Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsansprüche von Vorstandsmitgliedern. Masseschuld. Konkursforderung. Zeitliche Abgrenzung

 

Leitsatz (amtlich)

Ansprüche eines Vorstandsmitglieds auf Überbrückungsgeld und betriebliche Altersversorgung sind mit dem vor Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Anstellungskörperschaft erdienten Anteil Konkursforderung und mit dem während des eröffneten Verfahrens entstandenen Anteil Masseschuld.

 

Normenkette

KO § 59 Abs. 1 Nr. 2; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 108 Abs. 2

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 03.07.2003; Aktenzeichen 2 U 1737/99)

LG Berlin (Urteil vom 21.01.1999; Aktenzeichen 34 O 396/98)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des KG vom 3.7.2003, berichtigt durch Beschluss vom 15.8.2003, im Kostenpunkt und zu Nr. 4 des Ausspruchs (Altersruhegeld und Witwengeld) insgesamt sowie zu Nr. 2g) des Ausspruchs (Überbrückungsgeld) insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

[1] Der Kläger war seit dem 1.1.1988 leitend für die K. AG tätig, bis zu ihrem Formwechsel als Geschäftsführer, nachher als zeitweilig alleiniger Vorstand. Zuletzt wurde der Kläger für eine Amtsdauer vom 1.6.1993 bis zum 31.5.1998 bestellt. Den Anstellungsvertrag des Klägers für diese Amtsperiode unterzeichneten die Beteiligten am 18.12.1992, wobei die Gesellschaft durch ihren Aufsichtsratsvorsitzenden, den Beklagten zu 1), vertreten wurde.

[2] Zu Anfang des Jahres 1995 geriet die K. AG in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Abberufung des Klägers aus dem Vorstand zum 30.1.1995 wurde durch rechtskräftiges Urteil für unwirksam erklärt. Am 5.4.1995 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und der Beklagte zu 2) zu ihrem Verwalter ernannt.

[3] Der Kläger erhebt gegen den Konkursverwalter Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag. Soweit für die Revision noch von Interesse, verlangt er Überbrückungsgeld für die Zeit vom 1.6.1998 bis zum 31.3.2004 (vom Ende des Anstellungsvertrages bis zum Erreichen der Altersgrenze) sowie Altersruhe- und Witwengeld für die Zeit nach dem 31.3.2004.

[4] Das LG hat Ansprüche des Klägers auf Überbrückungsgeld antragsgemäß als Masseschuld zur Tabelle festgestellt. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) hat das Berufungsgericht die Feststellung dahingehend geändert, dass der Kläger nur Konkursgläubiger sei, und zwar i.H.v. 451.264,33 EUR. Dagegen hat der Senat die Revision des Klägers zugelassen, mit welcher dieser den Berufungsantrag (Berufungsurteil S. 19 Buchst. g) auf Zahlung von 455.108,59 EUR nebst Zinsen weiterverfolgt.

[5] Den Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld nach dem 31.3.2004 und die Versorgung seiner Witwe hat das LG mit festen Monatsbeträgen von 11.327,58 DM beschränkt auf den Ausfall nach abgesonderter Befriedigung und unter Vorbehalt des Erlebens als Masseschuld zur Tabelle festgestellt, wobei sich die Beträge des Überbrückungsgeldes und des Altersruhegeldes für die Witwenversorgung auf die Hälfte ermäßigten. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) hat das OLG die Klage in diesem Punkt - auch für die gesamte Witwenversorgung - abgewiesen. Hiergegen wendet sich die insoweit vom OLG zugelassene Revision des Klägers mit dem Ziel, nach den zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen und Hilfsanträgen zu Buchstabe h (Ruhegehalt) und Buchstabe i (Witwenversorgung) - jeweils S. 20 des Berufungsurteils - zu erkennen, weiterhin hilfsweise, insoweit das landgerichtliche Teilurteil vom 21.1.1999 in Nr. 2 Buchstabe h (Ruhegehalt seit dem 1.4.2004) und Buchstabe i (Witwenversorgung) seines Ausspruchs wieder herzustellen.

[6] Der Beklagte zu 1) ist an dem weiteren Rechtsstreit nur noch wegen der Kosten der beiderseitig erhobenen und nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerden rechtskräftig aberkannten Ansprüche beteiligt.

