Leitsatz (amtlich)

Dem Sozialversicherungsträger, auf den gemäß § 1542 RVO Ansprüche des Verletzten aus dem Straßenverkehrsgesetz übergegangen sind, steht das sogenannte Quotenvorrecht auch dann zu, wenn der Verletzte selbst Anspruch auf vollen Schadensersatz nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG hat.

 

Normenkette

RVO § 1542; StVG § 12

 

Verfahrensgang

OLG Köln (Urteil vom 09.06.1969)

LG Köln

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel beider Parteien wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 9. Juni 1969, soweit es über die von der Klägerin vor dem Berufungsgericht gestellten Hilfsanträge und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden hat, aufgehoben. Insoweit wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Auslandskorrespondentin Jutta H. wurde am 30. Mai 1959 bei einem Verkehrsunfall in K. so schwer verletzt, daß sie für dauernd erwerbsunfähig bleiben wird. Der Unfall ist allein auf die schuldhaft verkehrswidrige Fahrweise eines Soldaten der belgischen Streitkräfte, der sich mit einem Lastkraftwagen auf einer Dienstfahrt befand, zurückzuführen.

Die klagende Berufsgenossenschaft ist neben anderen Sozialversicherungsträgern – SVT – der Geschädigten leistungspflichtig. Das zuständige Amt für Verteidigungslasten – AVL –, bei dem die Geschädigte und die SVT ihre Ansprüche rechtzeitig gemäß Art. 8 des Finanzvertrages (BGBl II 1955, 381 ff) angemeldet haben, hat mit einem als „Mitteilung” bezeichneten und an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 28. Juni 1967 über die Verteilung des gemäß § 12 StVG (in der bis zum 30. September 1965 geltenden Fassung) zu leistenden Höchstbetrages entschieden. Dabei ist das AVL davon ausgegangen, daß die Beklagte für den aus dem Unfall entstandenen Schaden gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG und §§ 7, 12 StVG ersatzpflichtig sei, die Leistungen der SVT jedoch als anderweiter Ersatz für die Geschädigte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB zu werten und deshalb auf die SVT nur Ansprüche übergegangen seien, die der Geschädigten nach Maßgabe des Straßenverkehrsgesetzes zustehen. Bei seiner Berechnung hat das AVL auf den 31. Dezember 1963 abgestellt und danach folgende Verteilung des Haftungshöchstbetrages von 50.000 DM vorgesehen:

An die Klägerin für Heilungskosten

3.416,38 DM

und wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit

8.558,– DM,

mithin insgesamt

11.974,38 DM,

an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit

3.880,62 DM

an die Barmer Ersatzkasse (BEK) für Heilungskosten

69,– DM

an die Geschädigte H. wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit

16.049,69 DM

wegen vermehrter Bedürfnisse

4.836,66 DM

für Heilungskosten

10.086,05 DM

30.972,40 DM

zusammen

46.896,40 DM.

Der bis zur Haftungshöchstgrenze von 50.000 DM verbleibende Rest von 3.103,60 DM sollte im Verhältnis der von den Beteiligten für das Jahr 1964 gestellten Forderungen verteilt werden, dementsprechend sollten auf die Klägerin 1.074,32 DM, auf die BfA 568,42 DM und auf die Geschädigte selbst 1.460,85 DM entfallen.

Die Klägerin hat, ebenso wie die BfA, den Bescheid des AVL angefochten und vor dem Landgericht beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, der BfA, der BG und der BEK als Gesamtgläubigern im Rahmen des Höchstbetrages des § 12 StVG ohne Berücksichtigung der weitergehenden Ansprüche der Geschädigten aus dem Unfall vom 30. Mai 1959 Ersatz zu leisten.

Die Klägerin hat dazu die Auffassung vertreten, der Höchstbetrag des § 12 StVG müsse allein den SVT zugute kommen, während die Geschädigte mit den ihr verbleibenden Ansprüchen ausschließlich auf die Amtshaftung als Anspruchsgrundlage zu verweisen sei.

