Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung der Rechtsprechung zur Ehegattenbürgschaft bei finanzieller Überforderung des bürgenden Ehegatten auf eheähnliche Lebensgemeinschaft; Sittenwidrigkeit bzw Verstoß gegen Treu und Glauben einer von der Bank veranlaßten Bürgschaft des Lebenspartners

 

Leitsatz (amtlich)

a) Die Rechtsprechung zur Bürgschaft finanziell überforderter Ehegatten findet in der Regel entsprechende Anwendung, wenn Hauptschuldner und Bürge durch eine eheähnliche Lebensgemeinschaft verbunden sind.

b) Hat die Bank in berechtigter Wahrnehmung ihrer Interessen mit dazu beigetragen, daß der Partner die Bürgschaft aufgrund der Lebensgemeinschaft mit dem Hauptschuldner erteilt hat, begründet dies allein noch nicht den Vorwurf eines sittlich anstößigen Handelns.

 

Normenkette

BGB §§ 765, 138 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 19.02.1996)

LG Dresden (Urteil vom 19.09.1995)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 19. Februar 1996 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 19. September 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Lebensgefährte der Beklagten, der Zeuge K., betrieb als Einzelkaufmann seit 1990 einen Getränkegroßhandel, der unter dem Namen der Beklagten firmierte. Diese war dort als Angestellte für einen monatlichen Nettolohn von 2.533 DM beschäftigt; sie bestellte die Waren und betreute die Kunden.

K. stand in Geschäftsbeziehung zur klagenden Bank. Im Jahre 1992 beabsichtigte er, sein Unternehmen durch Gründung eines Cash & Carry-Marktes zu erweitern. Zu diesem Zweck vereinbarte er am 27. November 1992 mit der Klägerin die Gewährung verschiedener Darlehen im Gesamtbetrag von 410.000 DM. Als Sicherheiten waren Sicherungsübereignungen, eine Festgeldanlage sowie die Bürgschaft einer bayerischen Genossenschaft vorgesehen, welche als stiller Gesellschafter am Getränkehandel beteiligt war.

Die Klägerin zahlte die Darlehen in Höhe von 365.000 DM bis zum 22. Dezember 1992 an K. aus. An diesem Tage teilte die Genossenschaft ihm mit, daß sie die Bürgschaft nicht übernehmen werde. Die Klägerin forderte neue Sicherheiten und wies K. darauf hin, daß er ohne diese mit der Rückforderung der Darlehen rechnen müsse. K. erhöhte die Festgeldanlage und bat auf Anregung der Klägerin die Beklagte, welche eine im Jahre 1981 geborene Tochter hat, für ihn zu bürgen. Die Beklagte übernahm schließlich in einer am 29. Dezember 1992 unterzeichneten Formularurkunde die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrage von 100.000 DM für alle Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit K. betreffend den Cash & Carry-Markt.

Anfang des Jahres 1994 wurden die Darlehen notleidend. Die Klägerin kündigte die Geschäftsbeziehung zum Hauptschuldner und nahm die Beklagte als Bürgin in Höhe von 100.000 DM zuzüglich Zinsen in Anspruch. Das Darlehen ist noch in einem den Höchstbetrag der Bürgschaft übersteigenden Umfang valutiert. Die Beklagte ist inzwischen arbeitslos.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg; der geltend gemachte Anspruch ist sachlich gerechtfertigt.

I.

Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Bürgschaftsvertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit der Bürgin bestehe ein auffälliges Mißverhältnis. Weiterhin sei der Klägerin zuzurechnen, daß sie eine seelische Zwangslage der Beklagten ausgenutzt habe. Die Beklagte habe die Bürgschaft erst unterzeichnet, als ihr der Lebensgefährte in bedrängender Weise klargemacht habe, daß anderenfalls der Kredit zurückgerufen und dies auch negative Auswirkungen für sie selbst haben werde. Dieser Druck, verbunden mit der Angst, anderenfalls die wirtschaftliche Existenz zu verlieren, sei der entscheidende Grund für die Haftungsübernahme gewesen. Die Klägerin habe die Bürgschaft gefordert und damit einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme provoziert. Ein wirtschaftliches Eigeninteresse der Beklagten sei zu verneinen, weil sie lediglich Angestellte der Getränkehandlung gewesen sei, an dem neuen Unternehmen dagegen nicht habe beteiligt werden sollen. Die Vorteile, die ihr mittelbar zugeflossen wären, falls das neue Unternehmen mit Erfolg gearbeitet hätte, seien nicht wesentlich.

II.

Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten ist die übernommene Bürgschaft nicht nach § 138 Abs. 1 BGB zu beanstanden.

1. Zwischen der Beklagten und dem Hauptschuldner bestand schon bei Erteilung der Bürgschaft eine auf Dauer ausgerichtete eheähnliche Lebensgemeinschaft. Für so gestaltete nichteheliche Partnerbeziehungen gelten die von der neueren Rechtsprechung herausgebildeten Regeln, unter welchen Voraussetzungen Bürgschaften finanziell überforderter Ehegatten gegen die guten Sitten verstoßen. Davon ist der Senat schon früher ausgegangen (BGHZ 128, 230). In diesen Fällen sind die Beweggründe für die Unterstützung des Hauptschuldners sowie die Interessen des Kreditinstituts an der Bürgschaft denjenigen vergleichbar, die für Ehegatten-Bürgschaften typisch sind. Die Gefahr, hauptsächlich aus emotionaler Bindung an den Hauptschuldner eine über die eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hinausgehende Verpflichtung zu übernehmen, kann für den nichtehelichen Lebenspartner in gleicher Weise wie für den Ehegatten entstehen. Der Umstand, daß Hauptschuldner und Bürge für ihre persönliche Beziehung auf das rechtliche Band der Ehe verzichtet haben, erleichtert hier dem Partner eine freie Willensentscheidung nicht. Bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen Hauptschuldner und Bürgen ist letzterer dem Gläubiger gegenüber in gleicher Weise schutzbedürftig, sofern diesem die genannte persönliche Bindung, wie im Streitfall, bekannt ist.

2. Zutreffend ist der tatsächliche und rechtliche Ansatz, von dem aus das Berufungsgericht die für die Beurteilung nach § 138 Abs. 1 BGB maßgeblichen Umstände gewürdigt hat. Die Übernahme einer Haftung in Höhe von 100.000 DM bedeutet für einen Bürgen, der etwa 2.500 DM netto monatlich verdient und in näherer Zukunft weder mit einem weit höheren Verdienst noch dem Erwerb eines nennenswerten Vermögens rechnen kann, eine erhebliche wirtschaftliche Überforderung. In diesen Fällen ist die eingegangene Verpflichtung unwirksam, sofern der Gläubiger durch ihm zurechenbare Umstände in rechtlich anstößiger Weise die Entscheidungsfreiheit des Bürgen beeinträchtigt hat; denn unter solchen Voraussetzungen ist ein unerträgliches Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien entstanden (BGH, Urt. v. 25. April 1996 – IX ZR 177/95, WM 1996, 1124, 1125, z.V.b. in BGHZ, m.w.N.).

