Leitsatz (amtlich)

›Zur Frage der Formbedürftigkeit der Vereinbarung über die Abänderung der Voraussetzungen für einen Rücktritt von einem Grundstücksverkauf.‹

 

Verfahrensgang

LG Hannover

OLG Celle

 

Tatbestand

Die Kläger verkauften mit notariellem Vertrag vom 23. Juni 1981 eine ca. 9.727 m² große Teilfläche eines ihnen gehörenden Grundstückes zum Preis von 100 DM/m² an die Beklagten. Im Zusammenhang mit dem Kaufpreis ist in § 3 Abs. 3 des Vertrages bestimmt:

"Der Käufer ist außerdem verpflichtet, alle auf dem Gesamtgrundbesitz vorhandenen Gebäude auf eigene Kosten bebauungsfertig abzureißen. Unter Berücksichtigung des dem Verkäufer verbleibenden Grundstücksteiles ist der Käufer berechtigt, ein Drittel der Abrißkosten, höchstens aber 50.000 DM gegen Nachweis vom Kaufpreis abzuziehen."

An der Vertragsbeurkundung waren auf Verkäuferseite die Kläger zu 4 und 5 nicht persönlich beteiligt. Ihre Erklärungen wurden von einer Anwaltsgehilfin ohne Vertretungsvollmacht abgegeben. Auf der Käuferseite gab der Beklagte zu 1 die Erklärungen zugleich als vollmachtloser Vertreter für den Beklagten zu 2 ab. In § 11 Abs. 5 des Vertrages heißt es dann:

"Der Käufer ist zum Rücktritt ... berechtigt, wenn die Genehmigung der Vertretenen zu 4" (der Kläger zu 4 und zu 5) "nicht bis zum 15. Juli 1981 dem Notar vorliegt."

Grund für diese Absprache war u.a., daß zwischen der Klägerin zu 4 und den übrigen Verkäufern Interessengegensätze bestanden. In der Folgezeit verhandelten u.a. die Klägerin zu 4 und die Beklagten über den Inhalt des Vertrages. Nach dem im Berufungsurteil in Bezug genommenen Briefwechsel zwischen den Beklagten und der Klägerin zu 4 war Gegenstand der Verhandlungen im wesentlichen die Zulassung einer Grenzbebauung und ein Erlaß des nach § 3 Abs. 3 der Vertragsurkunde auf die Klägerin zu 4 entfallenden Teils der Abbruchkosten, um den die Käufer nach dem bisherigen Vertragswortlaut den Kaufpreis verkürzen durften. Außerdem sollten die Beklagten in Abänderung von § 11 Abs. 4 der Vertragsurkunde zum Rücktritt nur berechtigt sein, wenn die Klägerin zu 4 nicht bis zum 30. September 1981 die Genehmigung des Vertrages erklären sollte.

Vereinbarte Abänderungen des beurkundeten Vertragswortlautes wurden nicht notariell beurkundet.

Die Klägerin zu 4 erklärte unter dem 30. September 1981 die Genehmigung des Kaufvertrages. Auch die übrigen erforderlichen Genehmigungen wurden oder waren bereits erteilt.

Nachdem sich bei der Durchführung des Vertrages hinsichtlich einer Teilungsgenehmigung und wegen eines Vorkaufsrechts der Stadt St Schwierigkeiten und Verzögerungen ergeben hatten, teilte der beurkundende Notar unter dem 19. Dezember 1983 den Verkäufern mit, die im Vertrag geregelten Voraussetzungen für die Zahlbarkeit des Kaufpreises seien erfüllt, allerdings sei die Auflassung noch nicht erklärt.

Nach Beurkundung der Auflassung forderte der Notar mit Schreiben vom 14. Februar 1984 die Beklagten zwecks Beantragung der Eigentumsumschreibung zum Nachweis der Kaufpreiszahlung auf.

