Leitsatz (amtlich)

Mit der Vollstreckungsgegenklage (oder der sog. verlängerten Vollstreckungsgegenklage auf Rückgewähr des Geleisteten) kann nicht geltend gemacht werden, das einer rechtskräftigen Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen zugrundeliegende Zinsniveau habe sich nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung verändert.

 

Normenkette

ZPO § 767

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe

LG Heidelberg

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. Dezember 1985 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Durch rechtskräftiges Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 14. September 1982 wurde der Kläger verurteilt, an die Beklagte 149.493,04 DM sowie – neben weiteren gestaffelten Zinsen – 13,5% Zinsen aus 128.460,04 DM seit dem 24. Juli 1981 und 12,5% Zinsen aus 21.027 DM seit dem 10. Juli 1981 zu zahlen. Die Beklagte betrieb die Zwangsvollstreckung. Nach Pfändung und Verwertung eines Flügels wurde sie am 2. Mai 1985 mit einer Restforderung in Höhe von 10.968,23 DM befriedigt.

Mit der Klage hat der Kläger beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 14. September 1982 in Höhe von 10.157,81 DM für unzulässig zu erklären. Er hat vorgetragen, die Beklagte habe keine Fremdmittel in Anspruch genommen.

Lege man die gesetzlichen Verzugszinsen zugrunde, habe sie im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits mehr erlangt, als ihr zustehe. Die Beklagte hat erwidert, sie nehme nach wie vor Betriebsmittel in Anspruch, die sie derzeit mit 7,75% jährlich zu verzinsen habe.

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.

Mit der Berufung hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte könne für die Zeit nach der Schlußverhandlung des Vorprozesses (29. Juni 1982) nur Zinsen in der nachgewiesenen Höhe verlangen. Veränderungen im Zinsniveau seien im Wege der Vollstreckungsgegenklage zu berücksichtigen. Gehe man von einem Zinssatz von 7,75% aus, so habe er mehr als 15.000 DM zuviel an die Beklagte bezahlt.

Er hat beantragt, festzustellen, daß die Vollstreckung aus dem Urteil vom 14. September 1982 in Höhe von 10.157,81 DM unzulässig sei, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.968,23 DM zu zahlen.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die Vollstreckungsgegenklage für unzulässig, weil die Zwangsvollstreckung beendet sei und der Kläger mit dem Hinweis auf die eingetretene Änderung im Zinsniveau nach Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß keine Einwendungen im Sinne von § 767 ZPO erhebe. Auch eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO sei unzulässig, da es an einer rechtskräftigen Verurteilung zu zukünftig fällig werdenden Leistungen im Sinne des § 258 ZPO fehle. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger Ausnutzung eines als unrichtig erkannten Urteils nicht vor.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz den ursprünglichen Klageantrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 14. September 1982 in bestimmter Höhe für unzulässig zu erklären, dahingehend geändert hat, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung festzustellen, ist seinem Vortrag nicht eindeutig zu entnehmen, ob er damit dem Umstand Rechnung tragen wollte, daß die Beklagte wegen ihrer Urteilsforderung inzwischen durch Verwertung von Pfandstücken befriedigt worden war. Die Klage ist jedenfalls auch mit dem geänderten Antrag ebenso unzulässig, wie sie es mit dem ursprünglichen Antrag war.

Dies folgt für eine echte Vollstreckungsgegenklage daraus, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 14. September 1982 bereits vor Erlaß des erstinstanzlichen Urteils beendet war. Die Klage aus § 767 ZPO ist eine ausschließlich prozeßrechtliche, auf Rechtsgestaltung gerichtete Klage. Das stattgebende Urteil nimmt dem Titel die Vollstreckbarkeit und macht die Zwangsvollstreckung unmöglich. Mit der Befriedigung des Titelgläubigers sind der Titel verbraucht und die Klage gegen die Zwangsvollstreckung aus diesem Titel damit gegenstandslos; für die Klage entfällt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Senatsurt. v. 16. Dezember 1977, V ZR 236/73, WM 1978, 439).

Nach Beendigung der Zwangsvollstreckung fehlt einer Klage auf Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung das Feststellungsinteresse, da der Titelschuldner dann – unter den übrigen Voraussetzungen des § 767 ZPO – wegen eines zu Unrecht geleisteten Betrages Rückzahlung im Wege der materiell-rechtlichen Bereicherungsklage verlangen kann (BGHZ 83, 278, 280; BGH Urt. v. 23. April 1986, IVb ZR 29/85, NJW 1986, 2047, 2048; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 20. Aufl. § 767 Rdnr. 56).

Der sich gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung richtende Hauptantrag des Klägers ist daher vom Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht als unzulässig angesehen worden.

