Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarte Kostenaufhebung. Vergleichsschluss. Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers. Materiellrechtliche Kostenerstattung

 

Leitsatz (amtlich)

Vereinbaren die Parteien in einem Vergleich Kostenaufhebung, steht dem Streithelfer einer Partei selbst dann kein prozessrechtlicher Kostenerstattungsanspruch zu, wenn diese Vereinbarung bezweckte, Kostenerstattungsansprüche des Streithelfers auszuschließen. Etwa bestehende materiellrechtliche Kostenerstattungsansprüche bleiben davon unberührt.

 

Normenkette

ZPO §§ 98, 101

 

Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Beschluss vom 28.09.2004; Aktenzeichen 4 W 38/04)

LG Potsdam

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Streithelfer zu 1 bis 4 der Beklagten gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des OLG Brandenburg v. 28.9.2004 wird zurückgewiesen.

Die Streithelfer zu 1 bis 4 der Beklagten tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 7.995,95 EUR.

 

Gründe

I.

Die Streithelfer zu 1 bis 4 der Beklagten wenden sich gegen einen Beschluss, wonach sie die Kosten, die ihnen als Streithelfer entstanden sind, selbst zu tragen haben.

Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung von Werklohn, hilfsweise Schadensersatz für Garten- und Landschaftsarbeiten in Anspruch genommen. Die Streithelfer sind auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.

Der Kläger und die Beklagte schlossen einen Vergleich auf Widerruf, wonach die Beklagte sich im Wesentlichen verpflichtete, 14.500 EUR an den Kläger zu zahlen. Die Vergleichskosten sollten gegeneinander aufgehoben, die Kosten des Rechtsstreits sollten zu 75 % von dem Kläger und zu 25 % von der Beklagten getragen werden. Der Kläger widerrief diesen Vergleich. Danach schlossen der Kläger und die Beklagte einen Vergleich, wonach die Beklagte 10.721 EUR an den Kläger zu zahlen hatte. Die außergerichtlichen Kosten trug jede Partei selbst, die Gerichtskosten wurden geteilt.

Die Streithelfer haben um eine Kostengrundentscheidung über ihre außergerichtlichen Kosten gebeten. Das LG hat entschieden, dass die Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen müssen. Die sofortige Beschwerde der Streithelfer zu 1 bis 4 ist erfolglos geblieben.

II.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, nach dem Grundsatz der Kostenparallelität könnten die Streithelfer keine Kostenerstattung vom Kläger verlangen. Die Beklagte müsse nach der im Vergleich vereinbarten Kostenregelung ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Für die Streithelfer könne nichts Anderes gelten. Das rechtfertige sich aus der prozessualen Stellung des Streithelfers im Zivilprozess. Dieser habe keinen Einfluss auf die Prozesshandlungen der unterstützten Partei und müsse sie auch dann gegen sich gelten lassen, wenn sie für ihn nachteilig seien. Eine Abweichung vom Grundsatz der Kostenparallelität sei auch dann nicht geboten, wenn die Parteien die Kostenregelung in dem letztlich geschlossenen Vergleich nur oder jedenfalls auch in dem Bewusstsein und mit dem Willen getroffen hätten, dadurch eine Kostenerstattungspflicht des Klägers ggü. den Streithelfern der Beklagten zu verhindern. Weder eine Anwendung des § 91a ZPO komme in Betracht noch eine Korrektur nach § 242 BGB.

III.

Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Streithelfer zu 1 bis 4, mit der sie beantragen, der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, ohne Erfolg.

1. Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen, § 101 Abs. 1 ZPO. Die Hauptparteien des Rechtsstreits haben vereinbart, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Diese Vereinbarung ist im Anwendungsbereich der §§ 101 Abs. 1, 98 ZPO maßgeblich (BGH, Beschl. v. 11.11.1960 - V ZR 47/55, NJW 1961, 460).

