Leitsatz (amtlich)

Zum Beginn der Verjährungsfrist bei Kaufpreisforderungen, wenn die Parteien „Zahlung gegen Dokumente” vereinbart haben.

 

Normenkette

BGB §§ 198, 201

 

Verfahrensgang

LG Dortmund

OLG Hamm

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. Oktober 1969 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

In den Jahren 1961 und 1962 bestellte die beklagte australische Firma bei der Klägerin insgesamt drei Revolverdrehbänke nebst Spannzangen und weiterem Zubehör, Lieferung „free on bord”. Als Zahlungsbedingung war vereinbart, daß die Beklagte unverzüglich nach Erhalt der Auftragsbestätigung ein unwiderrufliches Akkreditiv in Höhe des Kaufpreises – und zwar mit einer der vereinbarten Lieferfrist von zunächst acht Monaten entsprechenden Laufzeit – zu stellen hatte und Zahlung „gegen Dokumente” erfolgen sollte. Nach mehrfacher Verzögerung wurden die Drehbänke – jedoch ohne Spanneinrichtungen und Zubehör – Anfang November 1962 an die Beklagte verschifft; den Kaufpreis von 98.724,60 DM erhielt die Klägerin aus dem zwischenzeitlich bis zum 15. November 1962 verlängerten Akkreditiv. Die Fertigstellung der Spannzangen und sonstigen Zubehörteile verzögerte sich weiter. Erst Ende Januar/Anfang Februar 1963 teilte die Klägerin der Beklagten auch insoweit die Versandbereitschaft mit und bat um Benennung des für die Versendung vorgesehenen Schiffes. Die Beklagte lehnte jedoch nunmehr die Abnahme und Bezahlung unter Hinweis auf die Mangelhaftigkeit der Drehbänke und Zubehörteile ab.

Mit der am 27. Oktober 1967 bei Gericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin die Zahlung des Restkaufpreises in Höhe von 22.977 DM für das Zubehör. Die Beklagte beruft sich in erster Linie auf Verjährung und hält im übrigen an ihren Mängelrügen fest.

Das Landgericht hat mit der Begründung, die Ansprüche der Klägerin seien verjährt, die Klage abgewiesen. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Nach Ansicht des Berufungsgerichts war der der vierjährigen Verjährungsfrist unterliegende Kaufpreisanspruch der Klägerin bereits vor Einreichung der Klage am 27. Oktober 1967 verjährt. Dabei stellt das Berufungsgericht hinsichtlich des für den Beginn der Verjährung maßgeblichen Zeitpunkts innerster Linie darauf ab, daß die Klageforderung mit Abschluß des Kaufvertrages entstanden sei (§ 198 Satz 1 BGB), weil bereits zu diesem Punkt die Klägerin die Bereitstellung eines unwiderruflichen Akkreditivs habe verlangen können und dieses auch erhalten habe. Jedenfalls aber sei der Anspruch Ende November 1962 als im Sinne des § 198 Satz 1 BGB entstanden anzusehen, weil spätestens zu diesem Zeitpunkt die Klägerin – nach entsprechender Verlängerung der Lieferfrist – zur Verschiffung des restlichen Zubehörs verpflichtet gewesen sei. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Kaufpreisanspruch der Klägerin der vierjährigen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 BGB unterlag. Gemäß § 198 Satz 1 in Verbindung mit § 201 Satz 1 BGB begann damit die Verjährung mit dem Schluß des Jahres, in welchem der geltend gemachte Anspruch entstanden war. Unter der Entstehung des Anspruchs im Sinne des § 198 Satz 1 BGB ist der Zeitpunkt zu verstehen, an welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann (Soergel/Siebert § 198 Anm. 1; Staudinger/Coing § 198 Anm. 2; RGRK § 198 Anm. 2; RGJW 1912, 29). Daß dies – trotz des mißverständlichen Wortlauts – auch für Zahlungsansprüche aus Kaufverträgen gilt und die Verjährung der Kaufpreisforderung nicht etwa an den Zeitpunkt der erfolgten Lieferung anknüpft, ist seit der Entscheidung RGZ 62, 178 nicht mehr ernsthaft umstritten (Soergel/Siebert § 198 Anm. 16; RGRK § 198 Anm. 4; OLG Stuttgart Recht 1913 Nr. 13). In der Regel ist damit, sofern keine besonderen Abreden getroffen sind, der Zeitpunkt des Kaufabschlusses für die Entstehung der Forderung im Sinne des § 198 Satz 1 BGB und damit für den Lauf der Verjährungsfrist maßgebend. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn – sei es auf Grund gesetzlicher Regelung oder einer von vornherein getroffenen vertraglichen Abrede – die Forderung nicht mit Vertragsabschluß, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird (vgl. BGH Urteil vom 8. Juli 1968 – VII ZR 65/66 = LM VOB Teil B Nr. 32 = NJW 1968, 1962 mit weiteren Nachweisen). Das ergibt sich für den Fall, daß die Fälligkeit erst nach Ablauf einer Frist, also eines bestimmt bezeichneten oder doch bestimmbaren Zeitraumes (RGZ 120, 355, 362) eintreten soll, für die hier in Betracht kommenden, der kurzen Verjährungsfrist unterliegenden Ansprüche unmittelbar aus § 201 Satz 2 BGB. Aber auch wo die Fälligkeit von einem zeitlich unbestimmten und unbestimmbaren Ereignis – etwa der Handlung einer der Vertragsparteien – abhängig gemacht ist und § 201 Satz 2 BGB keine unmittelbare Anwendung findet (RGZ a.a.O. S. 362), folgt die Maßgeblichkeit des Fälligkeitszeitpunkts für § 198 Satz 1 BGB aus der Erwägung, daß zu Lasten des Berechtigten die Verjährungsfrist nicht beginnen kann, solange er nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen und gegebenenfalls eine bereits laufende Verjährung durch Klageerhebung zu unterbrechen.