Mit Schreiben vom 2. März 1984 erklärte der Beklagte zu 1 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die Kläger haben Klage auf Zahlung eines Teils des Kaufpreises in Höhe von 150.000 DM erhoben. Während des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 2 ebenfalls den Rücktritt vom Vertrag erklärt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision verfolgen sie den Klageabweisungsantrag weiter. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der von den Beklagten erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag sei ohne Wirkung geblieben. Der Rücktritt sei davon abhängig gewesen, daß die Klägerin zu 4 bis zum 30. September 1981 den durch vollmachtlosen Vertreter geschlossenen Vertrag nicht genehmigte. Die erforderliche Genehmigung sei jedoch am 30. September 1981 erteilt worden. Die im notariell beurkundeten Kaufvertrag vorgesehene Frist bis zum 15. Juli 1981 sei einverständlich bis zum 30. September 1981 verlängert worden. Die Verlängerungsvereinbarung habe nicht der notariellen Beurkundung bedurft. Aber selbst wenn die Voraussetzungen für einen wirksamen Rücktritt vorgelegen hätten, habe der erst 1984 und später erklärte Rücktritt keine Wirkung entfalten können. Die Auslegung des Kaufvertrages ergebe nämlich, daß die Beklagten die Möglichkeit zum Rücktritt nur dann haben sollten, wenn es nicht alsbald nach Vertragsschluß zur Genehmigung durch die bei der Beurkundung nicht vertretenen Vertragspartner kommen würde. Diese Voraussetzung sei aber nicht eingetreten. Alle Genehmigungen hätten im Laufe des Jahres 1981 vorgelegen und die Beklagten hätten auch in der Folgezeit alles getan, um den Vertrag erfolgreich abzuwickeln. Davon hätten sie erst Abstand genommen, als sie aus wirtschaftlichen Erwägungen an dem Vertrag nicht länger hätten festhalten wollen.

II. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand:

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte die Vereinbarung über die Abänderung der Voraussetzungen über den Rücktritt der Beklagten der notariellen Beurkundung. Dem Formzwang des § 313 Satz 1 BGB unterliegen alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien zu dem schuldrechtlichen Veräußerungsgeschäft gehören. Das gilt grundsätzlich auch für Abreden, durch die ein schon beurkundeter, aber noch nicht durch Auflassung vollzogener Grundstückskaufvertrag nachträglich abgeändert wird (vgl. Senatsurt. v. 6. November 1981, V ZR 138/80, NJW 1982, 434, 435 m.w.N.). Für einen beurkundeten, aber mangels erteilter Genehmigung nach § 177 BGB schwebend unwirksamen Kaufvertrag gilt nichts anderes.

Eine Ausnahme vom Beurkundungszwang kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats allerdings in Betracht, wenn durch eine nachträgliche Vereinbarung unvorhergesehen aufgetretene Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung beseitigt werden sollen und durch die dazu getroffenen Vereinbarungen die beiderseitigen Verpflichtungen aus dem Grundstückskaufvertrag nicht wesentlich verändert werden (vgl. Senatsurt. aaO. m.w.N.).

Die vorliegende nachträgliche Vereinbarung erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Es ist schon zweifelhaft, ob die Vereinbarung der Beseitigung unvorhergesehen aufgetretener Schwierigkeiten dienen sollte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bestanden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Interessengegensätze zwischen der Klägerin zu 4 und den übrigen Verkäufern. Dem entspricht es, daß gerade für den Fall, daß die Klägerin zu 4 bis zum 15. Juli 1981 die Genehmigung des Kaufvertrages nicht erteilte, die Beklagten sich aus der vertraglichen Bindung durch Rücktritt lösen könnten. Schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dürfte daher klar gewesen sein, daß mit der Klägerin zu 4 weitere Verhandlungen zwecks Herbeiführung der Genehmigung erforderlich werden würden.

Es handelt sich auch nicht um die Beseitigung von Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung. Die Vereinbarung zwischen den Beklagten und der Klägerin zu 4 sollten die in dem nach § 177 BGB schwebend unwirksamen Kaufvertrag getroffenen Regelungen zugunsten der Klägerin zu 4 so ausgestalten, daß diese zur Erteilung der Genehmigung bereit war. Es ging also nicht um die Ausräumung von Abwicklungsschwierigkeiten, sondern vielmehr um die Herbeiführung eines für die Klägerin zu 4 genehmigungsfähigen Vertragswerkes, das anschließend erst abgewickelt werden sollte.

Eine Ausnahme vom Formzwang kann hier auch nicht - wie es das Berufungsgericht angenommen hat - im Anschluß an BGHZ 66, 279 zugelassen werden. Nach diesem Urteil des Bundesgerichtshofes bedarf eine Vereinbarung, durch die die Frist zur Ausübung eines vertraglichen Rücktrittsrechts verlängert wird, nicht der notariellen Beurkundung. Die nachträgliche Vereinbarung eines Rücktrittsrechts oder die nachträgliche Vereinbarung der Verlängerung der Frist für ein bereits begründetes Rücktrittsrecht müsse der Vertragsaufhebung gleichgestellt werden. Diese sei jedenfalls bis zur Erklärung der Auflassung formlos möglich (vgl. hierzu auch BGHZ 83, 395, 398). Es mache aber keinen wesentlichen Unterschied, ob durch eine nachträgliche Vereinbarung der Kaufvertrag unmittelbar aufgehoben oder lediglich einer Partei die Möglichkeit eingeräumt werde, sich durch einseitige Erklärung vom Vertrag zu lösen.

