Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligte des Konkursverfahrens: Pflichtverletzung des Konkursverwalters. Haftung des Konkursverwalters trotz Genehmigung des Gläubigerausschusses. Stimmrechtsausschluß eines Mitglieds des Gläubigerausschlusses

 

Leitsatz (amtlich)

1. „Beteiligter” am Konkursverfahren ist auch der Gemeinschuldner und, wenn dies eine Personenhandelsgesellschaft ist, deren persönlich haftender Gesellschafter.

2. Ein Konkursverwalter kann seine Pflichten gegenüber dem Gemeinschuldner auch dadurch verletzen, daß er es durch sein Verhalten verhindert, daß das Unternehmen zu einem Preis veräußert wird, welcher dem Gemeinschuldner einen Vermögensüberschuß erbracht hätte, oder daß er das Konkursverfahren in großer übertriebener Eile durchführt (Anschluß RG, 1936-09-07, VI 73/36, RGZ 152, 125, 127).

3. Die Haftung des Konkursverwalters nach KO § 82 kann bezüglich der Rechtsgeschäfte, die der Genehmigung des Gläubigerausschusses unterliegen, ausgeschlossen sein, falls der Ausschuß die Genehmigung erteilt hat. Zu den Grenzen dieses Ausschlusses.

4. Ein Stimmrecht steht einem Mitglied des Gläubigerausschusses nur dann nicht zu, wenn über ein zwischen der Konkursmasse und ihm bzw einem von ihm gesetzlich vertretenen Unternehmen zu schließendes Rechtsgeschäft oder einen zu führenden bzw zu erledigenden Rechtsstreit abzustimmen ist.

 

Orientierungssatz

Besondere Umstände, aus denen eine Haftung des Konkursverwalters trotz Genehmigung des Gläubigerausschusses folgen kann, können, abgesehen von der schuldhaft unrichtigen Darstellung der Sachlage und Rechtslage gegenüber dem Gläubigerausschuß, z.B. auch in sonstigen Handlungen oder Unterlassungen eines Konkursverwalters zu sehen sein, durch die er dem Gläubigerausschuß eine andere, einem oder mehreren Beteiligten vorteilhaftere Entscheidung unmöglich macht.

 

Normenkette

KO §§ 82, 86 S. 3, § 134 Nr. 1, § 202; BGB § 34; GmbHG § 47 Abs. 4 S. 2

 

Tatbestand

Die klagende GmbH ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Spielwaren P.H.V. & Co. KG, über deren Vermögen auf Antrag der Hauptgläubigerin, der V. Vereinigung der Spielwaren-Fachgeschäfte e.G., am 2. Juni 1980 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Das Konkursgericht bestellte den Erstbeklagten zum Konkursverwalter und die Beklagten zu 2) bis 5) vorläufig zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses. In dem Eröffnungsbeschluß wurde außerdem eine Gläubigerversammlung auf den 23. Juli 1980 anberaumt, die insbesondere über die Frage der Fortführung oder Schließung des Geschäfts oder dessen Veräußerung als Ganzes beschließen sollte.

Wenige Tage nach Konkurseröffnung meldeten sich bei dem Erstbeklagten einige Interessenten, die das Unternehmen weiterführen wollten, u.a. die Franz-Carl W. GmbH und Rechtsanwalt Dr. H.. Letzterer hatte die Absicht, 80% des Stammkapitals der Klägerin zu übernehmen und als zweiter Geschäftsführer in das Unternehmen, das unter der seitherigen Firma und in den bisherigen Geschäftsräumen weiterbetrieben werden sollte, einzutreten. Er bot dem Erstbeklagten zunächst an, der Klägerin für die Gemeinschuldnerin ein Darlehen von 1,5 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, und zwar 1 Million bis zum 18. Juni 1980 und 500.000 DM innerhalb der nächsten drei Monate. Da insbesondere die V. mit dieser Zahlung nicht befriedigt werden konnte, wies der Erstbeklagte Rechtsanwalt Dr. H. darauf hin, daß entsprechende Erklärungen der V. eingeholt werden müßten. Mit Schreiben vom 12. Juni 1980 teilte er Rechtsanwalt Dr. H. u.a. folgendes mit:

