Leitsatz (amtlich)

Nach dem Erlöschen des Streitpatents verliert der Arbeitgeber das Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung des Patents auch dann, wenn zwischen ihm und dem Patentinhaber Streit über die Vergütung für die Benutzung der beschränkt in Anspruch genommenen Erfindung besteht.

 

Normenkette

PatG 1968 § 13; Ges. über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) § 10

 

Verfahrensgang

BPatG (Urteil vom 11.03.1976)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats II) des Bundespatentgerichts vom 11. März 1976 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Beklagte war – als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns Dr.-Ing. Werner G. – Inhaberin des am 11. Juli 1962 angemeldeten, unterdessen durch Zeitablauf erloschenen Patents 1 159 314, welches ein elastisches Klappleitwerk, insbesondere für Flugkörper, betrifft.

Auf Antrag der Klägerin hat das Bundespatentgericht das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Professors E. Krause, Aerodynamisches Institut der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule, Aachen, eingeholt.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung führt zur Abweisung der Klage als unzulässig.

1. Die Berufung ist zulässig. Sie scheitert nicht daran, daß der Rechtsvorgänger der Beklagten innerhalb der Berufungsfrist keine bestimmten Anträge angekündigt hat. Die Berufungsschrift enthält den Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und das Patent in dem noch zu begründenden Umfang aufrechtzuerhalten. Zugleich hat der Rechtsvorgänger der Beklagten auf sein Vorbringen im ersten Rechtszuge verwiesen, in dem er das Streitpatent ohne Einschränkung verteidigt hatte, und beantragt, der Klägerin die gesamten Kosten aufzuerlegen.

Danach kann kein ernstlicher Zweifel daran bestehen, daß der Rechtsvorgänger der Beklagten mit der Berufung weiterhin die Abweisung der Klage verfolgen und sich lediglich vorbehalten wollte, das Patent hilfsweise in einem eingeschränkten Umfang zu verteidigen. Dem Antrag fehlt es daher nicht an der nötigen Bestimmtheit.

2. Nachdem das Streitpatent infolge Zeitablaufs erloschen ist, wäre ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an der weiteren Verfolgung ihres Nichtigkeitsbegehrens nur dann anzuerkennen, wenn sie dargelegt und nachgewiesen hätte, daß ihre Rechtsstellung durch den Wegfall des Patents berührt werden könnte. Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht.

a) Bei der patentierten Lehre handelt es sich um eine Diensterfindung des Rechtsvorgängers der Beklagten. Die Benutzung beruhte bis zum 30. September 1977 auf einer beschränkten Inanspruchnahme der Erfindung gemäß § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 2 ArbEG durch die Klägerin als Arbeitgeberin. Nach § 10 Abs. 2 ArbEG kann sich der Arbeitgeber zwar darauf berufen, daß die Erfindung zur Zeit der Inanspruchnahme nicht schutzfähig gewesen ist, jedoch nur, sofern die mangelnde Schutzfähigkeit sich aus einer rechtskräftigen patentamtlichen oder gerichtlichen Entscheidung ergibt. Der bis zur rechtskräftigen Entscheidung fällig gewordene Vergütungsanspruch bleibt bestehen. Daraus folgt, daß vor Rechtskraft der Entscheidung gezahlte Vergütungen nicht zurückgefordert werden können. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien hat der Rechtsvorgänger der Beklagten alle ihm aufgrund der Inanspruchnahme zustehenden Vergütungen erhalten. Die Klägerin kann deshalb ihr Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung nicht daraus herleiten, daß sie für die Benutzung des Streitpatents in der Zeit der beschränkten Inanspruchnahme eine Vergütung gezahlt habe. Ihre Auffassung, für den Fall der Bestätigung des die Nichtigkeit aussprechenden Urteils des ersten Rechtszuges sei § 10 Abs. 2 Satz 2 ArbEG so zu verstehen, daß für die Zeit nach dem Erlaß dieses Urteils keine Vergütungsansprüche bestünden, ist unrichtig, da die Rechtskraft der Entscheidung des erkennenden Senats nicht auf jenen Zeitpunkt zurückwirken würde.