Diese Grundsätze können auf die vorliegende Vereinbarung über die Verlängerung der Genehmigungsfrist nicht übertragen werden. Anders als in dem in BGHZ 66, 270 entschiedenen Fall ist hier nicht bloß zugunsten der Beklagten die Möglichkeit der Ausübung des Rücktrittsrechts verlängert worden. Die Rücktrittsvoraussetzungen wurden vielmehr gegenüber der beurkundeten Absprache verschärft. Während nach der ursprünglichen Vereinbarung der Rücktritt schon dann erklärt werden konnte, wenn die Klägerin zu 4 den Vertrag nicht bis zum 15. Juli 1981 genehmigte, sollten die Beklagten nunmehr auf die Genehmigung bis zum 30. September 1981 warten müssen. Eine solche, den Inhalt des Kaufvertrages bezüglich des Rücktrittsrechts nicht unwesentlich zu Lasten der Käufer ändernde Vereinbarung bedarf aber der notariellen Beurkundung. Sie ist daher vorliegend mangels Einhaltung dieser Form nichtig (§§ 313, 125 BGB).

Da im Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung der Kaufvertrag mangels Genehmigung noch nicht wirksam war, muß sich die Formnichtigkeit nicht bloß auf die den Kaufvertrag abändernde Absprache beschränken. Da die Verlängerung der Genehmigungsfrist nach den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen von den Beklagten der Klägerin zu 4 nur mit Rücksicht auf die noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen über eine Abänderung des Kaufvertrages zugunsten der Klägerin zu 4 angeboten und von dieser akzeptiert worden ist, liegt ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 139 BGB zwischen dem noch schwebend unwirksamen Kaufvertrag und der Abänderungsvereinbarung nahe. Ob die Parteien den Kaufvertrag auch ohne die nichtige Abänderungsvereinbarung hätten abschließen wollen, bedarf jedoch der weiteren tatrichterlichen Würdigung. Gleiches gilt für die Frage, ob sich die Berufung auf den Formmangel ausnahmsweise als unzulässige Rechtsausübung darstellt.

2. Für den Fall, daß die erneute Prüfung nicht zu einer Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrages führt, ist auf folgendes hinzuweisen:

Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob zwischen den Beklagten und der Klägerin zu 4 nach der Beurkundung und vor der Genehmigung des zunächst gemäß § 177 BGB schwebend unwirksamen Vertrages Vereinbarungen getroffen worden sind, durch die der Kaufvertrag abgeändert werden sollte. So legt der im Berufungsurteil in Bezug genommene Schriftwechsel die Annahme nahe, daß die Beklagten zusätzlich zur Kaufpreiszahlung die Grenzbebauung zulassen und vor allen Dingen der Klägerin zu 4 den auf sie nach § 3 Abs. 3 der Vertragsurkunde entfallenden Teil der Abbruchkosten, um den die Käufer den Kaufpreis verkürzen durften, erlassen sollten. Eine solche Vereinbarung hätte nach § 313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung bedurft. Wegen der grundsätzlichen Formbedürftigkeit abändernder Vereinbarungen kann auf die obigen Ausführungen zu 1 verwiesen werden. Der Erlaß von Abbruchkosten zugunsten der Klägerin zu 4 und eine damit verbundene Erhöhung des Kaufpreises würden eine wesentliche Umgestaltung der kaufvertraglichen Verpflichtungen darstellen. Sie hätte daher der notariellen Beurkundung bedurft. Die Formnichtigkeit der nachträglich getroffenen Vereinbarung würde grundsätzlich zur Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrages führen, wenn die Zusatzvereinbarung und der Kaufvertrag ein einheitliches Geschäft im Sinne des § 139 BGB waren. Einer Geschäftseinheit würde nicht entgegenstehen, daß an der Zusatzvereinbarung nicht durchweg dieselben Parteien wie an dem beurkundeten Kaufvertrag beteiligt waren (BGHZ 76, 43, 49; 78, 346, 349). Da die Klägerin zu 4 anscheinend die Genehmigung des Kaufvertrages von den Zusatzvereinbarungen abhängig gemacht hatte, liegt die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Sinne des § 139 BGB nahe. Daß die Parteien der Zusatzvereinbarung davon ausgingen, eine notarielle Beurkundung sei mit Rücksicht auf eine intern getroffene Regelung nicht notwendig, würde die Einheit des Rechtsgeschäftes nicht in Frage stellen. Ob dieses auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre, bedarf auch hier weiterer tatrichterlicher Prüfung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992932

DB 1988, 2092

NJW 1988, 3263

DRsp I(125)328a

WM 1988, 1026

DNotZ 1989, 228

MDR 1988, 849

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