Leitsatz (amtlich)

a) § 11 Abs. 1 PostG schließt die Haftung der Deutschen Bundespost auf Schadensersatz nicht aus, wenn sie im Postscheckdienst infolge grober Fahrlässigkeit einen Verrechnungsscheck von einem Nichtberechtigten hereinnimmt und über ihn verfügt.

b) Zur Frage, ob ein Kreditinstitut grob fahrlässig handelt, wenn es bei Hereinnahme von Inhaberschecks zum Einzug auf ein Privatkonto nicht bemerkt, daß sich darunter Schecks befinden, in denen als Empfänger das Finanzamt und die Allgemeine Ortskrankenkasse angegeben sind.

 

Normenkette

ScheckG Art. 21; BGB §§ 990, 989; PostG 1969 §§ 11, 19

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.03.1979)

LG Düsseldorf (Urteil vom 11.10.1978)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 28. März 1979 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Oktober 1978 abgeändert, soweit es zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.

Die Klage wird in vollem Umfange abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger fordern von der Deutschen Bundespost Schadensersatz, weil diese ihr durch die Einziehung abhanden gekommener Verrechnungsschecks Schaden zugefügt habe.

Die Kläger zogen Anfang März 1977 im Rahmen ihres Geschäftsbetriebes neun (Inhaber-)Verrechnungsschecks über zusammen 69.920,82 DM auf verschiedene ortsansässige Kreditinstitute. Auf einem Scheck war das Finanzamt, auf einem anderen die Allgemeine Ortskrankenkasse als Zahlungsempfänger angegeben; die übrigen Schecks waren für Privatfirmen bestimmt. Die Schecks, die nach der Behauptung der Kläger als einfache Briefe in den Postbriefkasten geworfen worden sind, erreichten die Empfänger nicht. Statt dessen übersandte ein Bernhard B. sie einzeln in Briefumschlägen jeweils mit Zahlkarten dem Postscheckamt K. zum Einzug auf sein am 15. Februar 1977 eröffnetes Postscheckkonto. Am 16. März 1977 sind beim Postscheckamt fünf Schecks der Kläger eingegangen, darunter der Scheck für das Finanzamt, und ein ebenfalls für das Finanzamt bestimmter Scheck eines anderen Unternehmers. Die restlichen Schecks der Kläger, unter denen sich der Scheck für die Allgemeine Ortskrankenkasse befand, sind am 17. März 1977 dem Postscheckamt zugegangen. Die von den Klägern stammenden Schecks sind im Einzugswege deren Girokonten belastet worden. Brieden hat die seinem Konto gutgebrachten Schecksummen in Teilbeträgen zwischen dem 24. und 28. März 1977 abgehoben; er ist unauffindbar. Die Kläger mußten ihre Schulden nochmals bezahlen.

Die Kläger tragen vor, die Schecks seien auf dem Postwege abhanden gekommen. Dies habe die Beklagte infolge grober Fahrlässigkeit bei der Hereinnahme der Schecks zum Einzug nicht beachtet. Deshalb hafte sie für den entstandenen Schaden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Beklagte sich vor Klageerhebung bereit erklärt hatte, ihnen die Hälfte der Scheckbeträge (= 10.285,65 DM), die für das Finanzamt und die Allgemeine Ortskrankenkasse bestimmt waren, zu ersetzen, verlangen sie mit der Klage 59.635,17 DM nebst Zinsen.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haftet die Beklagte nicht für den Schaden, der den Klägern durch den Scheckeinzug entstanden ist.

1. Nicht zu beanstanden ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte dem Eigentümer eines Verrechnungsschecks nach §§ 990, 989 BGB in Verbindung mit Art. 21 ScheckG auf Schadensersatz, wenn sie beim Erwerb des Schecks infolge grober Fahrlässigkeit nicht weiß, daß sie zum Besitz nicht berechtigt ist. Diese Haftung ist nicht, wie die Revision meint, durch § 11 des Gesetzes über das Postwesen (PostG) vom 28. Juli 1969 (BGBl I 1006) ausgeschlossen.

