Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch der Versicherung gegen Schädiger auf Erstattung der gezahlten Beträge an Hinterbliebene

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Innenverhältnis zwischen LVA und Berufsgenossenschaft als Gesamtgläubiger des auf sie übergegangenen Unterhaltsersatzanspruchs der Hinterbliebenen, soweit es um den Beitrag zur Krankenversicherung der Rentner geht.

 

Normenkette

BGB §§ 428, 844 Abs. 2; RVO § 393a Abs. 1; RVO a.F. § 1542

 

Tenor

  1. Auf die Rechtsmittel der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Saarbrücken vom 24. Juni 1988 in Ziffer I 1 aufgehoben und wie folgt gefaßt:

    Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 21.247,55 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. August 1985 zu zahlen.

  2. Im übrigen wird die Revision der Klägerin zurückgewiesen.

    Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

Am 7. Dezember 1981 erfaßte der Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten VW-Bus den mit Straßenbauarbeiten beschäftigten Polier H.. H. erlitt hierbei schwere Verletzungen, an denen er am 4. Januar 1982 verstarb. Im Revisionsverfahren ist außer Streit, daß die Beklagten in den Grenzen einer Haftung nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG für die Unfallfolgen aufzukommen haben.

H. war bei der klagenden Landesversicherungsanstalt rentenversichert. Sie erbringt neben der S.-Bau-Berufsgenossenschaft (im folgenden: Berufsgenossenschaft) an die Witwe des H. und seine drei Kinder Leistungen. Die Leistungen der Berufsgenossenschaft betrugen in der Zeit vom 4. Januar 1982 bis zum 31. März 1985 insgesamt 86.086,10 DM. Die von der Klägerin an die Hinterbliebenen gezahlten Renten beliefen sich in diesem Zeitraum auf 35.485,71 DM. Außerdem führte die Klägerin als Beiträge zur Krankenversicherung der Hinterbliebenen insgesamt 4.090,18 DM ab. Dieser Betrag umfaßt die von ihr gemäß § 1304 e RVO zu erbringenden Beitragszuschüsse von 3.914,74 DM und 175,44 DM gemäß § 393 a Abs. 1 RVO von den Renten einzubehaltende Beiträge. Es steht außer Streit, daß die Hinterbliebenen, würde H. noch leben, von seinem Nettoeinkommen in dem genannten Zeitraum für ihren Unterhalt 58.998,82 DM hätten beanspruchen können.

Mit der Klage hat die Klägerin von den Beklagten aus übergegangenem Recht (§ 1542 RVO a.F.) die Erstattung unfallbedingter Aufwendungen in Höhe von 21.311,40 DM nebst Zinsen verlangt. Dabei hat sie - unter anteiliger Kürzung entsprechend den Größenverhältnissen ihrer Rentenleistungen und der Leistungen der Berufsgenossenschaft - den auf die Rentenzahlungen entfallenden Anspruch auf 17.221,22 DM beziffert. Hinsichtlich der Aufwendungen für den Krankenversicherungsschutz der Hinterbliebenen des H. hat die Klägerin Erstattung der von ihr abgeführten Beträge von insgesamt 4.090,18 DM verlangt. Ferner hat sie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für ihre weiteren unfallbedingten Aufwendungen im Rahmen des Übergangsfähigen Schadens begehrt.

Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag der Klägerin und ihrem Antrag auf (anteilige) Erstattung der Aufwendungen für die Rentenleistungen stattgegeben. Den Anspruch auf Ersatz ihrer Leistungen zur Krankenversicherung der Hinterbliebenen hat das Landgericht mit der Begründung verneint, die Klägerin habe diese Leistungen nicht nachgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Zahlungsklage in Höhe von 21.196,16 DM stattgegeben und den Feststellungsausspruch dahin abgeändert, daß die Beklagten nur im Rahmen des Straßenverkehrsgesetzes haften.

Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag in Höhe des restlichen Betrages von 115,24 DM weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

In der Revisionsinstanz geht es nur noch um die Frage, ob die Klägerin von den Beklagten nach dem hier noch anzuwendenden früheren § 1542 RVO die volle Erstattung der Beiträge verlangen kann, die sie gemäß § 393 a Abs. 1 RVO für die Hinterbliebenen von H. an den Träger der Krankenversicherung abgeführt hat. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der von ihr gemäß §§ 393 a Abs. 1 Satz 2, 1304 e RVO in Höhe von 3.914,74 DM gezahlten Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung zuerkannt. Den weiteren Betrag von 175,44 DM, den die Klägerin im Abrechnungszeitraum gemäß § 393 a Abs. 1 RVO an den Träger der Krankenversicherung abgeführt hat, kann sie hingegen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht voll ersetzt verlangen. Bei diesem Betrag handele es sich nicht um eigene Leistungen der Klägerin, vielmehr habe sie den Betrag von den Renten der Hinterbliebenen einbehalten und an den Krankenversicherer lediglich weitergeleitet. Es handele sich also um einen eigenen Beitrag der Hinterbliebenen des H. zu ihrer Krankenversicherung (sog. Selbstbeteiligung der Rentner). Die Klägerin sei deshalb insoweit nicht aktivlegitimiert. Es gehe hier vielmehr um einen Restschaden, zu dessen Geltendmachung gegenüber dem Schädiger allein die Hinterbliebenen berechtigt seien. Für diesen den Rentenleistungen der Klägerin entnommenen Betrag könne die Klägerin nach dem früheren § 1542 RVO Regreß nur in den Ersatzanspruch der Hinterbliebenen wegen des entgangenen Barunterhalts unter entsprechenden anteiligen Kürzungen nehmen. Dadurch erhöhe sich der auf die Rentenleistungen der Klägerin entfallende anteilige Erstattungsbetrag im Innenverhältnis zur Berufsgenossenschaft auf 17.281,42 DM, so daß sie von den Beklagten einschließlich des auf die Beitragszuschüsse entfallenden Erstattungsanspruchs insgesamt 21.196,16 DM verlangen könne.

II.

Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.

1.

Die Hinterbliebenen des H. haben gegen die Beklagten aus dem Unfall nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 10 Abs. 2 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG einen Anspruch auf Ersatz ihres Unterhaltsschadens erlangt. Dieser Schadensersatzanspruch erfaßte nicht nur den Verlust ihres Anspruchs auf Versorgung aus den Nettobezügen des H.. Zur Unterhaltspflicht des Getöteten gehörte außer der Zurverfügungstellung der auf seine Hinterbliebenen entfallenden Anteile an seinem Nettoeinkommen auch die Verschaffung des Schutzes der gesetzlichen Krankenversicherung. Zu seinen Lebzeiten sind die Angehörigen von H. nach § 205 RVO in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichert gewesen, ohne daß dadurch besondere Aufwendungen entstanden wären und den Anspruch der Angehörigen auf den Barunterhalt verkürzt hätten. Seit dem Tod von H. sind seine Hinterbliebenen in der gesetzlichen Krankenversicherung nach Maßgabe von §§ 165 Abs. 1 Nr. 3, 180 Abs. 5 und 6, 381 Abs. 2 RVO beitragspflichtig. Die Hinterbliebenen haben deshalb gegen die Beklagten außerdem einen Anspruch auf Zahlung der Beiträge erworben, die entrichtet werden müssen, um ihnen den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten. Dabei handelt es sich aber nur um Rechnungsfaktoren eines einheitlichen Anspruchs auf Ersatz ihres Unterhaltsschadens (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1960 - VI ZR 183/59 - VersR 1960, 1122, 1124).

