Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgfaltspflicht des Notars zur Feststellung der Personen

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Notar hat zur zweifelsfreien Feststellung der vor ihm erschienenen Personen die äußerste Sorgfalt zu verwenden. Wenn der Erschienene dem Notar nicht persönlich bekannt ist oder von zuverlässigen Personen vorgestellt wird, muß sich der Notar in der Regel einen amtlichen, mit Lichtbild versehenen Ausweis vorlegen lassen; gibt es vorübergehend derartige Ausweise nicht, dann muß sich der Notar andere Urkunden vorlegen lassen, die nach ihrem Inhalt oder ihrer Natur regelmäßig sorgfältig aufbewahrt werden.

 

Normenkette

BGB § 839; RNotO § 21; DienstO f. Not §§ 31, 36

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 20.11.1954)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 20. November 1954 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt mit der am 14. Dezember 1951 zugestellten Klage Schadensersatz, weil der Beklagte als Notar eine Unterschrift als vom Kläger herrührend beglaubigt habe, obwohl sie nicht von ihm stamme.

Der Kläger war seit 1944 auf Grund eines Erbscheines als Alleineigentümer der im Grundbuch von B… Band 7 Blatt 177 verzeichneten Kätnerstelle eingetragen. Voreigentümer war sein Bruder Friedrich. Dem Erbschein lag ein privatschriftliches Testament vom 1. April 1934 zugrunde, wonach Friedrich H… den Kläger zum Alleinerben bestimmt hatte. Noch 1944 überließ der Kläger die Kätnerstelle seinem Neffen Hermann K… gegen ein lebenslängliches, dinglich gesichertes Nießbrauchsrecht. Der Veräußerer behielt sich den Widerruf bei eigener Bedürftigkeit, grobem Undank und ungehöriger Behandlung vor; eine Auflassungsvormerkung sicherte seinen Anspruch auf Rückauflassung. – Am 9. November 1948 erschien bei dem Beklagten der Neffe des Klägers, Hermann K…, mit einem älteren Mann, den er als den Kläger vorstellte. Der Notar beglaubigte ihre Unterschriften unter einer Erklärung, mit der sie die Löschung des Nießbrauches und der Auflassungsvormerkung bewilligten. Im Beglaubigungsvermerk des Beklagten hieß es, daß ihm die beiden Erschienenen persönlich bekannt seien. Auf Grund dieser Urkunde wurden der Nießbrauch und die Vormerkung gelöscht. Hermann K… veräußerte sodann Ländereien für etwa 23.000 DM und nahm mehrere Hypotheken auf. Zurück blieb die Hofstelle mit einem Hausgarten. Dieses Restgrundstück wurde mit einer Auflassungsvormerkung für einen Dritten und mit Zwangshypotheken belastet; 1951 wurde die Zwangsversteigerung angeordnet. Der Kläger erwirkte nunmehr die Verurteilung des K… zur Rückauflassung und zum Schadensersatz. Er ist seit 1952 wieder als Eigentümer eingetragen; das Zwangsversteigerungsverfahren ist inzwischen aufgehoben und der Zwangsversteigerungsvermerk während des Berufungsrechtszuges gelöscht. K… ist wegen der Tat rechtskräftig zu Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Kläger behauptet, er habe die fragliche Unterschrift vom 9. November 1948 nicht geleistet. Der Beklagte habe die Persönlichkeit des Erschienenen nicht mit der nötigen Sorgfalt geprüft. Er hafte deshalb auf Schadensersatz; der Umfang des Schadens sei noch nicht zu übersehen. Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt,

1) festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihm allen Schaden zu ersetzen, der durch die Beglaubigung der gefälschten Unterschrift entstanden ist;

hilfsweise festzustellen, daß der Beklagte den Schaden zu ersetzen habe, der durch die Löschung des Nießbrauchs und der Auflassungsvormerkung entstanden ist;

