Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines Verbraucherdarlehensvertrags und eines damit verbundenen Restschuldversicherungsvertrags. Rückabwicklungsanspruch des Darlehensnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

Dient ein Darlehen nur teilweise der Finanzierung eines verbundenen Vertrags, ist § 358 Abs. 4 Satz 2 BGB nur auf diesen Teil, nicht aber auf den an den Darlehensnehmer selbst ausgezahlten Restbetrag des Darlehens anwendbar.

 

Normenkette

BGB § 358 Abs. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 26.11.2009; Aktenzeichen 8 U 174/09)

LG Osnabrück (Urteil vom 30.06.2009; Aktenzeichen 7 O 526/09)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Oldenburg vom 26.11.2009 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers auch insoweit zurückgewiesen worden ist, als er die Feststellung beantragt hat, der Beklagten nur noch die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme aus dem Darlehensvertrag ... ohne Versicherungsbeiträge und darauf entfallende Zinsen und Kosten zu schulden. Das Urteil wird zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 30.6.2009 wie folgt abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Kläger der Beklagten nicht die Rückzahlung des aus dem Darlehensvertrag ... finanzierten Versicherungsbeitrages einschließlich darauf entfallender Zinsen und Kosten schuldet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Verbraucherdarlehensvertrages und eines im Zusammenhang damit abgeschlossenen Restschuldversicherungsvertrages.

Rz. 2

Der Kläger nahm bei der Beklagten am 5.1.2007 einen Ratenkredit i.H.v. 32.994,40 EUR mit einer Laufzeit von 84 Monaten auf. Davon wurden dem Kläger 26.617,89 EUR ausgezahlt. Der Restbetrag von 6.376,51 EUR diente zur Finanzierung des Versicherungsbeitrags für eine Restschuldversicherung (Kreditlebensversicherung mit eingeschlossener Arbeitsunfähigkeitszusatz- und Arbeitslosigkeitsversicherung), die der Kläger am selben Tag mit zwei als "Partner" der Beklagten bezeichneten Versicherungsgesellschaften abschloss. Einschließlich einer Bearbeitungsgebühr von 989,83 EUR (3 %), Nominalzinsen von 16.299,22 EUR (11,49 %) und einer Kostenpauschale von 30 EUR belief sich der Gesamtbetrag des Darlehens auf 50.313,45 EUR. Der Darlehensvertrag enthielt eine Widerrufsbelehrung, in der nicht gem. § 358 Abs. 5 BGB auf die für verbundene Verträge geltenden Rechtsfolgen des § 358 Abs. 1 und 2 BGB hingewiesen wurde.

Rz. 3

Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.1.2009 erklärte der Kläger ggü. der Beklagten den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehens- und des Versicherungsvertrages gerichteten Willenserklärungen. Er forderte die Beklagte zur Rückabwicklung der Verträge auf, hilfsweise zur verbindlichen Erklärung, dass er nur noch die nach Abzug seiner geleisteten Zahlungen verbleibende Gesamtnettodarlehenssumme ohne Zinsen schulde. Die Beklagte lehnte dies ab.

Rz. 4

Die Klage auf Feststellung, dass der Kläger der Beklagten nur noch die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Zinsen, Kosten und Versicherungsbeiträge schulde, hilfsweise auf Feststellung, dass der Kläger der Beklagten nur noch die nach Abzug der bis zur mündlichen Verhandlung am 16.6.2009 erbrachten Zahlungen von 15.548 EUR verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Zinsen, Kosten und Versicherungsbeiträge, d.h. nur noch 11.069,89 EUR, schulde, und auf Zahlung von 1.167,08 EUR nebst Zinsen an die A. AG (von dieser verauslagte vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten) ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.

Rz. 5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 6

Die Revision ist teilweise begründet.

I.

Rz. 7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 8

Der Kläger habe den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Die Regelungen der §§ 355, 358 BGB seien auf den vom Kläger abgeschlossenen Restschuldversicherungsvertrag nicht anwendbar. § 8 Abs. 4 Satz 1 VVG a.F. sehe ein gesondertes Widerrufsrecht vor.

Rz. 9

Der Widerruf des Klägers vom 19.1.2009 sei auch nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlussfrist gem. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB erfolgt. Die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag vom 5.1.2007 sei ordnungsgemäß. Sie habe keinen Hinweis gem. § 358 Abs. 5 BGB auf die Rechtsfolgen nach § 358 Abs. 1 und 2 BGB enthalten müssen, weil der Verbraucherdarlehensvertrag und der am selben Tag geschlossene Restschuldversicherungsvertrag keine verbundenen Geschäfte seien.

