Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz wegen einer angeblichen Amtspflichtverletzung eines Notars

 

Normenkette

BNotO § 19

 

Tenor

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 21. März 1991 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
  2. In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem beklagten Notar Schadensersatz wegen einer angeblichen Amtspflichtverletzung bei der Beurkundung eines Auseinandersetzungsvertrages zwischen Miterben.

Der Kläger und seine Schwester Marianne (Streithelferin des Beklagten) sind testamentarische Erben ihres am 10. Dezember 1983 verstorbenen Vaters Dr. Richard P.. Der Erblasser und seine im Jahre 1967 verstorbene Ehefrau hatten in einem gemeinschaftlichen Testament vom 29. August 1965 unter anderem folgendes bestimmt:

"Der Überlebende von uns beruft zu seinen Erben unsere Kinder:

1. Marianne K. ...

2. Dr. med. Wolfgang P. ...

je zur Hälfte.

Wir treffen folgende Teilungsanordnung:

I. Grundvermögen

1.

Marianne K. erhält die im Grundbuch von ... eingetragenen Parzellen ...

Von der von der Firma B. oder Nachfolger monatlich im voraus bezahlten Pacht für vorgenannte Parzellen sowie die an Dr. med. P. vererbten Parzelzellen ... erhält Erbe zu 1. die Hälfte

2.

Dr. med. Wolfgang P. erhält die Parzellen ... Erbe zu 2. erhält die Hälfte der zu 1. aufgeführten Pacht ..."

Gemäß Ziffer III sollte das Betriebsvermögen einer zum Nachlaß gehörenden Firma Carl L. Söhne mit sämtlichen Aktiven und Passiven auf den Erben zu 1 übergehen. Unter Ziffer IV wurden Ansprüche auf Sterbegeld und Lebensversicherungsbeträge jedem Erben zur Hälfte zugedacht. Weiter heißt es dort:

"Durch die Teilung in vorstehender Anordnung sollen alle gegenseitigen Erbansprüche ausgeglichen sein."

Alsbald nach dem Tode des Vaters betrieben die Geschwister die Auseinandersetzung. Der Beklagte erhielt den Auftrag zur Anfertigung eines Vertragsentwurfes. Dieser wurde unter dem 29. Dezember 1983 erstellt (im folgenden als erster Entwurf bezeichnet) und enthielt unter Ziffer I die Zuweisung der zum Nachlaß gehörenden Parzellen an den jeweiligen Erben zu Alleineigentum nach Maßgabe des Testaments. Der Flächenanteil der dem Kläger zufallenden Parzellen an dem gesamten Pachtgelände errechnete sich auf 31 %. Auf seine Schwester entfielen 69 %. Unter Ziffer 1.3 ist bestimmt:

"Es erfolgt kein Wertausgleich. Die Beteiligten gehen davon aus, daß die Objekte wertgleich sind."

Unter Ziffer II.2 heißt es:

"Auf den jeweiligen Erwerber gehen über der Besitz und die Nutzungen, die Gefahr und die Lasten einschließlich aller Verpflichtungen aus den den Grundbesitz betreffenden Versicherungen mit dem ..." (ein Datum enthielt der Entwurf an dieser Stelle nicht).

Ein Vertrag auf der Grundlage dieses Entwurfes kam zunächst nicht zustande. Vielmehr folgten zwischen den Geschwistern untereinander (teilweise unter anwaltlicher Beteiligung) und mit dem Beklagten zahlreiche Verhandlungen. Mit Schreiben vom 12. September 1984 wandte sich die Schwester an den Kläger. Darin heißt es unter anderem:

"Lang und breit ist in dem Testament die Rede von L. 1980 ist die Firma aufgelöst worden. Dieser Teil des Testaments stimmt also nicht mehr mit der Teilungsanordnung ... überein ... ich glaube, daß Vati kein Kind hätte benachteiligen wollen ... Es geht also nur um den Satz im Testament, daß ich Dir auf alle Zeiten die Hälfte der Pacht geben muß. Das sehe ich nicht ein, so wie die Dinge bei Vatis Tod sind ..."