2) den Beklagten zu verurteilen, den Zwangsversteigerungsvermerk zu beseitigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Feststellungsklage für unzulässig, weil der Kläger auf Leistung klagen könne, auch bereits nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eine Teilklage über 2.000 DM erhoben habe. Zur Sache hat er ausgeführt: Der Kläger habe die streitige Unterschrift selbst geleistet. Selbst wenn er nicht unterschrieben habe, treffe den Beklagten kein Verschulden, auch sei das Versehen nicht ursächlich für den Schaden. Er habe den Kläger in einem Rechtsstreit des K… gegen dessen Mieter Ha… 1948 kennengelernt. Er habe dem K… glauben dürfen, dem der Kläger selbst Vertrauen entgegen gebracht, insbesondere vorher seinen ganzen Besitz überlassen habe. Der Beklagte hätte sich höchstens den damals gültigen blauen Personalausweis vorlegen lassen können, der kein Lichtbild hatte; K… hätte seinem Tatgenossen diesen Ausweis mitgegeben oder verschafft. Schriftproben seien bei derartig alten Leuten zwecklos und die Erschienenen hätten die erforderliche Sachkunde besessen. Wenn K… sich den Ausweis nicht hätte verschaffen könne, wäre er zu einem anderen Notar gegangen, den er mit Erfolg getäuscht hätte. Der Kläger hätte auch seinem Neffen K… 1946 eine Generalvollmacht erteilt; diese Vollmacht decke die Ermächtigung des K… an den Mittäter, mit dem Namen des Klägers zu unterschreiben. Der Kläger habe durch die Grundbuchnachrichten und Dorfgespräche alsbald von den Löschungen oder Verkäufen erfahren und sie gebilligt, insbesondere einen Teilverkauf Ende 1949. Er hätte durch rechtzeitiges Vorgehen den Schaden ganz oder teilweise verhindern können. Auf jeden Fall sei der Anspruch verjährt. Der Kläger habe mit K… die Zahlung eines festen Betrages von jährlich 1.500 DM an Stelle der Nießbrauchsgewährung vereinbart und darauf später verzichtet. Das Restgrundstück sichere dem Kläger noch heute eine Rente von jährlich 1.500 DM. K… habe alle durch die Belastungen und Veräußerungen gewonnenen Beträge in das Restgrundstück gesteckt; der Kläger müsse sich diese Wertverbesserung anrechnen lassen, zumal er jetzt wieder als Eigentümer eingetragen sei. Endlich bestehe auch deshalb kein Schaden, weil der Kläger schon 1944 zu Unrecht als Eigentümer eingetragen gewesen sei, da er das angebliche Testament seines Bruders von 1934 gefälscht habe.

Der Kläger ist dem entgegengetreten: Der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, da er den Kläger persönlich nicht gekannt habe. Der Kläger habe erst Ende 1951 von den Machenschaften des K… erfahren, da dieser Warnungen durch Dritte stets verhindert oder den Kläger beruhigt und insbesondere die Grundbuchnachrichten unterdrückt habe. Bei seinem Alter (er ist 1867 geboren) seien ihm weitere Maßnahmen nicht zuzumuten gewesen. Er habe K… keine Generalvollmachten erteilt. K… habe auch seinen Personalausweis nicht im Besitz gehabt. Der Kläger habe auf den Nießbrauch nicht verzichtet, allerdings die dafür vereinbarten 1.500 DM auch nicht erhalten, sei aber von K… gut versorgt gewesen. Eine Werterhöhung sei nicht eingetreten.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Teilurteil festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der durch die Löschung der Auflassungsvormerkung und des Nießbrauchs entstanden ist. Es hat nach dem Hilfsantrag erkannt, weil dieser nur eine genauere Fassung des Hauptantrags sei; die Entscheidung über den Antrag hinsichtlich der Löschung des Zwangsversteigerungsvermerks hat es vorbehalten. Das Oberlandesgericht hat nach weiterer Beweisaufnahme die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter; er weist insbesondere darauf hin; daß der Kläger nach Erlaß des Berufungsurteils eine weitere Teilleistungsklage über 5.500 DM erhoben habe, die eine Feststellungsklage ausschließe. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision mit der Maßgabe, daß die Klage in Höhe des eingeklagten Teilbetrages von 2.000 DM erledigt sei.

 

Entscheidungsgründe

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

I.

Die von der Revision gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Nach § 256 ZPO ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis alsbald durch eine richterliche Entscheidung festgestellt werde. Zwar fehlt dieses Feststellungsinteresse regelmäßig dann, wenn der Verletzte Leistungsklage erheben kann, doch gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos (BGHZ 2, 250). Bestand das Feststellungsinteresse bei Klagerhebung, dann ist der Kläger grundsätzlich nicht genötigt, später zur Leistungsklage überzugehen, weil er sonst in jedem Termin möglicherweise seinen Antrag ändern müßte (RGZ 71, 68; 108, 201; BGH LM § 256 ZPO Nr 5). Im vorliegenden Fall kann der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts den vollen Schaden noch nicht beziffern, weil die Folgen der fehlerhaften Beglaubigung noch nicht abgeschlossen sind. Deshalb ist die Feststellungsklage weiterhin zulässig.

