Tatbestand

Bei Festsetzung der Höhe des Tagessatzes hat die Strafkammer dem Angeklagten die Vermögens- und Einkommensteile zugerechnet, die er ›mit Hilfe der Bestechungsakte erlangt und seiner Ehefrau sowie seinen beiden Töchtern unentgeltlich verschafft‹ hat. Das Landgericht ist der Auffassung, in Abweichung von der Regel des § 40 Abs. 2 StGB müsse hier für die Bemessung des Tagessatzes das ›auf unredliche Weise von den engeren Familienmitgliedern erworbene Vermögen und das daraus fließende Einkommen‹ herangezogen werden. Der Angeklagte habe die Vorteile aus den Bestechungsakten unter Mißbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten der Steuer entzogen und bei seinen Angehörigen in Sicherheit gebracht. Es hieße ein besonders raffiniertes Vorgehen privilegieren, wenn in solchem Fall die der Ehefrau und den Kindern verschafften Vermögensteile ›von der Strafsanktion ausgenommen würden‹. Feststellungen - oder Schätzungen - darüber, ob der Angeklagte auf diese Vermögensteile heute noch rechtlich oder tatsächlich Zugriff hat, ob ihre Erträgnisse dem Angeklagten unmittelbar oder mittelbar noch zufließen oder sonst seiner Verfügungsgewalt unterstehen, hat das Landgericht nicht getroffen oder angestellt.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das seit dem 2. Strafrechtsreformgesetz (1969) geltende Tagessatzsystem wird dadurch geprägt, daß die Festsetzung der Anzahl der Tagessätze (die allgemeinen Strafzumessungsregeln folgt) und die Bestimmung der Höhe des Tagessatzes (die sich im Grundsatz nach den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters richtet) getrennte, nicht miteinander zu vermischende Vorgänge sind.

Die Höhe des Tagessatzes wird maßgeblich von dem Einkommen bestimmt, das der Täter zur Zeit des Urteils hat oder haben könnte. Einkünfte aus Vermögenswerten, die auf andere Personen übertragen sind, können hierfür herangezogen werden, wenn sie ungeachtet der formell fremden Rechtsträgerschaft tatsächlich doch dem Täter unmittelbar oder mittelbar zufließen (oder er sonst über sie verfügen kann). Mittelbar wirken sie sich auch zugunsten des Täters aus, wenn der Ertrag solcher übertragenen Vermögenswerte die Unterhaltspflicht des Täters mindert. Kommen solche Einkünfte dem Täter dagegen nicht (mehr) zugute, so müssen sie in aller Regel außer Betracht bleiben.

Sie können auch nicht mit der Erwägung, ohne die Übertragung auf andere Personen flössen diese Einkünfte dem Täter selbst zu, als Einkommen gewertet werden, das der Täter ›haben könnte‹ (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB); denn dieses der Berücksichtigung fähige erzielbare oder potentielle Einkommen ist nach der konkreten Lebenssituation zu beurteilen (vgl. Dreher/Tröndle, StGB 45. Aufl. § 40 Rdn. 14). Ist die Einkommensquelle - aus welchem Grund auch immer - dem Täter unwiederbringlich verschlossen, so kann er aus ihr kein Einkommen erzielen. Überlegungen, wie sie etwa dem Verfall des Wertersatzes (§ 73 a StGB) zugrundeliegen, dürfen bei der Bemessung der Höhe des Tagessatzes keine Rolle spielen. Das Landgericht hat sich mit diesen Fragen nicht befaßt, weil es sich rechtsirrtümlich befugt glaubte, in einem Fall wie dem vorliegenden auch fremdes Vermögen und Einkommen als solches für die Bemessung des Tagessatzes gegen den Angeklagten heranzuziehen. Diese Befugnis wiederum hat es mit Erwägungen begründet, die (sofern sie zutreffen, was hinsichtlich des Mißbrauchs steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten noch im Streit ist, aufgrund der Urteilsfeststellungen auch nicht entschieden werden kann) allgemeine Strafzumessungserwägungen sind, aber die Höhe des Tagessatzes nicht beeinflussen.

Das Landgericht wird sich daher die Frage vorzulegen haben, ob die Vermögenseinkünfte der Ehefrau und der Töchter dem Angeklagten unmittelbar oder mittelbar zufließen oder sonst zugute kommen. Ergibt sich, daß das ganz oder zum Teil nicht der Fall ist - wobei, weil es um die Frage der ›Einkünfte des Täters‹ geht, hinreichend Raum für Schätzung ist -, so haben diese Einkünfte außer Betracht zu bleiben. Entsprechendes gilt, soweit im Rahmen von § 40 Abs. 2, 3 StGB das Vermögen des Täters eine Rolle spielt, für dieses. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß für die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters auch Wertsteigerungen des Vermögens von Bedeutung sein können. Das hat das Landgericht richtig gesehen.

Insgesamt bleibt dem Tatrichter bei der Bemessung der Tagessatzhöhe ein weiter Beurteilungsspielraum (vgl. BGHSt 27, 212, 215; 27, 228, 230). Der hier aufgezeigte Fehler freilich verletzt das der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Prinzip strikter Trennung der beiden Zumessungsvorgänge, einerseits der Festsetzung der Anzahl der Tagessätze, andererseits der Bemessung der Höhe des Tagessatzes. Diese Trennung ermöglicht es indes, die Aufhebung auf die Höhe des Tagessatzes zu beschränken (vgl. BGHSt 34, 90, 92; 27, 70).

Das neue Tatgericht wird darauf Bedacht zu nehmen haben, deutlicher, als dies im angefochtenen Urteil schließlich geschehen ist, die Grundlagen seiner Schätzung darzulegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993149

NJW 1993, 408

NStZ 1993, 34

wistra 1993, 59

MDR 1993, 66

StV 1993, 69

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