Leitsatz (amtlich)

Eine auf einen Zahlungsrückstand des Mieters einer Wohnung ggü. dem Stromversorger beruhende Unterbrechung der Stromlieferung (Ausbau des Stromzählers) führt nicht zu einer Minderung der Miete, da dieser Mangel der Sphäre des Mieters zuzurechnen ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Mangel der Mietsache; Unterbrechung der Stromlieferung; Ausbau des Stromzählers; Zahlungsrückstand des Mieters gegenüber dem Stromversorger; Zurechnung des Mangels zur Sphäre des Mieters

 

Normenkette

BGB § 536 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Urteil vom 16.04.2010; Aktenzeichen 4 S 556/09)

AG Dresden (Urteil vom 28.10.2009; Aktenzeichen 141 C 4222/09)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Dresden vom 16.4.2010 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG Dresden vom 28.10.2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin als Vermieterin nimmt den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete sowie Räumung und Herausgabe der von ihm gemieteten Einzimmerwohnung in Anspruch.

Rz. 2

Die Wohnung ist an das Elektrizitätsverteilernetz der D. Netz GmbH (im Folgenden: Netzbetreiber) angeschlossen. Der Beklagte wurde in der Vergangenheit von der D. Stadtwerke GmbH (im Folgenden: Versorger) mit Strom versorgt. Die Entnahmestelle für die streitgegenständliche Wohnung war bei Beginn des Mietverhältnisses mit einer Messeinrichtung (Stromzähler) versehen. Wegen eines Zahlungsrückstands des Beklagten ggü. dem Versorger kam es am 28.3.2007 auf Veranlassung des Versorgers zur Unterbrechung der Stromlieferung. Nach Zahlung der Rückstände durch den Beklagten veranlasste der Versorger Mitte April 2007 die Wiedereröffnung der im Hause der Klägerin gelegenen Stromentnahmestelle. Weil der Beklagte dem Versorger die diesem vom Netzbetreiber in Rechnung gestellten Kosten der Sperrung und Entsperrung des Anschlusses i.H.v. 89,50 EUR nicht erstattete, veranlasste der Versorger erneut die Sperrung des Anschlusses. Der Netzbetreiber führte diese auftragsgemäß am 25.6.2007 durch und baute am 16.8.2007 den Zähler für die Entnahmestelle der Wohnung des Beklagten aus.

Rz. 3

Der Beklagte teilte dem Versorger mit Schreiben vom 12.5.2007 u.a. mit, dass er die Stromabstellung als Vertragsbeendigung angesehen und den Versorger gewechselt habe. Der Versorgerwechsel schlug jedoch fehl, weil der Netzbetreiber die Entnahmestelle wegen der fehlenden Messeinrichtung als "inaktiv" meldete.

Rz. 4

Mit Schreiben vom 28.9.2008 kündigte der Beklagte ggü. der Klägerin wegen der fehlenden Stromversorgung seiner Wohnung infolge des Ausbaus des Stromzählers die Minderung der (Kalt-)Miete um 50 % an. Die Miete (einschließlich der Betriebskostenvorauszahlung) betrug zuletzt 171,03 EUR monatlich. Ab Dezember 2008 zahlte der Beklagte ein auf 107,29 EUR monatlich gekürztes Nutzungsentgelt. Die Klägerin widersprach der Minderung und kündigte den Mietvertrag nach vorheriger Abmahnung mit Schreiben vom 18.5.2009 zum 8.6.2009 fristlos wegen Zahlungsverzugs i.H.v. 384,94 EUR. Der Beklagte hat der Kündigung widersprochen.

