Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Haftung des Arbeitgebers gegenüber Sozialversicherungsträger bei Nichteinzahlung von Arbeitgeberanteilen

 

Leitsatz (amtlich)

RVO § 393 ist kein Schutzgesetz zugunsten der Sozialversicherungsträger.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1896-08-18; RVO § 393 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1924-12-15

 

Verfahrensgang

Saarländisches OLG

 

Tatbestand

Die Klägerin, Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung für das Saarland, nimmt den Beklagten, Geschäftsführer der in Konkurs gegangenen Firma C.-Bau GmbH, S., wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, bestehend aus Arbeitgeberanteilen und Arbeitnehmeranteilen, zuzüglich Mahngebühren und Vollstreckungsgebühren sowie Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt 14.907,84 DM nebst Zinsen in Anspruch. Sie hat behauptet, der Beklagte habe in der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis 31. Mai 1972 gegen seine Verpflichtung verstoßen, die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Die Arbeitnehmer P. und C.C., die versicherungspflichtig gewesen seien, habe er bei der Klägerin nicht angemeldet und für sie keine Beiträge gezahlt.

Die vom Beklagten im Mai 1972 beantragte Eröffnung des Konkursverfahrens über die Firma C.-Bau GmbH wurde mangels Masse abgelehnt.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 7.425,82 DM nebst Zinsen, das sind die Arbeitnehmeranteile zuzüglich anteiliger Mahnkosten und Vollstreckungskosten, zu bezahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos.

Mit der (zugelassenen) Revision hält die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung weiterer 7.482,02 DM nebst Zinsen aufrecht. Der Beklagte ist während des Revisionsverfahrens verstorben. Für seine unbekannten Erben ist ein Nachlaßpfleger zu ihrer Vertretung in diesem Rechtsstreit bestellt worden; er hat sich im Revisionsverfahren jedoch nicht anwaltlich vertreten lassen. Die Klägerin hat daraufhin um Erlaß eines Versäumnisurteils gebeten.

 

Entscheidungsgründe

A

Gegen die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs für den nach § 823 Abs 2 BGB geltend gemachten Schadensersatz bestehen keine Bedenken. Das gilt nicht nur insoweit, als die Klägerin ihre Klageansprüche auf die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Beklagten stützt, wie dies bei Verstoß gegen § 533 RVO aF ständiger Rechtsprechung entspricht (RGZ 138, 165, 166; Senatsurteile v 7. November 1961 - VI ZR 5/61 = VersR 1962, 24 und v 25. Februar 1975 - VI ZR 222/73 = VersR 1975, 739) und bei den von der Klägerin hier geltend gemachten Verstößen gegen § 393 RVO nicht anders ist. Es gilt aber auch insoweit, als sie Ansprüche wegen unterlassener Anmeldung versicherungspflichtiger Arbeitnehmer nach § 317 RVO geltend macht L (vgl RGZ 73, 211, 213 zu § 50 KVG 1892; OLG Frankfurt/M. DOK 1968, 210; Baumbach/Lauterbach, ZPO 34. Aufl § 13 GVG Anm 7 Stichwort: Sozialversicherung; Krohn, DOK 1971, 2). Auch die Parteien gehen übereinstimmend von der Zuständigkeit der ordentlichen und nicht der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit aus.

B

I.

Das Landgericht hat dem Klagebegehren insoweit stattgegeben, als es sich um die Nichtabführung der vom Beklagten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH (§ 536 Nr 2 RVO aF) einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zur Krankenversicherung handelt. Im Streit ist nur noch die Frage, ob der Klägerin auch ein Schadensersatzanspruch wegen Nichtleistung von Arbeitgeberanteilen (nebst anteiligen Mahngebühren und Vollstreckungsgebühren sowie Säumniszuschlägen) zusteht. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß § 393 RVO iV mit §§ 533 Abs 1, 536 Nr 2 RVO aF insoweit kein Schutzgesetz iS von § 823 Abs 2 BGB zugunsten des Sozialversicherers ist, als es sich um die Abführung von Arbeitgeberanteilen handelt. Ebensowenig liege in der Nichtanmeldung der beiden versicherungspflichten Arbeitnehmer P. und C.C. (Verstoß gegen § 317 RVO) die Verletzung eines Schutzgesetzes. Schließlich habe die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 64 GmbHG nicht schlüssig dargetan.