 

Entscheidungsgründe

[7] Die Revision des Klägers ist begründet. Sie ist gem. §§ 555, 331 ZPO gegenüber dem in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsmäßiger Ladung nicht vertretenen Beklagten zu 2) durch Versäumnisteilurteil zu bescheiden, welches jedoch auf sachlicher Prüfung beruht (BGHZ 37, 79, 81 f.). Gegenüber dem Beklagten zu 1) ergeht wegen des noch offenen Kostenpunktes mit Zustimmung beider Teile Schlussurteil im schriftlichen Verfahren. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist nach dem festgestellten Streitverhältnis gegenüber beiden Beklagten derzeit nicht möglich.

I.

[8] Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld vom 1.6.1998 bis zum 31.3.2004

[9] 1. Das Berufungsgericht hat den im Anstellungsvertrag begründeten, anderweitig nicht abgedeckten Anspruch des Klägers auf Überbrückungsgeld bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nur als Konkursforderung zur Tabelle festgestellt, weil der Kläger hierfür nach dem Ende seiner Anstellung keine Gegenleistung mehr zu erbringen gehabt habe.

[10] 2. Diese Auffassung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Ansprüche aus einem vor Konkurseröffnung erteilten Ruhegehaltversprechen hat das BAG nach Konkurseröffnung zwar im Allgemeinen als Konkursforderungen beurteilt (BAGE 60, 32, 34 = ZIP 1989, 319). Zutreffend hat es aber dann, wenn das Arbeitsverhältnis nach Konkurseröffnung fortdauerte, die während des Verfahrens zeitanteilig erdiente Rente als Masseschuld gem. § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO gewertet (BAGE 57, 152, 157; zustimmend Kübler/Prütting/Pape, Insolvenzordnung § 55 Rz. 58; a.A. MünchKomm-InsO/Hefermehl, 2. Aufl., § 55 Rz. 192).

[11] Dieser Aufteilungsgedanke entspricht auch der neueren gesetzlichen Regelung in § 55 Abs. 1 Nr. 2 und § 108 Abs. 2 InsO, die in der letztgenannten Vorschrift nur klarstellende Bedeutung hat (so der Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung, Begründung zu § 122, BT-Drucks. 12/2443, 147; zum Aufteilungsprinzip im Schrifttum Jaeger/Henckel, InsO § 55 Rz. 56). Er gilt allgemein für die Abgrenzung von Masseverbindlichkeiten gem. § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO und § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO aus der betrieblichen Altersversorgung nach dem Erreichen des Ruhestandsalters und für vertraglich vereinbarte Überbrückungsgelder, die der Dienstherr für den Fall der Nichtverlängerung des Anstellungsvertrages dem Angestellten bis zum Erreichen des Ruhestandsalters schuldet. Das BAG hat den Aufteilungsgedanken in jüngerer Zeit ferner auf die im Blockmodell bei Altersteilzeit erarbeiteten Ansprüche übertragen (BAGE 114, 13, 16). Dem schließt sich der Senat an. Hieraus ergibt sich zugleich, dass es nicht darauf ankommt, ob der Dienstherr nach der Konkurseröffnung von dem leitenden Angestellten noch die Erfüllung seines Vertrages zugunsten der Konkursmasse verlangt hat. Im Streitfall waren Dienste des Klägers infolge seiner vorkonkurslichen Kündigung nach diesem Zeitpunkt nicht mehr entgegen genommen worden. Der Anstellungsvertrag war jedoch wegen der Unwirksamkeit dieser Kündigung auch nach Konkurseröffnung zu Lasten der Masse erhalten geblieben. Dies reicht nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO zweite Alternative dafür aus, um die später gem. § 615 BGB noch entstandenen Lohn-, Übergangs- und Versorgungsansprüche in den Rang von Masseverbindlichkeiten zu erheben.

[12] 3. Der Antrag des Klägers auf Überbrückungsgeld vom 1.6.1998 bis zum 31.3.2004 ist nicht spruchreif. Eine genaue rechnerische Feststellung dieses Anspruchs ist derzeit nicht möglich, weil offen ist, ob dem Kläger bereits bei erster Anstellung vom 1.1.1988 sogleich eine Versorgungszusage erteilt worden ist (vgl. dazu auch Anlage B 2 vom 31.5.1988). Bisher ist auch nicht gem. § 287 Abs. 2 ZPO (vgl. BGHZ 147, 29, 38) festgestellt worden, ob die vom Beklagten zu 2) angezeigte Masseunzulänglichkeit eingetreten ist. In diesem Fall wäre der Anspruch auf Überbrückungsgeld in zeitanteiliger Höhe nur als Masseverbindlichkeit zur Tabelle festzustellen; ansonsten ist der Beklagte zu 2) insoweit zur Zahlung zu verurteilen.