„Am Mittwoch, 18. Juni 1980, um 13 Uhr 30, soll nun in der nächsten Gläubigerausschußsitzung beschlossen werden, welcher Interessent nun den Zuschlag bekommt und dieser Zuschlag kann nur erteilt werden, wenn keine Bedingungen, die von der Konkursverwaltung nicht erfüllt werden können, verlangt werden. Es ist also zweckmäßig, wenn Sie sich bei wirklichem Interesse an der Sache doch unverzüglich mit der V. in Verbindung setzen, um eine Lösung der Probleme zwischen V. und V. (der Gemeinschuldnerin) herbeizuführen, um dann ein Angebot abgeben zu können, das die Konkursverwaltung annehmen kann.

Es ist auch sicher zweckmäßiger, wenn diese Problematik nicht erst am Mittwoch, 18. Juni 1980, um 12 Uhr, abgeklärt werden soll, sondern offene Fragen schon vorher und ich bitte notfalls um Bescheid, wobei es immer zweckmäßig erscheint, dann diese Probleme gemeinschaftlich zu erörtern und nicht in langen Schriftsätzen erst einmal gegenseitig abzuklären.

Ihre Vorstellungen waren bisher die konkretesten die wir gehört haben und ich freue mich, daß Sie zusagen konnten, bereits am Freitag, 13. Juni 1980, bis 16 Uhr, mir Bescheid zu geben, ob Sie überhaupt in vollem Umfang ins Obligo gehen wollen. Nach meiner Kenntnis macht die V. für jede Art der Abwicklung eine volle Absicherung ihrer Ansprüche geltend.”

Rechtsanwalt Dr. H. bekundete sein weiteres Interesse und verhandelte daraufhin am 16. Juni 1980 in M. mit dem Zweitbeklagten, der Vorstandsmitglied der V. war. Dieser erklärte dabei Herrn Rechtsanwalt Dr. H., die V. sehe sich nicht in der Lage, Stundungszusagen oder gar Forderungsverzichte zu erklären oder Zusicherungen über den Rechtsbestand der Firma und des Pachtverhältnisses zu geben. Am 18. Juni 1980 erläuterte Dr. H. sein Angebot nochmals in Gegenwart des Erstbeklagten und des gesamten Gläubigerausschusses. Danach wollte er der Klägerin zwecks Befriedigung der Gläubiger der Gemeinschuldnerin 1,5 Millionen DM zur Verfügung stellen; der mit der V. geschlossene Sicherungsübereignungsvertrag sollte bestehenbleiben und die V. sollte gegebenenfalls noch eine auf drei Monate befristete Bürgschaft über 1 Million DM erhalten. An diesem Tage konnte Dr. H. jedoch noch nicht verbindlich erklären, wann mit dem Eingang der 1,5 Millionen DM auf dem Konkurskonto gerechnet werden konnte und ob die Zahlung von Bedingungen oder Erklärungen der Konkursverwaltung abhängig gemacht werde. Er versprach, diese Erklärung bis zum 20. Juni 1980, 12 Uhr, abzugeben. Am 19. Juni 1980 richtete er noch ein Fernschreiben an den Erstbeklagten mit folgendem Inhalt:

„da ich sie heute nicht erreichen konnte, darf ich vor abgabe meiner für morgen, 9,00 uhr zugesagten, stellungnahme um umgehende kurzfristige ueberlassung folgender unterlagen bitten 1) konkursstatus 2) vollstaendige inventur-aufzeichnungen samt vollstaendiger endgueltiger bewertung 3) vollstaendige liste der glaeubiger samt deren forderungen 4) vollstaendige liste der schuldner samt forderungen 5) zusammenstellung der sonstigen verbindlichkeiten und sonstigen forderungen namens- und betragsmaessig. ich ging davon aus, daß der geschaeftsfuehrer der gemeinschuldnerin diese unterlagen habe bzw. jederzeit erhalte. da dies nicht der fall ist, darf ich mit seiner zustimmung die unter 1) bis 5) aufgefuehrten unterlagen zu meinen haenden anfordern. ich kann ein bindendes angebot nur und erst machen, nachdem mir die unter 1) bis 5) aufgefuehrten unterlagen vorgelegen haben.”

