Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldausgleich für die Vergangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

a) Der Anspruch eines Elternteils auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gezahlten staatlichen Kindergeldes ist ein Unterfall des sog. familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs; er unterliegt wie dieser der Schranke des § 1613 Abs. 1 BGB.

b) Ein Urteil über Kindesunterhalt, in dem dem nach der Unterhaltstabelle ermittelten Unterhaltsbedarf des Kindes anteiliges Kindergeld zugeschlagen worden ist, hat rechtskräftig auch über den Ausgleich des Kindergeldes zwischen den Eltern entschieden.

 

Normenkette

BGB § 1606 Abs. 3, § 1613 Abs. 1; ZPO § 322; BGB § 1606 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg

KG Berlin

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Kammergerichts vom 11. Februar 1987 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Charlottenburg vom 13. Mai 1986 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Aus der Ehe der Parteien, die inzwischen geschieden ist, stammen die minderjährigen Kinder Petra, geboren 17. Oktober 1973, und Sonja, geboren 16. August 1976. Sie lebten seit der Trennung der Parteien im Sommer 1981 bei der Beklagten. Das staatliche Kindergeld bezog bis November 1981 der Kläger, ab Dezember 1981 die Beklagte.

Die Beklagte und die beiden Kinder nahmen den Kläger in einem im August 1981 eingeleiteten Rechtsstreit auf Unterhalt in Anspruch, wobei in der Klageschrift darauf hingewiesen wurde, daß er das staatliche Kindergeld erhalte. Der spätere Wechsel im Kindergeldbezug wurde in dem am 18. Dezember 1981 verkündeten Urteil des Familiengerichts nicht berücksichtigt; ein Schriftsatz des Klägers vom 17. Dezember 1981, in dem dieser Umstand erwähnt war, blieb unbeachtet, weil er nicht nachgelassen war (§ 283 ZPO). In dem anschließenden Berufungsverfahren unterließ es der Kläger, erneut geltend zu machen, daß nunmehr die Beklagte das Kindergeld beziehe. Das Berufungsgericht ging in seinem am 1. September 1982 verkündeten Urteil davon aus, daß nach wie vor er das staatliche Kindergeld beziehe. In dem den Kindesunterhalt betreffenden Teil der Entscheidung sprach es den Kindern zu dem nach der Düsseldorfer Tabelle bemessenen Unterhaltsbedarf jeweils die Hälfte des anteiligen Kindergeldes zu, für die Zeit ab 1. August 1982 eine Unterhaltsrente von monatlich 288,50 DM (251 DM Tabellenbedarf zuzüglich 37,50 DM anteiliges Kindergeld).

In der Folgezeit ließ der Kläger durch Schriftsatz seines Rechtsanwalts vom 25. Oktober 1982 darauf hinweisen, daß das Berufungsgericht hinsichtlich des Kindergeldbezugs von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Er verlangte dementsprechend eine Herabsetzung des ausgeurteilten Kindesunterhalts, für die Zeit ab 1. August 1982 auf monatlich je 203,50 DM. Die angestrebte Einigung zwischen den Parteien kam jedoch nicht zustande.