Das Landgericht hat die Klage dem Antrag der Beklagten entsprechend abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vor dem Oberlandesgericht den Antrag gestellt,

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, der BfA, der Klägerin und der BEK als Gesamtgläubigern im Rahmen des § 12 StVG Ersatz zu leisten, soweit die Leistungen dieser SVT sich sachlich und zeitlich decken mit Ansprüchen der Geschädigten aus § 7 StVG, aber ohne Berücksichtigung weitergehender Ansprüche der Geschädigten;
  2. hilfsweise

    1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die bis zum 30. November 1968 erbrachten Leistungen 26.403,73 DM nebst 5 % Zinsen ab 25. August 1967 zu zahlen abzüglich bisher gezahlter 13.048,70 DM;
    2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, der BfA und der Klägerin als Gesamtgläubigern deren nach dem 1. Dezember 1968 erfolgende Leistungen bis zur restlichen Haftungshöchstsumme des § 12 StVG zu erstatten.

Das Berufungsgericht hat den in erster Linie gestellten Feststellungsantrag (Antrag zu 1.) mangels ausreichenden Feststellungsinteresses für unzulässig erachtet und hat auf die Hilfsanträge die Beklagte zur Zahlung von 11.417,20 DM mit Zinsen an die Klägerin verurteilt und hat weiter festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Gesamtgläubigern auf deren für die Zeit ab 1. Dezember 1968 zu erbringende Leistungen für den Erwerbsschaden noch 5.179,68 DM zu erstatten.

Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage einschließlich der im zweiten Rechtszug gestellten Hilfsanträge, während die Klägerin mit ihrer Anschlußrevision bittet, in vollem Umfang nach in der Berufungsinstanz zu 2 b gestellten Antrag zu erkennen. Jede Partei bittet ferner darum, das Rechtsmittel des Gegners zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Vorinstanzen sind zutreffend von folgender Rechtslage ausgegangen: Die Haftung der Beklagten gegenüber der Geschädigten im Rahmen des Art. 8 des Finanzvertrages richtet sich nach den Bestimmungen des § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG und der §§ 7 ff StVG. Da dem an dem Umfall beteiligten belgischen Soldaten lediglich Fahrlässigkeit zur Last fällt, greift zugunsten der Beklagten die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ein. Denn für die Geschädigte stellen die Ansprüche auf Versicherungsleistungen gegen die Klägerin und sonstige SVT anderweite Ersatzmöglichkeiten im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dar, so daß insoweit Amtshaftungsansprüche ausgeschlossen sind und auf die Klägerin nicht gemäß § 1542 RVO übergehen konnten. Die Klägerin hat vielmehr allein Ansprüche der Geschädigten nach §§ 7, 10 Abs. 2, 12 StVG kraft gesetzlichen Forderungsübergangs erworben (BGHZ 49, 267; VersR 1968, 664 und 695 sowie 1970, 439).

II.

Im übrigen hat das Berufungsgericht seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

Der Höchstbetrag (§ 12 StVG) von 50.000 DM, der zur Deckung aller in Betracht kommenden Einzelschäden nicht ausreiche, sei nach folgenden Grundsätzen zu verteilen:

