Leitsatz (amtlich)

a) Ein auf eine unzulässige Telefonwerbung gem. § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG gestützter Schadensersatzanspruch erfasst nur solche Schäden, die vom Schutzbereich dieser Bestimmung erfasst sind.

b) Gegenstand des Schutzes gem. § 7 Abs. 1 UWG ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die Privatsphäre des Verbrauchers und die geschäftliche Sphäre, insb. die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers; es soll verhindert werden, dass dem Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren oder mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden. Verhindert werden soll darüber hinaus, dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers (z.B. Zeitaufwand, Kosten für Faxpapier, Vorhaltekosten von Empfangseinrichtungen, Entsorgungskosten) führt.

c) § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG bezweckt nicht den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer vor Belästigungen durch Werbeanrufe.

 

Normenkette

UWG § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 4a; UWG a.F. § 4 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 05.08.2014; Aktenzeichen 8 S 46/14)

AG Siegburg (Entscheidung vom 31.01.2014; Aktenzeichen 118 C 124/13)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bonn vom 5.8.2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin betreibt im Internet unter dem Domainnamen "www. .de" ein elektronisches Branchenverzeichnis. Die Beklagte bietet in ihrem Ladengeschäft mit angeschlossenem Restaurant unter der Firma "Lebens-Kost" Bio-Produkte an. Sie verfügt über eine Internet-Homepage, auf der ihre telefonischen und postalischen Kontaktdaten aufgeführt sind.

Rz. 2

Am 3.5.2013 rief ein Mitarbeiter der Klägerin von sich aus und ohne vorangegangenen Kontakt bei der Beklagten in ihrem Ladengeschäft an und bot ihr einen Eintrag in das elektronische Branchenverzeichnis der Klägerin mit einer Laufzeit von 36 Monaten (beginnend am 3.5.2013) zu einem Gesamtpreis von 728,28 EUR einschließlich Umsatzsteuer an. Die Beklagte bekundete in dem Gespräch ihr grundsätzliches Interesse an einem solchen Eintrag. Die Beteiligten kamen überein, dass es zu einem weiteren Gespräch zur Absprache der Details der Vertragsbedingungen kommen sollte. Am selben Tag rief eine Mitarbeiterin der Klägerin die Beklagte ein weiteres Mal an; dieses Gespräch wurde mit Zustimmung der Beklagten aufgezeichnet. Die Mitarbeiterin der Klägerin bezog sich auf das vorangegangene Telefonat und die hierbei grundsätzlich bereits erzielte Einigung über eine entgeltliche Eintragung zu den genannten Konditionen; dies bejahte die Beklagte. Die Beklagte bestätigte ihre bereits im ersten Gespräch mitgeteilten Firmendaten, die gewünschten Eintragungsrubriken, die Laufzeit des Vertrages und die Vergütung i.H.v. 632 EUR netto (728,28 EUR brutto), wobei eine monatliche Zahlungsweise mit Raten zu je 17 EUR netto (20,23 EUR brutto) vereinbart wurde. Die Beklagte bestätigte ferner die Angaben für die Rechnungsadresse und gab an, dass sie persönlich die Inhaberin der Firma "Lebens-Kost" sei. Die Beklagte wurde darauf hingewiesen, dass die Rechnung den Gesamtbetrag der Kosten enthalten werde und dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gälten, welche auf der Internetseite der Klägerin abrufbar seien.

Rz. 3

In den AGB der Klägerin ist in § 6 eine Vorleistungspflicht des Kunden festgelegt; ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht sehen die Bedingungen nicht vor.

Rz. 4

Die Beklagte hat die Rechnung der Klägerin über 728,28 EUR spätestens am 8.5.2013 erhalten, hierauf jedoch trotz einer Mahnung vom 24.5.2013 keine Zahlungen geleistet. Eine Eintragung der Daten des Unternehmens der Beklagten in das Branchenverzeichnis der Klägerin ist jedenfalls bis zur mündlichen Berufungsverhandlung am 1.7.2014 nicht erfolgt. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 24.5.2013 hat die Beklagte die Anfechtung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrags erklärt.

