Leitsatz (amtlich)

Die Pauschalierung einer Vorfälligkeitsentschädigung mit jährlich 1% des fälligen Darlehensbetrages verstößt bei einer Hypothekenbank, deren Nettozinsmarge 0,63% beträgt, gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG.

 

Normenkette

BGB § 607; AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1, § 11 Nr. 5 Buchst. a

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.12.1996)

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.01.1996)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Dezember 1996 aufgehoben und das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 5. Januar 1996 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 142.900,89 DM nebst 10,5 % Zinsen seit dem 18. Juli 1994 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Rückzah lung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

Im Range nach Krediten der S. AG gewährte die Beklagte der Klägerin im März 1989 ein Grundschulddarlehen über 6,3 Mill. DM zu 7,2% Zinsen fest bis zum 31. März 1999. In der Darlehenszusage heißt es u.a:

„Bitte bestätigen Sie uns, daß nach Auslaufen der Zinsbindung bei der S. AG, M., zum 30.06.1994 uns eine Ablösung der dort bestehenden Darlehen angedient werden; im Gegenzug versichern wir Ihnen schon jetzt, daß die gleiche Marge wie bei dem jetzt gewährten Darlehen zugrunde gelegt wird. Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, daß falls Sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen bzw. eine Vereinbarung über die Übernahme des Darlehens nicht zustande kommt, das unsererseits gewährte Darlehen bei uns zur sofortigen Rückzahlung fällig wird.”

Für den Fall vorzeitiger Fälligkeit enthält Nr. 7.2 des formularmäßigen Darlehensvertrages folgende Regelung:

„Wird das Darlehen vor Ablauf der Rückzahlungssperrfrist fällig, so ist gleichzeitig mit der Rückzahlung für die Zeit von der Fälligkeit bis zum Ende der Rückzahlungssperrfrist eine Entschädigung von jährlich 1 v.H. des fälligen Darlehensbetrages an die Bank zu entrichten.”

Kurz vor Ablauf der Zinsbindung des erstrangigen Kredits holte die Klägerin Angebote der Beklagten und anderer Kreditinstitute für die Anschlußfinanzierung ein. Da eine Sparkasse günstigere Zinskonditionen bot, machte die Klägerin von dem Angebot der Beklagten keinen Gebrauch.

Gestützt auf Nr. 7.2 des Darlehensvertrages verlangte die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe ihrer Gewinnmarge von 0,63% pro Jahr von 6,3 Mill. DM für die Zeit vom 1. Juli 1994 bis zum 31. März 1999, abgezinst insgesamt 142.900,80 DM, die die Klägerin unter Vorbehalt bezahlte.

Mit der Klage fordert sie diesen Betrag zuzüglich Zinsen zurück. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

I.

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus § 812 BGB auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung mit folgender Begründung verneint:

Die streitige Entschädigung stehe der Beklagten zu. Nachdem die Übernahme des erstrangigen Kredits durch die Beklagte gescheitert sei, sei das von ihr gewährte Darlehen vorzeitig fällig geworden. Nach Nr. 7.2 des Darlehensvertrages könne sie deshalb eine Entschädigung verlangen. Die Auslegung der Klägerin, Nr. 7.2 erfasse den vorliegenden Fall nicht, sei mit dem Wortlaut nicht vereinbar. Daß die Beklagte sich nicht vertragstreu verhalten habe, weil sie ihr Angebot für die Anschlußfinanzierung mit einer anderen Marge als beim gewährten Darlehen kalkuliert habe, habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Überdies sei die Ablösung des erstrangigen Kredits nicht am Verhalten der Beklagten gescheitert. Nach eigenem Vortrag habe die Klägerin das Angebot der Beklagten nur deshalb nicht angenommen, weil die Zinskonditionen der Sparkasse günstiger gewesen seien.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Entschädigungsregelung in Nr. 7.2 des formularmäßigen Darlehensvertrages ist unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken des Schadensersatzrechts unvereinbar ist und die Klägerin unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 und 2 Nr. 1 AGBG).

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Senatnicht gehindert, die in den Vorinstanzen unerörtert gebliebene Wirksamkeit der Entschädigungsregelung anhand des AGB-Gesetzes zu prüfen und zu verneinen. Ob Nr. 7.2 des formularmäßigen Darlehensvertrages mit § 9 AGBG vereinbar ist, ist eine Rechtsfrage, die auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts von Amts wegen aufzugreifen und zu entscheiden ist. Nr. 7.2 ist unwirksam, weil die darin ohne Abzinsung vorgesehene Entschädigung von 1% des fälligen Darlehensbetrages die unstreitige Nettozinsmarge der Beklagten von 0,63% erheblich übersteigt.