3. Das Berufungsgericht will entsprechende Umstände hier darin sehen, daß die Klägerin die Beklagte in eine psychische Zwangslage versetzt und damit veranlaßt habe, sich ohne eigene persönliche Interessen zu verpflichten. Diese Wertung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Allerdings ist die Bürgin ihre Verpflichtung unter seelischem Druck eingegangen; denn sie mußte befürchten, anderenfalls werde die Klägerin den dem Lebenspartner gewährten Kredit zurückfordern. Dies gibt dem Vertrag aber noch kein anstößiges Gepräge. Das Verlangen der Bank nach einer Bürgschaft ist in solchen Fällen nur dann zu beanstanden, wenn das Kreditinstitut die Zwangslage in rechtlich verwerflicher Weise begründet oder ausnutzt (BGH, Urt. v. 2. November 1995 – IX ZR 222/94, WM 1996, 53, 54 f; v. 25. April 1996, aaO). Hält sich der von der Bank ausgehende Druck dagegen im Rahmen der berechtigten Wahrnehmung eigener Interessen, kann dem Gläubiger schon ein objektiv unlauteres Handeln nicht vorgehalten werden (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 1996 – IX ZR 171/95, WM 1996, 519, 520 f).

Hier hatte die Klägerin dem Hauptschuldner gegenüber von Anfang an die Sicherung des Darlehens durch eine Bürgschaft gefordert. Der Ausfall des zunächst vorgesehenen Bürgen hatte seine Ursache allein im Risikobereich des Kreditnehmers. Dieser war nicht in der Lage, eine andere gleichwertige Sicherheit zu beschaffen. Das Verlangen der Klägerin nach einer weiteren Bürgschaft diente unter solchen Voraussetzungen nur der zulässigen Durchsetzung ihrer vertraglichen Rechte. Zwar hatte sie keinen Anspruch darauf, daß sich gerade die Beklagte ihr gegenüber verpflichtete. Die Klägerin durfte jedoch berücksichtigen, daß die Beklagte als Angestellte im bisherigen Unternehmen des Hauptschuldners ein regelmäßiges Einkommen erzielte, durch ihre Tätigkeit zumindest einen gewissen Einblick in den Geschäftsbetrieb gewonnen hatte und auch davon wußte, daß ihr Lebenspartner Investitionen für die Neugründung mit Geldern des auf ihren Namen lautenden Betriebes vorfinanziert hatte. Schon deshalb mußte die Beklagte selbst aufgrund von Umständen, die nicht die Bank zu verantworten hat, wesentlich daran interessiert sein, die Rückforderung des Kredits zu verhindern. In Anbetracht dieser Tatsachen stand die Anregung der Klägerin, die Beklagte um eine Bürgschaft zu bitten, in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck (vgl. Senatsurt. v. 18. Januar 1996, a.a.O. S. 520).

Der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt ist insbesondere nicht mit demjenigen vergleichbar, der dem Senatsurteil vom 2. November 1995 (IX ZR 222/94, WM 1996, 53) zugrunde lag. Dort hatte die Ehefrau wegen der eigenen Angaben des Kreditinstituts darauf vertrauen dürfen, daß ihre Bürgschaft als Sicherheit nicht benötigt wurde, und war später aus allein von der Bank zu vertretenden Gründen in eine Zwangslage geraten.

b) Das Berufungsgericht hat weiter nicht beachtet, daß der Gläubiger in der Regel annehmen darf, eine objektiv vertretbar erscheinende Kreditgewährung, die für den Betrieb bestimmt ist, der die Grundlage des gemeinsamen Unterhalts bildet, diene den wohlverstandenen Interessen beider Lebenspartner (vgl. BGHZ 128, 230, 233; Senatsurt. v. 25. April 1996, a.a.O. S. 1125). Die Beklagte hat keine Tatsachen vorgetragen, die geeignet sind, die Behauptung der Klägerin zu widerlegen, sie habe damals aufgrund der guten Ergebnisse, die der Hauptschuldner mit der Getränkegroßhandlung erzielt habe, erwarten dürfen, daß es sich bei der geplanten Erweiterung des Geschäftsbetriebs um ein aussichtsreiches Vorhaben handele. Da ein wirtschaftlicher Erfolg dieser Investition auch der Beklagten Nutzen gebracht hätte, hatte sie ein wesentliches eigenes Interesse daran, die Rückforderung des Kredits zu verhindern (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 2. Mai 1996, WM 1996, 948, 949).