Rz. 5

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 728,28 EUR nebst Zinsen i.H.v. acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.6.2013 zu zahlen; hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an sie 182,07 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei dem 1.2.2014, und im Zeitraum von Februar 2014 bis April 2016 monatlich 20,23 EUR zu zahlen.

Rz. 6

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat hilfsweise mit einem Schadensersatzanspruch wegen eines gem. § 7 UWG unlauteren Werbeanrufs aufgerechnet.

Rz. 7

Das AG hat der Klage im Umfang einer Zahlungspflicht i.H.v. 20,23 EUR monatlich für den Zeitraum von Februar 2014 bis April 2016 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen (LG Bonn, Urt. v. 5.8.2014 - 8 S 46/14, juris). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 8

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Vergütungsanspruch der Klägerin sei zwar zunächst wirksam entstanden, infolge der von der Beklagten hilfsweise erklärten Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG aber erloschen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Rz. 9

Zwischen den Parteien sei im Rahmen des zweiten Anrufs ein Vertrag über die einmalige Einstellung der Daten des Unternehmens der Beklagten in das Branchenverzeichnis der Klägerin sowie über das Aufrechterhalten und Pflegen des Eintrags (Dienstvertrag mit werkvertraglichen Elementen) zustande gekommen. Der Vertrag sei auch wirksam. Er sei nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB in Verbindung mit Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB oder wegen der von der Beklagten erklärten Anfechtung (§ 142 BGB) nichtig. Es greife aber die Hilfsaufrechnung der Beklagten durch. Da diese zum Erlöschen der Forderung führe, gehe diese einer etwaigen Hemmung wegen der Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB vor. Der Beklagten stehe ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG in Höhe des Vergütungsanspruchs der Klägerin zu. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sei ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Eine unzumutbare Belästigung i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG sei ebenfalls gegeben. Die Voraussetzungen einer mutmaßlichen Einwilligung der Beklagten in den ersten Anruf des Mitarbeiters der Klägerin seien nicht gegeben. Die Klägerin habe nicht von einem mutmaßlichen Interesse der Beklagten am Erhalt des entgeltlichen Eintragungsangebots auf dem Telefonwege ausgehen dürfen. Der erste Anruf, auf den es allein ankomme, sei auch kausal für die Eingehung der Verbindlichkeit durch die Beklagte gewesen, so dass dieser ein Schaden in Höhe des Vergütungsanspruchs der Klägerin entstanden sei. Der Beklagten sei es wegen des wirksamen Vertragsschlusses über die entgeltliche Eintragung nicht nach Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB verwehrt, sich auf den Schadensersatzanspruch zu berufen. Der Vertragsschluss beruhe auf einer von der Klägerin gezielt geschaffenen rechtswidrigen Überrumpelungssituation.

Rz. 10

B. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts steht der Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu, den sie dem wirksam entstandenen und nicht erloschenen oder in seiner Durchsetzung gehemmten Vergütungsanspruch der Klägerin entgegenhalten kann. Es kommt damit auf die vom Berufungsgericht offen gelassene und in der neuen Berufungsverhandlung zu klärende Frage an, ob und ggf. für welchen Zeitraum sich die Beklagte auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 BGB berufen kann.

Rz. 11

I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich die Beklagte gegenüber der Klägerin rechtswirksam zur Zahlung von 728,28 EUR einschließlich Umsatzsteuer für einen Eintrag in das elektronische Branchenverzeichnis der Klägerin mit einer Laufzeit von 36 Monaten (beginnend am 3.5.2013) verpflichtet hat und die Zahlungsforderung nicht durch Anfechtung der Willenserklärung der Beklagten gem. §§ 119, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB erloschen ist. Diese Beurteilung nimmt die Revision als für ihren Standpunkt günstig hin. Sie lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen.

Rz. 12

II. Der Beklagten steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Schadensersatzanspruch wegen einer unzumutbaren Belästigung i.S.v. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu, den sie der Klageforderung gem. § 242 BGB wegen einer sofortigen Rückgewährverpflichtung (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) oder - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist - im Wege der hilfsweise erklärten Aufrechnung gem. § 389 BGB entgegenhalten kann.

