Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterhaftung bei Verwertung mangelhafter Aufzeichnungen des Mandanten. Schadensverteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Verantwortlichkeit des Steuerberaters bei Verwerfung der Buchführung durch das Finanzamt wegen mangelhafter, vom Steuerpflichtigen selbst geführten Grundaufzeichnungen und Schadensverteilung nach § 254 BGB.

 

Normenkette

StBerG § 68; BGB § 254

 

Tatbestand

Die Beklagte betrieb seit Herbst 1963 in A ein Hotel mit Restaurant und Bar. Sie beauftragte im August 1963 den Kläger, ihre sämtlichen Steuerangelegenheiten und die Buchhaltung zu bearbeiten. Sein Aufgabengebiet umfaßte die Erstellung der Kassenberichte, die Buchführung und die Anfertigung der Bilanzen sowie der Steuererklärungen. Die Uraufzeichnungen über die täglichen Einnahmen und Ausgaben machte die Beklagte selbst in einem „Schmierbuch”. Sie kündigte das Vertragsverhältnis zum 31. 12.1964. Bis dahin hatte sie dem Kläger 4.000 DM Honorar gezahlt.

Der Kläger hat mit der Klage für seine Tätigkeit restliche Gebühren von 5.562 DM gefordert. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat widerklagend einen Schadensersatzanspruch von 50.000 DM geltend gemacht. Dazu hat sie vorgetragen, die Buchführung des Klägers sei mangelhaft gewesen und sei deshalb vom Finanzamt A verworfen worden. Dadurch seien ihr erhebliche Steuervorteile entgangen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 4.587,90 DM nebst Zinsen stattgegeben und hat sie im übrigen sowie die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Klage ganz abgewiesen und auf die Widerklage den Kläger zur Zahlung von 4.552,35 DM nebst Zinsen verurteilt sowie festgestellt, daß er den der Beklagten weiter entstehenden Schaden zu 1/4 ersetzen habe. Im übrigen hat es die Widerklage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision erhoben; sie verfolgt ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Der Kläger hat unselbständige Anschlußrevision eingelegt mit dem Ziel, daß das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt und die Feststellungswiderklage abgewiesen werde. Beide Parteien beantragen die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

1. Wie jetzt unstreitig ist, hat der Kläger gegen die Beklagte noch eine restliche Gebührenforderung von 3.887,90 DM. Die Parteien streiten ferner nicht mehr darüber, daß der Beklagten ein hoher Schaden entstanden ist, weil das Finanzamt ihre Buchführung verworfen hat.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, beide Parteien seien für die Entstehung dieses Schadens verantwortlich. Die Beklagte treffe aber an der Verwerfung der Buchführung ein überwiegendes ursächliches Mitverschulden, denn sie habe das „Schmierbuch”, das dem Kläger als Grundlage für seine Tätigkeit gedient habe, nicht vollständig und richtig geführt. Das Oberlandesgericht kommt deshalb zum Ergebnis, die Beklagte müsse gemäß § 254 BGB 3/4 ihres Schadens selbst tragen. Es macht folgende Rechnung auf:

Schadenersatzforderung der Beklagten 1/4 von 33.761

8.440,25 DM

abzüglich Gebührenforderung des Klägers

3.887,90 DM

Forderung der Beklagten gegen den Kläger

4.552,35 DM.

Aus demselben Grunde hat das Berufungsgericht der Feststellungswiderklage der Beklagten nur zu 1/4 stattgegeben.

2. Die Beklagte greift mit ihrer Revision lediglich die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der ursächlichen Mitverantwortlichkeit beider Parteien nach § 254 BGB an. Das Rechtsmittel kann keinen Erfolg haben.

a) Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Verteilung der Verantwortlichkeit für einen entstandenen Schaden im Rahmen des § 254 BGB dem Gebiet der dem Tatrichter obliegenden Würdigung angehört. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob das Tatgericht alle Unterlagen ordnungsgemäß festgestellt, bei der Abwägung verwertet- und nicht gegen die durch die Denkgesetze und Erfahrungssätze dem Tatrichter gesetzten Grenzen der Entscheidung verstoßen hat (BGH, NJW 1952, 1329; LM § 254 [G] BGB Nr. 3 § 13 StVO Nr. 5). Auch der erkennende Senat hat das schon verschiedentlich zum Ausdruck gebracht (BGHZ 51, 275, 239; NJW 1970, 461). Dem Berufungsgericht ist insofern kein Rechtsfehler unterlaufen.

b) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. etwa BGH-Urteile vom 24.6.1968 – VI ZR 50/66 –, BB 1968, 1263 und vom 1.7.1971 – VII ZR 295/69 –, WM 1971, 1206) trifft allerdings in aller Regel die Verantwortung für die Verwerfung der Buchhaltung durch das Finanzamt infolge mangelhafter Buchführung in erster Linie den mit der Buchführung betrauten Steuerberater. Das schließt jedoch eine Schadensverteilung, wie sie hier getroffen worden ist, nicht aus. Es ist nicht erkennbar, daß das Berufungsgericht den angeführten Grundsatz außer acht gelassen hätte. Es wertet das Verhalten des Klägers nach den hier gegebenen besonderen Umständen nur anders.

c) Dabei läßt es keinen rechtserheblichen Gesichtspunkt unberücksichtigt. Das gilt insbesondere für den von der Revision in den Vordergrund gerückten Vorwurf gegen den Kläger, er hätte das System der ihm anvertrauten Buchhaltung überprüfen und etwaige ihr innewohnende Mängel abstellen müssen. Darauf hebt das Berufungsgericht ab, wenn es dem Kläger außer der fehlerhaften Führung des Kassenbuches und den von ihm vorgenommenen Nachbuchungen auch zur Last legt, er habe die Beklagte (jedenfalls von einem bestimmten Zeitpunkt an) nicht in der erforderlichen Weise bei der Anfertigung der Grundaufzeichnungen überwacht.

Dem Berufungsgericht war es gleichwohl nicht verwehrt, nach Lage des Falles als die schwerwiegendere Ursache für die Verwerfung der Buchführung durch das Finanzamt die mangelhaften Eintragungen der Beklagten in das „Schmierbuch” anzusehen. Dabei hat das Berufungsgericht durchaus in Betracht gezogen, daß die Beklagte, wie sie geltend macht, in steuerlichen Dingen keine Erfahrung besessen hat. Denn das Berufungsgericht umschreibt die Aufzeichnung der laufenden Ein- und Ausgaben zutreffend als einen höchst einfachen buchungstechnischen Vorgang, zu dem keine besonderen Kenntnisse erforderlich seien. Jeder Gewerbetreibende wisse, daß diese Grundaufzeichnungen ordnungsgemäß vorgenommen werden müßten.

Die Abwägung der beiderseitigen Mitverantwortlichkeit durch das Berufungsgericht ist daher, soweit sie zu Lasten der Beklagten geht, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

3. Auch die Anschlußrevision des Klägers bleibt erfolglos.

a) Zu Unrecht meint er, seine etwaigen Pflichtwidrigkeiten seien für den eingetretenen Schaden gar nicht ursächlich geworden. Demgegenüber stellt das Berufungsgericht fest, daß das Fehlverhalten beider Parteien, wenn auch jedes für sich allein, zur Verwerfung der Buchführung und damit zum Verlust der Steuervorteile geführt hat. Beruht aber ein Schaden auf zwei Umständen, so sind beide ursächlich, selbst wenn einer genügt hätte (vgl. etwa Senatsurteil vom 6.5.1971 – VII ZR 302/69, WM 1971, 1056, 1058).

b) Entgegen der Ansicht der Anschlußrevision durfte das Berufungsgericht mitberücksichtigen, daß der Kläger die Beklagte nicht hinreichend darauf hingewiesen hat, welche steuerlichen Folgen fehlerhafte Grundaufzeichnungen haben können. Der Beweis für eine objektive Verletzung der den Kläger insoweit treffenden Überwachungspflicht, das ist der Anschlußrevision zuzugeben, oblag allerdings der Beklagten. Diese war ihrer Darlegungslast aber mit der Behauptung nachgekommen, der Kläger habe sie nie auf Mängel in ihren Aufzeichnungen hingewiesen. Mehr könnte von ihr nicht verlangt werden. Vielmehr war es Sache des Klägers, dem substantiiert entgegenzutreten, d. h. im einzelnen darzutun, wann und wie oft er Belehrungen erteilt hat. Das hat er versäumt. Damit mußte das Berufungsgericht von einer Verletzung seiner Überwachungspflicht ausgehen, die auch für den eingetretenen Schaden mitursächlich geworden ist. Wäre eine Ermahnung, wie der Kläger außerdem geltend macht, erfolglos gewesen, so hätte er die Weiterarbeit für die Beklagte ablehnen müssen. Dann läge eine schuldhafte Pflichtverletzung in der Fortsetzung seiner Tätigkeit trotz der Kenntnis, daß die Grundaufzeichnungen mangelhaft sind.

c) Das Berufungsgericht vermag nicht festzustellen, daß die Beklagte (auch nur bedingt) vorsätzlich gehandelt hat. Dieser Umstand mußte infolgedessen bei der Abwägung der beiderseitigen Mitverantwortlichkeit außer Betracht bleiben. Die Beweislast trug insofern der Kläger (BGH, NJW 1968, 985).

Die Schadensverteilung des Berufungsgerichts ist daher, auch soweit sie zu Lasten des Klägers geht, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

 

Fundstellen

JZ 1973, 366

JZ 1973, 466

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