Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater bei Fehleraufdeckung durch Betriebsprüfung. Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, wann die Verjährungsfrist beginnt, wenn das Vertragsverhältnis der Parteien schon vor der Betriebsprüfung beendet war (Anschluß BGH, 22.02.1979, VII ZR 256/77, BB 1979, 491).

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Steuerberater aus Fehlern, die erst bei einer späteren Außenprüfung aufgedeckt und deretwegen dann Steuern nacherhoben worden sind, beginnt erst mit der Schlußbesprechung über das Ergebnis der Außenprüfung; die mangelhafte Arbeit des Steuerberaters wirkt sich erst dann nachteilig aus, wenn seine Fehler durch die Außenprüfung aufgedeckt werden.

 

Normenkette

StBerG § 68

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde 1969 gegründet. Mit der Einrichtung ihrer Buchhaltung, Führung der Bücher und Abgabe aller steuerlicher Erklärungen beauftragte sie den Beklagten, einen Steuerbevollmächtigten. Dieser erhielt eine monatlich zu zahlende Vergütung. Das Vertragsverhältnis endete mit dem 31. Dezember 1972. Der Nachfolger des Beklagten stellte die Buchhaltung auf EDV um.

Ende 1975 führte das Finanzamt bei der Klägerin erstmals eine Betriebsprüfung durch. Dabei wurden für die Zeit von 1969 bis 1972 erhebliche Mängel der Buchhaltung festgestellt. Die Schlußbesprechung fand am 22. Dezember 1975 statt. Die Buchführung wurde als nicht ordnungsgemäß verworfen, beantragte Steuervergünstigungen aus Verlustvorträgen wurden versagt. Das Finanzamt verlangte demgemäß für die Jahre 1972/1973 Nachzahlungen für Körperschaftssteuer, Ergänzungsabgabe, Stabilitätszuschlag und Gewerbesteuer in Höhe von insgesamt 26.419 DM. Ihre gegen die Steuerbescheide zunächst erhobenen Einsprüche nahm die Klägerin schließlich zurück, sie zahlte bisher 10.000 DM.

Mit ihrer im September 1977 eingereichten und alsbald zugestellten Klage hat die Klägerin von dem Beklagten 10.000 DM nebst Zinsen als Schadensersatz verlangt. Der Beklagte hat sich vor allem auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat der Klage – unter Abweisung eines geringfügigen Zinsmehranspruchs – stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie in vollem Umfange abgewiesen.

Mit der – zugelassenen – Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält etwaige Ansprüche der Klägerin jedenfalls für verjährt. Der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten bestehenden Vertragsverhältnis verjähre gemäß § 68 StBerG in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden sei. Der Beklagte habe seine Tätigkeit für die Klägerin Ende 1972 eingestellt. Die Verjährung sei daher Ende 1975 eingetreten. Die im September 1977 eingereichte Klage habe sie nicht mehr unterbrechen können.

Dagegen wendet sich die Revision zu Recht.

1. Das Berufungsgericht stützt seine Ansicht vor allem auf das – inzwischen vom Senat aufgehobene – Urteil des Oberlandesgerichts München vom 27. Juli 1977 (15 U 1006/77). Darin war die Auffassung vertreten worden, für die Verjährung des gegen eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft gerichteten Anspruch sei es ohne Belang, daß die Mängel einer Buchhaltung sowie der sich hieraus ergebende Schaden – Verwerfung der Buchführung und Aberkennung von Verlustvorträgen – erst nach Abschluß einer mehrere Jahre später veranstalteten Betriebsprüfung offenbar geworden seien. Der von § 68 StBerG erfaßte Ersatzanspruch entstehe nämlich bereits, wenn der steuerrechtliche Tatbestand geschaffen sei, nicht erst, wenn dieser durch die Betriebsprüfung aufgedeckt werde. Darauf, daß dem Auftraggeber Grund und Ausmaß des Schadens vorher nicht bekannt gewesen seien, komme es für die Verjährung nicht an.