Rz. 13

1. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG liegt eine unzumutbare Belästigung vor, wenn gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung mit einem Telefonanruf geworben wird.

Rz. 14

2. Ein auf eine Verletzung dieser Bestimmung i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB (vgl. zur unverlangten Zusendung von E-Mails BGH, Beschl. v. 20.5.2009 - I ZR 218/07, GRUR 2009, 980 Rz. 10 ff. = WRP 2009, 1246 - E-Mail-Werbung II; Urt. v. 12.9.2013 - I ZR 208/12, GRUR 2013, 1259 Rz. 15 ff. = WRP 2013, 1579 - Empfehlungs-E-Mail; zu Werbeanrufen Köhler in Köhler/Bornkamm UWG, 34. Aufl., § 7 Rz. 14, 119; Koch in Ullmann, JurisPK-UWG, 3. Aufl., § 7 Rz. 263; Leible in MünchKomm/UWG, 2. Aufl., § 7 UWG Rz. 40) oder § 823 Abs. 2 BGB (vgl. dazu Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., Einl. Rz. 7.5 m.w.N.) gestützter Schadensersatzanspruch der Beklagten scheidet im Streitfall bereits deshalb aus, weil es an einem vom Schutzbereich des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfassten Schaden fehlt.

Rz. 15

a) Ersatzfähig ist nur der Schaden, der vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst ist (BGH, Urt. v. 22.9.1999 - I ZR 48/97, GRUR 2000, 226, 227 = WRP 2000, 101 - Planungsmappe; Urt. v. 4.7.2014 - V ZR 229/13, NJW 2014, 3727 Rz. 15; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 9 Rz. 1.13; Oetker in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 249 Rz. 122 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., Vor § 249 Rz. 29). Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalent und adäquat verursachten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rz. 12 m.w.N.).

Rz. 16

b) Die Bestimmung des § 7 UWG, dessen Maßstäbe zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im Rahmen der Prüfung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gem. § 823 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommen (BGH, GRUR 2009, 980 Rz. 14 ff. - E-Mail-Werbung II; GRUR 2013, 1259 Rz. 20 - Empfehlungs-E-Mail; Köhler in Köhler Bornkamm, a.a.O., § 7 Rz. 14; Koch in Ullmann, JurisPK-UWG, a.a.O., § 7 Rz. 153), soll Marktteilnehmer vor einer unzumutbaren Belästigung bewahren (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UWG). Gegenstand des Schutzes ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die Privatsphäre des Verbrauchers und die geschäftliche Sphäre, insb. die Ungestörtheit der Betriebsabläufe des sonstigen Marktteilnehmers; es soll verhindert werden, dass dem Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer Werbemaßnahmen gegen seinen erkennbaren oder mutmaßlichen Willen aufgedrängt werden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, 20 f.; BGH, Urt. v. 1.4.2004 - I ZR 227/01, GRUR 2004, 699, 701 = WRP 2004, 1160 - Ansprechen in der Öffentlichkeit I; Urt. v. 9.9.2004 - I ZR 93/02, GRUR 2005, 443, 444 = WRP 2005, 485 - Ansprechen in der Öffentlichkeit II; Urt. v. 1.6.2006 - I ZR 167/03, GRUR 2007, 164 Rz. 8 f. = WRP 2007, 67 - Telefax-Werbung II; Urt. v. 11.3.2010 - I ZR 27/08, GRUR 2010, 939 Rz. 20 = WRP 2010, 1249 - Telefonwerbung nach Unternehmerwechsel; Urt. v. 3.3.2011 - I ZR 167/09, GRUR 2011, 747 Rz. 18 = WRP 2011, 1054 - Kreditkartenübersendung; Leible in MünchKomm/UWG, a.a.O., § 7 Rz. 1; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rz. 2; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 7 Rz. 1; Koch in Ullmann, JurisPK-UWG, a.a.O., § 7 Rz. 3 f.; Pahlow in Großkomm.UWG, 2. Aufl., § 7 Rz. 1; Mehler in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., § 7 UWG Rz. 3). Verhindert werden soll darüber hinaus, dass die belästigende Werbung zu einer Bindung von Ressourcen des Empfängers (z.B. Zeitaufwand, Kosten für Faxpapier, Vorhaltekosten von Empfangseinrichtungen, Entsorgungskosten) führt (vgl. BGH GRUR 2007, 164 Rz. 9 - Telefax-Werbung II; Leible in MünchKomm/UWG, a.a.O., § 7 Rz. 1; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rz. 2; Pahlow in Großkomm.UWG, a.a.O., § 7 Rz. 1; Schöler in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., § 7 Rz. 36). Dagegen bezweckt § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG nicht den Schutz der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer (Leible in MünchKomm/UWG, a.a.O., § 7 UWG Rz. 1; Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rz. 3; Ohly in Ohly/Sosnitza, a.a.O., § 7 Rz. 1; Pahlow in Großkomm.UWG, a.a.O., § 7 Rz. 20; a.A. Fezer/Mankowski, UWG, 2. Aufl., § 7 Rz. 43; Mehler in Büscher/Dittmer/Schiwy, a.a.O., § 7 Rz. 5; Schöler in Harte/Henning, a.a.O., § 7 Rz. 36). Das Erfordernis einer über die Belästigung hinausgehenden Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit, etwa unter dem Gesichtspunkt der Überrumpelung, lässt sich dem Wortlaut der Bestimmung des § 7 UWG nicht entnehmen (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rz. 3). Die Einbeziehung der Entscheidungsfreiheit des Umworbenen in den Schutzbereich von § 7 UWG würde zudem die auch durch das Unionsrecht nahe gelegten systematischen Grenzen zu § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG verwischen (vgl. zu § 4 Nr. 1 UWG a.F. Leible in MünchKomm/UWG, a.a.O., § 7 Rz. 1; Ohly in Ohly/Sosnitza, a.a.O., § 7 Rz. 16; ders., GRUR 2016, 3, 5; Beater, WRP 2012, 6, 10 f.).