Durch ein Abänderungsurteil des Familiengerichts vom 15. Oktober 1985 wurde für die Zeit ab 21. Juli 1985 dem tatsächlichen Kindergeldbezug Rechnung getragen; die an die Kinder zu zahlenden Unterhaltsrenten wurden auf monatlich je 238,50 DM herabgesetzt.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 3.225 DM nebst 4% Zinsen seit 5. November 1985, und zwar als hälftigen Ausgleich des in der Zeit vom 1. Dezember 1981 bis 30. Juni 1985 von ihr bezogenen staatlichen Kindergeldes. Das Familiengericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Kammergericht das amtsgerichtliche Urteil geändert und ihm – unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels – einen Betrag von 1.865 DM nebst Zinsen zugesprochen. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des Familiengerichts.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das staatliche Kindergeld steht nicht den Kindern selbst zu, sondern soll die Unterhaltslast der unterhaltspflichtigen Eltern erleichtern. Da es nach § 3 BKGG – vornehmlich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung – voll an einen der Elternteile ausbezahlt wird, hat unter diesen ein Ausgleich stattzufinden, im allgemeinen entsprechend den beiderseitigen Anteilen an der Erfüllung der Unterhaltspflicht (vgl. BGHZ 70, 151; ständige Rechtsprechung des Senats). In der Praxis der Gerichte hat sich aus Gründen einfacher und reibungsloser Abwicklung die Übung entwickelt, das Kindergeld über den Anspruch auf Kindesunterhalt auszugleichen: Erhält der betreuende Elternteil das Kindergeld ausbezahlt, wird davon ausgegangen, daß er den dem barunterhaltspflichtigen Elternteil zustehenden Betrag unmittelbar dem Kinde zukommen läßt, woraus sich eine entsprechende Deckung des Unterhaltsbedarfs und damit eine Minderung des Unterhaltsanspruchs des Kindes ergibt (vgl. etwa Senatsurteil vom 28. Januar 1981 – IVb ZR 573/80 – FamRZ 1981, 347, 349). Erhält hingegen der auf Barunterhalt in Anspruch genommene Elternteil das Kindergeld, hat er über den Unterhaltsbedarf des Kindes hinaus den Ausgleichsbetrag zu zahlen, wobei angenommen wird, daß das Kind den zugrundeliegenden Ausgleichsanspruch des betreuenden Elternteils im Wege der Prozeßstandschaft oder aufgrund stillschweigender Abtretung geltend macht (vgl. etwa Senatsurteil vom 26. Mai 1982 – IVb ZR 715/80 – FamRZ 1982, 887, 889; zustimmend etwa Göppinger, Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdnr. 1086 ff. m. w. N.). Es liegt allerdings kein Grund vor, diese Übung den Eltern aufzuzwingen; es ist nicht ausgeschlossen, einen selbständigen Ausgleichsanspruch zu erheben, wie es der Kläger im vorliegenden Fall getan hat (ebenso etwa Kalthoener/Büttner, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 3. Aufl. Rdnr. 498).

Rechtliche Grundlage des Ausgleichsanspruchs ist nicht § 430 BGB, wie das Berufungsgericht meint. In Anbetracht der Regelung des Kindgeldbezuges in § 3 BKGG, wonach stets nur ein Elternteil bezugsberechtigt ist, kann eine Gesamtgläubigerschaft beider Eltern nicht angenommen werden; dafür ist nach § 428 Satz 1 BGB Voraussetzung, daß der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten kann. Außerdem ist die Gesamtgläubigerschaft wegen der mit ihr verbundenen Gläubigerrisiken allgemein eine seltene Ausnahme (vgl. etwa BGHZ 29, 393, 397). Vielmehr handelt es sich um einen Unterfall des von der Rechtsprechung entwickelten besonderen familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs (vgl. dazu etwa BGHZ 31, 329; 50, 266; Senatsurteil vom 20. Mai 1981 – IVb ZR 558/80 – FamRZ 1981, 761, 762). Dieser Anspruch wird aus der gemeinsamen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber Kindern in Verbindung mit der Notwendigkeit hergeleitet, die Unterhaltslast im Innenverhältnis zwischen ihnen entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen. Darum geht es auch beim Kindergeldausgleich; Maßstab für den internen Ausgleich ist ebenfalls die Regelung des § 1606 Abs. 3 BGB (so auch Hoppenz FamRZ 1985, 437, 439; OLG Karlsruhe FamRZ 1982, 1115).