Als Schadensposten stünden nebeneinander der Erwerbsschaden, die Heilungskosten und die durch den Unfall verursachten Mehrbedürfnisse der Geschädigten. Die letztgenannten Ansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse seien voll bei der Geschädigten verblieben, weil die SVT keine sachlich kongruenten Leistungen erbrächten. Hingegen seien die übrigen Ansprüche (wegen Erwerbsschadens und Heilungskosten) zum Teil bei der Geschädigten verblieben, zum anderen Teil auf die SVT übergegangen. Wenn, wie hier, aus der Schädigung einer einzelnen Person infolge teilweisen Forderungsübergangs mehrere Ersatzberechtigte nebeneinander stünden, seien in – entsprechender – Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 StVG alle Schadensposten in dem Verhältnis zu kürzen, in dem ihr Gesamtbetrag zu dem Höchstbetrag stehe (u.a. BGHZ 51, 226 = NJW 1969, 656). Aus dem dem SVT gebührenden Quotenvorrecht könne gegen die verhältnismäßige Kürzung der Schadensposten nichts eingewendet werden. Dieses Vorrecht spiele nur innerhalb kongruenter Ersatzansprüche eine Rolle. Im Verhältnis des Schadenspostens „vermehrte Bedürfnisse”zu dem Schadensposten „Erwerbsschaden” und „Heilungskosten” werde daher das Quotenvorrecht mangels Kongruenz nicht praktisch. Gegen die verhältnismäßige Kürzung aller Schadensposten sei auch nichts daraus herzuleiten, daß die Beklagte nicht nur aus § 7 StVG ersatzpflichtig, sondern der Geschädigten gegenüber auch aus § 839 BGB zu vollem Ersatz verpflichtet sei. Vielmehr sei nach den vom Bundesgerichtshof in NJW 1967, 1273 (= BGHZ 47, 196), 1968, 1962 aufgestellten und auch auf Fälle der vorliegenden Art anzuwendenden Grundsätzen (BGHZ 51, 226) die Verteilung des Höchstbetrages so vorzunehmen, wie wenn die ersatzpflichtige Körperschaft nur aus Halterhaftung nach § 7 StVG für den Schaden einzustehen hätte.

Demgemäß ergebe sich – wenn man, wie es geboten sei, die Renten im Umrechnungsmaßstab des § 12 Abs. 1 StVG in Kapital umrechne – für die Schadensposten im einzelnen folgendes Bild:

  1. Erwerbsausfall:

    a)

    Leistungen der Beklagten an die Geschädigte bis 30. November 1968

    37.790,02 DM,

    für die Zukunft monatlich 458,51 × 12 = 5.502,12 × Kapitalisierungsfaktor 16,32

    =

    89.794,60 DM,

    Erstattung der auf die Ersatzleistungen zu zahlenden Steuern sei zuzusetzen, weil nur der Nettoverdienstausfall mit den Renten ersetzt werde

    =

    2.244,39 DM;

    b)

    Leistungen der BfA einschließlich Krankenversicherung der Rentner:

    bis 30. November 1968

    13.265,91 DM,

    für die Zukunft monatlich 174,34 × 12 = 2.092,08 × 16,32

    =

    34.142,75 DM;

    c)

    Leistungen der Klägerin bis 30. November 1968

    21.124,90 DM,

    für die Zukunft monatlich 247,30 × 12 = 2.967,60 × 16,32

    =

    48.431,23 DM,

    246.793,80 DM.

  2. Vermehrte Bedürfnisse an die Geschädigte geleistet und zu leisten:

    bis 30. November 1968

    11.536,66 DM,

    für die Zukunft monatlich 150 × 12 = 1.800 × 16,32

    =

    29.376,– DM;

    Weiter hinzuzusetzen die Steuerberaterkosten mit

    2.409,25 DM,

    43.321,91 DM.

  3. Heilungskosten:

    a)

    Leistungen der Beklagten an die Geschädigte:

    bis 30. November 1968

    10.086,05 DM;

    b)

    Leistungen der Klägerin:

    bis 30. November 1968

    5.228,83 DM,

    künftig jährlich – geschätzt – rund 335 × 16,32

    =

    5.467,20 DM,

    c)

    Leistungen der BEK

    69,– DM,

    20.851,08 DM.

    Der Gesamtschaden belaufe sich daher auf (246.793,80 + 43.321,91 + 20.851,08 =)

    310.966,79 DM.

    Nach entsprechender Kürzung fielen dann (bei Abrundung auf volle DM) von dem Höchstbetrag des § 12 StVG

    auf den Erwerbsschaden

    39.682,– DM,

    auf vermehrte Bedürfnisse

    6.966,– DM,

    auf die Heilungskosten

    3.352,– DM,

    50.000,– DM.

Der Ersatz für den Verdienstausfall während der ersten sechs Wochen nach dem Unfall stehe der Geschädigten zu, da die SVT für diese Zeit keine Leistungen auf den Verdienstausfall erbracht hätten.