II.

Der Revision war der Erfolg zu versagen.

1. Das Berufungsgericht vertritt unter Aufgabe seiner im Urteil vom 12. Januar 1972 (VersR 1973, 467) vertretenen Rechtsansicht die Meinung, der Beklagte habe in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Firma C.-Bau GmbH, soweit er Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung nicht an die Klägerin einbezahlt habe, kein Schutzgesetz iS von § 823 Abs 2 BGB verletzt.

Diese Ansicht ist rechtlich richtig.

a) Die Erwägungen, die die Rechtsprechung bestimmt haben, in der Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz zu sehen (BGHZ 58, 199, 201; Senatsurt v 25. Februar 1975 aaO mwNachw), treffen für die Nichteinzahlung von Arbeitgeberanteilen in ihren entscheidenden Teilen nicht zu. Bei beiden Beitragsgruppen handelt es sich um grundsätzlich verschiedene Schuldtatbestände: Der Arbeitgeberanteil ist eine eigene Schuld des Arbeitgebers (§§ 380, 381 RVO), der Arbeitnehmeranteil ist dagegen Teil des Lohnes des Arbeitnehmers (§ 394 RVO), der vom Arbeitgeber nur treuhänderisch verwaltet wird. Die Nichteinzahlung des eigenen Arbeitgeberanteils ist darum ohne rechtlichen Belang (BGHZ 58, 199, 202, 203). § 533 RVO aF stellt nur die Vorenthaltung von Beitragsanteilen durch den Arbeitgeber, die dieser von den Beschäftigten einbehalten oder von ihnen erhalten hatte, unter Strafe; die Nichteinzahlung von Arbeitgeberanteilen bleibt dagegen straflos. Daß sich die Klägerin hier, wo es nicht um die Einbehaltung von Arbeitnehmeranteilen geht, sondern um die Nichteinzahlung der vom Arbeitgeber geschuldeten Beitragsteile, nicht auf § 533 RVO stützen kann, verkennt auch die Revision nicht.

b) Die Revision beruft sich daher auf die Vorschrift des § 393 RVO, jedoch ohne Erfolg.

Der Revision ist zwar zuzugeben, daß keine grundsätzlichen Bedenken bestehen, neben einem öffentlich-rechtlichen Erfüllungsanspruch auch einen deliktischen Schadensersatzanspruch zu gewähren, wie dies bei Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen bereits anerkannt ist. Ein solcher Schadensersatzanspruch läßt sich aus § 393 RVO aber nicht ableiten.

Die Frage, ob einer Rechtsnorm Schutzgesetzcharakter zukommt, bestimmt sich nicht nach der Wirkung des Gesetzes, sondern danach, ob dessen Inhalt nach dem Willen des Gesetzgebers in Form eines bestimmten Gebotes oder Verbotes – zumindest neben anderen Zwecken – auch einem gezielten Individualzweck dient und gegen eine näher bestimmte Art der Schädigung eines im Gesetz festgelegten Rechtsgutes oder Individualinteresses gerichtet ist (s BGHZ 40, 306; 46, 17, 23; 64, 232, 237; SenUrt v 8. Mai 1973 - VI ZR 164/71 = VersR 1973, 921). Es genügt nicht, daß die Norm im allgemeineren Sinn Schutz und Förderung einzelner Bürger oder bestimmter Personenkreise bewirkt oder bezweckt. Vielmehr muß die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches erkennbar vom Gesetz erstrebt sein oder zumindest im Rahmen des haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen.

