Tatbestand

Die Klägerin führte 1977/78 im Auftrag der Beklagten Umbau- und Renovierungsarbeiten aus. Teilarbeiten, darunter die Installation von Toiletten-Trennwänden, gab sie an einen Subunternehmer weiter.

Über Mängel der fertiggestellten Trennwände kam es zu Meinungsverschiedenheiten. Nach verschiedenen Besprechungen und Ortsbesichtigungen vereinbarten die Parteien schließlich gemäß einer bestätigten Besprechungsnotiz vom 21. Juni 1979 folgendes:

"Die an den Toiletten-Trennwänden festgestellten Mängel werden von der Firma Ballauff (Klägerin) anerkannt und auf deren Veranlassung kurzfristig beseitigt. Grundlage für die Mangelbeseitigung ist das Besprechungsprotokoll dieser Firma vom 9. April 1978" - richtig: 1979 -". Bis zur Erledigung dieser Angelegenheit erhält die A.L. (Beklagte) eine neue vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 20.000 DM, da die bei der Auftragserteilung für die sanitären Installationsarbeiten vorgelegte Vertragserfüllungsbürgschaft zwischenzeitlich zurückgegeben wurde. In diesem Zusammenhang wurde noch festgehalten, daß die im Rahmen der Mängelbeseitigung eventuell entstehenden Folgekosten ebenfalls zu Lasten der Firma Ballauff (Klägerin) abgerechnet werden."

In der von der Klägerin daraufhin beigebrachten Bürgschaftsurkunde der Bank vom 26. Juni 1979 heißt es unter anderem:

"Die Bürgschaft wird auf erste Anforderung der Antraggeberin hin fällig."

Als Sicherungszweck enthält die Erklärung den Vermerk:

"Sicherheit für sämtliche Ansprüche der Bürgschaftsempfängerin aus dem Vertrag gemäß Notiz vom 21.06.1979 über Mängelbeseitigung und Tragung der Folgekosten."

In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin erfolglos, ihren Subunternehmer zur Mängelbeseitigung zu veranlassen. Mit Schreiben vom 8. Mai 1980 rief die Beklagte die Bürgschaftssumme bei der Bank ab. Die Klägerin führte ein Beweissicherungsverfahren gegen die Subunternehmerin durch, in dem ein Sachverständiger am 28. Juli 1980 ein Gutachten über die Mängel erstattete.

Die mit der Bürgschaftssumme von der Bank belastete Klägerin begehrt Rückzahlung der von der Beklagten eingezogenen 20.000,- DM. Der Betrag dürfe vereinbarungsgemäß nur für angefallene Mängelbeseitigungskosten und Folgekosten in Anspruch genommen werden. Tatsächlich seien solche Kosten nicht entstanden; im übrigen sei sie auch zur Nachbesserung noch bereit.

Die Beklagte beansprucht hingegen den Betrag als Vorschuß für Mängelbeseitigung und Folgekosten, weil die Klägerin offenbar zur Nachbesserung nicht in der Lage sei. Eine ordnungsgemäße Nachbesserung durch die Klägerin will sie jedoch immer noch hinnehmen.

Das Landgericht hat der Klägerin unter Abweisung im übrigen 13.500,- DM nebst Zinsen zugesprochen, weil zur Mängelbeseitigung nicht mehr als 6.500 DM erforderlich seien.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage ganz abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision, die die Beklagte zurückzuweisen bittet, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht meint, die Inanspruchnahme der Bürgschaft für einen Vorschuß auf voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten sei gerechtfertigt. Die Bürgschaft habe der Sicherung aller in Betracht kommenden Gewährleistungsrechte der Beklagten wegen der am 9. April 1979 protokollierten Mängel dienen sollen und damit auch für den streitigen Vorschußanspruch. Das ergebe sich aus dem Wesen einer auf erste Anforderung zu leistenden Vertragserfüllungsbürgschaft wie auch aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 21. Juni 1979, der einen umfassenden Sicherungszweck bestätige.

Eine die Inanspruchnahme der Bürgschaft rechtfertigende Hauptschuld bestehe dem Grunde nach jedenfalls aus § 633 Abs. 3 BGB, nachdem die Klägerin im Laufe des Jahres 1980 mit der Mängelbeseitigung in Verzug geraten sei.