Der Erstbeklagte antwortete darauf mit Schreiben vom 20. Juni 1980 u.a. folgendes:

„Ihr Fernschreiben vom 19. Juni 1980 habe ich erhalten. Es lag am 20. Juni 1980 auf meinem Schreibtisch, denn Sie wußten, daß ich am 19. Juni 1980 den ganzen Tag in M. war.

Überrascht bin ich, daß Sie jetzt mit solchen Wünschen kommen, obwohl Sie doch schon in der letzten Sitzung, am 18. Juni 1980, Angebote abgegeben haben oder jedenfalls erklärt haben, Sie würden das tun ohne diese Unterlagen. Wollen Sie Zeit schinden, denn Sie wissen genau, unter welchem Zeitdruck wir stehen?

Heute, am 20. Juni 1980, habe ich Ihnen am Telefon erklärt, daß ich Ihnen die gewünschten Listen nicht geben kann, da ich eine Vollständigkeit und Richtigkeit nicht erklären kann. …

Der Gläubigerausschuß hat in seiner heutigen Sitzung beschlossen, der V./SF. ab Montag, 23. Juni 1980, den Laden zu übergeben. ….

Außer der V./SF. liegt nun kein anderes Angebot vor, nachdem andere Interessenten mittlerweile auch abgesagt haben, so daß wir die Angelegenheit insoweit abgeschlossen haben.”

Mit schriftlichem Vertrag vom 23. Juni 1980 übertrug der Erstbeklagte mit Zustimmung des Gläubigerausschusses den Geschäftsbetrieb einschließlich der Firma an die V. und deren Tochtergesellschaft, die SF Spiel- und Freizeithandelsbetriebe GmbH & Co. KG.. Die Geschäftsübernehmer verpflichteten sich zur Befriedigung der nichtbevorrechtigten Gläubiger in Höhe von 75% und erklärten ihre Forderungen zu 75% als befriedigt.

Außerdem verpflichteten sie sich zu einer Barzahlung von 50.000 DM an die Konkursmasse und zur Bezahlung der Löhne und Gehälter der Belegschaft sowie der Ladenmiete für Juni 1980.

Nach Abhaltung des Schlußtermins wurde das Konkursverfahren durch Beschluß vom 11. August 1982 aufgehoben.

Die Klägerin verlangt mit der Klage von den Beklagten Schadensersatz und die Freistellung von Ansprüchen der Gläubiger, soweit sie im Konkursverfahren nicht voll befriedigt worden sind.

Die Klägerin hat behauptet, das Konkursverfahren sei überstürzt hinter ihrem Rücken abgewickelt worden. Der Erstbeklagte und der Gläubigerausschuß hätten die Übernahmeangebote der Franz-Karl W. GmbH und des Rechtsanwalts Dr. H. abgelehnt, obwohl diese zu einer vollen Befriedigung der Konkursgläubiger geführt hätten, und das Angebot des Dr. H. ihr sogar einen Vermögensüberschuß von 100.000 DM erbracht hätte.