Dies kann für die hier in Betracht kommende Vorschrift des § 393 RVO, jedenfalls hinsichtlich der Sozialversicherungsträger (SVT), nicht bejaht werden. Nur auf den SVT und nicht auf den Kreis der Arbeitnehmer ist hier bei der Prüfung des Schutzgesetzcharakters abzustellen. Darum beruft die Revision sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (s AP Nr 1, 4 zu § 823 BGB Schutzgesetz), wonach die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen über die Beitragsentrichtung im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichtes (vgl JW 1933, 1550; ArbRSamml 29, 363) auch den Schutz des einzelnen Versicherten bezwecken, so daß ein Verstoß des Arbeitgebers diesen gegenüber seinen Arbeitnehmern sowohl wegen Verletzung der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Fürsorgepflicht als auch nach § 823 Abs 2 BGB schadensersatzpflichtig macht (vgl Staudinger/Mohnen, BGB 11. Aufl Vorbem vor § 617 Rdz 10).

§ 393 RVO geht zurück auf § 52 Abs 1 Krankenversicherungsgesetz (KVG) vom 15. Juni 1883 (s Peters, Handbuch der Krankenversicherung 17. Aufl § 393 RVO Anm 1). Für die hier streitige Frage gibt die Begründung des Entwurfes zu diesem Gesetz keinen Aufschluß. Ebensowenig läßt sich daraus, daß die SVT bezüglich der Beitragsrückstände mit einem eigenen Beitreibungsverfahren (§ 28 RVO) ausgestattet und ferner berechtigt sind, Säumniszuschläge zu erheben (§ 397a RVO), etwas für den Charakter der Vorschrift des § 393 RVO als Schutzgesetz herleiten. Zwar liegt hierin noch kein Schadensausgleich. Die Einordnung dieser Vorschrift in den sechsten Abschnitt der Reichsversicherungsordnung unter II: „Zahlung der Beiträge” und der Gegenstand der Regelung (Fälligkeit der Zahlung) lassen jedoch in Verbindung mit dem Fehlen einer Strafsanktion – die zwar nicht notwendige Voraussetzung der Eigenschaft als Schutzgesetz ist, wohl aber ein wertvoller Hinweis dafür sein kann (RGZ 138, 165, 168, 173) – den Willen des Gesetzgebers erkennen, daß Inhalt und Zweck dieser Vorschrift nur dem öffentlichen Interesse an der pünktlichen Beitreibung der zur Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher Aufgaben der Krankenversicherung erforderlichen Mittel dient und nicht darauf gerichtet ist, zumindest auch einer Einzelperson oder einem bestimmten Personenkreis zivilrechtlichen Schutz zu gewähren.

So hat auch schon das Reichsgericht ausgesprochen (RGZ 138, 165, 170), daß der Nichteinzahlung von Arbeitgeberanteilen zur Invalidenversicherung, die nach den Vorschriften der §§ 1426, 1488 RVO aF nur mit einer Ordnungsstrafe geahndet werden konnte, keine zivilrechtliche Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers nachfolgt. An dieser Rechtsprechung ist auch hinsichtlich der zur Krankenversicherung einzuzahlenden Arbeitgeberanteile festzuhalten L (so mit Recht OLG München NJW 1956, 1324 mit Anm Zeitlmann in SozVers 1957, 116; OLG Düsseldorf, VersR 1975, 466; Kleff DOK 1956, 505; ferner Haager in RGRK-BGB 11. Aufl § 823 Rdnr 110; aA Wussow, UHR 12. Aufl Tz 291, im Anschluß an OLG Saarbrücken VersR 1973, 467).

Die gegenteilige Meinung würde auch zu dem Ergebnis führen, daß ein Schadensersatzanspruch wegen Nichtentrichtung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung nur fahrlässiges Handeln, wegen Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile dagegen Vorsatz voraussetzen würde. Dies stünde kaum im Einklang mit dem in der Reichsversicherungsordnung zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, wonach die vorsätzliche Vorenthaltung einbehaltener Beitragsteile als besonders verwerflich mit einer Strafe geahndet werden soll.

c) Damit erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob der Beklagte – wie die Revision meint – in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH wegen Verletzung der Zahlungspflicht der Arbeitgeberanteile in entsprechender Anwendung der §§ 31, 831 BGB in Anspruch genommen werden kann.