Rz. 17

c) Vorliegend hat das Berufungsgericht keinen Schaden festgestellt, der in den Schutzbereich des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG fällt.

Rz. 18

aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein ersatzfähiger Schaden der Beklagten liege in der Belastung der Beklagten durch den Vergütungsanspruch, den die Klägerin gegen die Beklagte dadurch erlangt habe, dass es zwischen den Parteien beim zweiten Telefonanruf zu einem wirksamen Vertragsschluss über den vergütungspflichtigen Eintrag in das von der Klägerin betriebene elektronische Branchenverzeichnis gekommen sei. Insoweit sei ohne Bedeutung, dass im Hinblick auf den zweiten Anruf möglicherweise eine Einwilligung der Beklagten vorgelegen habe. Entscheidend sei allein der ohne Einwilligung der Beklagten erfolgte erste Anruf, bei dem bereits sämtliche Grundlagen des späteren Vertragsschlusses gelegt worden seien. Der Vertragsschluss beruhe auf einer gezielt geschaffenen und rechtswidrigen Überrumpelungssituation durch den ersten Anruf, vor der § 7 Abs. 2 UWG gerade schützen wolle.

Rz. 19

bb) Dem kann nicht zugestimmt werden.

Rz. 20

(1) Der zur Belastung mit der Zahlungsverbindlichkeit führende Vertragsschluss ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bei dem zweiten Telefonat erfolgt. Der zweite Anruf war jedoch durch die zuvor von der Beklagten ausdrücklich erklärte Einwilligung gedeckt, so dass insoweit die Annahme einer unerlaubten Handlung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG sowie § 823 Abs. 1 BGB ausscheidet.

Rz. 21

(2) Der Umstand, dass der erste Anruf, bei dem die Beklagte ihre Einwilligung in einen weiteren Anruf erklärt hat, möglicherweise nicht durch eine ausdrücklich erklärte oder mutmaßliche Einwilligung der Beklagten gedeckt war, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gehört eine von ihm insoweit angenommene Überrumpelungssituation und die damit einhergehende Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit nicht zum Bereich der Gefahren, die § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verhindern will. Es ist vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt noch sonst ersichtlich, dass der Vertragsschluss als eine Folge der Störung der Betriebsabläufe der Beklagten durch den ersten Telefonanruf anzusehen ist.