Das Konkursverfahren habe an entscheidenden Mängeln gelitten. So sei der Gläubigerausschuß mit Personen besetzt worden, die die V. habe unter Druck setzen können. Die Vereinbarung vom 23. Juni 1980 sei unwirksam, weil an ihr der Beklagte zu 2) als Vorstandsmitglied der V. mitgewirkt habe.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageansprüche weiter.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht verneint eine Haftung des Erstbeklagten aus § 82 KO. Der Erstbeklagte habe gegenüber der Klägerin weder pflichtwidrig gehandelt, noch habe er sie schuldhaft geschädigt. Er habe auch das Konkursverfahren nicht überstürzt durchgeführt. Im Interesse aller Beteiligten habe er das Unternehmen weiter betrieben, was für ihn und die Konkursmasse mit erheblichen Risiken verbunden gewesen sei. Nach Sachlage habe er deshalb nicht fehlerhaft gehandelt, wenn er das für die Konkursmasse relativ günstige Übernahmeangebot der V.-Gruppe angenommen habe, um das Konkursverfahren rasch zum Abschluß zu bringen.

Das Berufungsgericht hält auch eine Haftung der Beklagten zu 2) bis 5) nicht für gegeben. Es folgt dem Landgericht darin, daß Schadensersatzansprüche aus § 89 KO schon deshalb nicht bestehen, weil die Mitglieder des Gläubigerausschusses ihre Überwachungspflichten nicht verletzt haben könnten, da der Erstbeklagte nicht pflichtwidrig gehandelt habe.

II. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Zur Haftung des Erstbeklagten a) Rechtlich einwandfrei sind allerdings die Erwägungen, von denen das Berufungsgericht insoweit zunächst ausgeht.

aa) Der Erstbeklagte war als Konkursverwalter gemäß § 82 KO der Gemeinschuldnerin gegenüber als einer „Beteiligten” für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten verantwortlich. Beteiligt am Konkursverfahren war aber entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin (vgl. OLG Hamm, KTS 1972, 105, 106), so daß auch ihr gegen den Erstbeklagten Schadensersatzansprüche aus § 82 KO zustehen können.

bb) Wie das Berufungsgericht weiterhin zutreffend ausführt, hätte der Erstbeklagte seine Pflichten dann verletzt, wenn er es bei der Verwertung der Konkursmasse an der gebotenen Sorgfalt hätte fehlen lassen und dadurch eine Schmälerung der Masse bewirkt hätte, insbesondere auch, wenn das Unternehmen, obwohl das möglich gewesen wäre, nicht zu einem Preis verwertet worden ist, welcher der Gemeinschuldnerin einen Vermögensüberschuß erbracht hätte (RGZ 152, 125, 127). Denn die Gemeinschuldnerin und damit die Klägerin als deren persönlich haftende Gesellschafterin haben den Gläubigern der Gemeinschuldnerin für ihren Ausfall einzustehen. Eine Pflichtverletzung des Erstbeklagten könnte auch dann vorliegen, wenn er das Konkursverfahren in großer und übertriebener Eile durchgeführt hätte (RGZ 152, 125, 127).

cc) Das Berufungsgericht erkennt auch richtig, daß ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 82 KO nicht durch Anerkennung der Schlußrechnung (§ 86 KO) entfallen ist, da die Gemeinschuldnerin von ihrem in § 86 Satz 3 KO niedergelegten Recht Gebrauch gemacht hat, Einwendungen gegen die Rechnung zu erheben. Insoweit gilt diese daher gemäß § 86 Satz 4 KO nicht als anerkannt.

dd) Ohne Erfolg greift die Revision schließlich die Feststellung des Berufungsgerichts an, die Zustimmung des Gläubigerausschusses zur Geschäftsveräußerung sei ordnungsgemäß erfolgt, so daß der Erstbeklagte auch nicht gegen § 134 Nr. 1 KO verstoßen hat.