2. Der mit dem Hilfsantrag verfolgte Zahlungsanspruch ist unbegründet.

a) Ob der erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag eine Klageänderung darstellt oder unter § 264 Nr. 3 ZPO fällt, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre nach § 267 ZPO eine Einwilligung der Beklagten zu vermuten.

b) Der Erfolg eines nach Beendigung der Zwangsvollstreckung geltend gemachten Bereicherungsanspruchs wegen angeblich zu Unrecht vollstreckter Beträge hängt davon ab, ob vor Beendigung der Zwangsvollstreckung eine Vollstreckungsgegenklage begründet gewesen wäre. Andernfalls wäre die Leistung des Schuldners an die Gläubigerin (vgl. §§ 815 Abs. 3, 819 ZPO) mit Rechtsgrund erfolgt.

Vorliegend wäre eine vor Beendigung der Zwangsvollstreckung erhobene Vollstreckungsgegenklage unbegründet gewesen.

Nach § 767 Abs. 1 und 2 ZPO können Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden, soweit die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluß der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung entstanden sind. Da die Klage aus § 767 ZPO sich nur gegen die Zwangsvollstreckung aus dem Titel mit der Begründung richtet, sie sei fortan ganz, teil- oder zeitweise unzulässig, nicht aber die Aufhebung des Urteils zum Ziele hat, können mit ihr nur solche Einwendungen erhoben werden, die die Rechtskraft des Urteils unberührt lassen. Zu Einwendungen im Sinne des § 767 ZPO führen daher nur solche Umstände, die den rechtskräftig zuerkannten Anspruch nachträglich vernichten oder in seiner Durchsetzbarkeit hemmen. Umstände, die den rechtskräftig festgestellten Klageanspruch selbst betreffen und zu einem Wegfall der anspruchsbegründenden Tatsachen führen würden, rechtfertigen die Vollstreckungsgegenklage dagegen nicht. Von § 767 ZPO werden daher nur die eigentlichen rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Einwendungen und Einreden im Sinne des materiellen Rechts erfaßt (vgl. Wieczorek/Schütze, ZPO 2. Aufl. § 767 Anm. C; Thomas/Putzo, ZPO 14. Aufl. § 767 Anm. 6 c; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 45. Aufl. § 767 Anm. 2 I A). Der Senat teilt nicht die teilweise vertretene Ansicht, Einwendung im Sinne des § 767 ZPO sei lediglich als ein prozessualer Widerspruch des Schuldners gegen die Zwangsvollstreckung zu verstehen und könne auf jede (neue) Tatsache gestützt werden, die einer Verleihung der Vollstreckbarkeit entgegenstünde, wäre über den titulierten Anspruch jetzt zu entscheiden (vgl. Gilles, ZZP 83, 61, 103 und 105; unklar insoweit Stein/Jonas/Münzberg a.a.O. § 767 Rdnr. 16: Während in der Fußnote 59 der oben erörterte weite Einwendungsbegriff bejaht wird, heißt es am Ende der Rdnr. 16 ausdrücklich, daß Einwendungen, die den Anspruch erst gar nicht entstehen lassen, (nur) bei nicht rechtskraftfähigen Titeln geltend gemacht werden können.). Ziel der Vollstreckungsgegenklage ist nicht, unter Einschränkung der Rechtskraft den der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden Titel abzuändern oder aufzuheben. Sie will vielmehr nur unter Aufrechterhaltung des rechtskräftigen Titels den Umständen Rechnung tragen, die seine Vollstreckung nachträglich vernichten oder hemmen können.

Die Behauptung des Klägers, die Beklagte zahle für Fremdmittel nicht mehr 12,5 bzw. 13,5%, sondern nur noch 7,75% Zinsen, ist keine rechtsvernichtende oder rechtshemmende Einwendung oder Einrede im oben erörterten Sinn. Der Kläger ist durch rechtskräftiges Urteil zur Zahlung eines einmaligen Kapitalbetrages und zu Verzugszinsen in bestimmter Höhe (bis zur Erfüllung des Klageanspruchs) verurteilt worden. Eine solche Verurteilung enthält der Sache nach eine Prognose über das zukünftige Zinsniveau. Die Geltendmachung einer anderen Entwicklung, als sie das Gericht im Erstprozeß angenommen hat, ist daher nicht das Vorbringen einer neuen nachträglichen Tatsachenlage, über die das Gericht noch gar nicht zu befinden hatte, sondern ein Angriff gegen die Richtigkeit des ersten Urteils, welches vom Fortbestand der Verhältnisse über den Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung ausgegangen ist (vgl. Stein/Jonas/Schumann/Leipold, a.a.O. § 323 Anm. I 1). Mit der Behauptung, das Zinsniveau habe sich nachträglich verändert, wird also die Rechtskraft des Urteils angegriffen. Irgendwelche materiell-rechtlichen Einwendungen oder Einreden, die die durch rechtskräftiges Urteil festgestellte Anspruchsentstehung unberührt lassen, werden nicht erhoben. Auch die Entscheidung des Reichsgerichts in RGZ 124, 146, 151/152 besagt nichts Gegenteiliges. Dort hat das Gericht für den Fall vereinbarter (auch der Höhe nach) Verzugszinsen unter besonderen Umständen einen aus § 242 BGB abgeleiteten Anspruch auf nachträgliche vertragliche Abänderung der Zinsabsprache für möglich gehalten, der im Wege der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden könne. Durch einen Anspruch auf nachträgliche vertragliche Abänderung der ausgeurteilten Zinsen wird die Rechtskraft des Urteils nicht berührt. Dem Schuldner wird vielmehr eine nachträglich entstandene rechtsvernichtende Einwendung gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gewährt.

Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Wegfall oder zur Beschränkung der Unterhaltspflicht aufgrund bestimmter Ereignisse (z.B. Anrechnung von Kindergeld oder einer Versorgungsausgleichsrente auf den Unterhaltsbetrag, vgl. BGHZ 70, 151, 156 f. und 83, 278, 281) führt zu keinem anderen Ergebnis. Verrechnet der unterhaltspflichtige Vater die ihm zustehende (und der Mutter ausgezahlte) Hälfte des Kindergeldes mit dem Unterhaltsbetrag, den er der Mutter des unterhaltsberechtigten Kindes als Kindesunterhalt zur Verfügung stellt, so ist diese Verrechnung einer Erfüllung gleichzusetzen, die eine Einwendung im Sinne des § 767 ZPO begründet (BGHZ 70, 151, 156/157). Gleiches gilt auch für den Fall, daß der unterhaltsberechtigten Ehefrau Leistungen aus der Versorgungsausgleichsrente zufließen, die ihren Unterhaltsanspruch vermindern. Auch insoweit liegt es nahe, diese Leistungen dem Unterhaltspflichtigen als Erfüllung des gegen ihn gerichteten und titulierten Unterhaltsanspruchs gutzubringen (BGHZ 83, 278, 281).

Da der Kläger nach alledem keine zulässigen Einwendungen im Sinne von § 767 ZPO geltend machen kann, ist die Klage auf Rückgewähr des Geleisteten unbegründet.

c) Der Hilfsantrag kann auch unter dem Gesichtspunkt einer Abänderungsklage im Sinne des § 323 ZPO keinen Erfolg haben. Unabhängig von der vom Berufungsgericht angesprochenen Frage, ob eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen vorliegt, erübrigt sich eine Prüfung der Voraussetzungen des § 323 ZPO, weil eine Abänderungsklage vom Kläger nicht erhoben worden ist. Er hat weder in der ersten noch in der zweiten Instanz ein Klagebegehren auf § 323 ZPO gestützt. Im Berufungsrechtszug hat er sogar ausdrücklich erklärt, eine Abänderungsklage komme nicht in Betracht. Im übrigen könnte eine Abänderungsklage nach § 323 Abs. 3 ZPO nur zu einer Abänderung für die Zeit nach Klageerhebung führen.

d) Schließlich steht dem Kläger auch kein Zahlungsanspruch aus § 826 BGB zu. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann allerdings nicht nur das sittenwidrige Erwirken, sondern auch – was hier allein in Betracht kommen könnte – das sittenwidrige Ausnutzen eines als unrichtig erkannten rechtskräftigen Urteils einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB begründen (vgl. BGHZ 13, 71, 72; BGHZ 50, 115, 117 f.; Senatsurt. v. 13. März 1981, V ZR 115/80, NJW 1981, 1517, 1518). Ein solcher Anspruch setzt aber immer voraus, daß besondere Umstände vorliegen, die das Gebrauchmachen von dem Urteil als einen Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen lassen (BGHZ 26, 391, 396 f.; Senatsurt. v. 13. März 1981 a.a.O.; vgl. auch Thumm, Die Klage aus § 826 BGB gegen rechtskräftige Urteile, 1959, 43 ff.). Die Rechtskraft des Urteils vom 14. September 1982 müßte nur dann zurücktreten, wenn es im hohen Maße unbillig und geradezu unerträglich wäre, die Ausnutzung des Titels zuzulassen. Zu Recht hat das Berufungsgericht solche Umstände hier nicht allein darin erblicken können, daß das Zinsniveau von 12,5% bzw. 13,5% auf 7,75% gesunken ist. Die Beklagte hat dann zwar mehr Verzugszinsen erhalten, als ihr materiell zustehen. Dies vermag aber für sich allein einen besonderen Umstand, der die Vollstreckung als sittenwidrig erscheinen läßt, nicht zu begründen. Weiteren Parteivortrag dazu, den das Berufungsgericht übergangen haben könnte, zeigt auch die Revision nicht auf. Der Kläger, der für seine Leistungsfähigkeit einzustehen hat, hatte es in der Hand, dem rechtskräftigen Urteil alsbald nachzukommen und auf diese Weise nur die von der Beklagten tatsächlich aufgewendeten Zinsen als Verzugsschaden zu zahlen.

III.

Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609413

BGHZ, 211

BB 1987, 2264

NJW 1987, 3266

ZIP 1987, 945

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