Gemäß § 11 Abs. 1 PostG ist die Haftung der Deutschen Bundespost für Schäden, die durch die nicht ordnungsgemäße Ausführung ihrer Dienstleistungen entstehen, auf den Umfang beschränkt, der sich aus den Vorschriften des Postgesetzes ergibt. Die Haftung im Postscheckdienst ist in § 19 PostG geregelt. Danach haftet die Bundespost für Schäden, die dem Postscheckteilnehmer durch die nicht ordnungsgemäße Ausführung seiner Aufträge (Überweisungen, Schecks, Einziehungsaufträge) durch das Postscheckamt entstehen, entsprechend den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über die Haftung des Schuldners für die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten. Nach Ansicht der Revision ergibt sich aus §§ 11 Abs. 1, 19 PostG, daß die Beklagte im Postscheckdienst nur Postscheckteilnehmern haftet, während gegenüber Dritten die Haftung ausgeschlossen sein soll. Dem kann nicht gefolgt werden, soweit es – wie hier – um die Haftung der Beklagten gemäß §§ 990, 989 BGB; Art. 21 ScheckG beim Erwerb veruntreuter oder sonst abhanden gekommener Verrechnungsschecks geht.

Die Beschränkung oder der Ausschluß der Haftung der Bundespost ist sachlich gerechtfertigt, soweit es sich um den typischen postalischen Massenverkehr handelt. In diesem Bereich verbietet sich eine ständige Kontrolle der Betriebsvorgänge, weil der Massenverkehr zügig und – im Interesse der Öffentlichkeit – möglichst billig durchgeführt werden muß (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.75 – III ZR 110/73, LM PostG 1969, § 11 Nr. 1). Die Beschränkung der Haftung für die dabei typischerweise entstehenden Haftungsgefahren stellt in diesem Falle einen angemessenen und notwendigen Interessenausgleich dar. Hingegen bestünden erhebliche rechtliche Bedenken, wenn die Beschränkung oder der Ausschluß der Haftung auf einen Bereich ausgedehnt werden würde, in dem die Beklagte sich – wie beim Postscheckdienst – im privatrechtlichen Verkehr und in Konkurrenz zu anderen privatrechtlichen Einrichtungen – hier den Kreditinstituten – bewegt und ihre Leistungen wegen des Haftungsausschlusses billiger anbieten könnte. Dies widerspräche dem allgemeinen Grundsatz, daß die Öffentliche Hand, wenn sie am Privatrechtsverkehr teilnimmt, den privaten Wettbewerbern auf dem Boden der Gleichordnung gegenübersteht (vgl. BGHZ 66, 229, 237). Diesem Grundsatz trägt § 19 PostG auch Rechnung, indem er die Haftung der Beklagten gegenüber den Postscheckteilnehmern in gleicher Weise ausgestaltet wie die Haftung der privaten Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden. Der Beklagten wird insoweit durch das Postgesetz also keine Sonderstellung im Vergleich zu den Kreditinstituten eingeräumt. Dies spricht entscheidend dafür, daß die Beklagte durch das Postgesetz auch hinsichtlich der Haftung gegenüber Dritten, die nicht Postscheckteilnehmer sind, nicht besser gestellt werden sollte, als die Kreditinstitute. Diese aber können die Haftung gemäß §§ 990, 989 BGB, Art. 21 ScheckG nicht ausschließen. Aus diesen Gründen ist § 11 Abs. 1 PostG für den Bereich des Postscheckdienstes eng und in den Sinne auszulegen, daß die Beklagte, obwohl dies im Gesetz nicht erwähnt ist, von der Haftung für grob fahrlässiges Verschulden beim Erwerb von Verrechnungsschecks zum Einzug nicht befreit ist.

2. Neben der Haftung der Beklagten gemäß §§ 990, 989 BGB kommt noch ein Amtshaftungsanspruch in Betracht, da die Betätigung der Bundespost regelmäßig Ausübung öffentlicher Gewalt ist (BGH, Urt. v. 8.7.57 – III ZR 44/56, LM BGB § 839 [Fh] Nr. 4). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes richtet sich aber der Schadensersatzanspruch des Eigentümers gegen den unrechtmäßigen Besitzer, der die Sache nicht mehr herausgeben kann, nach §§ 987 ff BGB, die die §§ 823 ff BGB insoweit verdrängen (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.54 – VI ZR 114/52, LM BGB § 989 Nr. 3; BGHZ 56, 73, 77).