b) Die Klägerin kann ein Rechtsschutzinteresse auch nicht daraus herleiten, daß sie dem Rechtsvorgänger der Beklagten die Erfindung zum 1. Oktober 1977 freigegeben und daß sie am 5. Oktober 1978 eine Benutzungsanordnung gemäß § 8 Abs. 1 PatG 1968 getroffen hat. Es trifft zwar zu, daß die Klägerin verpflichtet wäre, für eine nach dem Zeitpunkt der Freigabe fortgesetzte Benutzung eine Vergütung zu zahlen, und zwar zunächst wegen Patentverletzung und danach wegen der Benutzungsanordnung nach § 8 Abs. 3 PatG 1968. Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 5. Oktober 1978 an den Rechtsvorgänger der Beklagten ausgeführt, solange sie sich des mit dem erfindungsgemäßen Leitwerk ausgerüsteten Raketentyps – der aber alsbald durch einen anderen abgelöst werde – bediene, seien Benutzungen des Streitpatents in geringem Umfange weiterhin zu erwarten. Sie hat darin weiter angekündigt, daß sie den Patentinhaber solchenfalls jeweils von den Benutzungsfällen unterrichten werde. Derartige Nachrichten haben aber weder die Beklagte noch ihr Rechtsvorgänger erhalten. Die Beklagte hat ihrerseits auf die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen verzichtet, soweit die Benutzung nicht über den in dem genannten Schreiben angekündigten Umfang hinausgegangen ist. Die Klägerin könnte deshalb ein Rechtsschutzinteresse lediglich dadurch dartun, daß sie eine Benutzung der patentierten Lehre über die Tragweite der Verzichterklärung der Beklagten hinaus nachweist. Die Klägerin hat zwar – erstmals im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Senat – die Behauptung aufgestellt, seit dem 1. Oktober 1977 bis zum Tage des Ablaufs des Streitpatents habe sie etwa 2 5.000 Raketen beschafft, die mit den Leitwerken nach dem Streitpatent ausgerüstet gewesen seien, und sich für die Richtigkeit dieser Behauptung auf das Zeugnis eines – an Gerichtsstelle nicht anwesenden – Ministerialbeamten berufen. Eine solche Benutzung würde allerdings über den in dem Schreiben der Klägerin vom 5. Oktober 1978 abgesteckten Rahmen weit hinausgehen, von den Verzichterklärungen der Beklagten nicht erfaßt werden und die Gefahr einer weiteren Inanspruchnahme der Klägerin aus dem Streitpatent und somit deren Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung begründen.

Der Senat sieht sich indessen nicht in der Lage, dieses neue Vorbringen bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Zwar würde der Umstand, daß das Vorbringen schon deshalb auf Bedenken stoßen muß, weil die Klägerin im Jahre 1978 dem Rechtsvorgänger der Beklagten Unterrichtung über Benutzungsfälle zugesagt, jedoch in den folgenden etwa zweieinhalb Jahren keinerlei Mitteilung gemacht hat, noch nicht dazu führen können, das Vorbringen zu übergehen. Der Vortrag ist jedoch schuldhaft verspätet. Der Klägerin war bekannt, daß sie nach dem Ablauf des Streitpatents ihr Rechtsschutzinteresse darlegen und nachweisen mußte. Sie mußte sich daher bei ordnungsgemäßer Prozeßführung auf die Erörterung dieser Frage einstellen und sich in die Lage versetzen, die erforderlichen Tatsachen vorzutragen und zu beweisen. Das hat sie nicht rechtzeitig getan, obwohl sie zusätzlich durch einen Hinweis des Senats am 13. Februar 1981 auf diese Notwendigkeit aufmerksam gemacht worden ist. Die Berücksichtigung des Vorbringens würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern, da infolge des zulässigen Bestreitens der Behauptungen der Klägerin durch die Beklagte eine Beweisaufnahme stattfinden müßte, die erst in einem späteren Termin erfolgen könnte.

3. An dem Ausspruch der Unzulässigkeit der Klage ist der Senat nicht durch die Rechtskraft des die Zulässigkeit der Klage bejahenden Zwischenurteils des Bundespatentgerichts vom 27. November 1975 gehindert. Zur Zeit des Erlasses dieser Entscheidung war das Streitpatent noch in Kraft. Das Bundespatentgericht hatte daher die Zulässigkeit der Klage nicht unter dem erst später aufgetretenen Gesichtspunkt des Erlöschens des Patents zu prüfen. Dies kann erstmals der Senat tun. Dessen Entscheidung besagt, daß die ursprünglich zulässige Klage unterdessen unzulässig geworden ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 PatG, § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Bruchhausen, Ochmann, Hesse, Brodeßer, von Albert

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502304

NJW 1981, 2303

GRUR 1981, 516

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