Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung eines Pflichttteilanspruchs und Pflichtteilergänzungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Kennt der Pflichtteilsberechtigte zwar die ihn enterbende Verfügung von Todes wegen, erfährt aber kurze Zeit danach von einer weiteren Erklärung des Erblassers, durch die - allem Anschein nach - die Enterbung später wieder aufgehoben worden ist, dann fällt damit die frühere Kenntnis von der enterbenden Verfügung fort; auch der bis dahin bereits abgelaufene Teil der Verjährungsfrist ist als nicht abgelaufen anzusehen.

 

Normenkette

BGB § 2332 Abs. 1, § 2307 Abs. 1 S. 2, §§ 2314, 208; ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 2325

 

Tenor

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. März 1983 aufgehoben, soweit der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen worden ist; die weitergehende Revision wird zurückgewiesen (Pflichtteilsanspruch).
  2. Auf die Anschlußrevision der Klägerin wird das genannte Urteil aufgehoben, soweit deren Berufung gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 5. Februar 1982 zurückgewiesen worden ist (Pflichtteilsergänzungsanspruch).
  3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
 

Tatbestand

Der Vater der Klägerin war in zweiter Ehe mit der am 26. April 1977 verstorbenen Frau Helene E. (Erblasserin) verheiratet, während die Klägerin aus seiner ersten Ehe stammt. Die Erblasserin hinterließ ein notarielles Testament vom 9. April 1976, in dem sie ihren Bruder, den Beklagten, zu ihrem Alleinerben einsetzte und dem Vater der Klägerin die lebenslange Nutznießung an ihrem Wohnhaus in D. vermachte. Dieses Testament befand sich in amtlicher Verwahrung bei dem Amtsgericht. Am 27. März 1977 bat die Erblasserin das Amtsgericht in einem eigenhändigen Schreiben, das hinterlegte Testament zu vernichten, da sie anders disponieren müsse. Dieser Bitte wurde nicht entsprochen.

Der Vater der Klägerin sah das Schreiben der Erblasserin, von dem er im Dezember 1977 Kenntnis erhielt, als Testament an, durch das diese ihr vorangegangenes notarielles Testament von 1976 aufgehoben habe. Dementsprechend erteilte das Amtsgericht am 10. April 1978 einen Erbschein, der ihn als gesetzlichen Miterben seiner Ehefrau zu 3/4-Anteil auswies. Da der Beklagte sich weiterhin als Alleinerben betrachtete, nahm der Vater der Klägerin den Beklagten als Erbschaftsbesitzer auf Auskunft in Anspruch. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen, weil der Brief der Erblasserin kein Testament darstelle; der Ehemann der Klägerin sei nicht Miterbe, sondern nur Vermächtnisnehmer. Daraufhin zog das Amtsgericht den Erbschein ein; die dagegen erhobenen Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.

Im vorliegenden Verfahren hat der Vater der Klägerin dementsprechend einen Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend gemacht. Er hat seinen restlichen Pflichtteil auf 62.836,69 DM beziffert und verlangt außerdem Pflichtteilsergänzung in Höhe von 11.828,62 DM, weil die Erblasserin kurz vor ihrem Tode noch ein Sparguthaben verschenkt habe.

Der frühere Kläger ist im Laufe des Verfahrens verstorben und von seiner Tochter allein beerbt worden; diese führt den Rechtsstreit an seiner Stelle fort. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und hat hilfsweise aufgerechnet.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Pflichtteilsanspruch verjährt sei. Das Berufungsgericht hat die Berufung wegen der verlangten Pflichtteilsergänzung zurückgewiesen; wegen des restlichen ordentlichen Pflichtteils hat es das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte vollständige Zurückweisung der Berufung. Die unselbständige Anschlußrevision der Klägerin richtet sich gegen die Versagung der begehrten Pflichtteilsergänzung.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision und die Anschlußrevision muß das angefochtene Urteil teilweise aufgehoben werden.

I.

1.

Keinen Erfolg hat die Revision, soweit der Beklagte mit ihr eine Bestätigung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Im Gegensatz zum Landgericht hält das Berufungsgericht den Klageanspruch wegen des (restlichen) ordentlichen Pflichtteils des Vaters der Klägerin nicht für verjährt. Zwar habe die dreijährige Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB im Juni oder spätestens im September 1977 zu laufen begonnen. Die Verjährung sei aber am 14. März 1980 unterbrochen worden. Hierzu stellt das Berufungsgericht fest, im Vorprozeß habe der Vater der Klägerin in seiner vermeintlichen Eigenschaft als Miterbe vom Beklagten Auskunft verlangt, habe sich vor dem Oberlandesgericht hilfsweise aber auch auf seine Stellung als Pflichtteilsberechtigter und auf § 2314 BGB gestützt. In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung habe der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten daraufhin Auskunft erteilt. Dieses Verhalten lasse unzweideutig das Bewußtsein erkennen, daß der Pflichtteilsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe. Dabei sei es nicht nur um die vergleichsweise Beilegung des damaligen Rechtsstreits gegangen, sondern zumindest auch darum, den Auskunftsanspruch gemäß § 2314 BGB zu erfüllen. Das ergebe sich auch daraus, daß die Parteien den Auskunftsprozeß anschließend für erledigt erklärt hätten, "soweit Auskunft aus dem Pflichtteilsrecht begehrt" werde.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts wegen des Pflichtteilsanspruchs mit Recht aufgehoben.