Die Zustimmung selbst leugnet die Revision nicht. Sie geht nur davon aus, alle Mitglieder des Gläubigerausschusses seien wegen ihrer Abhängigkeit von der V.-Gruppe von der Mitwirkung bei dem Beschluß über die Geschäftsveräußerung an die V. und deren Tochtergesellschaft ausgeschlossen gewesen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Ausgeschlossen von der Mitwirkung war nur der Zweitbeklagte als Vorstandsmitglied der V.. Das Stimmrecht steht einem Mitglied des Gläubigerausschusses nämlich nur dann nicht zu, wenn über ein zwischen der Konkursmasse und ihm bzw. einem von ihm gesetzlich vertretenen Unternehmen zu schließendes Rechtsgeschäft oder einen zu führenden bzw. zu erledigenden Rechtsstreit abzustimmen ist. Das ist zwar nicht ausdrücklich in der Konkursordnung bestimmt, entspricht aber einem allgemeinen Rechtsgedanken, der u.a. in § 34 BGB und § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG (vgl. auch § 43 Abs. 6 GenG) zum Ausdruck gekommen ist (vgl. Jaeger/Weber, Konkursordnung, 8. Aufl., § 90, Rdn. 4; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 9. Aufl., § 91, Rdn. 2; vgl. auch BGH, Urteil vom 30. Oktober 1958 – II ZR 253/56 – NJW 1959, 192, 193). Der Umstand allein, daß die Beklagten zu 3) und 5) Lieferanten der V. waren und der Arbeitgeber des Beklagten zu 4) der Versicherer der V. ist, schloß diese nicht von der Abstimmung über den Verkauf des Unternehmens an die V. aus. Sie mögen wegen dieser Beziehungen zur V. in gewisser Weise daran interessiert gewesen sein, daß diese zu günstigen Bedingungen das Unternehmen der Gemeinschuldnerin übernehmen konnte. Das reicht aber für einen Stimmrechtsausschluß nicht aus. Selbst dann, wenn eigene wirtschaftliche Belange eines Mitgliedes des Gläubigerausschusses indirekt berührt sind (vgl. Jaeger/Weber, aaO), oder wenn es um Rechtsgeschäfte oder Prozesse mit nahen Angehörigen des Mitglieds geht, es sei denn, daß diese von ihm vorgeschoben sind (vgl. Böhle-Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 14. Aufl., § 90 Anm. 1), führt dies nicht zu einem Ausschluß des Stimmrechts.

Der Revision kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint, die Beweislast dafür, daß der Zweitbeklagte bei dem Beschluß über die Geschäftsveräußerung an die V. mitgewirkt habe, liege nicht bei der Klägerin. Diese Tatsache gehört zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen, für die der Kläger die Beweislast trägt. Eine Beweislastumkehr kommt, wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, nicht etwa deshalb in Betracht, weil ein Protokoll über die Sitzung des Gläubigerausschusses nicht existiert. Die Beklagten haben nämlich dadurch, daß sie kein Protokoll anfertigten, nicht fahrlässig die Aufklärung über Tatsachen vereitelt, deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein im jetzigen Rechtsstreit zur Beweislast ihres Prozeßgegners steht, und zwar schon deshalb nicht, weil keine Verpflichtung besteht, über Sitzungen des Gläubigerausschusses Protokolle anzufertigen.

b) Die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts sind dagegen von Rechtsfehlern beeinflußt.

