Leitsatz (amtlich)

Zur Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung bei einem Belegarztvertrag.

 

Normenkette

BGB §§ 140, 626

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.03.1980)

LG Fulda

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. März 1980 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es den ersten Hilfsantrag (Feststellung, daß der Belegarztvertrag bis zum 31. Dezember 1979 bestanden hat) abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung eines zwischen ihnen geschlossenen Belegarztvertrages, der ab 1. Januar 1974 bestand. Der Vertrag enthält u.a. folgende Bestimmungen:

§ 2

(1) Das Krankenhaus stellt dem Belegarzt für die stationäre Behandlung seiner Patienten 3 Betten im Neubau des Städtischen Krankenhauses zur Verfügung. Im Rahmen seines Fachgebietes ist der Belegarzt berechtigt, diese Betten nach Maßgabe der Aufnahmebedingungen des Krankenhauses zu belegen, soweit der Belegarzt die Betten zeitweilig nicht belegt, kann das Krankenhaus im Benehmen mit ihm vorübergehend anderweitig darüber verfügen.

Der Magistrat verpflichtet sich, bei Erweiterung der allgemeinen Bettenkapazität des Krankenhauses, soweit es der Krankenhausbedarfsplan zuläßt, 2 weitere Betten zur Verfügung zu stellen.

(2) …

(3) Für die sachgemäße Durchführung der stationären und der Konsiliartätigkeit stellt das Krankenhaus ihm in zumutbarem Umfang die notwendige Standardausrüstung an Einrichtungen (Inventar und medizinisch-technisches Gerät) und Personal zur Verfügung. Herr Dr. R. ist verpflichtet, diese Einrichtungen bei stationärer Behandlung seiner Patienten im Rahmen der ärztlichen Notwendigkeit zu benutzen.

§ 14

(1) Das Vertragsverhältnis beginnt am 1.1.1974. Es ist nicht befristet und kann beiderseits mit einer Frist von 6 Monaten zum Schluß eines Kalenderjahres gekündigt werden. Während der ersten 6 Monate ist die Kündigung jederzeit mit einer Frist von einem Monat zulässig. Nach fünfjähriger Vertragsdauer kann nur noch gekündigt werden, wenn organisatorische oder persönliche Gründe die Kündigung erforderlich machen. Der Vertrag endet mit Ablauf des Monats, in dem der Belegarzt das 65. Lebensjahr vollendet.

(2) Aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) kann das Vertragsverhältnis jederzeit gekündigt werden.

Unter dem 20. Dezember 1978 sprach die Beklagte die fristlose Kündigung des Vertrages aus. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe seit längerer Zeit fast alle in sein Fachgebiet fallenden Operationen in seiner Privatpraxis – statt in den städtischen Kliniken – durchgeführt. Damit habe der Kläger gegen die sich aus § 2 Abs. 3 des Belegarztvertrages ergebende Verpflichtung verstoßen, bei stationärer Behandlung seiner Patienten Inventar und medizinisch-technisches Gerät der städtischen Krankenanstalten zu benutzen. Sinn und Wortlaut des Belegarztvertrages hätte es entsprochen, wenn der Kläger die zur stationären Aufnahme überführten Patienten – von Notfällen abgesehen – in den städtischen Kliniken operiert hätte. Ferner sei ein von der Firma H. den städtischen Kliniken ausgeliehenes und dort seit 21/2 Jahren vermißtes Kardioskop in der Privatpraxis des Klägers aufgefunden worden.