Rz. 5

Nachdem der Netzbetreiber aufgrund eines Beschlusses der Bundesnetzagentur in einem vom Beklagten gegen den Netzbetreiber angestrengten Besonderen Missbrauchsverfahren am 10.7.2009 den Zähler wieder eingebaut hatte, zahlte der Beklagte an die Klägerin 43,19 EUR anteilige Miete für den Zeitraum vom 11. bis 31.7.2009. In Höhe dieses Betrags haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Rz. 6

Das AG hat der Klage auf Zahlung von 466,73 EUR nebst Zinsen und 2,50 EUR Mahngebühr sowie Räumung und Herausgabe der Wohnung stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 7

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 9

Der Beklagte habe die Miete zu Recht gem. § 536 Abs. 1 BGB gemindert, weil die Wohnung wegen des Ausbaus des Stromzählers mangelhaft gewesen sei. Daher sei weder der Zahlungsantrag noch der Räumungsantrag der Klägerin begründet.

Rz. 10

Ohne den Stromzähler habe der Beklagte keinen Strom von einem Versorger beziehen können. Die Gebrauchsgewährungspflicht gebe der Klägerin als Vermieterin auf, dem Beklagten als Mieter den Zugang an das allgemeine Stromversorgungsnetz zu eröffnen. Nur die Klägerin habe als Grundstückseigentümerin und Anschlussnehmerin gem. § 2 Abs. 1 der Niederspannungsanschlussverordnung (im Folgenden: NAV) ggü. dem Netzbetreiber Anspruch auf Herstellung eines Netzanschlusses einschließlich des Einbaus eines Stromzählers. Der Netzanschluss beginne gem. § 5 NAV an der Abzweigung des Niederspannungsnetzes und ende grundsätzlich mit der Hausanschlusssicherung. Der Stromzähler als Messeinrichtung, für den die Klägerin als Anschlussnehmerin gem. § 22 Abs. 1 NAV einen Zählerplatz vorzusehen habe, gehöre zum Netzanschluss und verbleibe im Eigentum des Netzbetreibers. Demgegenüber sei der Beklagte als Mieter lediglich Anschlussnutzer i.S.v. § 1 Abs. 3 NAV und könne vom Netzbetreiber nicht die Herstellung eines Netzanschlusses einschließlich des Einbaus eines Stromzählers verlangen.

Rz. 11

Für eine Minderung sei kein Verschulden des Vermieters erforderlich. Ebenso wenig komme es darauf an, ob die Klägerin den Ausbau des Stromzählers veranlasst oder sonst wie zu verantworten habe. Entscheidend sei vielmehr, dass die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung wegen des Fehlens der Stromlieferungsmöglichkeit, für die die Klägerin als Vermieterin zu sorgen habe, eingeschränkt sei.

Rz. 12

Eine Minderung sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte den Mangel der fehlenden Stromlieferungsmöglichkeit etwa selbst zu vertreten hätte. Dem Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, dass er den Ausbau des Zählers selbst verursacht habe, indem er die Bezahlung der Kosten für die Sperrung/Entsperrung i.H.v. 89,50 EUR verweigert habe. Nach dem Beschluss der Bundesnetzagentur sei der Ausbau des Stromzählers durch den Netzbetreiber rechtswidrig gewesen. In dem vorgenannten Beschluss sei der Netzbetreiber verpflichtet worden, die Messeinrichtung auf eigene Kosten wieder einzubauen.

Rz. 13

Auch dass der Beklagte in seinem Versorgungsverhältnis mit dem Versorger später von ihm getilgte Zahlungsrückstände habe auflaufen lassen, die der Grund für die Sperrung des Anschlusses und die daraus folgenden Kosten gewesen seien, spiele keine Rolle. Denn der Netzbetreiber sei nicht berechtigt gewesen, seine Vertragspflichten ggü. der Klägerin als Vermieterin und Anschlussnehmerin zu verletzen, um den Kostenausgleich durch den Beklagten ggü. dem Versorger zu erzwingen.

Rz. 14

Die Höhe der Minderung von 50 % der Kaltmiete sei angemessen. Aufgrund des vollständigen Ausfalls der Stromversorgung sei die Wohnung zum dauernden Aufenthalt von Personen nicht geeignet gewesen.

