus seinem Werk gezogen wird, zu beteiligen ist (st. Rspr., vgl. zuletzt BGHZ 92, 54, 57 - Zeitschriftenauslage in Wartezimmern; 97, 37, 43 - Filmmusik; BGH, Urt. v. 2.2.1989 - I ZR 100/87, GRUR 1989, 416, 418 - Kauf mit Rückgaberecht). Daraus folgt, daß in den Fällen, in denen wie hier eine Beteiligung an den Einnahmen vereinbart ist, die Vergütung grundsätzlich an den Erträgnissen aus der Nutzung des Werkes zu bemessen ist (vgl. auch § 36 UrhG). Bei der Übertragung des Aufführungsrechts einer Oper bedeutet dies, daß der Urheber an dem Erfolg, wie er sich in den Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten für Aufführungen der Oper niederschlägt, zu beteiligen ist. Umstände, die - wie schwindende Erträge infolge rückläufiger Besucherzahl und steigende Gesamtkosten des Opernbetriebes - im kulturellen Interesse Subventionen erforderlich machen, können in aller Regel nicht zu einer Erhöhung der Vergütung führen; zumal sie sich auch nicht am Aufwand für die Aufführung des einzelnen Werkes orientieren. Maßgebend ist in erster Linie, daß der Beklagte von den Opernbesuchern Preise verlangt, die diese nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen zu leisten bereit sind. Insoweit hat der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, daß die Bayerische Staatsoper diejenigen höchstmöglichen Eintrittspreise verlange, bei denen noch mit ausreichendem Besuch der Aufführungen zu rechnen sei, und daß der Beklagte die Möglichkeit des "Marktes", d.h. der Zahlungsbereitschaft interessierter Besucherkreise, durch die Gestaltung der Eintrittspreise voll ausgeschöpft habe.

2. Unabhängig vom Ergebnis der weiteren Feststellungen erweist sich die Klage mit dem auf Feststellung gerichteten Hauptantrag, daß der Beklagte vertraglich nicht zur Aufführung der Oper "Salome" berechtigt sei, schon jetzt als unbegründet. Denn selbst wenn die Klägerin sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen könnte, würde dies im Streitfall nur eine Anpassung der Urheberrechtsvergütung, die die Klägerin mit ihren Hilfsanträgen begehrt, und nicht eine Auflösung des Aufführungsvertrages rechtfertigen.

a) Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte - anders als die Revision meint - durch Vertrag die Aufführungsrechte an der Oper "Salome" für die Dauer der urheberrechtlichen Schutzfrist erworben hat. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Rechtserwerb - wie vom Berufungsgericht zugunsten des Beklagten unterstellt - auf dem ursprünglichen Vertrag aus dem Jahre 1906 beruht oder ob es im Jahre 1918/19 zu einem neuen Vertragsabschluß gekommen ist. Der Inhalt des § 2 des Vertrages von 1906 scheint dafür zu sprechen, daß dieser Vertrag mit dem Ende des Königreichs Bayern erloschen ist. Denn nach der dort enthaltenen Regelung erfolgte die Rechtseinräumung ausdrücklich "l. nur für die Hohe General-Intendantur" und "2. nur für die Zeit, während welcher die Hoftheater unter königlicher Verwaltung stehen". Letztlich kann die Frage der Fortgeltung des alten Vertrages aus dem Jahre 1906 aber offenbleiben, weil es 1918/19 zumindest zum konkludenten Abschluß eines Vertrages zwischen dem Komponisten und Verleger einerseits und dem Beklagten andererseits mit dem Inhalt des Vertrages aus dem Jahre 1906 gekommen ist. Dies folgt - wie das Landgericht zu Recht angenommen hat - daraus, daß die Parteien ihr Vertragsverhältnis in der Folgezeit noch jahrzehntelang zu den Bedingungen des Altvertrages abgewickelt haben und daß die Klägerin die Zahlungen des Beklagten - jedenfalls bis zum Jahre 1974 - ohne jeden Widerspruch hingenommen hat. Der von der Klägerin unter Berufung auf das von ihr vorgelegte Gutachten Prof. Dr. N. angeführte Umstand, daß das Aufführungsrecht angesichts der Ausgestaltung in § 2 des Vertrages von 1906 als einfaches dingliches Nutzungsrecht anzusehen ist, steht der Annahme eines konkludenten Vertragsabschlusses nicht entgegen. Zwar wäre das dingliche Recht mit dem Erlöschen des Altvertrages zunächst wieder an die Rechtsinhaber zurückgefallen. Die jahrzehntelange Vertraghandhabung spricht aber dafür, daß dieses Recht dem Beklagten - in rechtlich zulässiger Weise - zumindest stillschweigend eingeräumt worden ist. Auch der schon damals geltende Zweckübertragungsgedanke, wie er heute in § 31 Abs. 5 UrhG seinen Ausdruck gefunden hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Danach ist zwar davon auszugehen, daß der Urheber im Zweifel Nutzungsrechte nur in dem Umfang einräumen will, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Gleichwohl kann sich die Klägerin im Streitfall nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Aufführungsrechte entsprechend der schon damals geltenden Vertragspraxis nur für die jeweils laufende Spielzeit eingeräumt worden seien, und daß die Rechtseinräumung dann durch den Abschluß neuer Verträge immer wieder verlängert worden sei. Es kann auf sich beruhen, ob schon seinerzeit der Abschluß von Aufführungsverträgen zunächst nur für eine Spielzeit der Regel entsprach.