Die Verjährung wird gemäß § 208 BGB unterbrochen, wenn der Verpflichtete den Anspruch dem Berechtigten gegenüber anerkennt. Ein solches Anerkenntnis erfordert keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung; vielmehr genügt jedes Verhalten dem Gläubiger gegenüber, aus dem sich das Bewußtsein des Schuldners vom Bestehen des Anspruchs unzweideutig ergibt. Daß bei einem Pflichtteilsanspruch ein derartiges Anerkenntnis auch darin liegen kann, daß der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten eine Auskunft gemäß § 2314 BGB erteilt, entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (RGZ 113, 234, 238 f.; BGH, Urteil vom 14.5.1975 - IV ZR 19/74 - LM BGB § 2332 Nr. 6 und ständig). Ob ein Anerkenntnis im Einzelfall vorliegt, hängt von den Umständen ab und bedarf tatrichterlicher Würdigung. Eine solche hat das Berufungsgericht hier vorgenommen. Bei dieser Würdigung kam es nicht darauf an, ob gerade der im Vorprozeß erhobene Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt des § 2314 BGB ganz oder teilweise begründet war oder nicht, sondern darauf, ob das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Erteilung der Auskunft unzweideutig erkennen ließ, daß der Beklagte sich des Bestehens des Pflichtteilsanspruchs bewußt war. Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt. Dem stand nicht entgegen, daß die Auskunft nach einer Vergleichsanregung von selten des Gerichts gegeben wurde. Seinerzeit mußte dem Beklagten daran gelegen sein, den Kläger von der Inanspruchnahme einer Stellung als Miterbe abzubringen und ihn statt dessen mit dem Pflichtteil zufriedenzustellen. Demgemäß leugnete der Beklagte seine Auskunftspflicht aus § 2314 BGB damals nicht, erteilte vielmehr die Erklärung nach den Feststellungen (mindestens auch) zur Erfüllung gerade dieser Pflicht. Dementsprechend lag die Annahme eines Anerkenntnisses im Sinne von § 208 BGB zumindest nahe.

Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge aus § 286 ZPO ist nicht begründet. Daß das Berufungsgericht bei seiner Würdigung wesentliche Umstände übersehen haben könnte, ist nicht anzunehmen.

2.

Mit Recht rügt die Revision des Beklagten aber, daß das Berufungsgericht den Rechtsstreit wegen des Pflichtteilsanspruchs in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen hat.

Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht kommt - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des § 539 ZPO - grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn einer der in § 538 ZPO aufgeführten Fälle vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen gestatten eine Zurückverweisung über die im Gesetz geregelten Fallgruppen hinaus nicht. Ein generelles Recht der Parteien darauf, daß in zwei Tatsacheninstanzen entschieden wird, ist dem Zivilprozeßrecht fremd (BGH, Urteil vom 8.11.1978 - VIII ZR 199/77 - LM ZPO § 538 Nr. 17 m.w.N.).

