Leitsatz (amtlich)

Ist die Erstprämie bei Eintritt des Versicherungsfalls noch nicht gezahlt, dann ist der Versicherer auch gegenüber dem mitversicherten Fahrer von der Verpflichtung zur Leistung frei und zum Rückgriff berechtigt. Der § 158 i VVG findet bei Verletzung der Prämienzahlungspflicht keine Anwendung. Für den Schadensersatzanspruch, der dem mitversicherten Fahrer gegen den Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) wegen Nichtzahlung der Prämie zusteht, besteht kein Versicherungsschutz.

 

Normenkette

PflVersG § 3 Nr. 9; VVG §§ 158i, 158c Abs. 3; AKB § 10 Nr. 1, § 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 03.01.1969)

LG Dortmund

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. Januar 1969 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte Mü. war als Kraftfahrer bei dem früheren Mitbeklagten Nußrainer beschäftigt, der einen Abschleppdienst betrieb. Am 27. November 1965 verursachte ein vom Beklagten Mü. gefahrener Kranwagen des früheren Mitbeklagten N. einen Verkehrsunfall, bei dem Personen- und Sachschaden entstand. Für den Kranwagen bestand seit dem 1. Juni 1965 bei der Klägerin eine Haftpflichtversicherung.

Die Klägerin leistete den Geschädigten Schadensersatz in Höhe von 2.308,58 DM. Sie verlangt jetzt vom Halter und vom Fahrer die Erstattung des gezahlten Schadensbetrages, weil die Erstprämie zur Unfallzeit noch nicht gezahlt gewesen sei. Der frühere Mitbeklagte N., der Halter des Kranwagens, wurde durch rechtskräftig gewordenes Versäumnisurteil zur Zahlung des vorgenannten Betrages verurteilt. Der Beklagte wendet ein, der Rückgriffsanspruch der Klägerin sei nach § 158 i VVG ausgeschlossen. Außerdem ist er der Ansicht, daß er gegen seinen Arbeitgeber in Höhe der Rückgriffsforderung der Klägerin einen Freistellungsanspruch habe, für den die Klägerin deckungspflichtig sei.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht läßt es dahingestellt, ob der Versicherungsnehmer N. bis zum Zeitpunkt des Unfalls die Erstprämie nicht gezahlt hat. Es ist der Ansicht, daß die Klägerin auch bei Nichtzahlung der Erstprämie gegen den Beklagten Müller keinen Rückgriff nehmen könne.

II. Zur Haftung der Parteien und zur Leistungsfreiheit der Klägerin hat das Berufungsgericht ausgeführt: Dem geschädigten Dritten seien Halter, Fahrer und Versicherer gemäß § 3 Nr. 2 PflVersG als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet, und zwar der Halter nach § 7 StVG, der Fahrer nach § 18 StVG und der Versicherer nach § 3 Nr. 1 PflVersG. Die Haftung des Beklagten als Fahrer entfiele nur, wenn er nachweisen würde, daß ihn an dem Unfall kein Verschulden treffe. Dazu habe er nichts vorgetragen. In erster Instanz habe er sogar eingeräumt, daß ihm ein leichtes Versehen zur Last gelegt werden könne; in zweiter Instanz sei er der Unfallschilderung der Klägerin, aus der sich ein Verschulden des Fahrers ergebe, nicht entgegengetreten.

Sei die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalles noch nicht gezahlt gewesen, so sei der Versicherer nach § 38 Abs. 2 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei. Die Leistungsfreiheit der Klägerin gelte nach § 3 Nr. 3 Satz 1 AKB auch gegenüber dem Beklagten als mitversichertem Fahrer, obwohl er auf die Prämienzahlung keinen Einfluß gehabt und von der Nichtzahlung der Prämie nichts gewußt habe. Denn der mitversicherte Fahrer könne als ein durch den Versicherungsvertrag begünstigter Dritter (§§ 74 VVG, 328 BGB) Rechte aus diesem Vertrage grundsätzlich nur so erwerben, wie der Versicherungsnehmer sie gestaltet habe.

Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts ist rechtlich nichts einzuwenden; sie entsprechen zur Leistungsfreiheit des Versicherers gegenüber dem mitversicherten Fahrer den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung und im Schrifttum allgemeine Anerkennung gefunden haben (BGH LM Nr. 6 zu § 10 AVB f. KraftfVers = VersR 1959, 329; BGHZ 49, 130, 133 = VersR 1968, 185/86; Prölss/Martin, VVG 18. Aufl. § 10 AKB Anm. 4; Prölss VersR 1968, 269; Stiefel/Wussow, AKB 7. Aufl. § 3 Anm. 3; Thees/Hagemann, Das Recht der Kfz-Haftpflichtversicherung 2. Aufl. § 158 f VVG Anm. 5, § 10 AKB Anm. 4; Bauer VersR 1969, 598/99 und Böttger NJW 1969, 55).

Diese Rechtslage hat sich auch durch § 158 i VVG nicht geändert, der durch Art. 4 Nr. 5 des Pflichtversicherungsgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl I, 213, 220) hinter § 158 h VVG eingefügt worden ist. Die Bestimmung beschränkt das Rückgriffsrecht des Versicherers gegen mitversicherte Personen, setzt aber voraus, daß der Versicherer in diesen Fällen gegenüber dem Mitversicherten leistungsfrei geworden ist (Vgl. die Amtl. Begründung BTDrucks. IV/2252, S. 31; BGH LM Nr. 6 zu § 3 AVB f. KraftfVers = VersR 1967, 343/44; BGHZ 49, 134/35; Prölss/Martin a.a.O. § 158 i VVG Anm. 5 A; Stiefel/Wussow a.a.O. § 3 Anm. 3; Bauer VersR 1969, 598/99. – A.A. Sendtner-Voelderndorff VersR 1969, 114 ff, der im Falle des § 158 i VVG eine vertragliche Deckungspflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherten annimmt).

III. Die leistungsfreie Klägerin hat den Schaden des Dritten auf Grund des § 3 Nr. 4 PflVersG ersetzt, wonach dem Anspruch des Dritten nicht entgegengehalten werden kann, daß der Versicherer dem ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. Das Innenverhältnis der dem Geschädigten als Gesamtschuldner haftenden Ersatzpflichtigen (§ 3 Nr. 2 PflVersG) richtet sich nach den für die Gesamtschuld geltenden Rechtsregeln, insbesondere nach den §§ 421 bis 426 BGB, soweit nicht das Pflichtversicherungsgesetz eine Sonderregelung trifft. Das ist durch § 3 Nr. 9 PflVersG geschehen. Hiernach ist im Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander der Versicherungsnehmer allein verpflichtet, wenn der Versicherer ihm gegenüber leistungsfrei ist (Satz 2). Entsprechendes gilt für das Verhältnis von Versicherer und mitversichertem Fahrer. Auf Grund dieser Regelung hat die Klägerin einen Ausgleichsanspruch, der sie wegen Nichtzahlung der Erstprämie berechtigt, von ihrem Versicherungsnehmer, dem früheren Mitbeklagten N., und von dem mitversicherten Fahrer, dem Beklagten, die Erstattung ihrer den Geschädigten erbrachten Leistungen zu verlangen.

Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß der Rückgriffsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht durch § 158 i VVG ausgeschlossen wird. Der § 158 i VVG, der für alle Pflichtversicherungen einschließlich der Kfz-Haftpflichtversicherung gilt, versagt dem Versicherer den Rückgriff gegen mitversicherte Personen, die, wie hier der mitversicherte Fahrer, zur selbständigen Geltendmachung ihrer Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt sind (§ 10 Nr. 4 AKB i.V.m. § 10 Nr. 2 AKB), wenn die Leistungsfreiheit des Versicherers auf der Verletzung einer Obliegenheit des Versicherungsnehmers beruht, der Mitversicherte diese Obliegenheitsverletzung aber nicht zu vertreten hat. Die Regelung will damit neben dem Hauptzweck des Pflichtversicherungsgesetzes, dem Schutz des Verkehrsopfers, „die Mitversicherten aus sozialen Gründen von drückenden Haftpflichtverbindlichkeiten freistellen” (Begründung a.a.O. S. 31). Dieser Rechtsgedanke allein rechtfertigt es aber nicht, die Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut auf die Verletzung von Rechtspflichten auszudehnen, um die es hier bei der Verletzung der Verpflichtung zur Zahlung der Erstprämie geht (A.A. Lorenz NJW 1969, 471 Anm. zu Nr. 12). Die Vergünstigung des § 158 i VVG gilt nur bei einer Verletzung von Obliegenheiten, also bei einer Verletzung jener versicherungsrechtlichen Verhaltensnormen, die der Versicherungsnehmer zur Erhaltung seines Versicherungsanspruchs beachten muß. Eine Obliegenheit unterscheidet sich grundsätzlich von einer echten, unmittelbar erzwingbaren Vertragspflicht, wie sie die Pflicht zur Prämienzahlung darstellt. Die Beschränkung kommt klar und unmißverständlich in der eindeutigen Fassung des § 158 i VVG zum Ausdruck, womit der Gesetzgeber eine Anwendung der Vorschrift ausschließen wollte, wenn die Leistungsfreiheit des Versicherers „nicht auf einer Obliegenheitsverletzung, sondern auf einer das gesamte Vertragsverhältnis berührenden Verletzung der Prämienzahlungspflicht beruht” (so die Amtl. Begründung a.a.O. S. 32; ebenso: Prölss/Martin a.a.O. § 158 i VVG Anm. 3; Stiefel/Wussow a.a.O. Anh 10–13 Anm. 35; Fleischmann in Das Deutsche Bundesrecht III J 30 S. 122; LG Koblenz NJW 1969, 1720). Die unterschiedliche Behandlung einer Verletzung von Obliegenheiten und einer Verletzung der Prämienzahlungspflicht hat ihren Grund in dem unterschiedlichen Stellenwert für die Interessen des Versicherers. Der Versicherer, der keine Gegenleistung erhalten hat, ist schutzwürdiger als der Versicherer, der die Gegenleistung empfangen hat, aber wegen einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei geworden ist (zutreffend J. Prölss, VersR 1969, 533). Die Bedeutung, die das Gesetz insbesondere der Zahlung der Erstprämie beimißt, ist daran erkennbar, daß die nach § 38 Abs. 2 VVG eintretende Leistungsfreiheit des Versicherers kein Verschulden des Versicherungsnehmers erfordert (BGHZ 47, 352, 354; Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. § 38 Anm. 17), die Leistungsfreiheit des Versicherers als Folge einer Obliegenheitsverletzung aber stets ein Verschulden des Versicherungsnehmers voraussetzt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 VVG).

IV. Dem danach begründeten Rückgriffsanspruch der Klägerin könne der Beklagte, wie das Berufungsgericht ausführt, einen Schadenersatzanspruch entgegenhalten, der ihm in gleicher Höhe gegen seinen Arbeitgeber N. zustehe und für den die Klägerin deckungspflichtig sei. Denn N. habe seine Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis schuldhaft dadurch verletzt, daß er den Beklagten mit der Führung eines Kraftfahrzeugs ohne Versicherungsschutz beauftragt habe. Der deshalb gegebene Schadensersatzanspruch des Beklagten falle unter § 10 Nr. 1 AKB und sei von der Klägerin zu decken. Auf ihre Leistungsfreiheit gegenüber ihrem Versicherungsnehmer wegen Nichtzahlung der Erstprämie könne die Klägerin sich gegenüber dem Beklagten nicht berufen, weil dieser „Dritter” im Sinne des § 3 Nr. 4 PflVersG sei. Der Beklagte sei zwar gleichzeitig auch mitversicherter Fahrer, diese Eigenschaft müsse aber im vorliegenden Falle hinter der Rechtsstellung als „Dritter” zurücktreten, weil das Pflichtversicherungsgesetz den geschädigten Dritten in einer möglichst umfassenden Weise schützen wolle. Seinen Schadensersatzanspruch könne der Beklagte durch Aufrechnung gegen die Klageforderung geltend machen.