Rz. 10

Zweifelhaft sei, ob Darlehens- und Restschuldversicherungsvertrag eine wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB bildeten. Es gebe zwar genügend Anhaltspunkte dafür, dass diese Verträge Teilstücke einer wirtschaftlichen Einheit seien. Nach dem Regelungszweck des § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB ergebe sich die wirtschaftliche Einheit aber daraus, dass der Kunde ohne die Drittleistung kein Darlehen benötige und das Darlehen ihm die Inanspruchnahme der Drittleistung erst ermögliche. Ein solcher Fall sei hier nicht gegeben. Das Darlehen habe nicht den Abschluss der Restschuldversicherung ermöglichen sollen. Diese habe allein der Absicherung des Darlehens gedient und sei als reines Sicherungsmittel keine "andere Leistung" i.S.d. § 358 Abs. 1 BGB, sondern Teil der Gesamtfinanzierung.

Rz. 11

Selbst im Fall eines wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrages wäre der Kläger nicht nur verpflichtet, die Nettodarlehenssumme zurückzuzahlen, sondern schulde er nach §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB auch die marktüblichen Zinsen als Nutzungsersatz.

II.

Rz. 12

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

Rz. 13

Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen. Die Revisionserwiderung macht insoweit ohne Erfolg geltend, dass nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 11.7.1979 - IV ZR 159/77, NJW 1979, 2099 [2101]; v. 3.3.1982 - VIII ZR 10/81, WM 1982, 543 [544]; v. 12.12.1994 - II ZR 269/93, WM 1995, 410 [411]) die Berechnungsgrundlage für einen streitigen Anspruch nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann. Darum geht es hier nicht. Gegenstand des vorliegenden Hauptfeststellungsantrags ist nicht die Berechnungsgrundlage für einen Zahlungsanspruch, sondern der Zahlungsanspruch selbst, nämlich die nach Abzug sämtlicher Zahlungen verbleibende Nettodarlehenssumme ohne Zinsen, Kosten und Versicherungsbeitrag.

Rz. 14

Hingegen ist die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage als unbegründet angesehen hat, nicht frei von Rechtsfehlern. Die Klage ist teilweise begründet, weil der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat und der Beklagten nicht die Rückzahlung des finanzierten Versicherungsbeitrages einschließlich darauf entfallender Zinsen und Kosten schuldet.

Rz. 15

1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nicht gem. §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen, ist rechtsfehlerhaft.

Rz. 16

a) Bei Abgabe der Widerrufserklärung vom 19.1.2009 war die Widerrufsfrist noch nicht verstrichen. Sie war durch die in dem Darlehensvertrag vom 5.1.2007 enthaltene Widerrufsbelehrung nicht in Lauf gesetzt worden. Die Belehrung war nicht ordnungsgemäß, weil sie keinen Hinweis gem. § 358 Abs. 5 BGB auf die Rechtsfolgen des Widerrufs verbundener Geschäfte nach § 358 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2 BGB enthielt. Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils durch Urteil vom 15.12.2009 (XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 13, 17) entschieden, dass die in den §§ 358 ff. BGB getroffenen Regelungen über verbundene Verträge nicht durch die §§ 8, 48c VVG a.F. verdrängt werden und dass ein Darlehensvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag verbundene Geschäfte bilden, sofern die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB vorliegen. Dies ist hier der Fall.

Rz. 17

b) Nach § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB sind ein Vertrag über die Erbringung einer entgeltlichen Leistung und ein Verbraucherdarlehensvertrag verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden.

Rz. 18

aa) Das Darlehen vom 5.1.2007 diente teilweise, nämlich i.H.v. 6.376,51 EUR der Finanzierung des Restschuldversicherungsvertrages, d.h. eines Vertrages über die Erbringung einer anderen Leistung i.S.d. § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2009 - XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 19 ff.).

Rz. 19

bb) Der Darlehensvertrag und der Restschuldversicherungsvertrag bilden auch eine wirtschaftliche Einheit.

Rz. 20

(1) Eine wirtschaftliche Einheit ist nach § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB anzunehmen, wenn über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus beide Verträge derart miteinander verbunden sind, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre. Die Verträge müssen sich wechselseitig bedingen bzw. der eine seinen Sinn erst durch den anderen erhalten. Dazu bedarf es der Verknüpfung der Verträge durch konkrete Umstände, die sich nicht wie notwendige Tatbestandsmerkmale abschließend umschreiben lassen, sondern im Einzelfall verschieden sein oder gar fehlen können, wenn sich die wirtschaftliche Einheit aus anderen Umständen ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2009 - XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 30).