Der Kläger hat allerdings kurz vor Erlaß des landgerichtlichen Urteils eine Leistungsklage über 2.000 DM erhoben. Es kann dahingestellt bleiben, ob insoweit ein Feststellungsinteresse entfällt, denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, daß die Klage in diesem Umfange erledigt sei und sich nur noch auf den 2.000 DM übersteigenden Schadensbetrag beziehe. Bei vernünftiger Auslegung der Anträge des Klägers im Berufungsrechtszug gilt diese Beschränkung schon für das ganze Verfahren vor dem Berufungsgericht. Der Beklagte hat dieser Erledigungserklärung nicht widersprochen, so daß der Rechtsstreit insoweit nach den übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien erledigt ist.

Der Beklagte behauptet ferner, der Kläger habe nach Erlaß des Berufungsurteils eine weitere Leistungsklage über 5.500 DM erhoben. Dem Revisionsgericht ist eine Berücksichtigung dieses neuen tatsächlichen Vorbringens untersagt (§ 561 ZPO). Zwar ist das Feststellungsinteresse eine in jeder Instanz von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung, aber auch dabei dürfen im Revisionsrechtszug neue Tatsachen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Eine Ausnahme gilt nur für solche Prozeßvoraussetzungen, deren Mangel das Urteil nichtig oder vernichtbar machen würde, oder für die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsweges (BGHZ 18, 98/106); das alles liegt hier nicht vor.

II.

Die sachlichrechtliche Prüfung ergibt:

Das Oberlandesgericht hat auf Grund der Beweisaufnahme festgestellt, daß die streitige Unterschrift nicht vom Kläger stammt. Diese Feststellung enthält keinen Rechtsfehler und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

1. Der Beklagte hat damit objektiv seine Pflichten als Notar verletzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts, der sich der Senat anschließt, hat ein Notar mit Rücksicht auf die außerordentliche Bedeutung seiner Amtshandlungen für das Rechtsleben, den öffentlichen Glauben notarieller Urkunden und die Sicherheit des Rechtsverkehrs auf die zweifelsfreie Feststellung der vor ihm erschienenen Personen die äußerste Sorgfalt zu verwenden. Deshalb muß sich der Notar in der Regel einen amtlichen, mit Lichtbild versehenen Ausweis vorlegen lassen, wenn der Erschienene ihm nicht persönlich bekannt ist oder von zuverlässigen Personen vorgestellt wird (RGZ 81, 125; 124, 62; 156, 82; JW 1936, 1956). Die Dienstordnung für Notare vom 5. Juni 1937 (DJ S 874) wiederholt diese Grundsätze in §§ 31, 36 ausdrücklich. Die Dienstordnung weist ferner darauf hin, daß der Notar bei Vorstellung durch Dritte deren Glaubwürdigkeit zu prüfen hat und daß dabei regelmäßig als Auskunftspersonen nur Personen geeignet sind, die der Notar selbst als zuverlässig kennt und die nicht an der den Gegenstand der Amtshandlung bildenden Angelegenheit beteiligt sind. Das sind Erfordernisse, die sich aus der Natur der Sache ergeben. Zur Zeit des Vorfalles gab es allerdings in der Britischen Besatzungszone keine allgemeinen amtlichen Ausweise mit Lichtbild, sondern nur die blauen Personalausweise mit Unterschrift gemäß der Verordnung MilReg Nr 53 (ABl S 321). Das Fehlen amtlicher Ausweise mit Lichtbild nötigte den Notar zur Benutzung weiterer einwandfreier Erkennungsmittel, um sich Gewißheit über die Person des Erschienenen zu verschaffen. Die in der Britischen Besatzungszone eingeführten blauen Personalausweise wurden in wichtigen Angelegenheiten allgemein nicht als vollgültige Ausweismittel angesehen. Der Notar mußte sich deshalb andere Urkunden vorlegen lassen, die nach ihrem Inhalt oder ihrer Natur regelmäßig sorgfältig aufbewahrt werden (RG JW 1932, 2864). Nur dann wahrte er die von ihm zu verlangende äußerste Sorgfalt. Diese Pflicht bestand auch gegenüber dem Kläger, weil die Beurkundung seine Belange berührte.