2. Nach § 252 BGB kann die Beklagte ihren mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Gewinn als Schaden ersetzt verlangen. Die Pauschalierung dieses Schadensersatzanspruchs in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam, wenn die Pauschale den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt (§ 11 Nr. 5 a AGBG). Diese Regelung gilt unter Kaufleuten, zu denen die Klägerin als GmbH gehört, zwar nicht unmittelbar (§ 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG). Es ist aber anerkannt, daß die besonderen Bedürfnisse des kaufmännischen Verkehrs eine von § 11 Nr. 5 a AGBG abweichende Regelung nicht rechtfertigen können. Eine Pauschalierung, die zu einer Bereicherung des Verwenders Allgemeiner Geschäftsbedingungen führt, weil sie sich nicht am gewöhnlichen Lauf der Dinge orientiert, widerspricht vielmehr wesentlichen Grundgedanken des Schadensersatzrechts (§ 252 BGB) und benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Sie ist deshalb in sachlicher Übereinstimmung mit § 11 Nr. 5 a AGBG auch unter Kaufleuten unwirksam (BGH, Urteil vom 28. Mai 1984 – III ZR 231/82, WM 1984, 1174, 1175; BGH, Urteil vom 12. Januar 1994 – VIII ZR 165/92, WM 1994, 1121, 1133, insoweit in BGHZ 124, 351 ff. nicht abgedruckt; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 8. Aufl. § 11 Nr. 5 Rdn. 27; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 3. Aufl. § 11 Nr. 5 Rdn. 39).

3. Eine solche Pauschalierung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen der Beklagten enthält der Darlehensvertrag in Nr. 7.2 für den Fall vorzeitiger Fälligkeit des Kredits.

a) Den Charakter als Schadensersatzpauschale offenbart insbesondere der Zusammenhang mit Nr. 7.3. Dort hat sich die Beklagte das Recht vorbehalten, statt der pauschalen Entschädigung gemäß Nr. 7.2 einen etwaigen höheren Schaden geltend zu machen.

b) Die festgelegte Pauschale von jährlich 1% des fälligen Darlehensbetrages übersteigt bei einer Hypothekenbank, die ihre Nettozinsmarge nach eigenen Angaben mit 0,63% kalkuliert, den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Falle vorzeitiger Fälligkeit des Darlehens zu erwartenden Schaden. Das gilt auch dann, wenn die branchenübliche Nettozinsmarge von Hypothekenbanken bei 0,7% oder 0,8% liegen sollte (vgl. Köndgen, Gewährung und Abwicklung grundpfandrechtlich gesicherter Kredite 3. Aufl. S. 134: 0,7%; Bellinger/Kerl, Hypothekenbankgesetz 4. Aufl. Rdn. 28 vor §§ 14 – 21: rd. 0,8%).

Zwar kann die kreditgebende Bank neben dem Zinsmargenschaden, der ihrem entgangenen Nettogewinn aus dem vorzeitig zurückgezahlten Darlehen entspricht, auch noch einen etwaigen Zinsverschlechterungsschaden ersetzt verlangen (vgl. BGHZ 133, 355, 361; Senatsurteile vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747, 1749 f. und XI ZR 197/96, WM 1997, 1799, 1801). Indes fällt der letztgenannte Schaden keineswegs immer an. Er ist vielmehr wesentlich von der Entwicklung der Kapitalmarktzinsen seit Abschluß des Darlehensvertrages abhängig. Nur wenn die Bank das vorzeitig zurückerhaltene Darlehenskapital für die Restlaufzeit des Darlehensvertrages allein zu einem niedrigeren als dem Vertragszins wieder ausleihen kann, erleidet sie einen Zinsverschlechterungsschaden.

Hinzu kommt, daß sowohl bei der Ermittlung des Zinsmargen- als auch bei der eines etwaigen Zinsverschlechterungsschadensbetrages eine Abzinsung mit dem aktiven Wiederanlagezins vorzunehmen ist (Senatsurteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747, 1750). Nr. 7.2 des Darlehensvertrages sieht eine Abzinsung indes nicht vor. Eine Schadensersatzpauschale von 1% des fälligen Darlehensbetrages führt danach in aller Regel zu einer Bereicherung der Beklagten, die wesentlichen Grundgedanken des Schadensersatzrechts widerspricht und die Vertragspartner unangemessen benachteiligt (§ 9 Abs. 1 und 2 Nr. 1 AGBG).

c) Nr. 7.2 des Darlehensvertrages ist deshalb unwirksam. Eine Beschränkung der Unwirksamkeit auf die Pauschalierung scheitert schon an der Unteilbarkeit der in Nr. 7.2 enthaltenen Regelung und dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Abgesehen davon muß sich eine formularmäßige Pauschalierung der Vorfälligkeitsentschädigung, auch wenn es sich dabei nicht um Schadensersatz im engeren Sinne handelt, an den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Vermögensnachteilen der Bank orientieren. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist, wenn der Darlehensnehmer einen Anspruch auf Einwilligung der Bank in die vorzeitige Kreditabwicklung hat, nicht ein in den Grenzen des § 138 Abs. 1 BGB frei aushandelbarer Preis, sondern dient – ähnlich wie Schadensersatz – dem Ausgleich der Nachteile, die die kreditgebende Bank durch die vorzeitige Rückzahlung der Darlehensvaluta erleidet (Senats urteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96, WM 1997, 1747, 1749).

