Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermittlung der für den Verjährungsbeginn erforderlichen Kenntnis anspruchsbegründender Tatsachen durch den selbst schuldenden Geschäftsführer an die Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kann der Gesellschaft nicht durch ihren Geschäftsführer vermittelt werden, wenn dieser selbst Schuldner ist.

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 17.12.2008; Aktenzeichen 8 U 40/06)

LG Dortmund (Entscheidung vom 15.12.2005; Aktenzeichen 12 O 232/05)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Hamm vom 17.12.2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der H. mbH (im Folgenden H.), die später in B. GmbH umfirmierte. In deren Bilanz zum 31.12.2000 sind Ansprüche gegen den Beklagten aus allgemeinem Verrechnungsverkehr i.H.v. 55,66 Mio. DM ausgewiesen. Mit Wirkung zum 10.6.2002 legte der Beklagte die Geschäftsführung nieder und veräußerte seinen Geschäftsanteil. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B. B. GmbH wurde mangels Masse abgewiesen.

Rz. 2

Die Klägerin führte in den Jahren 1994 und 1995 Bauleistungen im Auftrag der H. an einem Hotel-Neubau in D. aus. Wegen einer Restwerklohnforderung und eines Anspruchs auf Rückzahlung einer ausgekehrten Vertragserfüllungsbürgschaft erwirkte sie gegen die B. B. GmbH am 19.7.2002 ein Urteil des LG D. über insgesamt 343.077,39 EUR nebst Zinsen. Aufgrund dieses Titels pfändete sie mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 17.3.2003 Ansprüche der B. GmbH gegen den Beklagten.

Rz. 3

Mit der Klage verlangt die Klägerin vom Beklagten Zahlung von 332.110,17 EUR und 16.619,55 EUR aus gepfändetem und zur Einziehung überwiesenen Recht der B. GmbH, hilfsweise aus einem Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 des Gesetzes über die Sicherung von Bauforderungen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen den Beklagten aufgrund des Hilfsantrags zur Zahlung von 110.428,39 EUR nebst Zinsen und Kosten verurteilt. Gegen die Abweisung des Hauptantrags richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin. Der Beklagte hat seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgenommen.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rz. 5

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung aus gepfändetem und zur Einziehung überwiesenen Recht der B. GmbH. In der Bilanzfeststellung liege zwar ein konstitutives Schuldanerkenntnis hinsichtlich des darin ausgewiesenen Anspruchs gegen den Beklagten, der auch vom Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erfasst werde. Der Anspruch sei aber mit Ablauf des 31.12.2004 und damit vor Erhebung der am 20.6.2005 eingereichten Klage verjährt. Die Kenntnis der Gesellschaft von den Anspruchsvoraussetzungen habe bereits am 1.1.2002, vermittelt durch den Beklagten als Geschäftsführer, vorgelegen.

Rz. 6

II. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Rz. 7

1. Rechtsfehlerfrei und von den Parteien nicht angegriffen hat das Berufungsgericht allerdings in der Feststellung der Bilanz für das Jahr 2000, die eine Forderung gegen den Beklagten ausweist, ein konstitutives Schuldanerkenntnis gesehen. Der Feststellung einer Bilanz, die diese jedenfalls im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter für verbindlich erklärt, kann für darin ausgewiesene Forderungen gegen den Gesellschafter die Wirkung eines zivilrechtlich verbindlichen Schuldanerkenntnisses zukommen (BGH, Urt. v. 9.2.2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rz. 50 - Sanitary; Urt. v. 2.3.2009 - II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rz. 15). Ob es sich um ein konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis handelt, beurteilt sich nach den Umständen im Einzelfall (BGH, Urt. v. 2.3.2009 - II ZR 264/07, ZIP 2009, 1111 Rz. 15).

Rz. 8

2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber Verjährung des Anspruchs mit dem 31.12.2004 angenommen. Der B. GmbH war die Kenntnis des Beklagten von dem Schuldversprechen nicht zuzurechnen.