Der Sicherungszweck sei auch bisher nicht erreicht, weil die Mängel an den Trennwänden unstreitig noch nicht beseitigt seien. Er sei auch nicht in anderer Weise entfallen, etwa deshalb, weil anzunehmen sei, die Beklagte betreibe die Nachbesserung durch Ersatzvornahme nicht nachhaltig und erstrebe in Wirklichkeit Minderung oder Schadensersatz. Schließlich sei die Inanspruchnahme der Bankbürgschaft in voller Höhe nicht rechtsmißbräuchlich, selbst wenn man berücksichtige, daß nach Meinung des Sachverständigen die notwendigen Aufwendungen den in Anspruch genommenen Betrag voraussichtlich bei weitem nicht erreichen werden. Die Beklagte schätze die Kosten wesentlich höher ein; jedenfalls bestünden insoweit eine Reihe von beachtlichen Unwägbarkeiten. Im übrigen könne die Beklagte den Bürgschaftsbetrag auch in dreifacher Höhe der vermutlichen Nachbesserungskosten als eine Art Sicherheitseinbehalt beanspruchen.

Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin ist im Ergebnis nicht begründet.

1. Zu Unrecht wendet sich die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht die Inanspruchnahme der Bürgschaft für Vorschußzwecke überhaupt zugelassen hat.

a) Im Verhältnis zur Klägerin hatte die Beklagte zwar die Befugnis hierzu nicht schon deshalb, weil die Bürgschaft "auf erste Anforderung" zu zahlen war (vgl. dazu BGHZ 74, 244). Vielmehr schuldete die Klägerin zunächst gerade nur Sicherheitsleistung durch Bürgschaft und gerade keine Zahlung. Auch wenn die Beklagte den Bürgschaftsbetrag jederzeit anfordern konnte, durfte sie ihn allein deshalb nicht auch behalten. Nachdem aber die Klägerin mit ihrer Verpflichtung zur Nachbesserung in Verzug geraten war, durfte die Beklagte gemäß § 633 Abs. 3 BGB selbst nachbessern und konnte für die notwendigen Kosten einen Vorschuß verlangen (ständige Rechtsprechung des Senats BGHZ 477 272, 273/274; 54, 244, 247; 61, 28, 29/30; 66, 138, 140/141; 66, 142, 149; 68, 372, 378; Urteil vom 14. April 1983 - VII ZR 258/82 = BauR 1983, 363 = ZfBR 1983, 185).

Zur Deckung dieses Vorschußanspruches durfte die Beklagte auf die Bürgschaft zurückgreifen. Das folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allerdings wiederum nicht schon daraus, daß die Bürgschaft "auf erste Anforderung" zu leisten war, denn hieraus läßt sich für den Sicherungszweck seinem Umfang nach nichts herleiten. Wie das Berufungsgericht aber zutreffend weiter ausführt, ist die Inanspruchnahme der Bürgschaft für den Vorschußanspruch hier von dem zwischen den Parteien vereinbarten umfassenden Sicherungszweck (Gewährleistung für die gemeinsam bereits festgestellten Mängel) gedeckt. Denn der Vorschuß ist zur Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen bestimmt und es ist gerade sein Zweck, dem Auftraggeber die Aufwendung eigener Mittel zur Nachbesserung zu ersparen (BGHZ 47, 272, 274). Mit dem Entstehen einer Geldforderung (Vorschußanspruch) zur Erfüllung des vereinbarten Sicherungszwecks (Gewährleistung) war folglich der Sicherungsfall eingetreten, der die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin berechtigte, die angeforderte Bürgschaftssumme zu beanspruchen.

b) Zu Unrecht will die Revision den vom Berufungsgericht bejahten Vorschußanspruch als solchen in Frage stellen.

Das Schreiben der Beklagten vom 12. September 1980, auf das sich die Revision bezieht, enthält, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, keine Fristsetzung. Deshalb fehlt es an den Voraussetzungen des § 634 BGB. Die Wertung des Berufungsgerichts insoweit widerspricht nicht der Senatsentscheidung NJW 1983, 1731 (1732).

Zwar muß der Besteller nicht die Worte des Gesetzes gebrauchen, doch muß er überhaupt eine Frist setzen mit der Drohung, daß nach ihrem Ablauf die Nachbesserung ausgeschlossen sein soll. Das hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend feststellt, weder im genannten Schreiben noch später getan.

2. Wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht annimmt, durfte die Beklagte die Bürgschaft auch in voller Höhe abrufen.