Rz. 21

Zu diesen Indizien gehören die Zweckbindung des Darlehens zur Finanzierung eines bestimmten Geschäfts, durch die dem Darlehensnehmer die freie Verfügbarkeit über die Darlehensvaluta genommen wird, der zeitgleiche Abschluss beider Verträge, das Verwenden einheitlicher Formulare mit konkreten wechselseitigen Hinweisen auf den jeweils anderen Vertrag, die Einschaltung derselben Vertriebsorganisation durch Darlehensgeber und Unternehmer sowie das Abhängigmachen des Wirksamwerdens des Erwerbsvertrages vom Zustandekommen des Finanzierungsvertrages mit einer vom Unternehmer vorgegebenen Bank (BGH, Urt. v. 18.12.2007 - XI ZR 324/06, WM 2008, 967 Rz. 26; v. 15.12.2009 - XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 31).

Rz. 22

(2) Nach diesen Maßstäben liegt eine wirtschaftliche Einheit vor. Das Darlehen vom 5.1.2007 war zweckgebunden, soweit der Darlehensvertrag seine Verwendung zur Bezahlung der Prämie der am selben Tag abgeschlossenen Restschuldversicherung vorsah. Dadurch wurde dem Kläger die freie Verfügungsbefugnis über diesen unmittelbar an die Versicherer gezahlten Teil der Darlehensvaluta genommen. Darlehens- und Restschuldversicherungsvertrag nehmen wechselseitig aufeinander Bezug. Im Darlehensvertrag wird der Versicherungsbeitrag selbständig neben dem Nettokredit ausgewiesen. In dem Vertrag über die Restschuldversicherung wird darauf hingewiesen, dass dieser Vertrag nur in Verbindung mit dem gleichzeitig bei der Beklagten aufgenommenen Kredit gilt und der Absicherung dieses Kredits dient. Damit wird die Wirksamkeit des Restschuldversicherungsvertrages ausdrücklich vom Zustandekommen des Darlehensvertrages abhängig gemacht. Die Versicherer werden ausdrücklich als "Partner" der Beklagten bezeichnet. Die Firmen der Versicherer und die ähnliche drucktechnische Gestaltung der Formulare des Darlehens- und des Versicherungsvertrages legen eine geschäftsmäßige Verbundenheit der Beklagten und der Versicherer nahe. Hinzu kommt, dass die Versicherer sich zum Vertrieb ihrer Versicherungen regelmäßig und auch im vorliegenden Fall der Beklagten bedienen.

Rz. 23

Diese Umstände rechtfertigen die Annahme, dass Darlehensvertrag und Restschuldversicherungsvertrag über ein Zweck-Mittel-Verhältnis hinaus derart miteinander verbunden sind, dass sie nicht unabhängig voneinander geschlossen worden wären. Für den Kläger bedingten sich Darlehensvertrag und Restschuldversicherungsvertrag wechselseitig.

Rz. 24

2. Die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, im Falle eines wirksamen Widerrufs schulde der Kläger außer der Rückzahlung des Nettokreditbetrages (26.617,89 EUR) auch die Zahlung von Zinsen als Nutzungsersatz, hält rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.

Rz. 25

a) Durch den wirksamen Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung hat sich dieser gem. §§ 357 Abs. 1, 346 ff. BGB in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 19 f.). Der Widerruf des Darlehensvertrags führt zugleich dazu, dass der Kläger gem. § 358 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht mehr an den Restschuldversicherungsvertrag gebunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 25; v. 15.12.2009 - XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 39). Gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB tritt die Beklagte im Verhältnis zum Kläger hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten der Versicherungsunternehmen aus dem Restschuldversicherungsvertrag ein (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 26; v. 15.12.2009 - XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 39). Dadurch wird der Verbraucher vor den Folgen einer Aufspaltung des Rückabwicklungsverhältnisses geschützt. Er ist nicht zur Rückzahlung des zur Finanzierung des Drittgeschäfts aufgewandten Kreditbetrages an den Darlehensgeber verpflichtet, ohne diesem seine Ansprüche gegen den Unternehmer entgegenhalten zu können (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rz. 26; vgl. zu § 3 HWiG a.F. bereits BGH, Urt. v. 17.9.1996 - XI ZR 164/95, BGHZ 133, 254 [259 ff.]). Seine Ansprüche gegen den Unternehmer auf Rückzahlung des aus dem Darlehen finanzierten Entgelts werden vielmehr mit den Ansprüchen der darlehensgewährenden Bank verrechnet (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2004), § 358 Rz. 67: Konsumtion; Habersack in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 358 Rz. 84: Saldierung; Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 358 Rz. 27: Konzentration). Die Rückabwicklung der an die Versicherer i.S.d. § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB geflossenen Leistungen hat demnach nur im Verhältnis zwischen diesen und der Beklagten zu erfolgen (vgl. PWW/Medicus, BGB, 4. Aufl., § 358 Rz. 15; Möller in Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar, Stand: 1.5.2009, § 358 Rz. 28 f.).