aa) Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, eine Haftung des Beklagten aus § 82 KO werde ausgeschlossen, nachdem der Gläubigerausschuß die Geschäftsübernahme durch die V.-Gruppe gebilligt habe, falls er nicht dem Ausschuß die Sach- und Rechtslage schuldhaft unrichtig dargestellt hatte, vermag der erkennende Senat dem nicht zuzustimmen. Auch in den vom Berufungsgericht erwähnten Kommentaren zur Konkursordnung findet diese Auffassung keine Stütze. Dort wird nur die Ansicht vertreten, die Haftung des Konkursverwalters entfalle grundsätzlich, wenn der Gläubigerausschuß seine Handlung gebilligt hat (vgl. Jaeger/Weber, aaO § 82, Rdn. 14; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 82, Rdn. 10; vgl. auch LG Mainz, KTS 1975, 245, 246). Dies beruht darauf, daß die Genehmigung eine entlastende Wirkung nur insoweit haben kann, als die Zustimmungsbedürftigkeit reicht (vgl. §§ 133, 134 KO) und als es darum geht, ob eine vom Konkursverwalter vorgeschlagene zustimmungsbedürftige Maßnahme vertretbar ist. Die Kommentatoren zur Konkursordnung halten deshalb trotz Genehmigung des Gläubigerausschusses mit Recht eine persönliche Verantwortung des Konkursverwalters „aufgrund besonderer Umstände” für möglich, wobei die schuldhaft unrichtige Darstellung der Sach- und Rechtslage gegenüber dem Gläubigerausschuß nur als Beispielsfall erwähnt wird. Solche besonderen „Umstände”, aus denen eine Haftung des Konkursverwalters folgen kann, können z.B. auch in sonstigen Handlungen oder Unterlassungen eines Konkursverwalters zu sehen sein, durch die er dem Gläubigerausschuß eine andere, einem oder mehreren Beteiligten vorteilhaftere Entscheidung unmöglich gemacht hat. Das Berufungsgericht hat dies möglicherweise auch selbst erkannt, da es noch zusätzlich Erörterungen darüber anstellt, ob der Erstbeklagte der Klägerin gegenüber pflichtwidrig gehandelt bzw. sie schuldhaft geschädigt hat. Diese Erörterungen sind jedoch ebenfalls von Rechtsfehlern beeinflußt.

Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen stützen nicht seine Annahme, der Erstbeklagte habe das Konkursverfahren nicht überstürzt durchgeführt. Dem Berufungsgericht ist allerdings insoweit beizupflichten, als es unter Bezugnahme auf BGHZ 70, 86, 91 ausführt, der Konkursverwalter habe im Interesse aller am Konkurs Beteiligten auf eine zügige Verfahrensabwicklung hinzuwirken. Dazu gehörte auch eine verhältnismäßig rasche Entscheidung darüber, ob der Betrieb, den der Erstbeklagte zunächst fortgeführt hatte, geschlossen oder veräußert werden sollte. Es ist jedoch schon ungewöhnlich, daß der Konkursverwalter ein in Konkurs geratenes Unternehmen bereits 18 Tage nach Konkurseröffnung und mehr als einen Monat vor der ersten vom Konkursgericht einberufenen Gläubigerversammlung an den Hauptgläubiger veräußert, obwohl in der Versammlung