Im Anschluß an eine Besprechung vom 15. November 1984 übersandte der Beklagte unter dem 19. Januar 1985 den Beteiligten einen geänderten Entwurf eines Auseinandersetzungsvertrages (fortan: zweiter Entwurf). Dieser sah vor, daß, abweichend von der Fassung des ersten Entwurfs, eine weitere Parzelle (die testamentarisch der Schwester hätte zufallen sollen) in das Alleineigentum des Klägers überging. Unter Ziffer 1.3 heißt es, die Beteiligten seien mit der vorgenommenen Aufteilung des Grundbesitzes ausdrücklich und bewußt vom Willen des Erblassers abgewichen, weil sie die vorliegende Regelung für zweckmäßiger hielten. "Zum Ausgleich dafür" sollten sich

"... die Beteiligten verpflichten ..., die Grundstücke ... (hier waren die verpachteten Parzellen aufgeführt) nur im gegenseitigen Einvernehmen zu verpachten. Die laufende wie auch die künftige Pacht steht alsdann zu 31 % Herrn Dr. P. und 69 % Frau K. zu ..."

Auch auf den zweiten Entwurf konnten sich die Geschwister nicht einigen. Nach weiteren Verhandlungen, die im wesentlichen Modifikationen der bisher vorliegenden Entwürfe zum Gegenstand hatten und stets daran scheiterten, daß der Kläger eine Aufteilung der Pacht im Verhältnis von 31 % zu 69 % nur akzeptieren wollte, wenn die Schwester ihm in anderer Hinsicht entgegenkam, während diese zu entsprechenden Zugeständnissen nicht bereit war, forderte der Kläger seine Schwester mit Schreiben vom 4. November 1985 ultimativ auf, die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Daraufhin unterzeichneten die Geschwister am 13. November 1985 bei dem Beklagten eine notarielle Urkunde, deren Text dem des ersten Entwurfs entsprach. In Ziffer II.2 wurde als Datum der 10. Dezember 1983 (Todestag des Vaters der Beteiligten) eingetragen.

Alsbald gerieten die Geschwister über den Inhalt des Auseinandersetzungsvertrages in Streit. Die Schwester des Klägers, die die Pachtzinsen einzog, behielt 69 % für sich. Der Kläger meinte, "laut Testament und notariellem Auseinandersetzungsvertrag" habe die Aufteilung der Pachteinnahmen im Verhältnis 50 zu 50 zu erfolgen. Mit einer noch im März 1986 beim Landgericht Köln eingereichten Klage nahm er - vertreten durch die Sozietät seines jetzigen Streithelfers - seine Schwester auf Zahlung der ihm angeblich noch zustehenden Pachtzinsdifferenz für die Jahre 1984 bis 1986 in Anspruch. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen, weil der Inhalt des Auseinandersetzungsvertrages, insbesondere Ziffer II.2, "eindeutig" für den Standpunkt der Schwester spreche.

Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger nunmehr den Beklagten auf Ersatz der ihm aberkannten Pachtzinsdifferenz und der ihm durch den verlorenen Vorprozeß entstandenen Kosten nebst Zinsen sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftig noch entstehenden Schaden in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr teilweise stattgegeben.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision.

 

Entscheidungsgründe

Soweit das Berufungsurteil zum Nachteil des Beklagten ergangen ist, führt die Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe seine Amtspflichten verletzt (§ 19 BNotO), hält allerdings den Angriffen der Revision stand.

1.