Rz. 26

b) Der Kläger schuldet deshalb der Beklagten nicht die Rückzahlung des Versicherungsbeitrages i.H.v. 6.376,51 EUR nebst Zinsen, wohl aber gem. §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB die Rückzahlung des Nettokreditbetrages i.H.v. 26.617,89 EUR abzgl. bereits geleisteter Zahlungen. Hierauf hat der Kläger außerdem, wie das Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, gem. §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 und 2 Satz 2 BGB Zinsen zu zahlen.

Rz. 27

Die Revision beruft sich ggü. der Verpflichtung zur Zinszahlung ohne Erfolg auf § 358 Abs. 4 Satz 2 BGB. Nach dieser Vorschrift sind im Falle des § 358 Abs. 1 BGB, also bei Widerruf des mit dem Darlehensvertrag verbundenen Geschäfts, Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Verbraucherdarlehensvertrages ausgeschlossen. Diese Vorschrift gilt nicht für den Teil des Darlehens i.H.v. 26.617,89 EUR, der nicht zur Finanzierung des verbundenen Geschäfts verwendet, sondern dem Kläger ausgezahlt worden ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der auf § 358 Abs. 1 BGB, d.h. auf den Widerruf des verbundenen Geschäfts verweist. Der Regelungszweck der Norm bestätigt diese Auslegung. Die Vorschrift soll, wie ihre Entstehungsgeschichte zeigt, dem Verbraucher die Möglichkeit eröffnen, sich von dem verbundenen Geschäft folgenlos, d.h. auch unbelastet von Zinsen und Kosten aus dem zur Finanzierung aufgenommenen Darlehen, zu lösen. § 358 Abs. 4 Satz 2 BGB geht auf § 4 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 FernAbsG zurück und trägt der entsprechenden Vorgabe der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG 1997 Nr. L 144/19) Rechnung (Staudinger/Kessal-Wulf, BGB (2004) § 358 Rz. 64). Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten in ihren Rechtsvorschriften vorzusehen, dass ein Kreditvertrag, den ein Verbraucher zur Finanzierung des Preises einer Ware oder Dienstleistung geschlossen hat, im Fall des Widerrufs des Vertragsschlusses über die Ware oder die Dienstleistung entschädigungsfrei aufgelöst wird. Dies zeigt, dass der Verbraucher von der Zahlung von Zinsen und Kosten nur insoweit befreit wird, als das Darlehen zur Finanzierung des verbundenen Geschäfts gedient hat. Soweit es hingegen für andere Zwecke verwendet worden ist, besteht eine Pflicht des Verbrauchers zur Zahlung von Zinsen (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 21.12.2009 - 6 U 110/09, juris Rz. 82; OLG Schleswig, WM 2010, 1074 [1076]; Schulz, EWiR 2010, 351 [352]).

III.

Rz. 28

Soweit das Berufungsgericht die Klage auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten abgewiesen hat, beruht dies ebenfalls auf der rechtsfehlerhaften Auffassung, der Kläger habe den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Insoweit erweist sich die angefochtene Entscheidung aber aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

Rz. 29

Die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wird von der Beklagten nicht geschuldet, weil sie den betreffenden Vermögensschaden weder aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB) noch wegen einer vertraglichen Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) nach § 276 BGB zu vertreten hat.

Rz. 30

1. Zwar war die Ablehnung der vorgerichtlichen Forderung des Klägers, mit der Wirkung eines gerichtlichen Feststellungsurteils zu erklären, dass der Kläger nur noch die nach Abzug seiner geleisteten Zahlungen verbleibende Gesamtnettodarlehenssumme ohne Zinsen schulde, teilweise sachlich unbegründet und insoweit i.S.v. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB objektiv pflichtwidrig. Eine Haftung der Beklagten scheidet aber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB aus, weil sie dabei wegen der zum damaligen Zeitpunkt höchstrichterlich noch ungeklärten Rechtsfrage, ob Darlehens- und Restschuldversicherungsverträge verbundene Geschäfte i.S.v. § 358 BGB sein können, nicht i.S.d. § 276 Abs. 2 BGB sorgfaltswidrig gehandelt hat.