Der Schaden der Verletzten sei auch nicht dadurch beseitigt, daß diese einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gehabt habe. Dieser Verdienstausfall belaufe sich auf 693,55 DM, so daß auf ihn nach proportionaler Kürzung 111,51 DM entfielen. Der übrige Teil des zur Deckung des Erwerbsschadens zur Verfügung stehenden Betrages von (39.682 DM ./. 111,51 DM =) 39.570,49 DM stehe der BfA und der Klägerin zu, da sie für die Zeit ab 13. Juli 1959 ständig zeitlich und sachlich kongruente Leistungen auf den Erwerbsschaden erbracht und auch in Zukunft zu erbringen hätten. Der innerhalb dieses Schadenspostens bei der Geschädigten verbliebene Anspruch aus § 7 StVG müsse wegen des Quotenvorrechts der SVT hinter deren Ersatzforderung zurücktreten. Aus dem Betrag von 39.570,59 DM verlangten die BfA und die Klägerin zunächst kapitalmäßigen Ersatz für ihre bis zum 30. November 1968 erbrachten Leistungen, und zwar die BfA in Höhe von 13.265,91 DM (oben unter 1 b) und die Klägerin in Höhe von 21.124,90 DM (oben unter 1 c). Zur Abdeckung der späteren Leistungen der SVT auf den Erwerbsschaden stünden mithin noch (39.682 DM ./. 111,51 DM ./. 13.265,91 DM ./. 21.124,90 DM =) 5.179,68 DM zur Verfügung.

Der auf den Schaden wegen vermehrter Bedürfnisse entfallende Anteil von 6.966 DM gebühre voll der Geschädigten, weil auf diese Schadensposten keine anderweiten Leistungen erbracht seien (oben unter 2).

Der auf die Heilungskosten entfallende Betrag von 3.352 DM stehe infolge ihres Quotenvorrechts voll den an den Heilungskosten beteiligten SVT zu, und zwar der BEK mit 11 DM und der Klägerin mit 3.341 DM.

Zusammenfassend ergebe sich folgende Verteilung der Haftungshöchstsumme:

Für die Leistungen bis 30. November 1968

BfA

13.265,91 DM

Erwerbsschaden,

Klägerin

24.465,90 DM

Erwerbsschaden und Heilungskosten,

BEK

11,– DM

Heilungskosten,

Geschädigte

6.966,– DM

vermehrte Bedürfnisse,

Geschädigte

111,51 DM

Erwerbsschaden;

für die Leistungen ab 1. Dezember 1968:

BfA und Klägerin

5.179,68 DM

Feststellungsausspruch Erwerbsschaden

zusammen

50.000,– DM.

III.

Soweit das Berufungsgericht den von der Klägerin in erster Linie gestellten Feststellungsantrag als unzulässig erachtet hat, wird das Berufungsurteil nicht angefochten. Ebenso wendet sich keine der Parteien gegen den Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, die Verteilung des Höchstbetrags des § 12 StVG müsse so vorgenommen werden, wie wenn die Beklagte nur nach dem Straßenverkehrsgesetz für den Schaden einzustehen hätte. Dieser Ausgangspunkt ist richtig.

1. Die Anschlußrevision der Klägerin wendet sich allein dagegen, daß das Berufungsgericht bei der Errechnung des für die Zeit nach dem 30. November 1968 aus der Haftungshöchstsumme noch verbleibenden Restkapitalbetrages die bis zu dem genannten Zeitpunkt an die einzelnen Berechtigten erstatteten oder noch zu erstattenden Rentenbeträge entgegen den in der Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. Januar 1968 – III ZR 119/65 (= VersR 1968, 664, 667) aufgestellten Grundsätzen in voller Höhe kapitalisiert und von dem Haftungshöchstbetrag abgezogen habe.

Die Anschlußrevision muß Erfolg haben.

In der genannten Entscheidung hat der Senat bereits dargelegt, daß die im Rahmen des § 12 StVG berücksichtigten Rentenleistungen den Kapitalhöchstbetrag nur dann verändern, wenn und soweit die Erstattung über den für Rentenleistungen vorgesehenen Betrag hinausgeht. Und zwar ist dabei nicht schlechthin der Höchstbetrag von 250 DM maßgebend, kommt es vielmehr auf den Rentenbetrag an, der mit Rücksicht auf inzwischen etwa erbrachte (oder geschuldete) Kapitalzahlungen höchstens noch verlangt werden kann.