Dieser einheitliche Schadensersatzanspruch der Hinterbliebenen ist nach Maßgabe des früheren § 1542 RVO im Zeitpunkt des Unfalls auf die Klägerin übergegangen. Da neben der Klägerin aber auch die Berufsgenossenschaft aus dem Unfall zur Zahlung von Renten an die Hinterbliebenen des Getöteten verpflichtet war, ist der Schadensersatzanspruch der Hinterbliebenen auch auf diese übergegangen. Das Erfordernis der Kongruenz ist wegen der Leistungen sowohl der Klägerin als auch der Berufsgenossenschaft erfüllt, und zwar auf Seiten der Klägerin auch insoweit, als sie nach den Rentenbezügen bemessene Beiträge zur Krankenversicherung der Hinterbliebenen geleistet hat (vgl. Senatsurteile vom 8. November 1960 - a.a.O. S. 1124; vom 1. Juli 1969 - VI ZR 216/67 - VersR 1969, 898, 899 f. und vom 20. Dezember 1977 - VI ZR 110/76 - VersR 1978, 323, 324). Auch das Senatsurteil vom 15. Oktober 1985 - VI ZR 55/84 - VersR 1986, 264, 267 beruht nicht auf einem anderen Ausgangspunkt. Da der übergegangene Schadensersatzanspruch zur vollen Deckung der durch den Unfall ausgelösten Leistungen der Klägerin und der Berufsgenossenschaft aber nicht ausreicht, ist zwischen beiden eine Anspruchskonkurrenz entstanden. Sie sind Gesamtgläubiger; im Innenverhältnis bestimmt sich ihre Berechtigung nach dem Größenverhältnis ihrer unfallbedingten Leistungen (BGHZ 28, 68, 73 ff.). Die Klägerin hat deshalb ihren Klageanspruch, soweit sie ihn aus ihren Rentenleistungen ableitet, von vornherein auf den Anteil beschränkt, der auf sie im Innenverhältnis zur Berufsgenossenschaft entfällt. Dies blieb ihr unbenommen (vgl. Senatsurteil vom 8. November 1960 - a.a.O. S. 1123).

Obwohl sich die Gesamtgläubigerschaft auf den gesamten Unterhaltsersatzanspruch der Hinterbliebenen und damit auch auf den Teil erstreckt, der dazu dient, den Hinterbliebenen den Schutz der Krankenversicherung zu verschaffen, ist es der Berufsgenossenschaft aber verwehrt, auch insoweit eine Teilhabe an den Schadensersatzleistungen der Beklagten zu beanspruchen. Die Berufsgenossenschaft hat zur Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes der Hinterbliebenen keinen Beitrag geleistet. Es besteht deshalb auch kein Grund, sie im Innenverhältnis an Erstattungsbeträgen des Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers zu beteiligen, die dem Ausgleich von Leistungen dienen, die zur Aufrechterhaltung der Rechtsposition der Hinterbliebenen in der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht worden sind (vgl. Senatsurteil vom 1. Juli 1969 - a.a.O. S. 898, 900).

2.

Soweit allerdings die von der Klägerin abgeführten Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner nicht aus den von ihr nach § 1304 e RVO zu zahlenden Zuschüssen stammen, sondern gemäß § 393 a Abs. 1 S. 2 RVO von den Renten der Hinterbliebenen aus der Rentenversicherung einzubehalten sind, fehlt es an einem rechtlichen Grund dafür, der Klägerin für ihren Regreß die Ersatzforderung im Innenverhältnis zu der Berufsgenossenschaft allein zuzuweisend Zutreffend beurteilt das Berufungsgericht diese Zahlungen nicht als Leistungen der Klägerin zur Krankenversicherung.

Insoweit führen diese Zahlungen vielmehr zu einer entsprechenden Kürzung der Renten der Hinterbliebenen. Das bedeutet, daß diese Leistungen aus dem Vermögen der Hinterbliebenen herrühren und damit als deren eigene Leistungen zu qualifizieren sind. Sie dienen der Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels, die Rentner an den unvermeidlichen Belastungen zur Sicherung der Rentenfinanzen angemessen zu beteiligen (vgl. BT-Drucks. 10/2889 S. 5). Dem läßt sich nicht mit der Revision entgegenhalten, daß die Zahlung dieser Beiträge durch die Klägerin erfolgt ist. Angesichts der Rechtsfolgen dieser Zahlung - der entsprechenden Kürzung der an die Hinterbliebenen zu zahlenden Renten - ist dieser Vorgang für die Klägerin nicht mit finanziellen Aufwendungen verbunden. Er bedeutet für sie nicht mehr als die Belastung mit einer geschäftsmäßigtechnischen Abwicklung, die der Vermeidung des Verwaltungsaufwandes dient, der unausweichlich wäre, wenn die Rentner selbst die von ihnen zu leistenden Beträge an die Träger der Krankenversicherung abführen müßten. Der Revision kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie geltend macht, die hier in Rede stehenden Beträge seien mit ihrer Einbehaltung nach § 393 a RVO, zu einem Sozialversicherungsbeitrag der Klägerin geworden. Vielmehr läßt die abwicklungstechnische Anordnung, die § 393 a Abs. 1 RVO für die Träger der Rentenversicherung trifft, die Rechtsnatur der Leistungen unberührt. Die Vorschrift stellt klar, daß es sich bei diesen Leistungen im Verhältnis zwischen dem Träger der Rentenversicherung und dem Rentner um Teile der Rente handelt. Nur dies entspricht auch der gesetzgeberischen Zielsetzung. Den Hinterbliebenen entsteht durch diese Kürzung ihrer Rente ein Nachteil, für den der Schädiger im Rahmen seiner Verpflichtung zum Ersatz des Unterhaltsschadens aufkommen muß (vgl. Fuchs, NJW 1986, 2343, 2345; Hartung, VersR 1986, 520, 521; Küppersbusch in Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 4. Aufl., Rdnr. 169).