3. Mit der Annahme, die Beklagte hätte bei Anwendung der bankmäßigen Sorgfalt bemerken müssen, daß sich unter den eingereichten Schecks solche befanden, die für das Finanzamt und die Allgemeine Ortskrankenkasse bestimmt waren, verkennt das Berufungsgericht allgemeingültige Grundsätze über die Sorgfaltspflicht der Kreditinstitute im Scheckverkehr und damit auch den Begriff der groben Fahrlässigkeit.

Die Bediensteten des Postscheckamts haben den zweifellos ungewöhnlichen Umstand nicht bemerkt, daß für das Finanzamt und die Allgemeine Ortskrankenkasse bestimmte Schecks zum Einzug auf ein Privatkonto eingereicht worden sind. Wollte man hieraus eine Haftung der Beklagten herleiten, würde dies voraussetzen, daß man vom Inkassoinstitut vor dem Erwerb eines Inhaberschecks jedenfalls eine grobe Prüfung nach Auffälligkeiten verlangt, die sich aus der Verschiedenheit zwischen Einreicher und dem im Scheck angegebenen Empfänger ergeben könnten. Da sich aus dem Scheck nicht ersehen läßt, wer ihn eingereicht hat, würde diese Prüfung jeweils außer der Feststellung des im Scheck bezeichneten Empfängers die Ermittlung des Einreichers aufgrund des Einreicherverzeichnisses bzw. – bei der Beklagten – der Zahlkarte erfordern. Eine solche Prüfung kann nicht verlangt werden. Das Kreditinstitut, das einen Scheck zur Einziehung hereinnimmt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Berechtigung des Scheckinhabers nachzuprüfen, denn nach dem Gesetz wird die Verfügungsbefugnis über den Inhaberscheck schon durch den Besitz ausgewiesen. Die Verpflichtung, die Berechtigung des Einreichers zu überprüfen, beginnt erst, wenn ganz besondere Umstände den Verdacht nahelegen, der Scheck könne abhanden gekommen sein (vgl. SenUrt. v. 10.12.73 – II ZR 138/72, LM ScheckG Art. 39 Nr. 4). Daraus kann eine Pflicht zur Prüfung nach Auffälligkeiten aufgrund der Verschiedenheit von Einreicher und Schecknehmer nicht hergeleitet werden. Darin läge eine Überspannung der Sorgfaltspflicht des Kreditinstituts. In der Regel ist die Verschiedenheit von Einreicher und dem im Scheck bezeichneten Empfänger kein Umstand, der Verdacht erregen müßte, da es jedenfalls im kaufmännischen Verkehr nicht ungewöhnlich ist, daß der erste Schecknehmer, der im Scheckformular angegeben ist, den Scheck nicht sogleich zum Einzug einreicht, sondern ihn zahlungshalber weiter in den Verkehr gibt. Die Identitätsprüfung würde daher bei der Masse der Schecks keinen Hinweis auf verdachterregende Umstände erbringen. Die Zahl der Behördenschecks hingegen, bei denen Einreicher und Scheckempfänger nicht identisch sind, ist verschwindend gering, weil Behörden Schecks nicht in den Zahlungsverkehr zu geben pflegen. Die Erfolgsquote einer Identitätsprüfung wäre also äußerst gering. Dies rechtfertigt den Aufwand nicht, der angesichts des Massenverkehrs durch diese Prüfung entstehen würde. Die Bediensteten der Beklagten haben also nicht gegen die bankmäßige Sorgfalt verstoßen, weil sie in der Scheckeinzugstelle des Postscheckamts die Schecks lediglich daraufhin geprüft haben, ob sie unterschrieben waren und an der Schecksumme keine Veränderungen aufwiesen. Aus den gleichen Gründen kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, sie hätte durch entsprechende Anweisungen dafür sorgen müssen, daß Verdachtsmomente, die sich aus der Bezeichnung des Schecknehmers hätten ergeben können, erkannt wurden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Beklagten somit nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß ihren Bediensteten die Behördenschecks nicht aufgefallen sind. Nur wenn dieses, aus welchen Gründen auch immer, der Fall gewesen wäre, hätte für die Beklagte die Pflicht zu weiterer Prüfung der Berechtigung des Einreichers bestanden.

Da das Berufungsgericht sonstige verdachterregende Umstände zutreffend verneint hat, war die Klage abzuweisen.

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Bundschuh, Dr. Skibbe

 

Fundstellen

Haufe-Index 1134331

NJW 1980, 2353

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1980, 645

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