Das Berufungsgericht hätte deshalb die von den einzelnen Rentenverpflichteten erbrachten Rentenleistungen zur Ermittlung des verbleibenden Kapitalhöchstbetrages nur insoweit kapitalisieren dürfen, als diese Rentenleistungen den Rentenhöchstbetrag überstiegen, der jeweils aus § 12 StVG verlangt werden konnte.

Das Berufungsurteil muß deshalb, soweit das Berufungsgericht über die für die Zeit ab 1. Dezember 1968 an die Klägerin und die BfA zu erbringenden Leistungen entschieden hat, aufgehoben werden.

2. Die Revision der Beklagten greift die Verteilung des Höchstbetrages durch das Berufungsgericht mit der Begründung an, die Berechnung enthalte verschiedene Rechtsfehler:

a) Zunächst macht die Revision erfolglos geltend, das Berufungsgericht habe den SVT zu Unrecht ein Quotenvorrecht zugestanden. Das ist jedoch nicht der Fall. Den SVT wird von der Rechtsprechung im Rahmen des § 1542 RVO im Verhältnis zum Geschädigten das Quotenvorrecht allgemein zugebilligt (BGH in NJW 1969, 98 mit weiteren Nachweisen). Dieses Quotenvorrecht kommt zwar dann nicht zum Zuge, wenn der Geschädigte einen Rechtsanspruch auf vollen Schadensersatz hat, er diesen Anspruch jedoch aus rein tatsächlichen Gründen nicht voll realisieren kann. Vielmehr hat die Anwendung des Quotenvorrechts zur Voraussetzung, daß der Geschädigte seinen Schaden aus Rechtsgründen – insbesondere wegen Mitverschuldens (§ 254 BGB) oder mit Rücksicht auf einen Haftungshöchstbetrag – nur zu einem Teil ersetzt verlangen kann (BGH in VersR 1956, 85, 86; 1958, 324 und 1968, 170, 171; Fischer NJW 1954, 1716; Geigel, Haftpflichtprozeß, 14. Aufl., Kap. 30 Rdn. 98 u.a.). Dementsprechend ist auch den SVT, falls einem Geschädigten nur ein Ersatzanspruch aus dem Straßenverkehrsgesetz zustand, sein Schadensersatzanspruch jedoch mit Rücksicht auf die Höchstbeträge des § 12 StVG hinter seinem wirklichen Schaden zurückblieb, ein Quotenvorrecht zugebilligt worden. Hiergegen kann die Revision nicht mit Erfolg einwenden, daß in vorliegendem Fall die Verletzte Helbig nach der Rechtslage Anspruch auf vollen Ersatz ihres Schadens (gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG) habe, es mithin an der Voraussetzung für die Anwendung des Quotenvorrechts, daß nämlich der Geschädigte aus Rechtsgründen nur einen Teil seines Schadens ersetzt verlangen kann, fehle. Denn Ansprüche der Geschädigten konnten hier nur insoweit auf den klagenden SVT übergehen, soweit sie ihre Grundlage im Straßenverkehrsgesetz haben, und die Teilung des Höchstbetrages des § 12 StVG ist deshalb so vorzunehmen, wie wenn die Beklagte nur aus Halterhaftung gemäß § 7 StVG für den der Geschädigten entstandenen Schaden aufzukommen hätte. Bei ausschließlicher Haftung der Beklagten nach dem Straßenverkehrsgesetz würde das Quotenvorrecht der Klägerin zum Zuge kommen, und da muß es deshalb auch in vorliegendem Fall, weil der Umstand, daß der Geschädigten neben ihrem Anspruch aus dem Straßenverkehrsgesetz noch ein Anspruch – auf vollen Schadensersatz – aus Amtshaftung zusteht, außer acht zu lassen ist. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß ein SVT in einem Fall, in dem dem Geschädigten nur ein Anspruch nach dem Straßenverkehrsgesetz zusteht, besser stehen würde als dann, wenn der Schädiger außer aus Halterhaftung auch noch wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung auf vollen Schadensersatz haftet. Ein SVT soll zwar – mit Rücksicht auf die Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB – in einem derartigen Fall keinen Vorteil daraus ziehen können, daß der Schädiger dem Geschädigten gegenüber nicht nur als Halter, sondern auch aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung haftet. Er darf dadurch andererseits aber auch in seiner Rechtsposition, die er bei ausschließlicher Halterhaftung hätte, nicht verschlechtert werden. Soweit in der Entscheidung des Senats vom 16. Dezember 1968 – III ZR 179/67 (= NJW 1969, 656/7, insoweit in BGHZ 51, 226 ff nicht mit abgedruckt) eine andere Auffassung zum Ausdruck kommt, hält der Senat daran nicht fest.