Der Beklagte hat diese Pflicht in mehrfacher Hinsicht verletzt: Er hat den Kläger mit dem Unbekannten verwechselt, sich weder einen Ausweis noch sonstige Urkunden vorzeigen lassen und sich als Erkennungszeugen des K… bedient, der durch die Amtshandlung begünstigtwurde. Das Berufungsgericht bejaht die Ursächlichkeit dieses Verhaltens für den Schaden. Denn hätte der Beklagte den Unbekannten nicht mit dem Kläger verwechselt, dann wären die Rechte des Klägers nicht gelöscht. Der Beklagte habe also “die reale Schadensursache gesetzt”. Er habe zwar geltend gemacht, der Schaden wäre auf jeden Fall entstanden, da K… entweder den Personalausweis des Klägers vorgelegt oder sich beschafft oder einen anderen Notar getäuscht hätte; dieser hypothetische Sachverhalt sei jedoch nicht bewiesen.

Die Revision hält zunächst die Feststellung für fehlerhaft, K… habe den Ausweis des Klägers nicht bei sich gehabt. Dieses Vorbringen ist unbeachtlich, weil es nur ein unzulässiger Angriff auf die Beweiswürdigung des Tatrichters ist und die Vorlage dieses Ausweises allein zur Wahrung der äußersten Sorgfalt nicht genügte.

Die Revision meint weiter, die Vorlage des Personalausweises hätte den Schaden nicht verhindert, sei also nicht ursächlich. Das Oberlandesgericht hat jedoch die Ursächlichkeit der Pflichtverletzungen für den Schaden ohne Rechtsfehler bejaht. Die Pflichtverletzungen des Beklagten, der den Kläger mit dem Unbekannten verwechselte, sich keine als Ausweis geeignete Urkunden vorzeigen ließ und sich mit der Einführung durch den von der Amtshandlung Begünstigten begnügte, können nicht hinweggedacht werden, ohne daß der Erfolg entfällt. Diese Pflichtverletzungen waren zur Herbeiführung des Schadens auch allgemein geeignet, ohne daß es des Hinzutrittes weiterer, besonders eigenartiger, unwahrscheinlicher oder nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassender Umstände bedurfte (BGHZ 2, 138; 3, 261). Es kann dahingestellt bleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn der Beklagte nur die Pflicht gehabt hätte, sich den blauen Personalausweis vorzeigen zu lassen und die Vorlage dieses Ausweises die Täuschung nicht verhindern konnte, weil der Ausweis kein Lichtbild hatte und eine Unterschriftsprobe zwecklos war. Zwar ist eine Unterlassung nicht ursächlich, wenn trotz Vornahme der unterlassenen Handlung derselbe Erfolg eingetreten wäre. Aber die Pflichtwidrigkeit lag hier nicht nur in der unterbliebenen Einsicht in den blauen Personalausweis, sondern darin, daß der Beklagte es unterließ, sich durch weitere Umstände Gewißheit über die Person des Erschienenen zu verschaffen und sich auf die Erklärung des als Beteiligten ungeeigneten Erkennungszeugen verließ, wodurch er die ihm unterlaufene Verwechslung nicht bemerkte.

2. Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Die Ausführungen des Berufungsgerichts ergeben, daß das Oberlandesgericht das gesamte Verhalten des Beklagten als eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt gewertet hat. Es weist darauf hin, daß der Beklagte bei der kurzen Bekanntschaft mit einer Verwechslung rechnen mußte. Das ist richtig, denn Anwälte und Notare kommen in ihrem Beruf täglich mit vielen Menschen nur kurz und flüchtig zusammen, was Verwechslungen erleichtert und die Wiedererkennung erschwert. Das angefochtene Urteil weist ferner zutreffend darauf hin, daß die Vorstellung durch den bis dahin als zuverlässig erkannten K… nach der Erfahrung des Lebens und der Dienstordnung für Notare nicht genügte. Der Notar darf sich nicht darauf verlassen, daß er mit dem Erkennungszeugen bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht und von ihm nichts Nachteiliges gehört hat; er muß vielmehr bestimmte und sichere Gründe dafür haben, auf die er sein Vertrauen an die Zuverlässigkeit dieser Person stützt (RG JW 1936, 1956). Die Mißachtung dieser Erfordernisse und der Dienstordnung enthält eine Verletzung der äußersten Sorgfalt, denn ein Notar muß sich mit seiner Dienstordnung vertraut machen und sich darüber unterrichten, in welcher Weise Notare getäuscht werden können. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung finden sich zahlreiche Entscheidungen ähnlicher Fälle, in denen zuverlässig erscheinende Persönen den Notar über die Persönlichkeit der Miterschienenen getäuscht haben.

