Entscheidungsstichwort (Thema)

Mängelbeseitigungsverlangen. Bezeichnung der Mangelerscheinungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einem Mangelbeseitigungsverlangen ist der Mangel mit einer hinreichend genauen Bezeichnung der „Mangelerscheinungen” zu bezeichnen; eine Benennung des Mangels selbst, d.h. der Ursachen der Symptome, ist nicht erforderlich.

 

Normenkette

BGB a.F. §§ 635, 634 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Rostock (Urteil vom 17.05.2001)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das am 17.5.2001 verkündete Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Rostock aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Landwirt aus M. , beansprucht von der Beklagten, einer Landhandelsgesellschaft, Schadensersatz, weil diese eine bei ihr gekaufte gebrauchte Rohrmelkanlage in seiner Stallung mangelhaft eingebaut habe. Nach Inbetriebnahme der Anlage im November 1994 traten im Milchviehbestand des Klägers gehäuft Eutererkrankungen auf, die dazu führten, dass die Kühe weniger Milch gaben und diese großenteils unverwertbar war. Die vom Kläger hinzugezogenen Tierärzte fanden die Ursache dieser Erkrankungen nicht. Die Beklagte führte am 31.3.und am 20.12.1995 Service-Arbeiten an der Melkanlage durch. Am 28.2.1997 fand unter Beteiligung der Beklagten beim Kläger ein Ortstermin statt. Dabei wurde festgestellt, dass die Anlage mit einem zu geringen Gefälle installiert worden war. Der Kläger hatte bereits Anfang 1997 Veränderungen an den Rohrleitungen der Anlage vorgenommen, ohne die Beklagte darüber zu informieren.

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhaften Einbaus der gebrauchten Rohrmelkanlage. Er hat vorgetragen, die Beklagte habe die Rohrleitungen der Melkanlage von Anfang an mit einem unzureichendem Gefälle montiert. Infolge des unzureichenden Abflusses der gemolkenen Milch sei es zu Keimentwicklungen und damit zu den Eutererkrankungen in seinem Milchviehbestand gekommen. Er habe schließlich vermutet, dass die Rohrmelkanlage als Ursache infrage komme. Er habe deshalb im Februar 1996 die Beklagte informiert sowie Besichtigung und Beseitigung der Mängel an der Anlage verlangt. Die Beklagte habe weitere Untersuchungen zur Feststellung der Eutererkrankungen verweigert. Man habe sich schließlich auf den Ortstermin am 28.2.1997 geeinigt. Der Kläger hat seinen Schaden einschließlich seiner Aufwendungen für Tierarzt- und Gutachterkosten unter Berücksichtigung einer von dem Haftpflichtversicherer der Beklagten gezahlten Summe auf weitere 68.397 DM nebst Zinsen beziffert.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie habe die Rohrleitungen mit dem erforderlichen Gefälle von 2 % installiert. Sie sei erst kurz vor dem Ortstermin am 28.2.1997 über den Sachverhalt informiert worden. Wegen der vom Kläger eigenmächtig vorgenommenen Veränderungen an der Anlage sei bei dem Ortstermin die ursprüngliche Installation nicht mehr feststellbar gewesen. Im Übrigen hat die Beklagte die Ursächlichkeit des Mangels der Anlage für die Eutererkrankungen bestritten. Die Schadenberechnung sei nicht nachvollziehbar.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat Werkvertragsrecht zu Grunde gelegt. Es hat dahinstehen lassen, ob die von der Beklagten montierte Anlage ein zu geringes Gefälle auswies und deshalb mangelhaft war, ob die Beklagte diesen Mangel zu vertreten hat. Der Kläger hat dies und eine Ursächlichkeit für die Erkrankung der Tiere behauptet und hierzu unter Beweisantritt vorgetragen. Für den Revisionsrechtszug ist deshalb von der Richtigkeit dieser Behauptungen auszugehen.

2. a) Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB a. F. verneint, weil der Kläger keine den Anforderungen entsprechende Mängelrüge ausgesprochen habe. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Nach dem Vortrag des Klägers sei die Ursache der Eutererkrankungen zunächst von den Tierärzten nicht erkannt worden. Der Tierarzt Dr. G. sei schließlich zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ursache der Eutererkrankungen in der Melkanlage zu suchen sei. Daraufhin habe der Kläger die Beklagte im Februar 1996 entsprechend informiert und diese aufgefordert, die Anlage zu untersuchen und etwaige Mängel zu beseitigen. Dies stelle keine ordnungsgemäße Mängelrüge dar. Ein Mängelbeseitigungsverlangen müsse derart konkret gefasst sein, dass der Mangel nach Art und Ort mithilfe von Zeugen und Sachverständigen festgestellt werden könne. Eine ordnungsgemäße Mängelrüge könne nicht darin gesehen werden, dass der Besteller allgemein geltend mache, das Werk sei irgendwie mangelhaft und könne ursächlich für Schäden an anderen Gegenständen sein. Eine konkrete Mängelrüge sei dem Kläger jedenfalls möglich gewesen, als er auf Grund Selbststudiums zu der Erkenntnis gelangt sei, dass ein fehlerhaftes Gefälle der Rohrleitungen ursächlich für die Erkrankung der Tiere sein könnte. Der Kläger habe diese Vermutung nicht der Beklagten mitgeteilt, sondern habe ohne Absprache mit dieser eigenmächtig Veränderungen an der Anlage vorgenommen und damit sowohl die Mangelfeststellung als auch eine Nachbesserung durch die Beklagte vereitelt.

b) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (u. a. BGH, Urt. v. 3.7.1997 - VII ZR 210/96, BauR 1997, 1029; Urt. v. 3.12.1998 - VII ZR 405/97, MDR 1999, 417 = BGHR BGB, § 633 Abs. 2 S. 1 - Mängel beseitigungsverlangen 4; vgl. auch Urt. v. 8.12.1992 - X ZR 85/91, MDR 1993, 426 = NJW 1993, 923) ist bei einem Mängelbeseitigungsverlangen der Mangel mit einer hinreichend genauen Bezeichnung der "Mangelerscheinungen" (der "Symptome" des Mangels) zu bezeichnen. Der Auftraggeber braucht den Mangel selbst, d. h. die Ursachen der Symptome, nicht zu benennen.

bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet und zu hohe Anforderungen an die Substanziierung und Konkretisierung einer Mängelrüge gestellt. Zudem hat es, wie die Revision mit Recht als verfahrensfehlerhaft rügt (§ 286 ZPO), bei seiner Würdigung den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers nicht vollständig berücksichtigt. Der Kläger hat nämlich vorgetragen, er habe nicht nur allgemein Mangelhaftigkeit der Anlage gerügt, sondern ab November 1994 die Beklagte wiederholt um Überprüfung der Anlage gebeten und einen Mitarbeiter der Beklagten anlässlich seiner Serviceleistungen am 31.3.und 20.12.1995 und der Materiallieferungen am 23.12.1994, 26.10.1995 und am 30.1.1996 aufgefordert, die Anlage zu überprüfen. Der Mitarbeiter habe denn auch Teile der Anlage überprüft, nicht aber das Gefälle der Leitungen. Nach seinem Vortrag hat der Kläger damit die Symptome des Mangels beschrieben und die Eutererkrankungen seiner Tiere mit der Beschaffenheit der von der Beklagten installierten Melkanlage in Verbindung gebracht. Weitere Angaben waren zu diesem Zeitpunkt von ihm nicht zu erwarten und auch nicht zu verlangen, nachdem selbst die vom Kläger konsultierten Fachleute die Ursachen für die Erkrankung der Milchkühe nicht hatten klären können.

Der Kläger brauchte entgegen der Annahme des Berufungsgerichts seine Mängelrüge auch nicht später zu konkretisieren, als er Anfang 1997 auf Grund seines "Selbststudiums" erkannt hatte, dass die Eutererkrankungen seiner Kühe durch zu geringes Gefälle der Leitungen verursacht sein konnten. Der Kläger hat vorgetragen, die Richtigkeit seiner Vermutung, dass mangelhaftes Gefälle Ursache der Erkrankungen sein konnte, sei erst bei dem Ortstermin am 28.2.1997 bestätigt worden, an dem der Geschäftsführer der Beklagten teilgenommen habe. Zu diesem Zeitpunkt ist aber, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, festgestellt worden, dass die Anlage mit einem zu geringen Gefälle installiert war.

3. a) Das Berufungsgericht hat ferner einen Anspruch aus § 635 BGB a. F. verneint, weil der Kläger der Beklagten keine Frist mit Ablehnungsandrohung gestellt und ihr keine Möglichkeit zur Nachbesserung eingeräumt habe (§ 634 Abs. 2 BGB a. F.). Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, eine solche Frist sei nicht entbehrlich gewesen, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte ernsthaft und endgültig die Mängelbeseitigung verweigert habe. Zwar könne ein Anspruch aus § 635 a. F. BGB auch ohne Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung gegeben sein, wenn der Besteller den Ersatz von Schäden verlange, die ihm durch die Mangelhaftigkeit des Werkes entstanden seien, ohne dass sie durch eine Nachbesserung hätten verhindert werden können. Diese Voraussetzungen seien insoweit gegeben, als die zum Zeitpunkt der behaupteten Kenntniserlangung des Klägers von der Mängelursache am 28.2.1997 schon vorhandenen Erkrankungen der Tiere nicht nachbesserungsfähig gewesen seien. Ein Schadensersatzanspruch scheitere jedenfalls aber daran, dass der Kläger nicht konkret dargetan und abgegrenzt habe, welche von ihm mit der Klage geltend gemachten Schäden vor dem von ihm behaupteten Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Mängelursache oder welche nach diesem Zeitpunkt entstanden seien.

b) Auch dies greift die Revision mit Erfolg an.