2. Eine derartige vertragliche Vereinbarung, durch die die Parteien die Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs abweichend vom Regelfall (Fälligkeit mit Vertragsabschluß) festgesetzt haben, liegt hier vor. Dabei kommt es allerdings – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht darauf an, daß die Klägerin bereits mit Vertragsabschluß die Stellung eines unwiderruflichen Akkreditivs durch die Beklagte in Höhe des Kaufpreises verlangen konnte; denn die Bereitstellung eines derartigen, grundsätzlich zahlungshalber gegebenen Akkreditivs (§ 364 Abs. 2 BGB) dient zwar – insbesondere wenn der Akkreditivsteller auf den Widerruf während der Laufzeit verzichtet hat – der Sicherstellung des Käufers, berührt aber nicht die für § 198 Satz 1 BGB allein maßgebliche Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs. Vielmehr kann der Verkäufer auch bei einem unwiderruflich erteilten Akkreditiv erst dann die Begleichung seiner Kaufpreisforderung verlangen, wenn diese fällig ist.

Wohl aber ergibt sich die Fälligkeitsabrede aus der Vereinbarung der Parteien, daß Zahlung gegen Dokumente zu erfolgen hatte. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts beschränkt sich die Bedeutung dieser typischen Vertragsklausel nicht darauf, daß der Beklagten die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) nur bis zur Verladung der Ware und nicht – entsprechend der gesetzlichen Regel – bis zum Empfang der Ware zustehen sollte. Vielmehr stellt sie eine echte Regelung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs dahingehend dar, daß einerseits die Beklagte als Käuferin teilweise vorleistungspflichtig sein sollte, andererseits aber auch die Klägerin als Verkäuferin eine Vorleistungspflicht insoweit übernahm, als sie zunächst die für die Beschaffung der notwendigen Dokumente erforderlichen Leistungen erbringen mußte und erst bei Vorlage der Dokumente den Kaufpreisanspruch geltend machen konnte (vgl. Ratz in RGR Komm. z. HGB Anh. zu § 372 Anm. 46 b; Würdinger dort selbst Anm. 101 vor § 373). Welche Dokumente dabei die Klägerin im einzelnen zur Herbeiführung der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs vorlegen mußte, ergibt sich aus der gleichzeitig getroffenen Abrede, daß die Klägerin die Waren free on bord zu liefern hatte. Nach dieser Vertragsklausel war die Klägerin gehalten, die Waren an Bord des von der Beklagten angegebenen Seeschiffes im vereinbarten Verschiffungshafen zu liefern und dies der Beklagten oder – während der Laufzeit des Akkreditivs – der Akkreditivbank durch Vorlage der entsprechenden Dokumente nachzuweisen (vgl. Nr. 4 der Internationalen Regeln für die Auslegung handelsüblicher Vertragsformeln – Incoterms 1953 – abgedruckt bei Baumbach-Duden HGB Anh. I nach § 382, S. 610 ff., 613). Dabei kann auf sich beruhen, welche Bedeutung dem Umstand, daß die Beklagte im Januar/Februar 1963 die Benennung des Schiffes verweigerte und damit der Klägerin die Verschiffung unmöglich machte, für den Eintritt der Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs zukam. Denn jedenfalls konnte die Fälligkeit solange nicht eintreten, als nicht zunächst die Klägerin ihrerseits der Beklagten die ohnehin verspätete Versandbereitschaft angezeigt und sie um Benennung des Schiffes gebeten hatte. Das aber war unstreitig erst Ende Januar/Anfang Februar 1963 der Fall, so daß jedenfalls nicht vor diesem Zeitpunkt die Fälligkeit eingetreten und damit die Forderung im Sinne des § 198 Satz 1 BGB entstanden ist.