Rz. 15

Die Klägerin habe keinen Räumungsanspruch gem. § 546 Abs. 1 BGB, denn das Mietverhältnis der Parteien sei mangels eines Mietrückstands durch die Kündigung vom 18.5.2009 nicht wirksam beendet worden.

II.

Rz. 16

Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Rz. 17

Der Klägerin steht gegen den Beklagten sowohl ein Anspruch auf Zahlung restlicher Miete und Nutzungsentschädigung i.H.v. insgesamt 466,73 EUR gem. §§ 535 Abs. 2, 546a Abs. 1 BGB als auch auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung gem. § 546 BGB zu. Das Mietverhältnis ist durch die fristlose Kündigung vom 18.5.2009 wegen Zahlungsverzugs des Beklagten über mehr als zwei Termine mit zwei Monatsmieten gem. § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3b BGB wirksam beendet worden.

Rz. 18

1. Dass die Stromversorgung der streitgegenständlichen Wohnung infolge des Ausbaus der Messeinrichtung (Stromzähler) ab dem 16.8.2007 zeitweise unterbrochen war, hatte keine Minderung der Miete gem. § 536 BGB zur Folge. Zwar lag insoweit ein Mangel der Wohnung vor, als ihre Gebrauchstauglichkeit dadurch beeinträchtigt war, dass der Beklagte ohne die Messeinrichtung keinen Strom von einem (neuen) Versorger beziehen konnte. Dieser Mangel führte jedoch nicht zu einer Minderung der Miete gem. § 536 BGB. Eine Minderung ist ausgeschlossen, wenn ein Mangel der Sphäre des Mieters zuzurechnen ist (Häublein in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 536 Rz. 32 m.w.N.; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 9. Aufl., § 536 BGB Rz. 572). So ist es hier.

Rz. 19

Die Unterbrechung der Anschlussnutzung und die physische Trennung der Entnahmestelle der Wohnung des Beklagten vom Netz erfolgte auf eine entsprechende Mitteilung des Versorgers des Beklagten, weil der Beklagte sich weigerte, dem Versorger die Kosten für die vorausgegangene Sperrung und Entsperrung des Anschlusses i.H.v. 89,50 EUR zu erstatten, die wegen eines Zahlungsrückstands des Beklagten ggü. dem Versorger entstanden waren. Diese Vorgänge rühren ausschließlich aus dem Strombelieferungsverhältnis des Beklagten mit seinem Versorger her und sind der Sphäre des Beklagten, nicht der Risikosphäre der Klägerin zuzurechnen.

Rz. 20

2. Der Klägerin steht daher gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung der - der Höhe nach unstreitigen - offenen Restmiete gem. § 535 Abs. 2 BGB und - infolge der fristlosen Kündigung - Nutzungsentschädigung aus § 546a Abs. 1 BGB i.H.v. insgesamt 466,73 EUR zu. Die geltend gemachten Zinsen und vorgerichtlichen Mahnkosten sind vom Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verzugschadensersatzes gem. § 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB der Klägerin zu erstatten.

Rz. 21

3. Der Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin gegen den Beklagten folgt aus § 546 Abs. 1 BGB infolge des Zahlungsverzugs des Beklagten mit der Miete i.H.v. 384,94 EUR im Zeitpunkt der Kündigung gem. § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3b BGB.

III.

Rz. 22

Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2612825

NJW 2011, 6

DWW 2011, 56

EBE/BGH 2011, 43

NJW-RR 2011, 515

JurBüro 2011, 332

NZM 2011, 198

ZAP 2011, 231

ZMR 2011, 371

JZ 2011, 428

MDR 2011, 216

WuM 2011, 97

Info M 2011, 113

MietRB 2011, 102

NJW-Spezial 2011, 193

RdW 2011, 316

BBB 2011, 60

I&F 2013, 188

IWR 2011, 67

MK 2011, 61

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