Das Berufungsgericht hat dem Beklagten mit Recht vorgeworfen, er habe den Vertragswillen der Erben mißverständlich beurkundet.

a)

Es hat den Auseinandersetzungsvertrag dahin ausgelegt, daß er die Zuweisung des hälftigen Pachtzinses an jeden Erben durch das Testament unberührt gelassen habe. Zwar könnten unter den "Nutzungen", die gemäß Ziffer II.2 auf den jeweiligen Erwerber übergegangen seien, auch die aus den Grundstücken zu ziehenden Pachtzinsen gemeint sein. Der Wortlaut der Urkunde spreche also für den Standpunkt der Beklagten. Indessen hätten die Vertragsparteien bei Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände, insbesondere der Vorgeschichte der Beurkundung, redlicherweise nicht davon ausgehen dürfen, daß der Auseinandersetzungsvertrag von den Anordnungen des Testaments abweiche. Sie hätten auf den ersten Entwurf des Beklagten zurückgegriffen, der auftragsgemäß auf der Grundlage des Testaments und zu einem Zeitpunkt erstellt worden sei, als die Meinungsverschiedenheiten der Geschwister über die gerechte Verteilung der Pacht noch nicht ausgetragen worden seien. Beide Seiten seien deshalb davon ausgegangen, daß der erste Entwurf dem Testament entspreche. Bei Vertragsschluß sei allseits bekannt gewesen, daß der Kläger dem Wunsch seiner Schwester, die Pacht anders zu verteilen als im Testament vorgesehen, nur gegen Gewährung anderweiter Vorteile habe nachgeben wollen. Demgemäß sei in dem zweiten Entwurf ein entsprechendes Entgegenkommen des Klägers von der Zuweisung eines weiteren Grundstücks abhängig gemacht worden. Da im übrigen Ziffer II.2 unverändert übernommen worden sei, könnten ihm die Vertragsparteien keine substantielle Bedeutung für die Pachtzinsverteilung beigemessen haben. Das Angebot des Klägers an seine Schwester, sich entweder auf den ersten oder den zweiten Entwurf zu einigen, habe vor diesem Hintergrund schlechterdings nicht dahin verstanden werden können, der Kläger sei nunmehr bereit, die von der Schwester angestrebte Pachtaufteilung entweder gegen die Zuweisung des weiteren Grundstücks oder ohne eine solche hinzunehmen. Eine derartige Alternative wäre nicht verständlich gewesen. Wenn Frau K. in dieser Situation erklärt habe, sie entscheide sich für den ersten Entwurf, und der Kläger damit einverstanden gewesen sei, hätten die beiderseitigen Willenserklärungen objektiv nur dahin verstanden werden können, daß eine Einigung auf der Grundlage des ersten Entwurfs - mit dem bei seiner Erstellung vorgesehenen Inhalt - erfolgt sei.

b)

Diese tatrichterliche Auslegung läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß die Auslegung vom Wortlaut des beurkundeten Vertrages auszugehen hat. Die Feststellung des Erklärungstatbestandes ist Grundlage der Auslegung (Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. §§ 133, 157 Rdnr. 15; MünchKomm/Mayer-Maly, BGB 2. Aufl. § 133 Rdnr. 48; Palandt/Heinrichs, BGB 51. Aufl. § 133 Rdnr. 5). Darüber hinaus ist der Wortlaut der Erklärungen Haupterkenntnisquelle für den Willen der Vertragsparteien (BGH, Urt. v. 17. Oktober 1957 - VII ZR 407/56, WM 1958, 293; v. 9. April 1959 - VII ZR 153/58, WM 1959, 969, 970; v. 9. Februar 1967 - III ZR 226/64, WM 1967, 321, 322; v. 5. Dezember 1990 - IV ZR 194/89, BGHR BGB § 133 - Wortlaut 1). Bei der Auslegung einer Willenserklärung gemäß § 133 BGB ist indessen - wie das Berufungsgericht zutreffend gesehen hat - der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Zur Ermittlung des wirklichen Willens sind auch die außerhalb der Erklärung liegenden Umstände, die der Aufhellung oder Aufdeckung des Parteiwillens dienen können, zu berücksichtigen. Maßgebend ist das Gesamtverhalten der Erklärenden einschließlich der Entstehungsgeschichte und des Zwecks der Erklärung (BGHZ 63, 359, 362; BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983 - IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721, 722; v. 23. Februar 1987 - II ZR 183/86, NJW 1987, 2437, 2438; v. 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206). Deshalb geht die Revisionsrüge fehl, die Auslegung des Berufungsgerichts stehe im Widerspruch zum "klaren Wortlaut" der Klausel Ziffer II.2 des Vertrages.