2. Das Berufungsgericht vertritt den Standpunkt, auch die Vorschrift des § 530 RVO aF iV mit § 317 RVO sei kein Schutzgesetz zu Gunsten der Klägerin. Die Möglichkeit der Verhängung einer Ordnungsstrafe impliziere noch nicht den Schutzgesetzcharakter. Vielmehr handele es sich um eine reine Ordnungsvorschrift, die dem reibungslosen Ablauf der Arbeit der SVT dient.

Auch diese Ausführungen, die sich auf den Teilbetrag der Klageforderung von 9.825,27 DM (Nachberechnung für die Zeit vom 1. Oktober 1970 – 31. März 1972, während der die beiden versicherungspflichtigen Arbeitnehmer C. nicht angemeldet waren) beziehen, sind rechtlich zutreffend.

a) Im Anschluß an die Entscheidung des Reichsgerichts (RGZ 73, 211, 213) wird zwar allgemein angenommen, daß § 317 RVO insoweit ein Schutzgesetz zu Gunsten der Krankenkasse ist, als es den Arbeitgeber zur rechtzeitigen Abmeldung verpflichtet, weil die Vorschriften der §§ 317, 530 RVO aF die Kassen auch gegen die Inanspruchnahme durch nicht mehr berechtigte Personen schützen wollten (Peters aaO § 317 RVO Anm 8; 530 RVO Anm 2; Brackmann, Sozialversicherung Bd II S 350 mwNachw).

b) Daraus folgt indessen nicht, daß § 317 RVO auch insoweit ein Schutzgesetz ist, als der Arbeitgeber gegen die Anmeldepflicht verstoßen hat. Denn im Gegensatz zu dem Schaden, der der Krankenkasse durch Leistung an nicht mehr bei ihr versicherte Personen entstehen kann, ist die Zahlung der Beitragsrückstände des Arbeitgebers durch einen entsprechenden Anspruch der Kasse gedeckt, den sie zudem im vereinfachten Beitreibungsverfahren durchsetzen kann (§ 28 Abs 1 RVO).

Zwar wird der Erfolg der Beitreibung unter Umständen gefährdet, wenn wie hier eine Vollstreckung wegen rückständiger Beiträge mangels Vermögens des Schuldners nicht mehr möglich ist, was dafür sprechen könnte, daß die Pflicht des Arbeitgebers zur rechtzeitigen Anmeldung versicherungspflichtiger Personen (binnen 3 Tagen) auch der Vermeidung von Vermögensnachteilen der SVT dient.

aa) Dies wird insbesondere dann zu erwägen sein, worüber der Senat hier nicht zu befinden braucht, wenn der Arbeitgeber von ihm aufzubringende Beiträge iS von § 29 Abs 1 RVO absichtlich hinterzogen hat. Bewirkt der Arbeitgeber durch die Täuschung der Krankenkasse über die Beschäftigungsverhältnisse, daß diese den von ihm geschuldeten Arbeitgeberanteil nicht einfordert, so wird dies in der Regel einen Betrug im strafrechtlichen Sinne darstellen L (vgl RGSt 33, 342; OLG Hamburg Betr 1963, 243; Peters aaO § 317 RVO Anm 8; Brückner DOK 1952, 49ff), so daß die Verletzung eines Schutzgesetzes zu bejahen wäre.

So liegt der gegenständliche Fall aber nicht. Die Klägerin hat keine Tatsachen vorgetragen, die den Vorwurf absichtlicher Hinterziehung rechtfertigen könnten. Im Gegenteil spricht ihr in der Klageschrift gestellter Antrag auf Beiziehung der Akten des vor dem Arbeitsgericht S. anhängig gewesenen Rechtsstreits K. gegen C.-Bau GmbH ua dafür, daß die Frage der Pflicht zur Beitragszahlung umstritten war. Dies verkennt auch die Revision nicht.