erst diese Frage behandelt werden soll. Für eine übertriebene Eile spricht im Streitfall ferner, daß der Erstbeklagte zum Zeitpunkt der Veräußerung weder vollständige Inventur-Aufzeichnungen mit Bewertungen vorliegen hatte, noch vollständige Listen der Gläubiger und der Schuldner mit den jeweiligen Forderungen. Denn diese Unterlagen verweigerte der Erstbeklagte dem Rechtsanwalt Dr. H. am 20. Juni 1980 mit der Begründung, er könne eine Vollständigkeit und Richtigkeit nicht versichern. Unverständlich ist es auch, daß er an diesem Tag die Verhandlungen mit Rechtsanwalt Dr. H., dem er am 12. Juni 1980 noch mitgeteilt hatte, seine Vorstellungen seien bisher die konkretesten gewesen, die er gehört habe, plötzlich nur deswegen abbrach, weil dieser vor der verbindlichen Erklärung, bis wann er 1,5 Millionen DM auf das Konkurskonto zahlte, eine genaue Übersicht über das vorhandene Vermögen und die bestehenden Verbindlichkeiten erhalten wollte. Bei einem Eintritt in ein im Konkurs befindliches Unternehmen und der Übernahme von 80% der Geschäftsanteile und der Zusage einer so hohen Barzahlung war das Verlangen von Dr. H. durchaus gerechtfertigt, selbst wenn er bei der Besprechung am 18. Dezember 1980 bereits ohne diese Unterlagen ein Angebot abgegeben hatte, weil er – wie aus seinem Fernschreiben hervorgeht – davon ausgegangen sein will, der Geschäftsführer der Klägerin besitze diese Unterlagen bzw. könne sie jederzeit erhalten. Es bestand deswegen kaum eine Veranlassung dazu, daß der Erstbeklagte zusammen mit dem Gläubigerausschuß – wie in der Vereinbarung zwischen dem Erstbeklagten und der V. bzw. ihrer Tochtergesellschaft vom 23.6.1980 niedergelegt ist – an diesem Tage, einem Freitag, noch um 16 Uhr feststellte, daß weder von dem Geschäftsführer der Klägerin noch von den bisher an der Gemeinschuldnerin interessierten Personen ein Angebot – gleich welcher Art – vorliege. Das stimmte mit den Tatsachen nicht überein. Hinzu kam, daß in der Vereinbarung sowohl die V. als auch die Konkursverwaltung die Auffassung vertraten, das Ladengeschäft müsse sofort in endgültige Hände kommen, so daß sie noch an diesem Freitagnachmittag einen Beschluß bezüglich der Geschäftsübergabe an V. zu Beginn der folgenden Woche trafen. Das läßt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht damit rechtfertigen, die Fortführung des Betriebes sei für den Erstbeklagten mit erheblichen Risiken verbunden gewesen. Daraus allein kann sich noch nicht ergeben, daß der Erstbeklagte unter Ausschaltung von Dr. H. das für die Konkursmasse nur „relativ günstige” Übernahmeangebot annahm. Bei dieser Sachlage sprachen so viele Anzeichen dafür, daß das Geschäft in übergroßer Eile der V. zugesprochen wurde, daß der Erstbeklagte Tatsachen hätte vortragen, gegebenenfalls beweisen müssen, die diese Annahme widerlegten.