Danach haben auch die Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Der BGH hat in Abkehr von einer älteren Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 11.11.1960 - V ZR 47/55, NJW 1961, 460) entschieden, dass der Streithelfer im Falle einer Vereinbarung der Hauptparteien, nach der die Kosten gegeneinander aufgehoben werden oder jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, nicht besser stehen kann als die von ihm unterstützte Partei. Das bedeutet, dass er von dem Gegner der unterstützten Partei keine Kostenerstattung verlangen kann. Auch die Aufhebung der Kosten bedeutet, dass jede Partei ihre Kosten selbst trägt. Dieses Ergebnis entspricht der Rolle des Streithelfers im Rechtsstreit. Er kann nur unterstützen in einem Prozess, den die beiden Hauptparteien führen. Der Streithelfer muss auch sonst die für ihn nachteiligen Auswirkungen von Prozesshandlungen der Hauptpartei tragen, so dass es keinen Anlass gibt, den Grundsatz der Kostenparallelität aufzugeben (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - V ZB 44/02, BGHZ 154, 351 [354 ff.] = BGHReport 2003, 769; Beschl. v. 14.7.2003 - II ZB 15/02, BGHReport 2003, 1375 = NJW 2003, 3354). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Zutreffend hat das Beschwerdegericht entschieden, dass es nicht darauf ankommt, inwieweit der Streithelfer tatsächlich auf den Vergleich Einfluss nehmen konnte. Etwas Anderes folgt nicht aus dem Beschluss des BGH v. 3.4.2003 (BGH, Beschl. v. 3.4.2003 - V ZB 44/02, BGHZ 154, 351 [354 ff.] = BGHReport 2003, 769) In diesem Beschluss wird lediglich darauf hingewiesen, dass für den Streithelfer die Möglichkeit besteht, sich an den Vergleichsverhandlungen zu beteiligen und es sinnvoll sein kann, dies zu tun.

2. Eine andere Entscheidung ist grundsätzlich auch dann nicht geboten, wenn die Parteien die Aufhebung der Kosten mit dem Ziel vereinbart haben, Kostenerstattungsansprüche des Streithelfers auszuschließen. Die Regelung des § 101 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 ZPO ist zwingend. Eine Anwendung des § 91a ZPO, wie sie vereinzelt erwogen wird (Schwarz, MDR 1993, 1052 [1054], m.w.N.), ist nicht zulässig. Die gesetzliche Regelung lässt keinen Spielraum für die Prüfung, inwieweit die Interessen des Streithelfers durch die im Vergleich erzielte Einigung gewahrt sind. Diese materiellrechtlichen Erwägungen hängen von vielen Umständen ab, deren Überprüfung sich im Rahmen der §§ 101 Abs. 1, 98 ZPO verbietet. Es kann nachvollziehbare Gründe für eine Einigung dahin geben, dass durch die Aufhebung der außergerichtlichen Kosten ein Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers ausgeschlossen sein soll. Diese Gründe können z.B. in der Person oder in dem Verhalten des Streithelfers liegen. Eine derartige Vereinbarung muss nicht zwingend eine sittenwidrige Schädigung oder ein kollusives Zusammenwirken der Hauptparteien zu Lasten des Streithelfers bedeuten. Es ist zu berücksichtigen, dass die Vereinbarung, die außergerichtlichen Kosten aufzuheben, der gesetzlichen Lösung für den Fall entspricht, dass keine Kostenregelung getroffen wird, § 98 ZPO. Das gilt auch für die Kosten der Streithilfe. Auch in diesem Fall kommt es nicht darauf an, inwieweit die Kostenaufhebung die materiellrechtlich orientierten Interessen der Hauptparteien oder des Streithelfers wahrt. Der Senat sieht deshalb, anders als teilweise vertreten (OLG Zweibrücken v. 6.2.2002 - 4 W 7/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 293 = NJW-RR 2003, 142 [143]; OLG Celle NJW 1976, 2170 [2171]), grundsätzlich keinen Ansatz für eine materiellrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigende Beurteilung, die erforderlich ist, wenn von dem Streithelfer ein Verstoß gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, oder auch eine sittenwidrige Schädigung durch die unterstützte Partei ins Feld geführt wird.

3. Eine andere Frage ist, inwieweit die unterstützte Partei sich durch den Vergleichsschluss schadensersatzpflichtig ggü. dem Streithelfer macht, sei es wegen eines vertragswidrigen Verhaltens, sei es wegen einer sittenwidrigen Schädigung. Etwa daraus entstehende materiellrechtliche Schadensersatzansprüche müssen anderweitig geltend gemacht werden (Schubert, JR 2004, 64; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 101 Rz. 7).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1343819

BGHR 2005, 1016

FamRZ 2005, 1080

NJW-RR 2005, 1159

AnwBl 2005, 507

RENOpraxis 2005, 140

RVG-B 2005, 119

Mitt. 2005, 328

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