Die Rüge, das Berufungsgericht habe den Vortrag des Beklagten übergangen, eine Belehrung über den von der testamentarischen Anordnung abweichenden Klauselinhalt sei bereits im Januar 1984 erfolgt, muß ebenfalls erfolglos bleiben. Das Berufungsgericht hat die von der Revision angeführten Aussagen der Zeugen K. und den Vortrag des Beklagten, der sich diese Aussagen lediglich zu eigen gemacht hat, bei seiner Würdigung berücksichtigt.

Das Berufungsgericht hat auch nicht, wie die Revision beanstandet, die ambivalenten Indiztatsachen nur im Hinblick auf den klägerischen Vortrag gewürdigt. Insoweit erschöpfen sich die Angriffe der Revision darin, daß sie den Tatsachenstoff anders bewertet als das Berufungsgericht.

Bei formbedürftigen Erklärungen kommt allerdings hinzu, daß außerhalb der Urkunde liegende Umstände bei der Auslegung nur zu berücksichtigen sind, wenn der aus ihnen ermittelte rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde einen wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (BGHZ 63, 359, 362; 86, 41, 47; 87, 150, 154; BGH, Urt. v. 23. Februar 1987 - II ZR 183/86, BGHR BGB § 133 - Wille 1). Hier konnten die Vertragsparteien jedoch nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß mit der von der Bestimmung über die Hauptleistungspflichten räumlich abgesonderten, eher nebensächlichen und üblicherweise formularmäßig verwendeten Klausel Ziffer II.2 der wesentliche Streitpunkt geregelt werden sollte - und zwar abweichend von den Anordnungen des Erblassers.

2.

Ob der Beklagte - wie das Berufungsgericht gemeint hat - seine Pflichten auch dadurch verletzt hat, daß er den wirklichen Willen der Beteiligten nicht mit der gebotenen Sorgfalt erforschte, kann dahinstehen. Da der Auseinandersetzungsvertrag mit dem Inhalt zustande gekommen ist, den der Kläger sich vorgestellt hat, könnte eine derartige Nachlässigkeit des Beklagten für den Schaden des Klägers nicht ursächlich geworden sein.

II.

Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist desweiteren, daß das Berufungsgericht das Verschulden des Beklagten und die Ursächlichkeit des schuldhaften Pflichtverstoßes für den dem Kläger ungünstigen Ausgang des Vorprozesses für nachgewiesen gehalten hat.

1.

Als Notar hätte der Beklagte erkennen können und müssen, daß die Klausel in Ziffer II.2 dem erkennbaren Willen des Klägers widersprach. Der Grundsatz, daß ein Verschulden des Notars regelmäßig ausscheidet, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht sein Verhalten aufgrund sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts als objektiv rechtmäßig gebilligt hat (BGHZ 27, 338, 343; BGH, Urt. v. 24. Oktober 1985 - IX ZR 91/84, NJW 1986, 576, 578; v. 29. Oktober 1987 - IX ZR 181/86, NJW 1988, 1143, 1144; v. 16. Juni 1988 - IX ZR 34/87, WM 1988, 1639, 16.41; v. 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206, 3207), greift hier nicht ein. Er ist nur eine allgemeine Richtlinie für die rechtliche Beurteilung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts und deshalb unanwendbar, wenn ein Kollegialgericht in entscheidenden Punkten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder diesen nicht erschöpfend gewürdigt hat (BGH, Urt. v. 29. Oktober 1987 aaO; v. 5. Juli 1990 aaO).

2.

Die vom Berufungsgericht festgestellte Einigung der Vertragsparteien darüber, daß es bei der Pachtzinsverteilung im Sinne des Erblassers sein Bewenden haben solle, kam im Text des Auseinandersetzungsvertrages nur unvollkommen zum Ausdruck. Da der Vertrag gegen seinen Wortlaut ausgelegt werden mußte, lag es nahe, daß er mißverstanden werden konnte. Diese Gefahr hat sich im Vorprozeß verwirklicht.