3.

Das bedeutet indes nicht, daß insoweit der Ersatzanspruch der Hinterbliebenen von H. von einem Forderungsübergang auf die Klägerin nach dem früheren § 1542 RVO ausgenommen und in der Aktivlegitimation der Hinterbliebenen verblieben wäre, wie das Berufungsgericht offenbar meint. Dem steht entgegen, daß - wie schon gesagt - dieser vom Schädiger auszugleichende Nachteil nur ein unselbständiger Rechnungsfaktor für die Berechnung des einheitlichen Unterhaltsersatzanspruchs der Hinterbliebenen ist, der auch insoweit der Sicherung ihres Unterhalts dient, deshalb auch in dieser Beziehung mit den Rentenleistungen der Berufsgenossenschaft und der Landesversicherungsanstalt sachlich kongruent und daher für einen Regreß wegen dieser Sozialversicherungsleistungen nach § 1542 a.F. RVO auf die Sozialversicherungsträger übergegangen ist, soweit diese die Hinterbliebenen in voller Höhe schadlos zu stellen haben. Das ist hier der Fall. Nach den vorstehenden Erwägungen haben die Beklagten als Unterhaltsschaden den entgangenen Barunterhalt von 58.998,82 DM und den Aufwand für die Krankenversicherung der Rentner von 4.090,18 DM, mithin 63.089,00 DM zu ersetzen. Dieser Unterhaltsschaden wird durch die Leistungen der Sozialversicherungsträger von (86.086,10 DM + 39.575,89 DM =) 125.661,99 DM voll abgedeckt. Deshalb sind die Hinterbliebenen als Ersatzgläubiger nicht mehr aktivlegitimiert; an ihre Stelle sind vielmehr die beiden Sozialversicherungsträger als Gesamtgläubiger getreten. Im Innenverhältnis zur Berufsgenossenschaft kann sich die Klägerin wegen ihres nicht aus der Rente entnommenen Zuschusses zu den Aufwendungen zur Krankenversicherung der Rentner von 3.914,74 DM aus der übergegangenen Ersatzforderung unverkürzt befriedigen. In den verbliebenen Unterhaltsersatzanspruch von (58.998,82 DM + 175,44 DM =) 59.174,26 DM haben sich wegen ihrer noch nicht gedeckten Gesamtleistung von (125.661,99 DM ./. 3.914,74 DM =) 121.747,25 DM im Innenverhältnis beide Gesamtgläubiger nach dem Verhältnis ihrer Rentenleistungen zu teilen. Dabei ist zu beachten, daß die Klägerin den Betrag von 175,44 DM, auch wenn sie ihn als Rentnerselbstbehalt an die Krankenversicherung der Rentner abführt, als Rente an die Hinterbliebenen schuldet, mithin mit einer Rentenleistung von (35.485,71 DM + 175,44 DM =) 35.661,15 DM beteiligt ist. Damit beläuft sich der auf die Klägerin übergegangene Anspruchsteil auf 17.332,81 DM (59.174,26 DM [Unterhaltsschaden] × 35.661,15 DM [Rentenleistungen der Klägerin einschließlich abgeführter Beiträge]: 121.747,25 DM [Rentengesamtbetrag]). Hinzu kommt der für die Beitragszuschüsse aufgewandte, ihr allein zustehende Betrag von 3.914,74 DM, so daß der Klägerin 21.247,55 DM zuzuerkennen sind.

 

Unterschriften

Dr. Steffen

Dr. Kullmann

Dr. Macke

Dr. Lepa

Dr. Birkmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456593

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