Die von der Revision hiergegen vorgetragenen Bedenken greifen nicht durch: Sie meint, K… habe dem Beklagten als glaubwürdig erscheinen können. Nach der oben erwähnten Rechtsprechung und der Dienstordnung durfte aber der Beklagte sich auf die Vorstellung durch einen Beteiligten nicht verlassen. Hielt er die Vorstellung für ausreichend, dann verletzte er die äußerste Sorgfalt und handelte auf eigene Gefahr. Das Berufungsgericht hat auch die Pflichten des Notars nicht überspannt. Zwar handelte es sich um ein Geschäft zwischen Onkel und Neffen, wobei der Onkel dem Neffen vorher seinen Grundbesitz überlassen hatte, aber immerhin hatte sich der Onkel durch Eintragung eines Nießbrauchs und einer Auflassungsvormerkung gesichert. Jetzt verzichtete angeblich der hochbetagte Onkel zu Gunsten seines Neffen auf diese letzte Sicherung und gab sich damit völlig in die Hand seines Neffen. Es ist nicht fehlerhaft, daß das Berufungsgericht dieses Geschäft als ungewöhnlich und als ein solches bezeichnet, das schon wegen seines Inhaltes zu weiterer Vorsicht drängte.

Der Senat kann somit keinen Rechtsfehler darin finden, daß das Berufungsgericht das Verhalten des Beklagten … als fahrlässig gewertet hat.

3. Das sonstige Vorbringen des Beklagten ist für widerlegt erachtet. Dagegen bringt die Revision nichts vor. Das Urteil zeigt auch keinen Rechtsmangel:

Das Berufungsgericht stellt insbesondere fest, daß der Kläger das Testament von 1934 nicht gefälscht hatte, daher ursprünglich Eigentümer der Kätnerstelle war, daß er seinem Neffen K… keine Generalvollmacht erteilt und dessen Verhalten nicht in Erkenntnis seiner Bedeutung gebilligt hat. Es hat aus der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen, daß der Kläger erst im August 1951 von den Machenschaften des K… erfahren hat, so daß die Ansprüche nicht verjährt sind. Ebenso ist die Annahme des angefochtenen Urteils nicht zu beanstanden, daß den Kläger kein mitwirkendes Verschulden treffe. Der Kläger war über 80 Jahre alt; ihm wurden die Post vorenthalten und Besucher ferngehalten; er brauchte auf Grund gelegentlicher Andeutungen nicht mißtrauisch zu werden. Der Hauptschaden war auch alsbald nach der Beurkundung entstanden. Der Kläger brauchte durch Erzählungen über Grundstücksverkäufe nicht stutzig zu werden, denn er hatte auf seinen Nießbrauchsbesitz verzichtet und K… war als Eigentümer zur Veräußerung befugt; er konnte nur nicht die Grundstücke unbelastet veräußern. Im übrigen hat es K… nach den Feststellungen verstanden, den Kläger immer wieder zu beruhigen. Schließlich ist auch festgestellt, daß der Kläger keine andere Schadensersatzmöglichkeit hat, da K… zahlungsunfähig ist.

Der Beklagte hat daher dem Kläger den durch seine Pflichtverletzung entstandenen Schaden voll zu ersetzen (§ 21 RNotO).

Das weitere Vorbringen des Beklagten betrifft nur die Höhe des Schadens, so daß es im jetzigen Verfahrensabschnitt keiner Erörterung bedarf. Denn das Oberlandesgericht stellt fest, daß der Schaden des Klägers die bisher eingeklagten 2.000 DM übersteigt.

Eines Ausspruchs über die teilweise Erledigung bedarf es nicht, weil sie unstreitig ist. Das Berufungsgericht hat die Kosten trotz teilweiser Erledigung ganz dem Beklagten auferlegt; das war nach § 91a ZPO zulässig. Die Kosten der Revision hat der Beklagte nach § 97 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Geiger, Dr. Weber, Dr. Arndt

BR Dr. Pagendarm und Rietschel sind beurlaubt und sind deshalb verhindert, zu unterschreiben.

Dr. Geiger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1384491

DNotZ 1956, 502

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