III.

Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit hat das Berufungsgericht gleichfalls zu Recht abgelehnt.

Abgesehen davon, daß für den Kläger objektiv gar keine Anfechtungslage bestand - weil der Auseinandersetzungsvertrag so zustande gekommen ist, wie er dies gewünscht und gewollt hat -, hat sein damaliger Prozeßbevollmächtigter, der Forderung nach dem Beschreiten des "den Umständen nach sichersten Weges" Rechnung tragend, im Vorprozeß hilfsweise die Anfechtung des Auseinandersetzungsvertrages erklärt. Diese hat damals unter anderem deshalb nicht zum Erfolg geführt, weil das Gericht - das die Klausel Ziff. II.2 des Auseinandersetzungsvertrages im entgegengesetzten Sinne ausgelegt hat - der Meinung war, ein Irrtum des Klägers sei "durch nichts belegt". Bei derartiger Sachlage kann dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht vorgeworfen werden, er habe durch sorgfaltswidrige Prozeßführung zu einem etwaigen Schaden des Klägers beigetragen.

IV.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts zu dem aus der Amtspflichtverletzung des Beklagten entstandenen Schaden halten demgegenüber einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei objektiver Auslegung sei die Klausel Ziffer II.2 im Sinne der Auslegung "50 zu 50" zu verstehen, so daß der Kläger Anspruch auf den hälftigen Pachtzins habe. Jedoch sei nicht auszuschließen, daß Frau K. den Vertrag nicht unterschrieben hätte, wenn er in diesem Sinne klargestellt worden wäre, und andererseits der Kläger eine Regelung "31 zu 69" nicht akzeptiert hätte. Deshalb hätte die Auseinandersetzung auf der Grundlage des Testaments durchgeführt werden müssen. Darin sei der Zeugin K. ein Vorausvermächtnis zugewendet worden, weil sie den wertvolleren Grundbesitz habe erhalten und durch die Anordnung alle gegenseitigen Erbansprüche hätten ausgeglichen sein sollen. Im Falle einer Auseinandersetzung auf der Grundlage des Testaments wäre der Kläger nicht verpflichtet gewesen, für den hälftigen Pachtzins Ausgleich zu leisten, so daß ihm durch die Klageabweisung im Vorprozeß ein Schaden entstanden sei.

2.

Diese Erwägungen beruhen teilweise, wie die Revision mit Recht rügt, auf einer unvollständigen Auswertung des Prozeßstoffs. Darüber hinaus sind sie von Rechtsfehlern beeinflußt.

a)

Zwar im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht geprüft, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars genommen hätten und wie dann die Vermögenslage des Betroffenen wäre (BGH, Urt. v. 21. März 1989 - IX ZR 155/88, WM 1989, 822, 824; v. 8. Februar 1990 - IX ZR 63/89, WM 1990, 940, 942; v. 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW 1990, 3206, 3207).

Nicht zu beanstanden ist auch die tatrichterliche Feststellung, daß sich die Schwester geweigert hätte, einen Vertrag zu schließen, der dem Kläger die Hälfte des Pachtzinses zuordnete, und daß umgekehrt der Kläger sich auf keinen Vertrag eingelassen hätte, der ohne jeden Ausgleich den Anteil der Schwester zu deren Gunsten veränderte. Falls sich die Geschwister dann noch wenigstens über die Verteilung der Grundstücke geeinigt hätten, wäre klargestellt worden, daß die Regelung der Pachtzinsen vorbehalten - und die testamentarische Zuweisung somit vorerst unberührt - bleibt. Dann hätte der Kläger die Klage auf Zahlung der Pachtzinsdifferenz gar nicht erst erhoben und diese wäre ihm auch nicht rechtskräftig und mit entsprechender Kostenbelastung aberkannt worden. In Ermangelung einer Einigung der Geschwister wäre die Auseinandersetzung deshalb - jedenfalls hinsichtlich der Pachtzinsen - im Wege der Auseinandersetzungsklage (vgl. dazu Palandt/Edenhofer, BGB § 2042 BGB Rdn. 16) auf der Grundlage des Testaments zu bewerkstelligen gewesen.