b) Die Revision wendet sich auch dagegen, daß das Berufungsgericht bei der Kapitalisierung der von den SVT zu erbringenden Rentenleistungen einen Kapitalisierungsfaktor von 16,32 zugrunde gelegt hat (S. 15, 16 BU). Weshalb er das getan hat, ist in der Tat nicht ersichtlich. Der Senat hat dazu in seiner Entscheidung in BGHZ 51, 226, 235/6 (= NJV 1969, 656, 659) im einzelnen dargelegt, daß die Kapitalisierung der Renten nach dem Umrechnungsmaßstab des § 12 Abs. 1 StVG in der Weise vorgenommen werden müsse, daß die Renten unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 6 % bei unendlicher Laufzeit zu kapitalisieren sind (Jahresrentenbetrag × 100 : 6).

c) Weiter beanstandet die Revision, daß das Berufungsgericht im Rahmen des Schadensersatzes für vermehrte Bedürfnisse der Geschädigten den Ersatz von Steuerberaterkosten zugebilligt hat (S. 16 BU).

Soweit sich die Revision in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Senats vom 27. Juni 1968 – III ZR 63/65 (= NJW 1968, 1962, 1964) beruft und meint, daß Steuerberatungskosten ebensowenig wie Rechtsanwaltskosten zu entschädigen seien, kann sie damit nichts gewinnen. In dieser Entscheidung ging es allein um den Ersatz von Sachschäden, und dazu hat der Senat entschieden, daß Rechtsanwaltskosten nicht zu den Sach- und Sachfolgeschäden zählen, die aus dem Gesichtspunkt der Halterhaftung nach § 12 StVG zu ersetzen sind.

Hier aber geht es um den Schadensersatz wegen Körper- und Gesundheitsverletzung, und in diesem Rahmen ist nach der Vorschrift des § 12 StVG Ersatz auch für die Vermögensnachteile zu leisten, die der Verletzte dadurch erleidet, daß eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß die steuerliche Behandlung der an die Geschädigte von verschiedenen Stellen zu erbringenden verschiedenen Ersatzleistungen schwieriger sei als die Besteuerung ihres – früheren – Arbeitseinkommens. Ist das aber der Fall, dann kann die Hinzuziehung eines Steuerberaters durchaus sachgerecht sein, und es müssen alsdann die dadurch entstehenden Kosten als adäquate Schadensfolge der Körper- und Gesundheitsverletzung angesehen werden, deren Ersatz unter dem Gesichtspunkt der Leistung für vermehrte Bedürfnisse verlangt werden kann. Da die Revision nichts in der Richtung vorbringt, daß die Zuziehung eines Steuerberaters entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bei der gegebenen Sachlage nicht geboten gewesen sei, ist die Berücksichtigung der Steuerberaterkosten bei der Berechnung des der Verletzten entstandenen Schadens aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

d) Ferner greift die Revision die Berechnung des Berufungsgerichts deswegen an, weil sie den Ersatz der Heilungskosten nicht in Kapital-, sondern in Rentenform vorsehe (S. 16 BU). Diese Rüge ist schon deswegen unbegründet, weil in der Berechnung des Berufungsgerichts nicht der Ersatz der Heilungskosten in Renten-statt in Kapitalform vorgesehen, sondern lediglich der künftig notwendig werdende jährliche Aufwand für Heilungskosten geschätzt und allein zur Berechnung der künftig noch entstehenden Schäden der geschätzte Betrag der jährlichen Aufwendungen kapitalisiert worden ist. Hiergegen bestehen keine durchgreifenden Bedenken.