bb) Hat aber der Arbeitgeber die von ihm geschuldeten Beitragsanteile nicht absichtlich hinterzogen, so liegt in der unterlassenen Anmeldung versicherungspflichtiger Personen keine Verletzung eines Schutzgesetzes. Hierfür spricht schon die Entwicklung der Sanktionen, die an die Nichtanmeldung geknüpft sind. Während § 50 KVG noch vorsah, daß Arbeitgeber, welche der ihnen obliegenden Anmeldepflicht vorsätzlich oder fahrlässigerweise nicht genügten, zur Erstattung aller Aufwendungen verpflichtet waren, die von der Gemeinde-Krankenversicherung oder einer Ortskrankenkasse in einem vor der Anmeldung durch die nicht angemeldete Person veranlaßten Unterstützungsfall gemacht worden waren, ist diese Erstattungspflicht in der Reichsversicherungsordnung fortgefallen (s Hoffmann, Krankenversicherung 7. Aufl 1927 § 317 Anm 1). Die Reichsversicherungsordnung kennt nur noch die Möglichkeit der Verhängung einer Ordnungsstrafe durch den Träger der Krankenversicherung (§ 530 RVO aF) und die Pflicht der Kasse, rückständige Beiträge nachzuholen (§ 531 Abs 1 RVO aF, eine Bestimmung, die inzwischen durch Art 252 Nr 20 EGStGB 1974 als selbstverständlich gestrichen worden ist – vgl BT-Drucks 7/550 S 432), sowie die Möglichkeit, dem Bestraften die Zahlung des Einfachen bis Zweifachen der rückständigen Beiträge aufzuerlegen (§ 531 Abs 2 RVO aF, der inzwischen im Hinblick auf § 17 Abs 4 OWiG nF ebenfalls gestrichen worden ist – vgl BT-Drucks aaO).

Vor allem aber spricht die Vorschrift des § 29 Abs 1 RVO dafür, daß die Reichsversicherungsordnung den darin aufgeführten Tatbestand abschließend regeln wollte. Danach verjährt der Anspruch auf Rückstände, soweit diese nicht absichtlich hinterzogen worden sind, abweichend von der deliktischen 3-jährigen Verjährungsfrist (§ 852 BGB) bereits in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Fälligkeit. Daraus muß geschlossen werden, daß § 317 RVO, soweit er die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anmeldung der bei ihm Beschäftigten enthält, im Rahmen der Tatbestandsmerkmale des § 29 RVO als bloße Ordnungsvorschrift anzusehen ist, die den ordnungsgemäßen Geschäftsgang der Kasse dadurch sicherstellen soll, daß diese von dem Hinzutritt neuer Pflichtmitglieder Kenntnis erhält. Daher wird mit Recht verneint, daß § 317 RVO ein Schutzgesetz iS von § 823 Abs 2 BGB ist L (so schon LG Paderborn DOK 1952, 263 = NJW 1952, 387; ebenso Lekon DOK 1968, 457, 459; Krohn DOK 1971, 2, 3).

3. Soweit die Klägerin von den Beklagten Zahlung des gemäß § 397a RVO festgesetzten Säumniszuschlages von 56,20 DM im Wege eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs 2 BGB begehrt, war die Klageabweisung ebenfalls zu bestätigen. Die Erhebung eines Säumniszuschlages ist eine neben den Beitrag tretende Ungehorsamsfolge, deren Verhängung in das pflichtgemäße Ermessen der Kasse gestellt ist und in Zukunft die pünktliche Zahlung der Beiträge durch den Arbeitgeber erreichen soll; sie hat also eher den Charakter einer disziplinarischen Maßnahme gegen säumige Zahler als den einer gesetzlich vorgesehenen Berechnung des Verzugsschadens. Ein etwaiger Verzugsschaden der Kasse wird zudem durch die Zinspflicht des Arbeitgebers nach § 397a Abs 2 RVO abgegolten (Peters aaO § 397a RVO Anm 3, 4; Schneider, SozVers 1960, 150).