2. Für den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch sowie damit konkurrierende Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag gilt die Schranke des § 1613 Abs. 1 BGB (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 1984 – IVb ZR 84/82 – FamRZ 1984, 775; zustimmend etwa Soergel/Häberle BGB 12. Aufl. § 1613 Rdnr. 2; MünchKomm/Köhler 2. Aufl. § 1613 Rdnr. 2; a. A. Kalthoener/Büttner a.a.O.). Für die Vergangenheit kann also Erfüllung oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur von der Zeit an gefordert werden, zu der der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist. Soweit das Kammergericht die Auffassung vertritt, § 1613 Abs. 1 BGB passe auf den hier in Rede stehenden Ausgleichsanspruch nicht, vermag der Senat dem nicht zuzustimmen. Dagegen spricht schon, daß der Ausgleich, wie dargelegt, üblicherweise über den Anspruch auf Kindesunterhalt durchgeführt wird, der selbst dieser Schranke unterliegt. Es wäre auch ein ungereimtes Ergebnis, die Bestimmung auf den allgemeinen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch anzuwenden, wie der Senat entschieden hat, auf den Anspruch auf Ausgleich des Kindergeldes aber nicht. Sonst könnte etwa ein Elternteil, der in der Vergangenheit allein für den Unterhalt eines gemeinschaftlichen Kindes aufgekommen ist, wegen § 1613 Abs. 1 BGB möglicherweise keinen Ausgleich der Unterhaltsleistungen fordern, während der andere Elternteil, der sich nicht entsprechend seinen Erwerbs- und Vermögensverhältnissen an dem Kindesunterhalt beteiligt hat, durch diese Vorschrift nicht gehindert wäre, für den gleichen Zeitraum einen Kindergeldausgleich zu verlangen.

Danach scheitert der vom Kläger erhobene Ausgleichsanspruch schon an § 1613 Abs. 1 BGB, soweit das Kindergeld betroffen ist, das die Beklagte bis einschließlich Oktober 1982 bezogen hat. Denn allenfalls mit dem Zugang des Schreibens vom 25. Oktober 1982, in dem eine Mahnung gesehen werden kann, ist die Beklagte mit der Erfüllung des Anspruchs in Verzug gekommen.

3. Die Frage, ob die Rechtskraftwirkungen des Urteils in dem vorausgegangenen Prozeß über Kindesunterhalt den vom Kläger erhobenen Anspruch berühren, ist jedenfalls für die Zeit ab November 1982 von Bedeutung. Durch das seinerzeit ergangene Urteil vom 1. September 1982 wurde u.a. für die Zeit ab 1. August 1982 ein um monatlich je 37,50 DM erhöhter Kindesunterhalt aufgrund der Annahme zugesprochen, der Kläger beziehe das Kindergeld. Es handelt sich somit um einen Fall, in dem entsprechend der oben zu 1. dargelegten Übung der Kindergeldausgleich über den Anspruch auf Kindesunterhalt durchgeführt worden ist. Entgegen der Auffassung des Kammergerichts kommt es nicht darauf an, ob seinerzeit dem erkennenden Gericht bewußt war, daß die Kinder als Prozeßstandschafter ihrer Mutter aufgetreten sind, soweit sie auch einen Kindergeldausgleich geltend gemacht haben. Denn die materielle Rechtskraft eines Urteils tritt unabhängig davon ein, ob das Gericht alle einschlägigen rechtlichen Aspekte gesehen und zutreffend gewürdigt hat (vgl. etwa BGH, Urteil vom 15. Juni 1982 – VI ZR 179/80 – NJW 1982, 22, 57). Die Entscheidungsgründe des Urteils ergeben jedenfalls klar, daß dem nach der Düsseldorfer Tabelle bemessenen Bedarf der Kinder jeweils „ein Kindergeldanteil, hinzugeschlagen worden ist, „weil der Beklagte unstreitig das staatliche Kindergeld erhält”. Danach ist rechtskräftig mit über den Kindergeldausgleich entschieden worden, und zwar auch für die Zukunft (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 82, 246, 250 f.).