Das Kündigungsschreiben wurde von der Beklagten als Einschreiben abgesandt. Die Annahme der Sendung wurde am 21. Dezember 1978 in der Praxis des Klägers abgelehnt, wie der Kläger behauptet hat, durch seine Angestellte. Am Nachmittag des 21. Dezember 1978 bat der Kläger telefonisch um Nachsendung des Briefes an eine Adresse in P. Da der Kläger aber beim Postamt P. einen Nachsendungsauftrag nach Sch. gestellt hatte, wurde dort ein weiterer Zustellungsversuch unternommen, der aber scheiterte, da bei der angegebenen Adresse niemand anzutreffen war. Der Kläger holte den Einschreibbrief schließlich am 2. Januar 1979 selbst beim Postamt in Sch. ab.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die fristlose Kündigung des Belegarztvertrages sei nicht gerechtfertigt. Eine Pflicht zur Vornahme von Operationen in den städtischen Kliniken sei dem Vertrag nicht zu entnehmen. Das Kardioskop sei seit Jahren nicht benutzt worden, da es nicht funktionsfähig gewesen sei. Er habe das Gerät in seine Privatpraxis bringen lassen, wo er mit einem Angestellten der Herstellerfirma die Frage habe klären wollen, welche Maßnahmen zur Herstellung der Punktionsfähigkeit des Geräts erforderlich seien und wie es gegebenenfalls in den städtischen Anstalten eingesetzt werden könne. Daß das Gerät vermißt worden sei, sei ihm nicht bekannt gewesen.

Nachdem sich die Beklagte im Berufungsrechtszug darauf berufen hatte, daß der Belegarztvertrag jedenfalls durch die in der außerordentlichen Kündigung enthaltene ordentliche Kündigung beendet sei, hat der Kläger zuletzt beantragt, festzustellen, daß der zwischen den Parteien geschlossene Belegarztvertrag durch die von der Beklagten am 2. Januar 1979 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden sei und auch nicht aufgelöst werde,

hilfsweise,

festzustellen, daß der Belegarztvertrag bis zum 31. Dezember 1979 bestanden habe.

Weiter hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm im Rahmen des Belegarztvertrages Betten in den städtischen Kliniken zur Verfügung zu stellen,

hilfsweise,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, dem Kläger im Rahmen des Belegarztvertrages bis zum 31. Dezember 1979 drei Betten in den städtischen Kliniken zur Verfügung zu stellen.

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Revision hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung der Hauptanträge wendet.

1. Das Berufungsgericht läßt es dahingestellt, ob die außerordentliche Kündigung des Belegarztvertrages durch die Beklagte wirksam gewesen sei. Im Dezember 1978, so führt es aus, habe der Vertrag nach § 14 Abs. 1 noch durch ordentliche Kündigung beendet werden können. Eine ordentliche Kündigung sei als ausgesprochen anzusehen (§ 140 BGB), wenn die außerordentliche Kündigung nicht wirksam sein sollte. Die Berufung des Klägers darauf, daß er das Kündigungsschreiben erst im Januar 1979 erhalten habe, widerspreche Treu und Glauben und sei daher unbeachtlich.

2. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Rechtlich bedenkenfrei ist zunächst, daß das Berufungsgericht für die Entscheidung über die Hauptanträge die Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Belegarztvertrages offengelassen hat. Diese (umfassenden) Anträge sind auf Vertragserfüllung bzw. auf die Feststellung gerichtet, daß der Vertrag weder durch die außerordentliche noch durch die von der Beklagten im Berufungsrechtszug hilfsweise geltend gemachte ordentliche Kündigung aufgelöst ist; diese Anträge können schon dann keinen Erfolg haben, wenn der Belegarztvertrag durch die in der außerordentlichen Kündigung enthaltene ordentliche Kündigung beendet wurde.

b) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Belegarztvertrag nach § 14 Abs. 1 des Vertrages bis 31. Dezember 1978 zum 31. Dezember 1979 ordentlich gekündigt werden konnte. Es führt aus, daß die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung hilfsweise in eine auf den 31. Dezember 1979 ausgesprochene ordentliche Kündigung umzudeuten sei. Regelmäßig sei davon auszugehen, daß eine außerordentliche Kündigung für den Fall ihrer Unwirksamkeit als ordentliche Kündigung für den nächstmöglichen Termin gelten solle. Im Streitfall sei der unbedingte Wille der Beklagten zur Beendigung des Vertrags dem Kläger erkennbar geworden, zumal die zur Rechtfertigung der Kündigung angeführten Tatsachen wahr gewesen seien.

Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.

aa) Zu Unrecht meint die Revision, das Berufungsgericht nehme unzutreffenderweise an, daß die Parteien übereinstimmend von der Richtigkeit des der Kündigung zugrunde gelegten Sachverhalts ausgingen. Richtig an diesem Bedenken der Revision ist nur, daß die Beweggründe des beanstandeten Verhaltens des Klägers und seine Berechtigung hierzu umstritten sind. Daß der Kläger die anfallenden Operationen so gut wie ausschließlich in seiner Privatpraxis ausgeführt hat, ist demgegenüber unstreitig, ebenso der Umstand, daß er das Gerät der Firma H. in seine Privatpraxis gebracht hatte.

bb) Die Revision beanstandet weiter, das Berufungsgericht habe verkannt, daß bei der Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung vom hypothetischen Willen eines vernünftig denkenden, an rechtlich billigenswerten Erwägungen orientierten Menschen auszugehen sei. Da die Umdeutung der Erklärung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts infrage stehe, müsse zudem beachtet werden, daß die Körperschaft sich auch im Bereich des Privatrechts an Gesetz und Recht auszurichten, sich willkürlicher Entschließungen zu enthalten und die Grundsätze der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen zu beachten habe.

Diese Erwägungen sprechen nicht gegen das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis. Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerfrei an, daß im Bereich des Dienstvertragsrechts, an das sich die Parteien in § 14 ihres Vertrags angelehnt haben (zur Rechtsnatur des Belegarztvertrages vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1972 – III ZR 212/70 = NJW 72, 1128, 1129), die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung grundsätzlich zulässig ist (BAGE 27, 263, 270; BAG NJW 76, 2366, 2367; BAG AP Nr. 50 zu § 256 ZPO; Palandt/Putzo, BGB 41. Aufl. § 626 Anm. 3 e bb; Soergel/ Siebert/Kraft, BGB 11. Aufl. § 626 Rdn. 58; Staudinger/ Neumann, BGB 12. Aufl. § 626, Rdn. 69; MünchKomm/ Schwerdtner vor § 620 Rdn. 81; Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 10. Aufl. 1980 § 13 Rdn. 26). Vom Willen des Kündigenden, das Dienstverhältnis notfalls zum nächstzulässigen Termin zu beenden, kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn wie im Streitfall die vom Kündigenden für den wichtigen Grund angenommenen Tatsachen zutreffen (vgl. Palandt/Putzo a.a.O.). Bei einem solchen Sachverhalt gibt der Kündigende mit dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung in der Regel zu erkennen, daß er das Dienstverhältnis in jedem Falle auflösen will (Staudinger/Neumann a.a.O.). Vor diesem Hintergrund erweist sich die von der Revision angegriffene Auslegung der Kündigungserklärung durch das Berufungsgericht als nicht nur möglich, sondern sogar als naheliegend. Im Kündigungsschreiben der beklagten Stadt stand nicht nur räumlich der Vorwurf an erster Stelle, der Kläger verstoße gegen Sinn und Wortlaut des Belegarztvertrages, wenn er vorwiegend in seiner Privatpraxis operiere. Ob die damit geäußerte Rechtsauffassung zutraf und ob eine – angenommene – Vertragsverletzung durch den Kläger derart schwer wog, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Das Kündigungsschreiben brachte jedenfalls klar zum Ausdruck, daß die beklagte Stadt die Zurückhaltung des Klägers mit Operationen in den städtischen Krankenanstalten als Mißstand empfang, dem sie – notfalls durch ordentliche Kündigung – ein Ende bereiten wollte. Damit erweist sich auch die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, daß dem Kläger der auf den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung gerichtete mutmaßliche Wille der Beklagten erkennbar geworden sei, als unbegründet. Dies ist für die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung allerdings Voraussetzung (BAGE 27, 263, 270; BAG NJW 76, 2366, 2367; MünchKomm/Mayer/Maly § 140 Rdn. 30). Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt, daß dem Kläger der auf unbedingte Aufhebung des Vertrages gerichtete Wille der Stadt erkennbar geworden ist. Diese Auslegung ist nach dem oben Ausgeführten revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

cc) Die Revision rügt schließlich, das Berufungsgericht habe verkannt, daß nach hessischem Gemeinderecht die rechtliche Wirksamkeit der Kündigung von dem Beschluß eines von dem die Kündigung Erklärenden unabhängigen Gremiums (des Magistrats) abhängig gewesen sei. Dann komme die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung aber nur in Betracht, wenn das zur Beschlußfassung berufene Gremium über eine ordentliche Kündigung mitberaten und beschlossen habe.

