Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderungsanspruch eines Telefonanschlussinhabers. Telefondienstvertrag. Anschlussnutzer. Verbindungsnetzbetreiber. Plattformbetreiber. Herstellung einer Verbindung zu einem Mehrwertdienst. Entgelt. Zahlung unter Vorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

a) Zum Rückforderungsanspruch eines Telefonanschlussinhabers gegen einen Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber wegen unter Vorbehalt gezahlten Entgelts für die Herstellung einer Verbindung zu einem Mehrwertdienst (Fortführung von BGH, Urt. v. 28.7.2005 - III ZR 3/05, BGHReport 2005, 1361 m. Anm. Tiedemann = MMR 2005, 597 ff.).

b) Hat der Bereicherungsgläubiger seine Leistung unter Vorbehalt erbracht, kann sich der Bereicherungsschuldner nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er dem Vorbehalt nicht widersprochen hat (Bestätigung von BGH, Urt. v. 8.6.1988 - IVb ZR 51/87, MDR 1988, 1040 = WM 1988, 1494 [1496]).

 

Normenkette

BGB §§ 145, 611 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 818 Abs. 3; TKV § 15 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Urteil vom 08.02.2005; Aktenzeichen 1 S 162/04)

AG Elmshorn (Urteil vom 26.03.2004)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Itzehoe v. 8.2.2005 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Elmshorn v. 26.3.2004 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber eines Telefonanschlusses der Deutschen Telekom AG. Die Beklagte stellt als sog. Verbindungsnetzbetreiber Verbindungen aus Teilnehmernetzen in andere Telekommunikationsnetze her. U.a. leitet sie über eine von ihr betriebene Diensteplattform aus dem Netz der Deutschen Telekom und anderer Telekommunikationsunternehmen kommende Anrufe bzw. Interneteinwahlen an die Betreiber von Mehrwertdiensten weiter.

Die Deutsche Telekom AG stellte dem Kläger 1.427,21 EUR nebst anteiliger Umsatzsteuer als Forderung der Beklagten für die Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten über ihr Netz im Februar 2002 in Rechnung. Nach einer Auseinandersetzung der Parteien über die Berechtigung dieser Forderung zahlte der Kläger schließlich im Januar 2003 den strittigen Betrag unter Vorbehalt. Er bestreitet, dass die berechneten Verbindungen von seinem Anschluss aus bewusst hergestellt worden seien, und fordert die Rückzahlung des geleisteten Betrages. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat auch in der Sache Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da der Kläger auf Grund des zwischen den Parteien bestehenden Telefondienstvertrags verpflichtet sei, die in Rechnung gestellten Beträge zu zahlen. Der Kläger sei beweisfällig dafür geblieben, dass sein Anschluss nicht in einem von ihm nicht zu vertretenen Umfang genutzt worden sei. Die Beweislast hierfür trage der Kläger, da die Ordnungsmäßigkeit des Abrechnungssystems und des Verbindungsnetzes feststehe und ein - wenn auch um die letzten drei Zielnummern gekürzter - Einzelverbindungsnachweis vorliege. Der Kläger habe auch nicht beweisen können, dass die Verbindungen durch ein sich heimlich selbst installierendes automatisches Anwahlprogramm (sog. Dialer) hergestellt worden seien.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Rückzahlungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB. Die Beklagte ist um die von dem Kläger geleistete Summe ohne rechtlichen Grund bereichert, da sie keinen Anspruch auf das geltend gemachte Verbindungsentgelt hat.

1. Die Beklagte ist Empfängerin der Leistung des Klägers, obgleich der Kläger den strittigen Betrag an die Deutsche Telekom AG zahlte. Für die Frage, wer Empfänger einer Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinn ist, kommt es entscheidend darauf an, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Danach richtet sich die einer Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, die wiederum für das Leistungsverhältnis maßgebend ist, innerhalb dessen der kondiktionsrechtliche Ausgleich zu vollziehen ist (st.Rspr.; z.B.: BGH v. 8.10.1981 - VII ZR 319/80, BGHZ 82, 28 [30] = MDR 1982, 221, m.w.N.).