§ 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in der seit dem 1. Juli 1977 geltenden Fassung (Vereinfachungsnovelle vom 3. Dezember 1976 - BGBl I S. 3281 -) läßt die Zurückverweisung durch das Berufungsgericht - vorbehaltlich des § 540 ZPO - ausdrücklich nur dann zu, wenn durch das erstinstanzliche Urteil lediglich über die Zulässigkeit der Klage entschieden worden ist. Diese Neufassung trägt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Rechnung, die bereits früher eine Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. über den Wortlaut hinaus für möglich hielt, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges nur aus verfahrensrechtlichen Gründen entschieden hatte und von seinem Rechtsstandpunkt aus überhaupt kein Sachurteil hätte fällen dürfen (BGHZ 14, 11, 14; ebenso 71, 226, 231). Ein dieser Lage vergleichbarer Fall liegt aber nicht vor, wenn - wie hier - das Landgericht die Klage aus einem materiellrechtlichen Grund abgewiesen hat, das Berufungsgericht diese Begründung aber für unzutreffend erachtet und daher eine weitere Prüfung des Anspruchsgrundes für geboten hält. In Fällen dieser Art muß das Berufungsgericht vielmehr gemäß § 537 ZPO im Rahmen der gestellten Anträge alle den eingeklagten Anspruch - bei Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedenfalls alle den Grund des Anspruchs - betreffenden, erheblichen Streitpunkte selbst erledigen, selbst wenn darüber im ersten Rechtszug nicht verhandelt worden ist. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird es daher seit langem als unzulässig angesehen, wenn das Berufungsgericht den Rechtsstreit ohne eigene Entscheidung über den Grund z.B. deshalb zurückverweist, weil es eine von der Vorinstanz für begründet erklärte Verjährungseinrede für nicht durchgreifend erachtet (BGHZ 71, 226, 231; 50, 25, 27; RGZ 47, 366, 368). Die vom Berufungsgericht hierzu angeführten Gegenstimmen in der Rechtsprechung der Berufungsgerichte und im Schrifttum geben dem Senat keine Veranlassung, von dieser Linie abzugehen. Auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf die hier erforderliche umfangreiche Beweisaufnahme rechtfertigt keine Ausnahme. § 538 ZPO bietet keine tragfähige Grundlage für eine Entlastung der Oberlandesgerichte von zeitraubenden Beweisaufnahmen. Soweit § 538 ZPO nicht eingreift, kann der Berufungsrichter bei strenger Beachtung von § 537 ZPO seinerseits zu der gebotenen Konzentration gerichtlicher Verfahren in besonderem Maße mit beitragen.

II.

1.

Die Anschlußrevision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung, soweit das Berufungsgericht der Klägerin den eingeklagten Pflichtteilsergänzungsanspruch versagt.

Das Berufungsgericht stellt fest, der Vater der Klägerin habe kurz nach dem Erbfall Kenntnis davon erlangt, daß angeblich die Erblasserin kurz vor ihrem Tode ein Sparguthaben über 31.543,00 DM ihrem Neffen Ernst T. geschenkt habe; jedenfalls sei nichts dafür vorgetragen, daß der Vater diese Kenntnis zu einem anderen Zeitpunkt erlangt habe. Auf dieser Grundlage läßt das Berufungsgericht die Verjährung auch des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 BGB gleichzeitig mit derjenigen des Anspruchs auf den ordentlichen Pflichtteil, nämlich mit der Kenntnis von dem notariellen Testament im Juni, spätestens im September 1977 beginnen. Das Oberlandesgericht nimmt an, seitdem der Vater der Klägerin im Dezember 1977 von dem Inhalt des Schreibens der Erblasserin vom 27. März 1977 erfahren habe, habe er berechtigte Zweifel an der Gültigkeit des Testaments von 1976 haben können; seit dem Erbschein vom 10. April 1978 habe er davon überzeugt sein dürfen, daß er selbst Miterbe geworden sei. Dadurch sei die Verjährung aber weder unterbrochen noch gehemmt worden.

Die Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs, die in der Auskunft vom 14. März 1980 liege, erstrecke sich nicht auch auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Daher sei dieser bei Einreichung der Klageschrift des vorliegenden Verfahrens im März 1981 bereits verjährt gewesen.

Diese Ausführungen sind nicht rechtsfehlerfrei. Die angefochtene Entscheidung kann insoweit schon deshalb nicht bestehen bleiben, weil die Verjährung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spätestens im April 1978 zu laufen aufgehört hat.

Gemäß § 2332 Abs. 1 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte von der Erlangung der erforderlichen Kenntnisse an drei Jahre Zeit, um seinen Anspruch geltend zu machen. Diese Frist erschien dem Gesetzgeber ausreichend, um die Interessen des Pflichtteilsberechtigten hinreichend zu wahren. Dabei ist aber nicht bedacht, was der Betreffende tun soll, wenn er zwar das ihn enterbende Testament kennt, kurze Zeit danach aber eine weitere letztwillige Verfügung des Erblassers entdeckt wird, durch die - allem Anschein nach - die Enterbung später wieder aufgehoben worden ist. In einer solchen Lage hat der Pflichtteilsberechtigte keinerlei Veranlassung mehr, den früher von ihm in Betracht gezogenen Pflichtteilsanspruch weiter zu verfolgen. Ihm von Gesetzes wegen dennoch zuzumuten, er solle den - aussichtslosen - Versuch unternehmen, den - jetzt unbegründet erscheinenden - Pflichtteilsanspruch vorsorglich neben seinem vermeintlichen Erbrecht durchzusetzen, wäre nicht sinnvoll. Vielmehr muß die in § 2332 Abs. 1 BGB gelassene, hier aufgedeckte Lücke im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen werden.