Rz. 31

2. Fahrlässig handelt ein Gläubiger nicht bereits dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 276 Rz. 22). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt kann der Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH auch dann genügen, wenn die von ihm zu beurteilende Rechtslage in besonderem Maße unklar ist und er sorgfältig prüft, ob dem eigenen Rechtsstandpunkt und der darauf beruhenden Anspruchsberühmung eine vertretbare rechtliche Beurteilung zugrunde liegt. Bleibt bei dieser Prüfung mangels höchstrichterlicher Leitentscheidungen für die Auslegung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen ungewiss, ob eine Pflichtverletzung der anderen Vertragspartei vorliegt, darf der Gläubiger einen ihm vom Schuldner abverlangten Forderungsverzicht zurückweisen, ohne Schadensersatzpflichten wegen einer schuldhaften Vertragsverletzung befürchten zu müssen, auch wenn sich seine Anspruchsberühmung in einem Rechtsstreit später als unberechtigt herausstellt (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.1972 - VI ZR 169/70, WM 1972, 589 f.; v. 22.11.2007 - III ZR 9/07, WM 2008, 38 Rz. 6 ff.; v. 23.1.2008 - VIII ZR 246/06, WM 2008, 561 Rz. 13; v. 16.1.2009 - V ZR 133/08, WM 2009, 753 Rz. 20 und 26).

Rz. 32

3. Gemessen an diesen Anforderungen hat die Beklagte ihr vorgerichtliches Zurückweisen der vom Kläger verlangten Erklärung nicht zu vertreten. Die von dem Senat in seinem Grundsatzurteil vom 15.12.2009 (XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 13 ff.) entschiedene Rechtsfrage, ob ein Darlehensvertrag und ein Restschuldversicherungsvertrag i.S.d. § 358 Abs. 3 BGB verbunden sein können, war bis dahin in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und der Literatur umstritten und in der Rechtsprechung des BGH ungeklärt (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2009 - XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 Rz. 16 m.w.N.). In Anbetracht dessen kann der Beklagten, die sich auch vorprozessual ggü. dem Kläger auf die ihr günstige Instanzrechtsprechung berufen hat, ein sorgfaltswidriges Verhalten bei der Zurückweisung der vom Kläger geltend gemachten Widerrufsfolgen nicht zur Last gelegt werden.

IV.

Rz. 33

Das Berufungsurteil ist somit teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung hat der Senat in der Sache selbst entschieden, da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Rz. 34

Ist, wie hier, die im Rahmen einer negativen Feststellungsklage streitige Verpflichtung teilbar und genügt eine teilweise Feststellung dem Interesse des Klägers, darf eine Klageabweisung regelmäßig nur insoweit erfolgen, als der geleugnete Anspruch besteht; im Übrigen ist der Klage stattzugeben (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1959 - VI ZR 222/58, BGHZ 31, 358 [362]; v. 29.5.1969 - VII ZR 42/67, WM 1969, 1116 [1117]; v. 1.3.1985 - V ZR 274/83, WM 1985, 901 [902]). Dementsprechend ist dem Hauptantrag der negativen Feststellungsklage des Klägers - unter Klarstellung des Umfangs des nicht bestehenden Anspruchs der Beklagten - teilweise stattzugeben. Die Klarstellung bringt zugleich zum Ausdruck, dass ein etwaiger Anspruch der Beklagten auf Wertersatz für den dem Kläger bis zu seiner Widerrufserklärung vom 19.1.2009 gewährten Versicherungsschutz, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits und dieses Urteils ist. Der Hilfsantrag, der sich vom Hauptantrag nur durch die Bezifferung der geleisteten Zahlungen und des verbleibenden Darlehensrestbetrages unterscheidet, hat keinen weitergehenden Erfolg. Insoweit ist die Revision zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2643678

DB 2011, 705

NJW 2011, 1063

EBE/BGH 2011

EWiR 2011, 275

WM 2011, 451

WuB 2011, 367

ZIP 2011, 656

MDR 2011, 498

NZI 2011, 408

VersR 2011, 1024

VuR 2011, 261

ZInsO 2011, 496

ZInsO 2011, 578

ZInsO 2012, 1149

InsbürO 2011, 354

Kreditwesen 2011, 951

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