Denn hier bestand 1918/19 bereits eine langjährige Vertragspraxis, die dann kontinuierlich fortgesetzt worden ist. In einem solchen Fall kann vom Rechtsinhaber erwartet werden, daß er, wenn er eine Abweichung von der bisherigen Praxis wünscht, einen entsprechenden Vorbehalt anbringt. Für einen solchen Vorbehalt lassen sich den Akten keine Anhaltspunkte entnehmen. Der Beklagte durfte deshalb angesichts der widerspruchslosen Fortsetzung der Vertragsbeziehungen davon ausgehen, daß auch weiterhin die Bedingungen des Altvertrages aus dem Jahre 1906 gelten sollten. Dies gilt auch für die Vertragsdauer. Da der Vertrag von 1906 keine zeitliche Befristung enthält, ist auch - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - für die Folgezeit mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer nur durch die Dauer der gesetzlichen Schutzfrist beschränkten Rechtseinräumung auszugehen. Eine Auflösung im Wege ordentlicher Kündigung scheidet daher im Streitfall aus.

b) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts rechtfertigt aber auch die - einer weiteren tatrichterlichen Aufklärung bedürftige und daher für die Prüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellende - Anwendung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage keine Auflösung des Aufführungsvertrages. Auch bei Dauerschuldverhältnissen gilt der Grundsatz, daß beim Wegfall der Geschäftsgrundlage die Aufrechterhaltung des Vertrages in Gestalt der Anpassung an die veränderten Verhältnisse Vorrang gegenüber der Vertragsauflösung genießt (st. Rspr., vgl. BGHZ 47, 48, 51 f; 89, 226, 238 f; BGH NJW 1984, 1746, 1747). Eine Auflösung kommt nur ganz ausnahmsweise in Betracht, wenn dem Kläger ein weiteres Festhalten am Vertrage auch mit einem angepaßten Inhalt unzumutbar ist. Davon kann im Streitfall keine Rede sein. Die Klägerin hat im Prozeß immer wieder betont, daß es ihr nicht darum geht, dem Beklagten die weitere Aufführung der Oper zu untersagen, sondern ausschließlich um eine Erhöhung der Vergütung (vgl. Klageschrift S. 7). Sie hat überdies darauf hingewiesen, sie habe seit Mitte der 60iger Jahre ständig versucht, die Frage der Vergütungserhöhung gutlich zu regeln (vgl. Berufungsbegründung S. 18 und Schriftsatz vom 3.2.1988 S. 9). Sie verweist außerdem auf ihr Schreiben vom 3. September 1974, mit dem sie den Beklagten auf das bestehende Mißverhältnis hingewiesen habe (Klageschrift S. 7). Die Aquivalenzstörung zeichnete sich damit schon viel länger ab, ohne daß die Klägerin dies zum Anlaß genommen hat, eine Auflösung des immerhin seit mehr als 80 Jahren bestehenden Vertrages zu verlangen. Unter diesen Umständen erscheint es ihr zumutbar, zunächst eine gerichtliche Klärung der Frage der Anpassung der Vergütung herbeizuführen. Die Weigerung des Beklagten bis zu einer solchen Klärung läßt sich nicht als treuwidrig beurteilen. Im übrigen geht die Klägerin selbst davon aus, daß der Beklagte sich an eine gerichtliche Festsetzung einer höheren Vergütung halten würde (vgl. Berufungsbegründung S. 19).

Die vom Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung angeführte BGH-Entscheidung (BGH, Urt. v. 21.11.196 - VII ZR 89/66, NJW 1969, 233, 234) betraf eine andere Fallgestaltung, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist. Dort ging es um die Frage, ob der Beklagten ohne eine gebotene Erhöhung der Vergütung eine Fortsetzung begonnener Werklohnarbeiten zumutbar war.

Kommt damit vorliegend eine Auflösung des Vertrages nicht in Betracht, so kommt es auf die von der Revision gegen die Wirksamkeit der Kündigung, die - anders als die Revisionserwiderung meint - hier zur Vertragsauflösung erforderlich wäre (vgl. BGHZ 101, 143, 150), vorgebrachten Revisionsangriffe und die weitere Rüge aus § 308 ZPO nicht mehr an.

III. Die Revision führt danach hinsichtlich des Hauptantrages zur Wiederherstellung des die Klage insoweit abweisenden landgerichtlichen Urteils. Hinsichtlich der Hilfsanträge ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993040

NJW 1991, 1478

BGHR BGB § 242 Geschäftsgrundlage 21

BGHR BGB § 242 Geschäftsgrundlage 22

BGHR UrhG vor §§ 31 ff., Altverträge 1

EWiR 1990, 1237

GRUR 1990, 1005

MDR 1991, 217

ZUM 1990, 87

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