Hier bietet sich die Lösung an, die der frühere IV. Zivilsenat bei der Lösung eines vergleichbaren Problems im Bereich des § 1594 BGB für die Anfechtung der Ehelichkeit gefunden hat (BGHZ 61, 195, 198 f.). In dieser Entscheidung heißt es:

"Hat der Mann ... einmal ... die Kenntnis von dem Ehebruch erlangt, dann müssen später bei ihm wieder auftauchende Zweifel am Wahrheitsgehalt der erfahrenen Tatsachen oder an der Richtigkeit der aus ihnen gezogenen Schlußfolgerungen unbeachtlich bleiben, wenn sich diese Zweifel durch Anstellung entsprechender Nachforschungen ohne besondere Schwierigkeiten beheben lassen ... Anders ist es aber, wenn sich diese Zweifel nicht beheben lassen und auch ein verständig Denkender von der Wahrheit der früher erfahrenen Tatsachen oder der Richtigkeit der daraus gezogenen Schlußfolgerung nicht mehr überzeugt gewesen wäre. Besitzt der Kann die in § 1594 Abs. 2 BGB umschriebene Kenntnis, dann räumt ihm das Gesetz einen Zeitraum von zwei Jahren ein, innerhalb dessen er sich überlegen soll, ob er die Anfechtungsklage erheben will oder nicht. Zu einer solchen Überlegung kann aber dann für den Mann kein Anlaß mehr bestehen, wenn ihm neue Umstände bekannt wurden, die ihm die Überzeugung gaben und bei verständiger Würdigung der Sachlage auch geben konnten, daß das, was er bisher erfahren und was für ihn die Kenntnis begründet hatte, unrichtig war. Auch in diesem Falle die Ausschlußfrist durchgreifen zu lassen, würde bedeuten, den Mann zur Erhebung einer Anfechtungsklage zu zwingen, die nicht nur er aus seiner Sicht, sondern auch jeder verständig Urteilende für aussichtslos halten mußte. ... In einem solchen Fall muß es deswegen so angesehen werden, daß mit dem Fortfall der früheren Kenntnis auch der schon begonnene Fristablauf wieder entfällt."

Diese Ausführungen sind überzeugend. Sie sind geeignet, auch im Bereich des § 2332 Abs. 1 BGB brauchbare Ergebnisse zu ermöglichen, und können daher hierher übertragen werden.

2.

Rein vorsorglich wird noch darauf hingewiesen, daß das Berufungsgericht bei seiner Feststellung, der Vater der Klägerin habe "kurz nach dem Erbfall" Kenntnis von der Schenkung der Erblasserin an ihren Neffen erlangt, möglicherweise einem Irrtum über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast erlegen ist.

Die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Erben gemäß § 2325 BGB beginnt gemäß § 2332 Abs. 1 BGB nicht vor dem Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil, wohl aber möglicherweise danach. Die Kenntnis von der beeinträchtigenden Verfügung, die der Lauf der kurzen Verjährung hier voraussetzt, muß sich in Fällen dieser Art nach überwiegender Meinung sowohl auf die benachteiligende Verfügung von Todes wegen als auch auf die beeinträchtigende Verfügung unter Lebenden beziehen, die in § 2325 BGB als Schenkung bezeichnet ist (RGRK-Johannsen, BGB 12. Aufl. § 2332 Rdn. 10; Staudinger/Ferid/Cieslar, BGB 12. Aufl. § 2325 Rdn. 10; Erman/Schlüter, BGB 7. Aufl. § 2332 Rdn. 2; MünchKomm/Frank, BGB § 2332 Rdn. 8). Gegen diese Auffassung werden allerdings von Soergel/Dieckmann, BGB 11. Aufl. § 2332 Rdn. 7 Bedenken geäußert, die nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind. Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher offen gelassen (Urteil vom 23.2.1972 - IV ZR 135/70 - LM BGB § 2332 Nr. 4); sie braucht auch hier nicht entschieden zu werden.

Sollte der überwiegenden Meinung zu folgen sein, und sollte demgemäß der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB des Nichterben gegen den Erben später verjähren können als der Anspruch auf den eigentlichen Pflichtteil, dann läge die Beweislast für den Zeitpunkt, in dem der Pflichtteilsberechtigte von der beeinträchtigenden Schenkung Kenntnis erlangt hat, bei dem Erben, der sich auf die Verjährung beruft. Auf der Grundlage der überwiegenden Meinung durfte der Tatrichter daher ohne jeglichen Vortrag von seiten der Parteien nicht davon ausgehen, daß der Pflichtteilsberechtigte die Kenntnis von der Schenkung alsbald nach dem Erbfall erlangt hat.

 

Unterschriften

Rottmüller

Dr. Lang

Dehner

Dr. Schmidt-Kessel

Dr. Zopfs

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456387

BGHZ, 76

NJW 1985, 2945

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