2. Diese Auffassung hat der Senat schon in seinem (zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmten) Urteil vom 22. Februar 1979 – VII ZR 256/77 = WM 1979, 419 mißbilligt. Daran hält er fest. Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Steuerberater aus Fehlern, die erst bei einer späteren Außenprüfung (bis zum Inkrafttreten der AO 1977: Betriebsprüfung) aufgedeckt und deretwegen dann Steuern nacherhoben worden sind, beginnt erst mit der Schlußbesprechung über das Ergebnis der Außenprüfung. Dafür, ob ein Schadensersatzanspruch bereits entstanden ist und damit die Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird, ist allerdings in der Regel entscheidend, inwieweit der Berechtigte in der Lage gewesen wäre, seinen Anspruch – jedenfalls mit der Feststellungsklage – gerichtlich geltend zu machen. Auch hindert Unkenntnis des Schadens und damit des Anspruchs grundsätzlich nicht den Beginn der Verjährung. Zu berücksichtigen sind aber in Fällen wie auch dem hier vorliegenden die Besonderheiten, die mit der üblichen Abwicklung von Steueransprüchen verbunden sind. Entscheidend ist die sich daraus für einen etwaigen Rückgriff des Steuerpflichtigen gegen seinen Steuerberater ergebende Interessenlage. Die mangelhafte Arbeit des Steuerberaters wirkt sich erst dann nachteilig aus, wenn seine Fehler durch die Außenprüfung aufgedeckt werden. Daher ist der Rückgriffanspruch in solchen Fällen auch erst dann als durchsetzbar entstanden. Wegen der Einzelheiten wird auf das vorbezeichnete Senatsurteil verwiesen.

3. Was der Beklagte dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat ausführen lassen, steht dem jedenfalls hier nicht entgegen.

a) Der Beklagte sieht die Besonderheit des vorliegenden Falles darin, daß die Steuererklärungen der Klägerin für 1972 und 1973 mit den dort vorgetragenen Verlusten der Vorjahre nicht mehr von ihm selbst entworfen worden sind. Sein Nachfolger hätte bei der Vorbereitung dieser Erklärungen nicht nur prüfen müssen, ob und in welchem Umfange Verluste entstanden waren; er hätte bei dieser Gelegenheit auch feststellen müssen, daß jene Verluste mangels ordnungsgemäßer Buchführung nicht geltend gemacht werden konnten, und hätte die Klägerin darauf hinweisen müssen. Der Schaden sei deshalb schon bald nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erkennbar gewesen, und die Klägerin hätte lange vor der Betriebsprüfung eine Feststellungsklage erheben können. Rechne man die Verjährungsfrist von da ab, so sei Verjährung eingetreten.

b) Diese Erwägungen greifen nicht durch. Dabei kann offen bleiben, ob die Verjährungsfrist auch dann erst mit der Schlußbesprechung über das Ergebnis der Außenprüfung (Betriebsprüfung) beginnt, wenn der Auftraggeber die Fehler des Steuerberaters und ihre nachteiligen steuerlichen Auswirkungen schon vorher erkannt hat. Denn so liegt der Fall hier nicht. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob der neue Steuerberater der Klägerin die Pflicht hatte, die Buchführung der früheren Jahre nachzuprüfen. Er ist nicht der Erfüllungsgehilfe der Klägerin gegenüber dem Beklagten, zumal das Vertragsverhältnis der Parteien beendet war. Daß die Klägerin – unter Umständen erst nach Hinzuziehung eines anderen Steuerberaters – die Möglichkeit der Verwerfung ihrer Buchführung durch das Finanzamt hätte erkennen können und damit hätte rechnen müssen, führt noch nicht zur Vorverlegung des Verjährungsbeginns. Denn ob die Buchführung noch den an sie zu stellenden Anforderungen genügt oder nicht, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Erst die Außenprüfung schafft darüber hinreichende Klarheit. Vorher ist dem Auftraggeber auch in solchen Fällen die Erhebung einer Klage gegen seinen früheren Steuerberater nicht zuzumuten. Zur vorherigen Überprüfung der Leistungen des Beklagten war die Klägerin ihm gegenüber nicht verpflichtet. Daß sein Nachfolger die Klägerin auf die Mangelhaftigkeit der Buchführung schon vor der Betriebsprüfung hingewiesen hätte, hat der Beklagte nicht behauptet.

4. Auch im vorliegenden Fall ist daher maßgeblich, wann die Schlußbesprechung über das Ergebnis der Betriebsprüfung stattgefunden hat. Das war am 22. Dezember 1975. Die Klage ist am 28. September 1977, mithin rechtzeitig, eingereicht und alsbald zugestellt worden. Der Klageanspruch ist daher nicht verjährt. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben.