3. Allerdings gab die besondere Vertragsgestaltung der Klägerin die Möglichkeit, durch Verzögerung bei der Herstellung der Versandbereitschaft den Zeitpunkt der Fälligkeit hinauszuschieben und damit auch auf den Beginn der Verjährungsfrist Einfluß zu nehmen. Das folgt aber aus der im Rahmen der Vertragsfreiheit bestehenden Befugnis, den Eintritt der Fälligkeit der Kaufpreisforderung an eine eigene Handlung des Verkäufers zu knüpfen, und ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Ratz a.a.O. Anm. 101 vor § 373). Schutzwürdige Interessen der Beklagten wurden dadurch nicht beeinträchtigt, weil sie angesichts der Vertragsgestaltung wußte, daß die Fälligkeit der Kaufpreisforderung von der Herstellung der Versandbereitschaft der Klägerin abhing, und demgemäß den Zeitpunkt errechnen konnte, an dem die Verjährungsfrist ablief und sie die Geltendmachung des Kaufpreisanspruchs aus diesem Grunde verweigern konnte. Wollte die Beklagte im übrigen den Schwebezustand bis zur Anzeige der Versandbereitschaft durch die Klägerin abkürzen, so wäre es ihre Sache gewesen, die Klägerin in Verzug zu setzen und die ihr daraus zustehenden Rechte geltend zu machen.

4. Schließlich zwingen auch weder die Vorschrift des § 202 Abs. 2 BGB noch die Bestimmungen der §§ 199, 200 BGB hinsichtlich des Beginns der Verjährung zu einer anderen Betrachtungsweise. Nach § 202 Abs. 2 BGB wird zwar – insoweit in Abweichung von § 202 Abs. 1 – die Verjährung nicht dadurch gehemmt, daß der Verpflichtete gegenüber dem Zahlungsanspruch zur Erhebung der Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) berechtigt ist. Der Vorschrift liegt die allgemeine Erwägung zugrunde, daß im Interesse des Verpflichteten der Berechtigte nicht in der Zage sein darf, durch Vorenthalten der ihm obliegenden Leistung den Ablauf der Verjährung willkürlich hinauszuzögern (Soergel/Siebert § 202 Anm. 11; RGRK § 202 Anm. 23; RGZ 62, 178). § 202 Abs. 2 BGB setzt aber, wie ein Vergleich mit § 202 Abs. 1 BGB zeigt, voraus, daß die Forderung fällig und der Berechtigte zur klageweisen Geltendmachung in der Lage ist, wenn diese auch nur zu einer Verurteilung Zug um Zug (§ 322 BGB) führt. Die Möglichkeit einer Klageerhebung besteht jedoch dann nicht, wenn die Fälligkeit, wie im vorliegenden Fall, vertraglich herausgeschoben ist, – und auf diese Möglichkeit der klageweisen Geltendmachung kommt es, wie dargelegt, für den nach § 198 Satz 1 BGB maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend an.

Andererseits kommt aber auch eine entsprechende Anwendung der §§ 199, 200 BGB nicht in Betracht. Diese Vorschriften tragen u.a. dem Umstand Rechnung, daß dann, wenn die Entstehung des Anspruchs von der Kündigung oder Anfechtung durch den Berechtigten abhängig ist, der Verpflichtete keine Möglichkeit hat, auf die Ausübung der Gestaltungsrechte durch den Berechtigten Einfluß zu nehmen, und daß er daher – im Gegensatz zum vorliegenden Fall – auch nicht in der Lage ist, den Schwebezustand zu beenden. Wenn somit in §§ 199, 200 BGB für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf die tatsächliche Ausübung des Gestaltungsrechts, sondern auf den Zeitpunkt abgestellt ist, an dem die Ausübung zulässig war, so handelt es sich insoweit um Sonderregelungen, die auf die Kündigung und die Anfechtung beschränkt sind und schon aus diesem Grunde auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend angewendet werden können.

5. Ist somit die Forderung der Klägerin nicht vor Anfang 1963 fällig geworden und damit im Sinne des § 198 Satz 1 BGB entstanden, so lief die Verjährungsfrist jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 1967 ab und wurde durch die am 27. Oktober 1967 eingereichte Klage gemäß § 209 BGB rechtzeitig unterbrochen. Das Berufungsurteil läßt sich also mit der Begründung, die Forderung sei verjährt, nicht halten. Die Sache bedarf vielmehr noch weiterer Aufklärung. Dabei wird insbesondere auch zu prüfen sein, ob eine Fälligkeit der Kaufpreisforderung inzwischen dadurch eingetreten ist, daß die Beklagte eine Benennung des für die Versendung bestimmten Schiffes verweigert hat.

Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609719

BGHZ 55, 340

BGHZ, 340

NJW 1971, 979

MDR 1971, 478

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