c) Wie das Berufungsgericht selbst rechtsfehlerfrei erkannt hat, war die Beklagte außerdem nicht geschäftsunerfahren. Sie war schon im Rahmen des unter ihrem Namen laufenden Betriebs Ansprechpartnerin für die Klägerin in Bankgeschäften gewesen und hatte auf diese Weise sowie durch Warenbestellung und Kundenbetreuung Gelegenheit erhalten, in mehreren Bereichen kaufmännische Erfahrungen zu sammeln. Sie erhielt demzufolge für das den neuen Betrieb betreffende Geschäftskonto ebenfalls Vollmacht.

4. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin auch im übrigen die Entscheidungsfreiheit der Beklagten nicht verletzt, also insbesondere weder Umfang und Tragweite der Haftung verharmlost noch besondere, der Beklagten unbekannte Risiken verschwiegen.

5. Eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages aus sonstigen Gründen hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend verneint.

Eine Bürgschaft kann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn sich der Vertrag bei vernünftiger Betrachtungsweise in jeder Hinsicht als wirtschaftlich sinnlos erweist, weil auch aus der Sicht des Gläubigers kein schutzwürdiges Interesse an einer solchen Haftung besteht (Senatsurt. v. 25. April 1996, a.a.O. S. 1125). Das Begehren der Banken auf Einbeziehung des Partners in die Haftung ist bei Geschäftskrediten regelmäßig – und so auch hier – vertretbar, weil sie sich auf diese Weise vor Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Partner schützen. Dieser Zweck allein rechtfertigt zwar nicht die Wirksamkeit einer Willenserklärung, die mit unangemessenen Mitteln beeinflußt wurde (BGHZ 120, 272, 278; BGH, Urt. v. 5. November 1996 – XI ZR 274/95, z.V.b. in BGHZ; v. 23. Januar 1997 – IX ZR 69/96, z.V.b. in BGHZ). Fehlen dagegen solche Umstände, kann dem genannten Schutzinteresse der Bank die rechtliche Bedeutung grundsätzlich nicht abgesprochen werden. Die Belange des Bürgen werden in solchen Fällen bereits durch eine vernünftige Vertragsauslegung sowie die Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben gewahrt (vgl. Senatsurt. v. 23. Januar 1997 – IX ZR 69/96).

III.

Das Berufungsgericht meint, selbst wenn die Bürgschaft wirksam sei, stehe der Inanspruchnahme der Beklagten ein stillschweigendes pactum de non petendo entgegen. Das Interesse der Klägerin, Vermögensverschiebungen unter den Partnern zu verhindern, rechtfertige den erhobenen Anspruch nicht; denn die Einkommensverhältnisse der Beklagten hätten sich seit dem Vertragsschluß noch verschlechtert.

Diese Hilfsbegründung trägt die Klageabweisung indessen ebenfalls nicht.

1. Der Kreditgeber kann trotz wirksamer Begründung des Bürgschaftsvertrages aufgrund einer besonderen Abrede oder nach § 242 BGB gehindert sein, den Ehepartner, der eine seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weit übersteigende Bürgschaftsverpflichtung eingegangen ist, in Anspruch zu nehmen (Senatsurt. v. 23. Januar 1997 – IX ZR 69/96). Wird die Haftung nur vereinbart, um dem Gläubiger die Möglichkeit einzuräumen, auf Vermögen zuzugreifen, das möglicherweise später einmal in der Person des Partners entsteht, spricht dies für einen übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner, daß der Gläubiger aus der Verpflichtung des Bürgen keine Ansprüche herleiten darf, solange er finanziell nicht leistungsfähig ist. Dies legt es nahe, die Bürgschaft in dem Sinne auszulegen, daß die Fälligkeit des Anspruchs von Anfang an hinausgeschoben wurde, bis der Bürge Vermögen erlangt hat. Jedenfalls ist der Gläubiger nach Treu und Glauben gehindert, ihn vor Erfüllung dieser Voraussetzungen in Anspruch zu nehmen (Senatsurt. v. 23. Januar 1997 – IX ZR 69/96). Das gilt auch bei der Bürgschaft von Personen, die dem Hauptschuldner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft verbunden sind.