Die Revision lehnt sich insoweit an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur vorherigen Anhörung des Betriebsrats bei Kündigungen nach § 102 BetrVG an (vgl. die Nachweise bei G. Hueck a.a.O. § 13 Rdn. 27; MünchKomm/Schwerdtner a.a.O. Rdn. 82–84; s. auch BAG NJW 76, 2366, 2368).

Auch diese Rüge der Revision geht fehl. Das Verhältnis zwischen Magistrat und Bürgermeister (zur Magistratsverfassung nach hessischem Gemeinderecht vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. II 4. Aufl. § 87 IV d 1 S. 242) läßt sich nicht mit dem Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Falle der Kündigung eines Arbeitnehmers vergleichen. Magistrat und Bürgermeister sind Organe derselben öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Die Kündigung des Belegarztvertrages im Streitfall stand wegen der Bedeutung der Sache dem Magistrat zu, während es dem Bürgermeister nur oblag, den Beschluß des Magistrats über die Kündigung vorzubereiten und dann auszuführen (§§ 70 Abs. 1 Satz 1, 71 Abs. 1 Satz 2 der hessischen Gemeindeordnung).

c) Das Berufungsgericht hält es für mit Treu und Glauben unvereinbar, daß der Kläger sich darauf beruft, das Kündigungsschreiben nicht vor dem 31. Dezember 1978 erhalten zu haben. Der Kläger habe keine ausreichenden Empfangsvorkehrungen getroffen, obwohl er aufgrund des vorausgegangenen Schriftwechsels mit einer Kündigung rechnen mußte. Vielmehr habe er selbst durch zwei Nachsendungsanträge die Ursache dafür gesetzt, daß der Einschreibebrief nicht alsbald an ihn übergeben werden konnte.

Diese Ausführungen werden von der Revision nicht; beanstandet. Sie entsprechen auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 67, 271, 277 ff.; BGH Urteil vom 18. Dezember 1970 – IV ZR 52/69 = VersR 71, 262, 263).

3. Da im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht der Belegarztvertrag jedenfalls durch ordentliche Kündigung beendet war, hat das Berufungsgericht zutreffend die Hauptantrage des Klägers für unbegründet angesehen.

II.

Die Revision hat dagegen teilweise Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht auch die Hilfsanträge abgewiesen hat.

1. Das Berufungsgericht hält den ersten Hilfsantrag auf Feststellung, daß der Belegarztvertrag bis zum 31. Dezember 1979 – dem Datum des Wirksamwerdens der ordentlichen Kündigung – bestanden habe, für unzulässig. Nachdem das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis erloschen sei, sei ein Feststellungsinteresse nur zu bejahen, soweit der Kläger Nachwirkungen aus dem erloschenen Vertrag herleite. Hierfür sei vom Kläger indes nichts vorgebracht worden. Es sei nicht erkennbar, ob dem Kläger ein Schaden daraus entstanden sei, daß ihm im Jahre 1979 Belegbetten in den städtischen Kliniken nicht zur Verfügung gestanden hätten.

Den Angriffen der Revision gegen diese Ausführungen kann der Erfolg nicht versagt bleiben. Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht bei seinen Ausführungen entscheidungserheblichen Prozeßstoff nicht berücksichtigt hat. Daß dem Kläger aus der Weigerung der Beklagten, ihm die im Vertrag vorgesehenen Belegbetten in den städtischen Krankenanstalten zur Verfügung zu stellen, ein Schaden entstanden ist, lag schon nach der Lebenserfahrung nahe. Der Kläger hatte dies auch ausdrücklich geltend gemacht. In der Berufungsbegründung hatte er vorgetragen, der Entzug von Belegbetten habe einen erheblichen Eingriff in seine Praxis bedeutet. Daß ihm durch die – seiner Auffassung nach unwirksame – außerordentliche Kündigung ein „nicht wieder gut zu machender Schaden” entstehe, hatte der Kläger auch im Verfahren wegen einstweiliger Verfügung glaubhaft gemacht; hierauf hatte er sich zu Beweiszwecken bezogen. Das Berufungsgericht durfte hiernach nicht davon ausgehen, daß aus dem erloschenen Belegarztvertrag keine Nachwirkungen mehr abgeleitet würden, ohne gegen § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu verstoßen.