b)

Fehlerhaft ist dagegen die Folgerung des Berufungsgerichts, daß der Kläger in diesem Falle in den Genuß der hälftigen Pacht gekommen wäre, ohne an seine Schwester aus seinem eigenen Vermögen eine Ausgleichszahlung leisten zu müssen.

aa)

Das Berufungsgericht hat die "Teilungsanordnung" in dem Testament nicht als Teilungsanordnung im Sinne des § 2048 BGB, sondern als Vorausvermächtnis im Sinne von § 2150 BGB qualifiziert. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Für die Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis ist entscheidend, ob der Erblasser, der einem Miterben Gegenstände zugewiesen hat, deren Wert objektiv höher ist, als dem Miterben seiner Quote nach bei der Auseinandersetzung zukäme, zusätzlich zu seinem Erbteil auch noch den Mehrwert zuwenden wollte oder ob nach seinem Willen eine Wertverschiebung dadurch ausgeschlossen sein soll, daß der Bedachte hinsichtlich des Mehrwerts den übrigen Miterben einen Wertausgleich aus seinem eigenen Vermögen zahlen muß. Im ersten Fall liegt ein Vermächtnis, im letzteren eine Teilungsanordnung vor (BGHZ 82, 274, 279; BGH, Urt. v. 14. März 1984 - IVa ZR 87/82, NJW 1985, 51, 52; v. 28. Januar 1987 - IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475, 476; v. 6. Dezember 1989 - IVa ZR 59/88, WM 1990, 854, 855; v. 27. Juni 1990 - IV ZR 104/89, FamRZ 1990, 1112, 1113).

Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht an sich nicht verkannt. Es hat indessen als unstreitig angesehen, daß in dem Testament "einem der beiden Miterben" Vermögensgegenstände zugewiesen worden seien, die wertvoller gewesen seien, als es dessen Erbteil entsprochen habe. Damit hat es dem Parteivortrag eine ihm nicht zukommende Bedeutung beigemessen und ihn im übrigen auch nicht ausgeschöpft.

Nicht berücksichtigt hat es den unbestrittenen Vortrag, daß der Erblasser mit den sehr detaillierten, ersichtlich auf Ausgleich bedachten testamentarischen Anordnungen beide Kinder wertmäßig gleich behandeln, also keines vor dem anderen bevorzugen wollte. Daß dem Erblasser dies auch gelungen sei, war noch bei Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages gemeinsame Überzeugung der Erben. Denn unter Ziffer 1.3 des Vertrages haben sie bestimmt, es erfolge kein Wertausgleich, da "die Objekte wertgleich" seien. Inzwischen streiten sie darüber, ob sich bis zum Zeitpunkt des Erbfalls ein Ungleichgewicht eingestellt hat und welcher Art dieses gegebenenfalls ist. Der Kläger hat behauptet, die der Schwester zufallenden Bestandteile des Nachlasses seien wertvoller als die ihm zugewiesenen; die Schwester - und mit ihr der von ihr unterstützte Beklagte - hat sich auf den gegenteiligen Standpunkt gestellt. Gestritten wird vornehmlich über den Verkehrswert der unter den Erben aufgeteilten Grundstücke zum Zeitpunkt des (letzten) Erbfalls; unterschiedlicher Meinung ist man auch in der Bewertung des Umstandes, daß die der Schwester des Klägers zugedachte Firma Carl L. Söhne zum Zeitpunkt des (letzten) Erbfalls nicht mehr bestand. Nachdem gegenläufige Wertverschiebungen geltend gemacht werden, ist nicht als unstreitig davon auszugehen, daß überhaupt eine Wertverschiebung stattgefunden hat. Das Berufungsgericht hätte vielmehr, falls der Erblasser die Ausgleichspflicht für einen etwaigen Mehrwert nicht ausgeschlossen hat, den für den Wert der zum Nachlaß gehörenden Grundstücke angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen.