Die Wirkungen der Rechtskraft beschränken sich entgegen der Auffassung des Kammergerichts nicht auf das Verhältnis zwischen den Kindern und dem Kläger. Denn das im Rechtsstreit des Prozeßstandschafters ergangene Urteil wirkt für und gegen den Rechtsinhaber; das war seinerzeit die Beklagte, deren Ausgleichsanspruch die Kinder in eigenem Namen geltend gemacht haben (vgl. dazu BGHZ 78, 1, 7 f.; Zöller/Vollkommer ZPO 15. Aufl. Rdnr. 54 vor § 50). Im vorliegenden Rechtsstreit kann somit die Beklagte dem Kläger das Urteil vom 1. September 1982 entgegenhalten, während dieser gehindert ist, das kontradiktorische Gegenteil dessen geltend zu machen, was rechtskräftig entschieden worden ist, nämlich daß in der fraglichen Zeit in Wahrheit ein Ausgleichsanspruch nicht der Beklagten, sondern ihm selbst zugestanden habe. Das gleiche Ergebnis folgt aus einer anderen Überlegung. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann eine rechtskräftige Entscheidung über den Kindesunterhalt nicht durch einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch unterlaufen werden, der von einer abweichenden Verteilung der Unterhaltslast zwischen den Eltern ausgeht (vgl. Urteil vom 20. Mai 1981 a.a.O.). Auch dieser Grundsatz steht dem vom Kläger erhobenen Anspruch entgegen, weil, wie ausgeführt, der Kindergeldausgleich als Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs anzusehen ist. Im übrigen ist unerheblich, daß im Vorprozeß eine sachlich unrichtige Entscheidung ergangen ist, da das Gericht fälschlich vom Kindergeldbezug durch den Kläger ausgegangen ist. Denn die Wirkungen der Rechtskraft treten unabhängig davon ein, ob die Entscheidung der Rechtslage entspricht (vgl. etwa Senatsurteil vom 6. März 1985 – IVb ZR 76/83 – FamRZ 1985, 580, 581 m. w. N.).

4. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Soweit die Klage nicht schon an § 1613 Abs. 1 BGB scheitert (vgl. oben 2.), könnte sie allenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 826 BGB begründet sein; diese Vorschrift gestattet unter ganz besonderen Umständen auch eine Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. etwa Senatsurteil vom 13. Juli 1983 – IVB ZR 2/82 – FamRZ 1983, 995). Hier fehlt es dafür aber an ausreichenden Gründen. Zunächst kann nicht der Vorwurf erhoben werden, das Urteil vom 1. September 1982 sei von der Beklagten, die auch gesetzliche Vertreterin der Kinder war, erschlichen worden. Sie hat im Vorprozeß nicht bestritten, daß der Kläger das Kindergeld ab 1. Dezember 1981 nicht mehr erhält. Daß der Kläger diesen Umstand mit der Berufungsbegründung vom 19. April 1982 und im weiteren Berufungsverfahren nicht geltend gemacht hat, obwohl entsprechender Vortrag schon in seinem noch an das Amtsgericht gerichteten, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Dezember 1981 enthalten war, hat er sich selbst zuzuschreiben. Das gilt auch für die Tatsache, daß er sich nicht früher als geschehen zu einer Abänderungsklage entschlossen hat. Wird schließlich hinzugenommen, daß er nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils seine Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern in der fraglichen Zeit nicht vollständig erfüllt, während die Beklagte unstreitig sämtliche Kindergeldbeträge für den Unterhalt der Kinder verwendet hat, kann nicht davon die Rede sein, es sei im besonderen Maße unbillig und geradezu unerträglich, daß die Beklagte sich im vorliegenden Verfahren auf die Rechtskraft des von ihr als unrichtig erkannten Urteils vom 1. September 1982 beruft. Nach allem muß das Urteil des Kammergerichts im Umfang der Anfechtung aufgehoben und die Berufung gegen die familiengerichtliche Entscheidung insgesamt zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI609386

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