Da die Zulässigkeit der Feststellungsklage schon aus den genannten Gründen nicht verneint werden kann, kommt es nicht darauf an, ob die Feststellungsklage nicht auch aus anderen Gründen als zulässig angesehen werden müßte. Insoweit könnte in Betracht kommen, daß dem Kläger im Hinblick auf sein gesellschaftliches Ansehen und sein weiteres berufliches Schicksal daran gelegen sein kann, die Frage der Berechtigung der außerordentlichen Kündigung rechtskräftig klären zu lassen (vgl. BAGE 9, 361, 362; siehe auch Hillebrecht, in: Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 1981, § 626 BGB Rdn. 271).

Ob der Beklagten ein Grund zur außerordentlichen Kündigung zur Verfügung stand, hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – offengelassen. Zu einer Entscheidung in der Sache ist der erkennende Senat nicht in der Lage, da Tatsachen, die für die umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls von Bedeutung sein können (zur Abwägung im Rahmen des § 626 BGB vgl. Palandt/Putzo a.a.O. Anm. 4 c; MünchKomm/Schwerdtner § 626 Rdn. 32–34; Staudinger/Neumann § 626 Rdn. 25 ff.), nicht festgestellt sind. Das Berufungsgericht wird dies nachzuholen haben. Dabei wird sich eine Verpflichtung des Beklagten, notwendige Operationen im Krankenhaus auszuführen, schwerlich auf den Wortlaut des § 2 Abs. 3 des Belegarztvertrages stützen lassen. Denn dieser handelt lediglich von einer Benutzung des krankenhauseigenen Inventars und Personals „bei stationärer Behandlung”, ohne deren Voraussetzungen und Anlässe selbst zu regeln. Angesichts der Bedeutung, die eine solche Verpflichtung für die ärztlichen Entscheidungen des Klägers haben mußte, spricht vieles dafür, daß die Vertragsparteien eine derart wichtige Frage im Vertrag ausdrücklich geregelt hätten. Gegenüber einer etwa doch anzunehmenden Verpflichtung, in einem noch näher zu bestimmenden Umfang im Krankenhaus zu operieren, die das Landgericht auch aus der damaligen Stellung des Klägers als „Chefarzt” der Kieferchirurgischen Abteilung der städtischen Kliniken hergeleitet hat, sind vom Kläger in der Berufungsbegründung wesentliche Einwände vorgebracht worden, die gegebenenfalls der tatrichterlichen Würdigung bedürfen.

2. Zu Recht hat das Berufungsgericht dagegen den zweiten Hilfsantrag (Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet gewesen sei, dem Kläger bis zum 31. Dezember 1979 Belegbetten zur Verfügung zu stellen) als unzulässig angesehen. Was die Revision dagegen vorbringt, greift nicht durch. Das Wesen der Feststellungsklage besteht nicht in der Vorklärung von Einzelfragen eines künftigen Leistungsprozesses (Stein/Jonas/Leipold ZPO 19. Aufl. § 256 Anm. II 1 b; hier: eines Schadensersatzprozesses). Mehr hätte der vom Kläger insoweit gestellte Hilfsantrag nicht zu leisten vermocht. Im übrigen stellte hier die Frage der Verpflichtung der Beklagten zum Bereitstellen von Belegbetten keinen aus dem Vertragszusammenhang herauszulösenden selbständigen Streitpunkt dar; sie erledigte sich vielmehr durch die Entscheidung über den (umfassenden) ersten Hilfsantrag von selbst.

 

Unterschriften

Nüßgens, Krohn, Tidow, Scholz-Hoppe, RiBGH Dr. Halstenberg kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Nüßgens

 

Fundstellen

Haufe-Index 1237637

NJW 1982, 2603

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