Die Höhe des Vorschußanspruchs ergibt sich im vorliegenden Fall zunächst aus der vereinbarten Sicherheit selbst. Denn damit haben die Parteien eine gewisse Größenordnung für die Gewährleistungsansprüche der Beklagten einverständlich bemessen. Schließlich kannten die Parteien, als sie die Bürgschaftssumme festlegten, die in einer Niederschrift festgehaltenen Mängel, für die Sicherheit geleistet werden sollte.

Mit dem Zugriff auf die Sicherheit in voller Höhe handelte die Beklagte auch nicht rechtsmißbräuchlich. Es ist nämlich aufgrund der rechtsfehlerfrei vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keineswegs gewiß, daß die Kosten der Nachbesserung den vom Landgericht angenommenen Betrag von 6.500,- DM nicht übersteigen werden oder, daß sie etwa den Betrag von 20.000,- DM mit Sicherheit keinesfalls erreichen können.

3. Die Gründe für einen Vorschußanspruch sind auch nicht nachträglich wieder entfallen, wie das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht angreifbarer tatrichterlicher Würdigung feststellt.

Der Vorschuß mag allerdings zu versagen sein, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß der Besteller die Mängel gar nicht beseitigen lassen will, vielmehr in Wirklichkeit eine Minderung der Vergütung oder Schadensersatz anstrebt, obwohl deren weitergehende Voraussetzungen möglicherweise nicht gegeben sind (BGHZ 47, 272, 274/275). Deshalb könnte ein bereits geleisteter Vorschuß gegebenenfalls auch zurückgefordert werden, wenn feststeht, daß der Besteller die Nachbesserung nicht mehr ernsthaft betreibt.

Wie aber das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat, sind im vorliegenden Fall aufgrund der besonderen Verhältnisse Zweifel am Nachbesserungswillen der Beklagten noch nicht begründet, und zwar trotz der ungewöhnlich langen Zeit, die seit der Inanspruchnahme der Bürgschaft für die Leistung eines Vorschusses verflossen ist.

Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß die Beklagte vorprozessual begründeten Anlaß hatte anzunehmen, die Klägerin werde selbst die Nachbesserung noch durchführen. Im Verlaufe des Rechtsstreits sei es ihr aufgrund des Prozeßverhaltens der Klägerin dann nicht zuzumuten gewesen, die Nachbesserung selbst in Angriff zu nehmen und damit ihre Beweislage zu verschlechtern.

Das greift die Revision zu Unrecht an. Zwischen den Parteien sind zwar nicht die im Protokoll vom 9. April 1979 aufgelisteten Mängel als solche, wohl aber die zu ihrer Beseitigung erforderlichen Maßnahmen heute noch umstritten. Außerdem hat die Klägerin noch während des Rechtsstreits ihre Gewährleistungsverpflichtung auch dem Grunde nach erneut in Frage gestellt. Darauf, ob sich die Klägerin mit den von der Beklagten vorgelegten Kostenanschlägen hinreichend auseinandergesetzt hat, kommt es deshalb nicht entscheidend an.

4. Da somit das Berufungsgericht die Klage zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen hat, kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte nach Verzugseintritt die Bürgschaft auch in dreifacher Höhe der möglichen Nachbesserungskosten als Sicherheit für Nachbesserungsverpflichtungen der Klägerin einziehen und die Summe behalten durfte, um den nötigen Druck auf die Klägerin auszuüben, die Mängel doch noch zu beseitigen, wie das Berufungsgericht meint. Das ist nicht zweifelsfrei, denn als Sicherheit schuldete die Klägerin gerade nicht Zahlung von Geld, sondern nur Bürgschaft. Im übrigen hat die Beklagte die Bürgschaftssumme ohnehin nur zu Vorschußzwecken abgerufen.

Beide Parteien dürften allerdings gehalten sein, nunmehr klare Verhältnisse über die vor fünf Jahren zwischen ihnen vereinbarte Mangelbeseitigung zu schaffen: Die Klägerin, indem sie selbst nachbessert oder die Nachbesserung endgültig ablehnt; die Beklagte, indem sie die Mängel durch andere Unternehmer endlich beheben läßt, mag das auch mit gewissen Risiken für sie verbunden sein, oder die Voraussetzungen für die Gewährleistungsansprüche der §§ 634, 635 BGB herbeiführt.

5. Die Revision ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992732

NJW 1984, 2456

NJW 1984, 2456, 4257

BauR 1984, 406

DRsp I(138)465c-d

JZ 1984, 754

ZfBR 1985, 25

ZfBR 1986, 258

ZfBR 1989, 205, 206

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