2. Der Anspruch des Gläubigers ist jedoch nur dann in dieser Weise eingeschränkt, wenn er von Anfang an nicht in nennenswertem Umfang mit finanziellen Leistungen des Bürgen rechnen konnte. Der Senat hat im Urteil vom 25. April 1996 (a.a.O. S. 1127 f) im einzelnen dargestellt, wann entsprechende Umstände gegeben sind. Diese Grundsätze kommen hier zur Anwendung. Eigenes Einkommen des Bürgen spielt daher als berechtigtes Zugriffsobjekt keine Rolle, sofern voraussichtlich der pfändungsfreie Betrag innerhalb von fünf Jahren seit Fälligkeit der Bürgschaftsforderung nicht ein Viertel der Hauptschuld erreicht. Dabei hat der Bürge die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die den Einwand aus § 242 BGB rechtfertigen.

3. Im Streitfall hat die Beklagte nichts vorgetragen, woraus die Klägerin zu dem Zeitpunkt, als die Bürgschaft erteilt wurde, hätte entnehmen müssen, daß sie bei Eintritt des Haftungsfalls nicht mit nennenswerten Leistungen der Beklagten rechnen konnte. Vielmehr ergibt sich schon aus dem unstreitigen Sachverhalt das Gegenteil.

Die Beklagte verdiente damals 2.533 DM netto. Da sie einem Kind Unterhalt schuldet, blieben von diesem Einkommen monatlich 421,50 DM pfändungsfrei. Bereits auf dieser Grundlage sammelt sich, hochgerechnet auf fünf Jahre, ein Betrag an, der etwas mehr als ein Viertel der Hauptschuld ausmacht. Davon abgesehen konnte die Klägerin davon ausgehen, das Einkommen der Beklagten werde, entsprechend der allgemein zu erwartenden Entwicklung der Arbeitnehmerverdienste, im Laufe der Zeit kontinuierlich steigen. Wie das Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, wurde die Beklagte zudem, bevor sie die Unterschrift leistete, von der Angestellten der Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Bank beabsichtigte, bei Eintritt des Bürgschaftsfalls sich aus dem der Zwangsvollstreckung unterliegenden Teil des Arbeitseinkommens zu befriedigen. Nach Umständen und Inhalt des Bürgschaftsvertrages bildete somit die Möglichkeit, auf das Vermögen der Bürgin zuzugreifen, einen Teil des erkennbaren Geschäftswillens der Parteien.

Daß die Beklagte inzwischen arbeitslos geworden ist, zeichnete sich bei Übernahme der Haftung nicht ab; die Klägerin brauchte dies bei Begründung der Bürgschaftsverpflichtung nicht in ihre Erwägungen einzubeziehen. Das Kreditinstitut ist daher nicht deshalb, weil die Beklagte derzeit möglicherweise über kein pfändbares Einkommen oder Vermögen verfügt, daran gehindert, seinen Anspruch geltend zu machen.

IV.

Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages bestehen auch nach §§ 3, 9 AGBG nicht. Die Zweckerklärung der Bürgschaft bezieht sich konkret auf die Forderungen gegen den Lebenspartner im Zusammenhang mit der Errichtung des Cash & Carry-Marktes. Die Hauptverbindlichkeit, die der Klage zugrunde liegt, war bereits entstanden, als die Beklagte die Formularerklärung unterzeichnete, und bildete den Anlaß für die Übernahme der Haftung.

Daher hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

 

Unterschriften

Brandes, Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer

 

Fundstellen

NJW 1997, 1005

NWB 1997, 872

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1997, 409

MDR 1997, 358

ZBB 1997, 180

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