Rz. 9

a) Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB i.d.F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist vom 1.1.2002 an zu berechnen, wenn der Anspruch zu diesem Zeitpunkt entstanden war (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB - Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis der Anspruchsvoraussetzungen - vorlagen (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB; vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2007 - XI ZR 44/06, BGHZ 171, 1 Rz. 21, 23; Urt. v. 19.7.2010 - II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637 Rz. 7 m.w.N.). Der Anspruch aus dem Schuldversprechen war - wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat - spätestens mit der Feststellung der Bilanz im September 2001 fällig.

Rz. 10

b) Die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände kann der Gesellschaft nicht durch ihren Geschäftsführer vermittelt werden, wenn dieser selbst Schuldner ist. Zwar kommt es bei juristischen Personen des Privatrechts grundsätzlich auf die Kenntnis ihrer vertretungsberechtigten Organe von den Anspruchsvoraussetzungen an. Ist das Organ einer Gesellschaft selbst der Schuldner, kann es der Gesellschaft aber die erforderliche Kenntnis nicht verschaffen (vgl. zu § 852 BGB a.F. BGH, Urt. v. 9.2.2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rz. 34 - Sanitary m.w.N.; Urt. v. 12.6.1989 - II ZR 334/87, ZIP 1989, 1390, 1397; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2009, § 199 Rz. 61; Grothe in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 199 Rz. 32; BeckOK BGB/Henrich/Spindler, Stand 1.8.2010, § 199 Rz. 38). Das gilt nicht nur bei unerlaubten Handlungen, wie sie den bisherigen Entscheidungen des Senats zu § 852 BGB a.F. zugrunde lagen. Vielmehr kann allgemein nicht erwartet werden, dass der Schuldner dafür sorgt, dass die Ansprüche gegen ihn selbst geltend gemacht werden und er etwa einen Gesellschafterbeschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG herbeiführt. Beim einzigen Geschäftsführer einer GmbH kommt hinzu, dass er als Vertreter der Gesellschaft gegen sich selbst zur Hemmung der Verjährung keine Maßnahmen der Rechtsverfolgung ergreifen kann (§ 204 Abs. 1 BGB). Soweit es wegen des Fehlens eines weiteren Geschäftsführers auf die Kenntnis der zur Anspruchsverfolgung berufenen Gesellschafter ankommt, scheidet eine Zurechnung der Kenntnis des einzigen Gesellschafters aus den gleichen Gründen aus, wenn er zugleich Schuldner des Anspruchs ist.

Rz. 11

III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Rz. 12

1. Das Berufungsgericht hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, dass der Beklagte "alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer" der H. gewesen sei. Das lässt offen, ob er nicht nur einziger Gesellschafter, sondern auch einziger Geschäftsführer war. Da dieser Gesichtspunkt im Berufungsverfahren keine Bedeutung erlangt hat, weil das Berufungsgericht die Forderung bereits aufgrund der Zurechnung der Kenntnis des Beklagten für verjährt gehalten hat, ist dem Beklagten Gelegenheit zu geben, hierzu, ggf. auch zu einer Kenntnis eines weiteren Geschäftsführers von dem Anspruch, ergänzend vorzutragen.

Rz. 13

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat außerdem darauf hin, dass das Erlöschen der Forderung entgegen der Auffassung des darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht schon durch das Fehlen von Forderungen gegen den Gesellschafter in der folgenden Bilanz zum 31.12.2001 belegt wird. Die Ausbuchung kann auch auf anderen Gründen als dem Erlöschen der Forderung beruhen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2672047

BB 2011, 1090

DB 2011, 8

DStR 2011, 930

NJW 2011, 8

NWB 2011, 1600

EBE/BGH 2011

GmbH-StB 2011, 171

NJW-RR 2011, 832

IBR 2011, 329

NZG 2011, 628

StuB 2011, 519

WM 2011, 794

ZAP 2011, 977

ZIP 2011, 858

MDR 2011, 800

GmbHR 2011, 534

NWB direkt 2011, 558

StBW 2011, 473

StX 2011, 350

ZGS 2011, 244

GmbH-Stpr. 2011, 283

Konzern 2011, 230

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