Mit dem Berufungsgericht kann dahingestellt bleiben, ob der von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Freistellung von Schadenersatzansprüchen Dritter, die aus einer gefahrengeneigten Tätigkeit des Arbeitnehmers entspringen, ein „Schadensersatzanspruch” im Sinne des § 10 Nr. 1 AKB ist und damit unter den Deckungsbereich der Kfz-Haftpflichtversicherung fällt (zu diesem Meinungsstreit vgl. J. Prölss, VersR 1969, 534). Denn der Arbeitgeber des Beklagten war aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet, für eine ordnungsmäßige Haftpflichtversicherung des Kraftwagens, mit dessen Führung er den Beklagten beauftragte, zu sorgen und den Beklagten damit vor einer Inanspruchnahme Dritter, die durch den Gebrauch des Kraftfahrzeugs geschädigt wurden, zu schützen (zu dieser Verpflichtung vgl. die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in AP Nr. 9, 34, 37 und 39 zu § 611 BGB – Haftung des Arbeitnehmers –). Diese Verpflichtung hat N. durch Nichtzahlung der Erstprämie schuldhaft mit der Folge verletzt, daß die Klägerin vom Beklagten die Erstattung ihrer den Geschädigten erbrachten Leistungen verlangt. Wegen des ihm dadurch entstandenen Vermögensschadens hat der Beklagte gegen seinen Arbeitgeber einen echten Schadensersatzanspruch aus Vertragsverletzung. Dieser Anspruch beruht nicht auf den Regeln über die Haftungsbefreiung des Arbeitnehmers bei gefahrengeneigter Arbeit, sondern folgt aus dem Fehlen eines ordnungsmäßigen Versicherungsschutzes, das der Arbeitgeber des Beklagten zu vertreten hat (vgl. die vorerwähnten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und die Anmerkung von Götz Hueck in AP Nr. 37).

Der Auffassung des Berufungsgerichts, der Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen seinen Arbeitgeber falle unter § 10 Nr. 1 AKB und sei von der Klägerin zu decken, kann jedoch nicht gefolgt werden.

1.) Der Schadensersatzanspruch des Beklagten füllt nicht in den Deckungsbereich des § 10 Nr. 1 AKB. Mag der Anspruch des Beklagten auch auf die entstandenen Unfallschäden und auf die dafür erbrachten Leistungen der Klägerin zurückgehen, so hat er sein entscheidendes Gepräge erst durch die positive Vertragsverletzung erhalten, die der Versicherungsnehmer (Arbeitgeber) gegenüber dem bei ihm beschäftigten Fahrer durch Nichtzahlung der Erstprämie begangen hat. Der Beklagte verlangt von der Klägerin die Deckung eines Schadensersatzanspruches wegen der Folgen fehlenden Versicherungsschutzes. Hierfür kann es aber bei einem „gesunden” Versicherungsverhältnis keinen Versicherungsschutz geben. Auch bei einem „kranken” Versicherungsverhältnis, das der Anspruch des Beklagten voraussetzt, haftet der Versicherer immer „nur im Rahmen der von ihm übernommenen Gefahr” (§§ 3 Nr. 6 Satz 1 PflVersG, 158 c Abs. 3 VVG). Ein Anspruch, der die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Grundlage hat, fällt daher als solcher nicht unter das Wagnis der Kfz-Haftpflichtversicherung (zutreffend J. Prölss VersR 1969, 534).