e) Die Revision bittet auch um Nachprüfung, ob das Berufungsgericht mit Recht als maßgeblichen Zeitpunkt, bis zu dem der Anspruchsberechtigte wählen kann, ob er in Kapital- oder in Rentenform entschädigt werden wolle, den Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter zugrunde gelegt habe.

Hierzu hat das Oberlandesgericht Hamm u.a. in der – in VersR 1970, 748 veröffentlichten – Entscheidung, die dem zum Abdruck in der Entscheidungssammlung bestimmten Urteil des erkennenden Senats von heute in der Sache III ZR 107/69 zugrunde liegt und auf die die Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung insoweit verwiesen hat, folgende Auffassung vertreten:

Zwar sei der Stichtag, bis zu dem der Geschädigte Ersatz in Form eines Kapitalbetrages verlangen könne, im Falle der gerichtlichen Geltendmachung in der Regel allerdings der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Bei Stationierungsschaden sei indes hiervon eine Ausnahme zu machen und auf den Monat abzustellen, in dem die Entschließung des AVL ergangen sei. Denn es sei der Tatsache Rechnung zu tragen, daß dem Rechtsstreit das behördliche Verfahren vorausgegangen sei, das mit der Entschließung des Amtes über die geltend gemachten Ansprüche ende. Für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte Ersatz in Kapitalform verlangen könne, müsse deshalb auf den Monat abgestellt werden, in dem die Entschließung ergangen sei. Insoweit komme der Entschließung bindende Wirkung zu.

Der Senat vermag jedoch dieser Auffassung nicht zu folgen. Wie in dem erwähnten Urteil in der Sache III ZR 107/69 im einzelnen dargelegt ist, ist dem Verletzten mit der Entschließung (Bescheid) des AVL nicht schlechthin die Möglichkeit genommen, zwischen Ersatz in Kapital- oder in Rentenform zu wählen. Jedoch muß in jedem Fall dann, wenn mehrere Anspruchsberechtigte als Gesamtgläubiger vorhanden sind, die Erklärung, Ersatz in Kapital-statt in Rentenform haben zu wollen, von allen Gesamtgläubigern gemeinsam abgegeben werden.

Es ist deshalb nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht hier für die Klägerin und die BfA in Gesamtgläubigerschaft auch über den Zeitpunkt des Bescheides des AVL (26. Juni 1967) hinaus auf Grund ihrer insoweit übereinstimmenden Erklärungen Ersatz in Kapitalform vorgesehen hat.

f) Schließlich macht die Revision noch geltend, da die Klägerin und auch die BfA die Erstattung der bis zum 30. November 1968 gezahlten Renten in Kapitalform gewählt hätten, seien diese Beträge nicht in vollem Umfang von den Kapitalhöchstbeträgen abzusetzen, sondern nur zu dem Teil, der über den den jeweiligen Anspruchsberechtigten zustehenden Rentenhöchstbetrag hinausgehe.

Die Revision erhebt damit die gleichen Angriffe gegen das Berufungsurteil wie die Anschlußrevision (vgl. oben unter III 1.). Da die Beklagte jedoch insoweit durch die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht beschwert ist, muß dieses Vorbringen im Rahmen der durch die Revision gebotenen Nachprüfung des Berufungsurteils außer Betracht bleiben.

– IV –

Das Berufungsurteil ist deshalb – soweit es über die Hilfsanträge der Klägerin und die Kosten entschieden hat – auf die Rechtsmittel beider Parteien aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrechtszuges überlassen bleibt.

 

Unterschriften

Meyer, Kreft, Dr. Beyer, Dr. Hußla, Keßler

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502424

NJW 1972, 1860

Nachschlagewerk BGH

VerwRspr 1973, 419

VerwRspr 1973, 96

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