Rz. 22

III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

Rz. 23

1. Schäden, die der Beklagten infolge eines belästigenden Eindringens in ihre geschäftliche Sphäre durch den Einsatz von Ressourcen entstanden sind und die der Klageforderung entgegengehalten werden könnten, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden.

Rz. 24

2. Im Streitfall kommt auch kein Schadensersatzanspruch der Beklagten gem. §§ 3, 9 UWG i.V.m. § 4 Nr. 1 UWG a.F. in Betracht. Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung dieser Bestimmung liegt eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher i.S.v. § 4 Nr. 1 UWG a.F. nur dann vor, wenn der Handelnde diese Freiheit gem. Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung i.S.d. Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29/EG erheblich beeinträchtigt (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2011 - I ZR 167/09, GRUR 2011, 747 Rz. 26 = WRP 2011, 1321 - Kreditkartenübersendung; Urt. v. 3.4.2014 - I ZR 96/13, GRUR 2014, 1117 Rz. 26 = WRP 2014, 1301 - Zeugnisaktion; Urt. v. 19.3.2015 - I ZR 157/13, GRUR 2015, 1134 Rz. 31 = WRP 2015, 1341 - Schufa-Hinweis). Dafür ist Voraussetzung, dass die im Streitfall allein in Betracht kommende Belästigung die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte (Art. 8 der Richtlinie 2005/29/EG). Für eine solche Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit fehlen im Streitfall hinreichende Anhaltspunkte. Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Beklagte in Kenntnis der Bedingungen des kostenpflichtigen Angebots der Klägerin ausdrücklich mit einem zweiten Telefonanruf einverstanden erklärt. Im Rahmen seiner Prüfung eines Irrtums i.S.v. § 119 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht zudem festgestellt, dass die von ihm in Augenschein genommene Aufzeichnung des zweiten Telefongesprächs den Eindruck vermittele, die Beklagte habe - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der wiederholten Nachfragen von Seiten der Klägerin - sehr wohl gewusst, was sie gesagt und erklärt hat.

Rz. 25

C. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat vermag nicht in der Sache selbst zu entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Berufungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob und für welchen Zeitraum sich die Beklagte bejahendenfalls auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gem. § 320 Abs. 1 BGB berufen kann, weil die Klägerin den Werbeeintrag für die Beklagte nach deren Darstellung nicht vorgenommen hat. Das Berufungsgericht hat deshalb - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - die insoweit notwendigen Feststellungen bislang nicht getroffen. So hat es insb. nicht geprüft, welche Partei vorleistungspflichtig ist. Ferner wird das Berufungsgericht festzustellen haben, ob die Klägerin den Werbeeintrag für die Beklagte auch nach Schluss der Berufungsverhandlung weiterhin nicht vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, ob die Beklagte gem. § 326 BGB von der Leistungspflicht ganz oder teilweise frei geworden ist, weil der Klägerin durch Zeitablauf - zwischen den Parteien war eine Leistung im Zeitraum vom 3.5.2013 bis 2.5.2016 vereinbart - die Erbringung der Leistung in dieser Zeit unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB), oder ob die Klägerin die Leistung auch während eines späteren Zeitraums nachholen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9457981

DB 2016, 1372

DB 2016, 7

NWB 2016, 2408

NJW-RR 2016, 1511

CR 2016, 613

EWiR 2016, 511

GRUR 2016, 7

GRUR 2016, 831

ZAP 2016, 733

ZAP 2016, 786

AfP 2016, 348

DSB 2016, 168

DSB 2016, 221

JZ 2016, 547

MDR 2016, 894

RDV 2016, 267

VersR 2016, 1205

WRP 2016, 866

GRUR-Prax 2016, 289

K&R 2016, 509

MMR 2017, 68

NWB direkt 2016, 878

Mitt. 2016, 479

ZVertriebsR 2016, 254

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