[13] Im zweiten Berufungsdurchgang wird im Übrigen die Höhe des Anspruchs wegen der bisher für den Zeitpunkt der letzten Berufungsverhandlung gem. § 65 Abs. 2, § 69 KO vorgenommenen Abzinsung neu zu berechnen sein, weil die Erlebensbedingung für den gesamten Zeitraum dieses Anspruchs jetzt feststeht. Ferner ist der Anspruch auf eventuelle Witwenversorgung für diesen Zeitraum erledigt.

II.

[14] Anspruch des Klägers auf Altersruhegeld und Witwenversorgung nach dem 31.3.2004

[15] 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Ansprüche des Klägers auf Altersruhegeld und Witwenversorgung seien anders als das Überbrückungsgeld insolvenzgesichert und daher nach § 9 Abs. 2 BetrAVG mit Eröffnung des Konkursverfahrens auf den Träger der Konkurssicherung übergegangen; dem Kläger fehle die Aktivlegitimation.

[16] 2. Auch diese Auffassung des Berufungsgerichts trifft nicht zu. Eine bei Konkurseröffnung noch verfallbare Anwartschaft ist nicht insolvenzgesichert. Dies gilt selbst dann, wenn sie bei Fortdauer des Anstellungsverhältnisses im Verlaufe des Konkursverfahrens unverfallbar wird (vgl. Blomeyer/Otto, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung 3. Aufl., § 7 Rz. 142, 144; Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung § 7 Rz. 4332; Griebeling, Kassler Handbuch zum Arbeitsrecht 2. Aufl. Nr. 2.9 Rz. 751; s. auch BAGE 57, 152, 157). Die gesetzliche Unverfallbarkeit der klägerischen Ansprüche auf Altersversorgung ist hier erst 1998 eingetreten, spätestens mit dem Ablaufen des Anstellungsvertrages am 31.5.1998. Die in den Anstellungsverträgen des Klägers enthaltene Bestimmung, nach welcher er in seinen Versorgungsansprüchen so gestellt werden sollte, als ob er bereits zehn Jahre als Vorstand der Konkursschuldnerin tätig gewesen sei, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn nur vertraglich unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind nach § 7 Abs. 2 BetrAVG nicht insolvenzgesichert (BAG 31, 45, 49; 78, 279, 284; 79, 370, 374; BAG NZI 2001, 607).

[17] 3. Das Berufungsurteil kann danach auch zur Altersversorgung des Klägers und seiner Witwe keinen Bestand haben. Die Forderungszuständigkeit für diese Ansprüche ist dem Kläger verblieben. Für die Aufteilung dieses Anspruchs in eine Masseverbindlichkeit und Konkursforderung gilt der gleiche Schlüssel wie für das vertragliche Überbrückungsgeld bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.

[18] Sollte sich das Berufungsgericht im zweiten Durchgang von der angezeigten Masseunzulänglichkeit überzeugen, ist der Gesamtanspruch nach § 69 KO zu schätzen und anteilig als Masseschuld zur Konkurstabelle festzustellen. Der Senat hat die bloße Sicherung nach § 67 KO zwar bisher in Fällen für geboten erachtet, in denen der Versorgungsbeginn noch nicht erreicht worden war (vgl. BGHZ 113, 207, 212; 136, 220, 223). Ein solcher Fall liegt jedoch jetzt nicht mehr vor, weil der Kläger im März 2004 das 65. Lebensjahr vollendet hat. Für den Schätzwert gem. § 69 KO bleiben - anders als nach dem Vergleichsvorschlag des Senates vom 8.3.2007 - die Umstände zur Zeit der Konkurseröffnung (§ 3 Abs. 1 KO) maßgebend (BGHZ 113, 207, 215 unter II. 3. d am Ende).

[19] Besteht bisher keine Masseunzulänglichkeit, kann der Beklagte zu 2) für die anteilige Masseverbindlichkeit entsprechend dem landgerichtlichen Teilurteil gem. § 258 ZPO zur wiederkehrenden Zahlung verurteilt werden, während der vorkonkurslich erdiente Anteil der Versorgungsansprüche auch hier in einem Gesamtbetrag gem. § 69 KO zu schätzen und zur Konkurstabelle festzustellen ist.

 

Fundstellen

DB 2008, 404

BGHR 2008, 463

EBE/BGH 2008

ZIP 2008, 279

AG 2008, 215

DZWir 2008, 167

MDR 2008, 411

NZI 2008, 10

NZI 2008, 185

NZI 2008, 47

VersR 2008, 803

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