Danach ist die Beklagte auf Grund des der Zahlung vorangegangenen Geschehensablaufs als Leistungsempfängerin anzusehen. Die Deutsche Telekom machte das Entgelt für die unter Mitwirkung der Beklagten zu Stande gekommenen Verbindungen nicht als eigene Forderung geltend, sondern als Inkassostelle für einen Anspruch der Beklagten. Dies ergibt sich daraus, dass die Deutsche Telekom AG den betreffenden Betrag in ihrer Rechnung unter der Rubrik "Beträge anderer Anbieter" aufführte und darauf hinwies, dass "Einwendungen gegen die Entgelte des Anbieters ... direkt" an die Beklagte zu richten seien. Dementsprechend verwies sie den Kläger an die Beklagte, nachdem dieser remonstriert hatte. Auch die Beklagte behandelte die hier strittige Summe als ihren eigenen Anspruch. Sie überließ die Einforderung des beanspruchten Betrags nicht der Deutschen Telekom AG. Vielmehr machte sie ihn durch die Beauftragung eines Inkassounternehmens und einer Anwaltskanzlei selbst und in eigenem Namen geltend. Dementsprechend führte der Kläger die schriftliche Auseinandersetzung über die Berechtigung des Anspruchs der Beklagten mit dieser selbst bzw. mit den von ihr eingeschalteten Personen. Insbesondere erklärte er seine unter den Vorbehalt der Rückforderung gestellte Zahlungsbereitschaft ggü. den von der Beklagten beauftragten Rechtsanwälten. Bei dieser Sachlage ging der erkennbare Wille des Klägers dahin, eine Forderung der Beklagten und nicht der Deutschen Telekom AG zu begleichen, selbst wenn er an das letztgenannte Unternehmen zahlte. Dieses war bloße Zahlstelle der Beklagten.

2. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien ein Vertrag über die Erbringung von Telefondienstleistungen zu Stande gekommen ist. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass ihre Mitwirkung am Zustandekommen der berechneten Verbindungen für den Anschlussnutzer erkennbar war. Wie der Senat in seinem Urteil v. 28.7.2005 - III ZR 3/05 (BGH v. 28.7.2005 - III ZR 3/05, BGHReport 2005, 1361 m. Anm. Tiedemann = MMR 2005, 597 ff.) bereits entschieden hat, kommt in diesen Fällen zwischen dem Inhaber eines Telefonanschlusses, von dem aus ein Mehrwertdienst angewählt wird, und dem Verbindungsnetz- sowie dem Plattformbetreiber kein Vertrag über die Erbringung von Verbindungsleistungen zu Stande. Im Einzelnen gilt Folgendes:

a) Der Anwahl einer Mehrwertdienstenummer ist nicht der objektive Erklärungswert zu entnehmen, dass der Nutzer nicht nur mit dem Mehrwertdiensteanbieter, sondern auch mit dem Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber eine (entgeltliche) vertragliche Beziehung begründen will. Dies scheitert bereits daran, dass dieser aus Sicht eines objektiven Dritten bei vernünftiger Betrachtung der bekannten oder erkennbaren Umstände (vgl. hierzu z.B. BGHZ 36, 30 [33]; BGH, Urt. v. 12.3.1992 - IX ZR 141/91, MDR 1992, 961 = NJW 1992, 1446 f.; Bamberger/Roth/Wendtland, BGB, § 133 Rz. 27) nicht Adressat einer Willenserklärung ist. Dem durchschnittlich verständigen und informierten Telefon- und Internetnutzer ist, wovon auch ein objektiver Dritter auszugehen hat, die Leistungskette zwischen dem Teilnehmernetzbetreiber und dem Mehrwertdiensteanbieter nicht bekannt, sofern er nicht - etwa im Wege des sog. call-by-call-Verfahrens - gezielt einen bestimmten Verbindungsnetzbetreiber auswählt. Ihm ist deshalb nicht bewusst, dass die Verbindung zu dem Mehrwertdienst auch durch zwischengeschaltete Leistungserbringer hergestellt wird.

Hieran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn der durchschnittliche Anschlussbenutzer mit der Einbeziehung von Verbindungsnetz- und Plattformbetreibern in die Verbindungskette rechnete. Auch dann ließe sich der Anwahl des Mehrwertdienstes nicht die Erklärung des Nutzers entnehmen, mit dem Verbindungsnetz- oder Plattformbetreiber einen Vertrag über die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung schließen zu wollen. Für den Anschlussnutzer stellen sich, wie für einen objektiven Dritten erkennbar ist, diese Betreiber als bloße Hilfspersonen dar, deren Leistungen zur Erbringung des Mehrwertdienstes technisch notwendig sind. Offen bleiben kann, ob sich der Mehrwertdiensteanbieter dieser Verbindungsleistungen bedient oder ob der Teilnehmernetzbetreiber zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Telefondienstleistungsvertrag darauf zurückgreift. In beiden Fällen sind der Verbindungsnetz- und der Plattformbetreiber aus Sicht des Nutzers Erfüllungsgehilfen eines Dritten. Hierfür spricht insb., dass in dem Preis für die Inanspruchnahme des Mehrwertdienstes das Entgelt für die Leistungen des Verbindungsnetz- und des Plattformbetreibers bereits enthalten ist. Schuldet der Kunde ggü. dem Vertragspartner das Entgelt auch für Leistungen eines Dritten, liegt am nächsten der Schluss, dass diese Bestandteil der Pflichten des Vertragspartners sind und der Dritte dessen Erfüllungsgehilfe ist. Stellt sich im Rahmen einer Leistungsbeziehung ein Beteiligter, hier der Verbindungs- und Plattformbetreiber, aus Sicht einer Partei als Erfüllungsgehilfe des Vertragspartners dar, geht ihr erkennbarer Wille im Zweifelsfall nicht dahin, auch mit dem weiteren Beteiligten einen Vertrag zu schließen.