2.) Das Berufungsgericht ist weiter der Ansicht, die Klägerin könne sich auf ihre Leistungsfreiheit wegen Nichtzahlung der Erstprämie gegenüber dem Beklagten nicht berufen, weil dieser hinsichtlich seines Schadensersatzanspruches gegen den Versicherungsnehmer – die oben abgelehnte Deckungsfähigkeit des Anspruchs nach § 10 Nr. 1 AKB unterstellt – „Dritter” im Sinne des § 3 Nr. 4 PflVersG sei und diese Rechtsstellung der Eigenschaft eines mitversicherten Fahrers vorgehen müsse. Auch dem kann nicht zugestimmt werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit ein Mitschädiger „Dritter” im Sinne des § 3 Nr. 4 PflVersG sei und vom Versicherer die Befriedigung seines Ausgleichsanspruchs verlangen kann (vgl. dazu BGHZ 20, 371, 376/77 = VersR 1959, 364; BGH LM Nr. 7 zu § 7 AVB f. KraftfVers = VersR 1963, 134/35; Thees/Hagemann a.a.O. S. 267; Kramer VersR 1057, 274 und J. Prölss VersR 1969, 533). Denn im vorliegenden Fall kann der Beklagte als mitversicherter Fahrer nicht „Dritter” im Sinne des § 3 Nr. 4 PflVersG sein. Nach § 3 Nr. 2 PflVersG haftet dem „Dritten” der Versicherer neben dem Versicherungsnehmer und dem mitversicherten Fahrer als Gesamtschuldner. Die gesetzliche Erweiterung des Gesamtschuldverhältnisses um den Versicherer hat ihren Grund in der weitreichenden Haftung des Versicherers bei gesundem und krankem Versicherungsverhältnis. Dementsprechend bestimmen abweichend von den allgemein für die Gesamtschuld geltenden Rechtsregeln versicherungsrechtliche Gesichtspunkte die im Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander bestehenden Verpflichtungen, jedenfalls was das Verhältnis des Versicherers zum Versicherungsnehmer und zum mitversicherten Fahrer angeht. Für dieses Verhältnis bestimmt § 3 Nr. 9 Satz 2 PflVersG, daß bei Leistungsfreiheit des Versicherers der Versicherungsnehmer, dem der mitversicherte Fahrer gleichsteht, allein verpflichtet ist. Diese gesetzliche Regelung wird durch ein Ausgleichsverhältnis, das nur zwischen Versicherungsnehmer und mitversichertem Fahrer besteht und sich nicht auf den Versicherer erstreckt, nicht berührt. Das trifft im vorliegenden Falle zu. Denn der Beklagte hat einen Ausgleichsanspruch wegen positiver Vertragsverletzung nur gegen seinen Arbeitgeber, den Versicherungsnehmer. Diesen auf das Verhältnis zum Versicherungsnehmer beschränkten Ausgleichsanspruch kann der Beklagte aber nicht gegen die Klägerin geltend machen, weil dem die zwingende Vorschrift des § 3 Nr. 9 PflVersG entgegensteht.

3.) Der vom Berufungsgericht beschrittene Weg erweist sich danach aus doppeltem Grunde als rechtlich nicht haltbar. Würde man dem Berufungsgericht folgen, so könnte die Klägerin entgegen § 158 i VVG bei Nichtzahlung der Erstprämie gegen den Beklagten als mitversicherten Fahrer keinen Rückgriff nehmen. Sie wäre ihm gegenüber darüber hinaus sogar zur Leistung verpflichtet. Das würde bedeuten, daß dem Versicherer dann auch die Vergünstigung des § 158 c Abs. 4 VVG nicht mehr zugute käme, weil der mitversicherte Fahrer auf Grund seines Schadensersatzanspruchs gegen den Versicherungsnehmer wegen Nichtzahlung der Erstprämie vom Versicherer auch verlangen könnte, ihm Versicherungsschutz gegen den Rückgriffsanspruch des Sozialversicherers zu gewähren. Der Senat verkennt nicht die Härte, die in Fällen der vorliegenden Art für den mitversicherten Fahrer darin liegen kann, daß er den Rückgriffsansprüchen des Haftpflichtversicherers (§ 3 Nr. 9 PflVersG) und des Sozialversicherers (§ 1542 RVO) ausgesetzt ist, den Freistellungsanspruch, der ihm insoweit gegen seinen Arbeitgeber zusteht, aber nicht durchsetzen kann, weil dieser vermögenslos ist. Diese Ausnahmefälle rechtfertigen aber noch keine generelle Korrektur des Gesetzes, weil der Gesetzgeber sich der Auswirkungen der getroffenen Regelung klar bewußt gewesen ist, wie dies die amtliche Begründung erkennen läßt, sich aber gleichwohl dafür entschieden hat.

V. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt danach allein davon ab, ob die Erstprämie bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht gezahlt gewesen ist und die Klägerin dadurch leistungsfrei geworden ist, und zwar dann auch gegenüber dem Beklagten. Das ist bisher noch offen, weil das Berufungsgericht die Nichtzahlung der Erstprämie nur unterstellt hat. Um die danach noch erforderlichen Feststellungen zu treffen, muß die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

 

Unterschriften

Dr. Hauß, Wüstenberg, Dr. Pfretzschner, Dr. Bukow, Dr. Buchholz

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502452

BGHZ

BGHZ, 281

NJW 1971, 937

Nachschlagewerk BGH

MDR 1971, 467

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