Weiterhin ist das Berufungsgericht der testamentarischen Bestimmung "Durch die Teilung in vorstehender Anordnung sollen alle gegenseitigen Erbansprüche ausgeglichen sein" nicht gerecht geworden. Seiner Meinung nach kann diese Klausel allein dahin ausgelegt werden, daß der Erbe, dem die höherwertigen Gegenstände zugedacht waren, diese zusätzlich ohne Ausgleich des Mehrwertes erhalten sollte. Eine andere Bedeutung, die gerade im vorliegenden Fall naheliegt, hat es damit nicht bedacht. Der Erblasser kann auch davon ausgegangen sein, beide Kinder gleichgestellt zu haben, und die Möglichkeit, daß sich mit der Zeit ein Mißverhältnis zwischen den Erbteilen ergeben könnte, nicht in Betracht gezogen haben. Dann stellte sich für ihn die Frage, ob der einem Kind zugewendete Mehrwert aus dem eigenen Vermögen ausgeglichen werden muß, überhaupt nicht. Die zitierte Klausel kann deshalb auch als schlichter Ausdruck der elterlichen Überzeugung verstanden werden, daß ein jedes der erbenden Kinder "gerecht" behandelt sei, wenn sie sich an die Teilungsanordnung hielten. Was der Erblasser bestimmt hätte, wenn er an einen für den Zeitpunkt des Erbfalls oder gar der Auseinandersetzung sich ergebenden objektiven Vermögensvorteil eines der Miterben gedacht hätte, ist im Wege der ergänzenden Auslegung zu ermitteln (BGHZ 86, 41, 45; Urt. v. 23. Mai 1984 - IVa ZR 185/82, WM 1984, 1006, 1007; MünchKomm/Dütz, § 2048 BGB Rdn. 16; Palandt/Edenhofer, § 2048 BGB Rdn. 6). In dieser Richtung hat das Berufungsgericht ebenfalls keine Überlegungen angestellt.

bb)

Daß die der Schwester des Klägers zugewiesene Firma L. Söhne zum Zeitpunkt des Erbfalls schon nicht mehr bestand, hat das Berufungsgericht vernachlässigt, weil "nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien" die Firma schon zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keinen nennenswerten Wert mehr verkörpert habe. Das rügt die Revision zu Recht. Sowohl der Beklagte als auch die Streithelferin haben die entsprechende Behauptung des Klägers bestritten und ihrerseits vorgetragen, im Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahre 1965 sei die spätere Entwertung des Unternehmens nicht abzusehen gewesen (Schriftsatz der Streithelferin vom 9. November 1990, S. 7, GA 314; Schriftsatz des Beklagten vom 20. Februar 1991, S. 1, GA 323). Dafür könnte sprechen, daß der Kläger den Einwand seiner Schwester, wegen des Unterganges der Firma L. Söhne sei die testamentarische Teilungsanordnung nicht mehr "gerecht", immerhin zum Anlaß genommen hat, mehrjährige Verhandlungen über eine "Anpassung" auf sich zu nehmen. Daß der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ebenfalls von einer Werthaltigkeit des Unternehmens ausgegangen ist, könnte aus Ziffer II des Testaments folgen. Dort ist unter anderem bestimmt, daß die Firma L. eine Reihe von Belastungen abzudecken habe, die auf zum Nachlaß gehörenden Parzellen ruhten.

cc)

Außer acht gelassen hat das Berufungsgericht schließlich auch den von der Zeugin K. bestätigten Vortrag des Beklagten, daß die Schwester eine hälftige Verteilung des Pachtzinses niemals hingenommen, ihr vielmehr durch sofortige Veräußerung ihrer Parzellen den Boden entzogen hätte. Ob das Testament etwas derartiges zuläßt, hat das Berufungsgericht nicht geprüft. Es hat auch nicht aufgeklärt, ob eine Veräußerung hier praktisch möglich gewesen wäre.

V.

Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Unterschriften

Schmitz

Kreft

Kirchhof

Fischer

Ganter

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456349

DNotZ 1992, 811

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