b) Gegen den Vertragsschluss zwischen dem Anschlussnutzer und dem Verbindungsnetz- bzw. Plattformbetreiber spricht auch die Interessenlage, die bei der Auslegung von Willenserklärungen zu berücksichtigen ist (z.B.: BGHZ 21, 319 [328]; BGH v. 10.10.1989 - VI ZR 78/89, BGHZ 109, 19 [22] = MDR 1990, 232; Urt. v. 9.7.2001 - II ZR 228/99, MDR 2001, 1254 = BGHReport 2001, 621 = NJW 2002, 747 [748], m.w.N.). Es liefe den erkennbaren Interessen des Nutzers zuwider, neben den vertraglichen Beziehungen zu dem Mehrwertdiensteanbieter und dem Teilnehmernetzbetreiber weitere Vertragsverhältnisse mit dem Verbindungsnetz- und dem Plattformbetreiber zu begründen. Der Anschlussinhaber würde auf diese Weise für ein und dieselbe Leistung den Entgeltansprüchen zusätzlicher Gläubiger ausgesetzt werden, obgleich er insoweit bereits den erstgenannten Vertragspartnern verpflichtet ist. Auch wenn er im Ergebnis nur einmal zu zahlen hat, würden die Rechtsverhältnisse durch die Vermehrung der Gläubigerzahl unübersichtlich und wären Streitigkeiten über die Tilgungswirkung von Leistungen und über Einwendungen des Kunden vorprogrammiert. Demgegenüber sind Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber zur Wahrung ihrer Interessen nicht auf Ansprüche ggü. dem Endkunden angewiesen, da sie die von ihnen erbrachten Leistungen je nach Gestaltung der entsprechenden Verträge ggü. dem Mehrwertdiensteanbieter oder dem Teilnehmernetzbetreiber oder gegenüber beiden geltend machen können.

c) Die Beklagte kann auch aus § 15 Abs. 1 TKV keinen Anspruch herleiten. Nach dieser Bestimmung hat der Teilnehmernetzbetreiber dem Kunden, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, auch die Entgelte in Rechnung zu stellen, die durch die Auswahl anderer Anbieter von Netzdienstleistungen entstehen. Diese Bestimmung begründet keinen Anspruch des Anbieters. Sie enthält vielmehr eine Regelung für den Fall, dass eine Entgeltforderung entstanden ist (vgl. die Begründung zu § 14 des TKV-Entwurfs = § 15 TKV, BR-Drucks. 551/97, 37). Hieran fehlt es mangels Vertragsschlusses zwischen den Parteien.

3. Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, von ihrer Verpflichtung zur Rückzahlung gem. § 818 Abs. 3 BGB befreit zu sein, soweit sie die erhaltenen Gelder an den Mehrwertdienstebetreiber abgeführt hat. Es kann insoweit auf sich beruhen, ob dies bereits daran scheitert, dass sie mit der Weiterleitung der Zahlung von einer ihr ggü. dem Mehrwertdienstebetreiber obliegenden Verpflichtung frei geworden ist und sie deshalb weiterhin in Form der Befreiung von einer Verbindlichkeit bereichert ist. Die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ist jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger unter Vorbehalt gezahlt hat, ohne dass die Beklagte dem widersprochen hätte (BGH, Urt. v. 8.6.1988 - IVb ZR 51/87, MDR 1988, 1040 = WM 1988, 1494 [1496], m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1448825

NJW 2006, 286

BGHR 2006, 1

EBE/BGH 2005, 371

CR 2006, 100

CR 2006, 27

WM 2005, 2333

JA 2006, 325

VuR 2006, 61

ZUM-RD 2006, 64

ITRB 2006, 1

ITRB 2006, 31

K&R 2005, 557

MMR 2006, 27

ZGS 2006, 5

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