aa. Die Revision meint, einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung habe es hier nicht bedurft. Denn das Berufungsgericht habe den unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers nicht berücksichtigt (§ 286 ZPO), dass die Beklagte sich unter Bestreiten ihrer Verantwortung ab Frühjahr 1996 geweigert habe, die Rohrmelkanlage zu überprüfen. Sollte die Behauptung des Klägers zutreffen, was die Beklagte bestreitet, wäre der Kläger nach Feststellung der Schadensursachen am 28.2.1997 nicht zur Fristsetzung verpflichtet gewesen. In der Rechtsprechung ist nämlich allgemein anerkannt, dass es einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht bedarf, wenn der Schuldner eindeutig seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, er werde seine Vertragspflichten nicht erfüllen (BGH, Urt. v. 18.9.1985 - VIII ZR 249/84, MDR 1986, 225 = NJW 1986, 661; Urt. v. 18.1.1991 - V ZR 315/89, MDR 1991, 842 = BGHR BGB, § 326 Abs. 1 - Fristsetzung 3).

Das Berufungsurteil enthält keine tragfähigen Feststellungen dazu, dass der Kläger dadurch, dass er den vermuteten Mangel durch Vergrößerung des Leitungsgefälles selbst beseitigt hat, die Mängelfeststellung durch die Beklagte vereitelt hat, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Wie die Revision mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht nicht beachtet, dass der Kläger unter Bezug auf das Termin-Protokoll vorgetragen hat, bei dem Ortstermin am 28.2.1997 sei das ursprüngliche durchschnittliche Gefälle der Leitungen exakt ermittelt worden. Der anwesende Geschäftsführer der Beklagten habe gegen diese Feststellung keine Einwendungen erhoben.

bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass trotz fehlender Fristsetzung ein Schadensersatzanspruch begründet sein kann, wenn der geltend gemachte Schaden nicht nachbesserungsfähig ist. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichthofes (vgl. u. a. BGH v. 7.11.1985 - VII ZR 270/83, BGHZ 96, 221 [226] = MDR 1986, 401; Urt. v. 15.3.1990 - VII ZR 311/88, NJW-RR 1990, 786; Urt. v. 20.12.1990 - VII ZR 302/89, MDR 1991, 636 = BGHR BGB, § 635 - Fristsetzung 2), wonach für einen Anspruch auf Ersatz eines Schadens eine Fristsetzung nach § 634 Abs. 1 BGB n. F. dann nicht zu fordern ist, wenn deren Zweck fehlt, dem Auftragnehmer eine letzte Gelegenheit einzuräumen, um das noch mit Mängeln behaftete Werk in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, ehe die Gewährleistung einschließlich der Verpflichtung zum Schadensersatz nach § 635 BGB eintreten kann. Dies ist der Fall bei Ansprüchen, auf die eine Fristsetzung keinen Einfluss haben kann, wie bei den von dem Kläger geltend gemachten Ansprüchen auf Ersatz von bereits entstandenen Tierarzt- und Gutachterkosten und auf ErS. des infolge des Mangels bereits entstandenen Verdienstausfalls (vgl. dazu BGH v. 7.11.1985 - VII ZR 270/83, BGHZ 96, 221 = MDR 1986, 401; v. 16.10.1984 - X ZR 86/83, BGHZ 92, 308 = MDR 1985, 228; BGHZ 72, 31; vgl. auch Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 635 Rz. 2a; Soergel in MünchKomm, BGB, 3. Aufl., § 635 Rz. 2, 39).

Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers mangels Substanziierung verneint. Der Kläger hat unter Bezug auf die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. W. vorgetragen, dass er Verdienstausfall für die Zeit von November 1994 bis März 1997 verlangt sowie Ersatz seiner Aufwendungen für Tierarzt- und Gutachterkosten beansprucht. Wenn der Kläger erst bei dem Ortstermin am 28.2.1997 sichere Kenntnis des Mangels und der Ursache der Erkrankungen erlangte, wovon offenbar auch das Berufungsgericht ausgeht, so konnte ein Mängelbeseitigungsverlangen auf den geltend gemachten Schaden keinen Einfluss haben; denn sowohl die Tierarzt- und Gutachterkosten als auch der geltend gemachte Verdienstausfall waren zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage der Schadenszuordnung stellt sich somit nicht.

4. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Revision zu befinden hat. Bei der erneuten Befassung mit der Sache wird das Berufungsgericht zunächst unter Berücksichtigung des Vortrags der Parteien zu klären haben, ob die gelieferte und eingebaute Melkanlage mangelhaft und die Eutererkrankung der Milchkühe des Klägers hierauf zurückzuführen war. Sollten sich die Voraussetzungen des § 635 BGB a. F. als gegeben erweisen, wird das Berufungsgericht sich sodann mit der Höhe der geltend gemachten Schäden befassen müssen, wobei beweiserleichternd § 287 ZPO herangezogen werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1157791

BGHR 2004, 1067

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