bb) Rechtsfehlerhaft unterläßt das Berufungsgericht auch die Prüfung des im Tatbestand seines Urteils erwähnten Vorwurfs, der Erstbeklagte habe die Übernahmeangebote der W. GmbH und des Rechtsanwalts Dr. H. abgelehnt, obwohl diese mehr erbracht hätten als das Angebot der V.. Auf diesem Rechtsfehler kann, soweit er das Angebot des Rechtsanwalts Dr. H. betrifft, das angefochtene Urteil ebenfalls beruhen.

Auf das Angebot der W. GmbH brauchte der Erstbeklagte allerdings nicht näher einzugehen. Dieses Unternehmen hat nämlich, wie aus dessen Schreiben vom 18. Juni 1980 hervorgeht, von dem der Erstbeklagte mit der Klagebeantwortung eine Kopie vorgelegt und dessen Inhalt die Klägerin nicht widersprochen hat, sein Angebot von sich aus zurückgezogen, weil der Erstbeklagte – mit Recht – keine Zusicherungen über die Weiterführung der Firma und die Nutzung der von dem Geschäftsführer der Klägerin gepachteten Geschäftsräume geben konnte.

Der erkennende Senat vermag dagegen aufgrund des unstreitigen Sachverhalts eine Pflichtverletzung des Erstbeklagten nicht zu verneinen, als die Klägerin ihm vorwirft, zu früh das Angebot des Rechtsanwalts Dr. H. abgelehnt zu haben. Der Erstbeklagte durfte jedenfalls nicht, wie mit Schreiben vom 20. Juni 1980 (Anlage B 11 zur Klageerwiderung) geschehen, die Bitte von Rechtsanwalt Dr. H. um Überlassung wesentlicher Unterlagen, insbesondere der Liste der Gläubiger mit deren Forderungen, und damit dessen gesamtes Angebot ablehnen. Da Dr. H. ein Angebot abgeben sollte, das auf eine volle oder teilweise Befriedigung aller Gläubiger abzielte, war für ihn die Liste der Gläubiger und deren Forderungen besonders wichtig. Die Ursächlichkeit dieser Pflichtverletzung für den Schaden der Klägerin scheitert entgegen der Annahme der Revisionserwiderung nicht daran, daß die Klägerin in der Klageschrift vorgetragen hatte, Voraussetzung für das Engagement von Dr. H. sei es gewesen, daß das Pachtverhältnis über das Geschäftslokal bestehen blieb und die Firma weitergeführt werden konnte. Rechtsanwalt Dr. H. ging es dabei ersichtlich nicht darum, daß der Erstbeklagte ihm dafür garantieren sollte, wie dies die Klägerin im Berufungsverfahren ausdrücklich vorgetragen hat. Es wäre Sache von Dr. H. gewesen, wegen der Fortsetzung des Pachtvertrages gegebenenfalls mit den Verpächtern zu verhandeln und die Frage der Weiterführung der Firma gegebenenfalls im Prozeßwege mit der V.-Gruppe bzw. dem Gründer des Unternehmens auszutragen. Der Erstbeklagte muß das auch so verstanden haben, weil es andernfalls unverständlich wäre, daß er nicht bereits nach der Gläubigerausschußsitzung vom 18. Juni 1980, in der Dr. H. sein Angebot präzisierte, die Verhandlungen abbrach, sondern mit ihm vereinbarte, bis 20. Juni 1980 verbindlich mitzuteilen, wann die in Aussicht gestellten 1,5 Millionen DM auf dem Konkurskonto eingehen, und ob die Zahlung von Bedingungen oder Erklärungen der Konkursverwaltung und gegebenenfalls welcher abhängig gemacht werden.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung steht einer Schadensersatzverpflichtung des Erstbeklagten auch nicht zwingend entgegen, daß die V. dem Konzept von Dr. H. noch nicht zugestimmt hatte und für eine Einstellung des Konkursverfahrens nach § 202 KO die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich gewesen wäre. Abgesehen davon, daß aus den vom Berufungsgericht im Tatbestand seines Urteils in Bezug genommenen Schriftsätzen eine endgültige Ablehnung der Vorschläge von Dr. H. nicht zu entnehmen ist, hätten sich diese vielleicht doch verwirklichen lassen, wenn die V. über die in Aussicht gestellte Bürgschaft und die Sicherungsübereignungen hinreichend genug wegen ihrer noch nicht sogleich erfüllten Forderungen abgesichert worden wäre. Nur so ist es auch erklärlich, daß der Erstbeklagte am Ende der Gläubigerausschußsitzung vom 18. Juni 1980, in welcher der Zweitbeklagte auf die fehlende Kompromißbereitschaft der V. hingewiesen hatte, Dr. H. noch die Möglichkeit einräumte, verbindliche Erklärungen zu seinem Angebot abzugeben.

2. Zur Haftung des Gläubigerausschusses

a) Da das Berufungsgericht mit dem Landgericht eine Haftung der Beklagten zu 2) bis 5) nur deshalb verneint, weil ihnen im Hinblick auf das nicht pflichtwidrige Handeln des Erstbeklagten eine Verletzung der Überwachungspflicht nicht angelastet werden kann, nach den bisherigen Darlegungen aber ein pflichtwidriges Handeln des Erstbeklagten nicht auszuschließen ist, hält auch die Abweisung der gegen die Beklagten zu 2) bis 5) gerichteten Klage den Angriffen der Revision nicht stand.

b) Mitglieder des Gläubigerausschusses können sich aber auch durch eine die Masse schädigende Stimmabgabe schadensersatzpflichtig machen (vgl. Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 91, Rdn. 3). Sollte sich bei weiterer Sachaufklärung herausstellen, daß die Veräußerung des Unternehmens an die V. in großer und übertriebener Eile auf Betreiben oder mit Zustimmung des Gläubigerausschusses erfolgte, so kann die Beklagten zu 2) bis 5) auch aus diesem Grunde eine Schadensersatzverpflichtung gegenüber der Klägerin treffen.

III. Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil aufgehoben werden. Da aufgrund der bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Senat noch nicht abschließend in der Sache entscheiden kann, war diese zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 650388

ZIP 1985, 423

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