d) Nr. 7.2 des Darlehensvertrages scheidet danach als Rechtsgrund (§ 812 Abs. 1 BGB) für die geleistete Vorfälligkeitsentschädigung aus. Daß die Beklagte die Entschädigung nicht mit 1% des fälligen Darlehensbetrages berechnet, sondern lediglich ihren konkret entgangenen Gewinn ersetzt verlangt hat, ändert nichts.

III.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Der Beklagten steht die gezahlte Entschädigung nicht als Schadensersatz zu. Für einen Anspruch der Beklagten aus positiver Verletzung des Darlehensvertrages fehlt es an einer schuldhaften Pflichtverletzung der Klägerin.

1. Aufgrund der akzeptierten Darlehenszusage der Beklagten, die der Senat selbst auslegen kann, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf, war die Klägerin lediglich verpflichtet, der Beklagten die Ablösung des erstrangig gesicherten Kredits nach Auslaufen der Zinsbindung anzudienen. Im Gegenzug hatte die Beklagte versichert, für den Ablösungskredit die gleiche Marge zu berechnen wie beim gewährten Darlehen. Eine Verpflichtung der Klägerin, zur Ablösung des erstrangigen Kredits bei der Beklagten ein Darlehen aufzunehmen, ist dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck der getroffenen Zusatzvereinbarung ebensowenig zu entnehmen wie die Verpflichtung der Beklagten, das dazu erforderliche Darlehen zu gewähren.

a) Die von der rechtskundigen Beklagten formulierte Zusatzvereinbarung ist nicht als Vorvertrag konzipiert, der die Klägerin oder beide Parteien zum Abschluß des in Aussicht genommenen Darlehensvertrags verpflichtet. Die rechtlichen Pflichten der Parteien aus der Zusatzvereinbarung sind nach deren Wortlaut vielmehr eng begrenzt. Die Klägerin war danach lediglich gehalten, der Beklagten die Ablösung des erstrangigen Kredits anzudienen, dh. ihr die Möglichkeit zum Abschluß eines Darlehensvertrages zu geben, wenn ihre Konditionen günstiger oder ebenso günstig wie die der Konkurrenz waren.

b) Eine Pflicht der Klägerin, günstigere Angebote anderer Kreditinstitute abzulehnen, ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Zusatzvereinbarung nicht. Diese sollte der Beklagten die Chance geben, auch den erstrangigen Kredit abzulösen und dabei ein Zusatzgeschäft zu machen. Als Rechtsfolge bei Nichtzustandekommen des Ablösungsvertrages sieht die Zusatzvereinbarung lediglich die Fälligkeit des bereits gewährten Kredits vor. Daß der Beklagten ein Schadensersatzanspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns aus dem nicht zustandegekommenen Ablösungsvertrag auch dann zustehen sollte, wenn ihr Ablösungsangebot (erheblich) ungünstiger als das eines anderen Kreditinstituts war, ergibt eine beiderseits interessengerechte Auslegung der Zusatzvereinbarung nicht und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Nichts spricht dafür, daß die Rechtslage in Bezug auf den entgangenen Gewinn der Beklagten aus dem vorzeitig fällig gewordenen Darlehen anders ist.

2. Ihrer danach bestehenden Pflicht, der Beklagtendie Möglichkeit zum Abschluß eines Darlehensvertrages zu geben, ist die Klägerin nachgekommen. Da das Angebot der Beklagten ungünstiger war als das einer Sparkasse, stellt die Nichtannahme durch die Klägerin keine Pflichtverletzung dar.

IV.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben. Von einer Zurückverweisung war abzusehen, da die Sache zur End entscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Die Klagehauptforderung ist aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB begründet, da die Klägerin die von der Beklagten unter Vorbehalt gezahlte Entschädigung über 142.900,89 DM ohne Rechtsgrund erlangt hat.

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 819 Abs. 1 i.V. mit §§ 818 Abs. 4, 286 Abs. 1 BGB.

 

Unterschriften

Schimansky, Dr. Schramm, Dr. Siol, Nobbe, Dr. van Gelder

 

Fundstellen

Haufe-Index 1128120

BB 1998, 124

DB 1998, 187

DStR 1998, 216

NJW 1998, 592

JurBüro 1998, 277

Nachschlagewerk BGH

WM 1998, 70

ZAP 1998, 60

ZIP 1998, 20

MDR 1998, 231

IPuR 1998, 38

ZBB 1998, 36

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