II.

Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Nach dem unstreitigen Sachverhalt hat der Beklagte seine Vertragspflichten schuldhaft verletzt; der Klägerin ist hierdurch ein Schaden von mindestens 10.000 DM entstanden. Der Beklagte hat den entsprechenden Sachvortrag der Klägerin nicht substantiiert bestritten.

1. Nach dem Betriebsprüfungsbericht des Finanzamts O.-Stadt vom 23. Februar 1976 weisen die von dem Beklagten geführten Bücher sowie die dazu aufzubewahrenden Unterlagen zahlreiche schwerwiegende Mängel und Lücken auf. Die Warenrechnungen und Unkostenrechnungen wurden zwar im Rechnungseingangsbuch bzw. Wareneingangsbuch und Rechnungsausgangsbuch aufgelistet; eine Beziehung zu den Zahlen der Buchführung konnte jedoch nicht hergestellt werden. Weder der Gesellschafter-Geschäftsführer noch ein sachverständiger Dritter konnte für einen bestimmten Zeitpunkt den Stand der Forderungen oder Verbindlichkeiten feststellen. Wann die einzelnen Rechnungen bezahlt worden waren, war nicht ersichtlich. Skonti, Gutschriften, Verrechnungen wurden buchmäßig nicht erfaßt; gebucht wurde lediglich der tatsächliche Zahlungsverkehr. Die noch offenen Rechnungen waren nicht erkennbar. Die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben wurden zwar aufgezeichnet; ein Kassenbestand ist jedoch nicht ermittelt worden. Dadurch ergab sich, daß bei der Erstellung der Bilanzen Kassenfehlbestände auftraten. Diese Fehlbeträge wurden lediglich in den Hauptabschlußübersichten als Kassenbarvorschüsse (= Darlehen des Gesellschafters an die Klägerin), nicht aber bei den Kassenabrechnungen und im Journal als Kasseneinnahmen gebucht. Über den Warenbestand lagen nur die Reinschriften der Inventuraufnahme vor; die nach § 162 Abs. 8 AO aF aufzubewahrenden Originalaufzeichnungen der Warenbestandsaufnahmen fehlten; sie waren vernichtet worden.

2. Bei dieser Vielzahl von Mängeln ist es hier ohne Belang, ob der Beklagte, wie er durch Antrag auf Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin unter Beweis gestellt hat, jeweils bei Rückgabe der Originalaufzeichnungen zur Inventur darauf hingewiesen hat, daß diese nach den steuerlichen Vorschriften aufbewahrt werden mußten, daß Kassenvorschüsse im Kassenbuch und im Journal zu verbuchen seien und daß ein Kontokorrent geführt werden müsse. Der Beklagte hätte auf die Führung des Kassenbuches nachhaltig Einfluß nehmen müssen und sich nicht mit den von ihm behaupteten Belehrungen begnügen dürfen, zumal er wußte, daß der Geschäftsführer der Klägerin als Techniker hierfür nicht hinreichend vorgebildet war. Das wäre durchaus möglich gewesen: Für die Jahre 1973 und 1974, also für die nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses liegende Zeit, hat die Betriebsprüfung Beanstandungen nicht ergeben. Was den Nachfolgern des Beklagten gelang, hätte auch dieser selbst erreichen müssen. Dafür, daß die Buchführung nicht verworfen worden wäre, wenn die Klägerin die Originalaufzeichnungen ordnungsgemäß aufbewahrt hätte, ist auch nach dem Vortrag des Beklagten nichts ersichtlich. Auch zu diesem Punkt kommt es deshalb auf den Beweisantrag nicht an.

3. Mit Recht hat das Landgericht daher angenommen, daß der Beklagte seine Vertragspflichten schuldhaft verletzt hat. Daß das Finanzamt die Buchführung verwerfen und die der Klägerin zunächst gewährten Steuervergünstigungen aus Verlustvorträgen widerrufen durfte, wird von ihm nicht bezweifelt. Die Aufforderung vom 3. Januar 1977, der Klägerin die zur Durchführung des Einspruchsverfahrens erforderlichen sachlichen Argumente zu liefern, hat er nicht beantwortet.

Der Beklagte hat deshalb der Klägerin den ihr in Höhe von mindestens 10.000 DM nebst Zinsen entstandenen Schaden zu ersetzen. Seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ist nach alledem zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2027376

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