4. Schließlich hält auch die Begründung des Berufungsgerichts dafür, daß auch § 64 GmbHG keine Anspruchsgrundlage für die Klage herzugeben vermag, den Angriffen der Revision stand.

a) Allerdings stellt diese Vorschrift, wonach die Geschäftsführer einer GmbH bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung spätestens nach drei Wochen die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des Vergleichsverfahrens zu beantragen haben, ein Schutzgesetz iS von § 823 Abs 2 BGB zu Gunsten der Gläubiger der Gesellschaft dar. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, die Gesellschaftsgläubiger vor Ausfällen zu bewahren, die durch Verringerung des vorhandenen Gesellschaftsvermögens infolge Verzögerung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens oder Vergleichsverfahrens eintreten können (BGHZ 29, 100ff; Senatsurt v 11. Juni 1968 - VI ZR 191/66 = LM RVO § 533 Nr 2a). Davon geht auch das Berufungsgericht aus. Es hat aber die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht als schlüssig dargetan angesehen. Denn die Klägerin habe weder den Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Firma C.-Bau GmbH noch das damals vorhandene Vermögen der Gesellschaft angegeben.

b) Die Revision meint, damit habe das Berufungsgericht die Anforderungen, die im vorliegenden Fall an die Klägerin zur Begründung ihrer Schadensersatzforderung gestellt werden könnten, überspannt. Das ist jedoch nicht der Fall.

Die Klägerin hat nur dann durch die behauptete verspätete Beantragung des Konkursverfahrens einen Schaden erlitten, wenn und soweit sie zu dem Zeitpunkt, in dem ihre Forderungen entstanden waren, in dem rechtzeitig eröffneten Konkurs immerhin noch eine Quote erhalten hätte. Insofern ist das Berufungsgericht der Auffassung, das Vorbringen der Klägerin, sie wäre voll befriedigt worden, wenn der Beklagte seiner Verpflichtung aus § 64 GmbHG viele Monate früher nachgekommen wäre, sei unsubstantiiert. Ihrem erstmals in der Berufungsbegründung gebrachten Vortrag sei nur zu entnehmen, daß im Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens Verbindlichkeiten in Höhe von 500.000 DM bestanden hätten, aber keine Vermögenswerte vorhanden gewesen seien. Dieser pauschale Sachvortrag liefere keinen ausreichend konkreten Anhalt zur Prüfung der Frage, zu welchem Zeitpunkt welches Vermögen zur Befriedigung einer bestimmten Beitragsforderung vorhanden gewesen sei.

Darin vermag der Senat keinen Verfahrensfehler zu erblicken. Die Klägerin hat in der Tat nicht dargetan, daß ab dem Zeitpunkt, als der Beitragsrückstand begann (1. Oktober 1970), überhaupt noch Aktiv-Vermögen vorhanden war, aus dem die Beitragsrückstände auch unter Berücksichtigung des ihr zustehenden Konkursvorrechtes (§ 61 Nr 1 KO iV mit § 28 Abs 2 RVO) hätten befriedigt werden können. Sie hat in ihrer Berufungsbegründung Beweis lediglich durch Antrag auf Beiziehung der Konkursakten gestellt und nichts über den Stand der Bilanzen vor Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gesagt. Das aber hätte sie, mochte es auch nicht zur Eröffnung und Durchführung des Konkursverfahrens gekommen sein, zumindest tun können, sollte ihr Vortrag nicht als eine „ins Blaue hinein” aufgestellte Behauptung, deren Richtigkeit dann ein Sachverständiger nachprüfen sollte, angesehen werden. Sie hat jedenfalls nicht dargetan, sie sei außerstande gewesen, sich über die Vermögensentwicklung der Schuldnerin in den Jahren 1970 bis 1972 habe unterrichten zu können. Unter diesen Umständen liegt kein Verfahrensfehler darin, daß das Berufungsgericht mangelnde Erfüllung der der Klägerin obliegenden Substantiierungspflicht angenommen hat.

 

Fundstellen

BB 1976, 1032 (LT1)

DB 1976, 1665-1667 (LT1)

NJW 1976, 2129

NJW 1976, 2129-2130 (LT1)

LM RVO § 393, Nr. 1 (L1)

BGHWarn 1976, 353-355 (LT1)

BG 1977, 39-40 (LT1)

BR/Meuer, 59 A 12a 9 -32- (LT1)

WzS 1977, 21 (LT1)

SozVers 1976, 265-267 (LT1)

VersR 1976, 982-985 (LT1)

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