Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehrenamtlicher Richter

 

Leitsatz (amtlich)

  1. Ein ehrenamtlicher Richter, der im Verfahren nach § 4 I und II LwVG berufen worden ist, übt sein Amt solange aus, als er nicht seines Amtes enthoben worden ist.
  2. Streitigkeiten nach dem LAnpG sind nach § 9 LwVG und den Vorschriften des Gesetzes über die Freiwillige Gerichtsbarkeit, nicht nach den Vorschriften der ZPO zu behandeln. Es gilt das Prinzip der Amtsermittlung.
  3. Zu den notwendigen Feststellungen für Ansprüche nach § 4 I Nr. 1 - 3 LAnpG.
  4. Verlangt der Antragsteller einen Teilbetrag aus den nach § 44 I Nrn. 1 - 3 LAnpG möglichen Ansprüche, muß er im einzelnen angeben, wie sich die gerforderte Summe auf die verschiedenen Ansprüche verteilt oder in welchem Abhängigkeitsverhältnis die einzelnen Ansprüche zueinander stehen sollen.
  5. Wegen des unterschiedlichen Anspruchsumfangs muß für Ansprüche vom Erben eines LPG-Mitglieds danach unterschieden werden, ob das LPG-Mitglied vor oder nach dem 16.3.1990 verstorben ist.
 

Normenkette

LwVG § 4 Abs. 1, § 9; LAnpG § 4 Abs. 1, § 44 Abs. 1, § 51a Abs. 2

 

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 ist Alleinerbe nach seinen Eltern, die Mitglieder der Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 2 waren. Er kündigte seine eigene Mitgliedschaft im August 1990 und hat Abfindungsansprüche nach § 44 LwAnpG geltend gemacht. Nach seiner Rechnung ergibt sich ein Gesamtanspruch von 127.010 DM. Aus einem Teilbetrag von 40.000 DM, auf den er sich 16.583,20 DM anrechnen läßt, verlangt er 23.416,80 DM nebst Zinsen. Das Kreisgericht, Kammer für Landwirtschaftssachen, hat der "Klage" voll stattgegeben. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2, mit der sie ihren Abweisungsantrag weiterverfolgt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

§ 65 LwAnpG bestimmt, daß über Rechtsstreitigkeiten aus diesem Gesetz das Landwirtschaftsgericht entscheidet und gegen seine Entscheidung "nur die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof" stattfindet. Daraus folgt, daß die nach § 65 Satz 2 LwAnpG allein vorgesehene Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres, sondern nur unter den in §§ 24 bis 29 LwVG geregelten Voraussetzungen zulässig ist (vgl. Senatsbeschl. v. 23. Januar 1992, BLw 1/92, NJW 1992, 981). Nach der mißglückten Fassung des Gesetzes (vgl. dazu näher Hagen, AgrarR 1992, 181 ff) können die Gerichte unter den verschiedenen Zulässigkeitsvoraussetzungen (Form, Frist, Zulassung, Abweichung) nicht einzelne für maßgeblich halten, andere jedoch nicht. Weil nach der gesetzlichen Regelung die Mittelinstanz entfällt, bedeutet dies, daß die Rechtsbeschwerde im Bereich des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes nur bei Zulassung durch das Kreisgericht (§ 24 Abs. 1 LwVG) oder im Falle der Abweichung (§ 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG) stattfindet, wobei insoweit auch schon die Abweichung eines Kreisgerichts von der Entscheidung eines anderen Kreisgerichts genügt (Hagen aaO. S. 185).

Das Kreisgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Eine Entscheidung über die Nichtzulassung ist allerdings grundsätzlich unanfechtbar. Regelmäßig kann die Rechtsbeschwerde nicht damit begründet werden, es hätte wegen grundsätzlicher Bedeutung eine Zulassung ausgesprochen werden müssen (vgl. Senatsbeschl. v. 12. Februar 1963, V BLw 37/62, RdL 1963, 66). Gleichwohl hält der Senat die Rechtsbeschwerde für zulässig. Es sprechen im vorliegenden Fall gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß das Kreisgericht eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht nur fehlerhaft verkannt, sondern die Möglichkeit einer Zulassung überhaupt nicht geprüft hat. Es ist irrtümlich von einem Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung ausgegangen (siehe unten III 1 a), hat nicht durch Beschluß, sondern durch Urteil entschieden und seiner Entscheidung entgegen § 21 Abs. 2 Satz 2 LwVG auch keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Für eine Übergangsphase hält es der Senat deshalb für angebracht, die Prüfung der Zulassungswürdigkeit selbst nachzuholen (vgl. auch BGHZ 90, 1, 3; 98, 41, 43), zumal der Irrtum des Kreisgerichts auf die verunglückte Gesetzesfassung zurückgeht und die Senatsentscheidung vom 23. Januar 1992 dem Kreisgericht ersichtlich noch nicht bekannt war (vgl. Senatsbeschl. v. 22. Oktober 1992, BLw 3/92BLw 3/92).

Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung, und zwar schon wegen der unten näher behandelten Verfahrensfragen und auch in materieller Hinsicht, da bislang eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu Abfindungsansprüchen nach § 44 LwAnpG nicht existiert.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

Das Kreisgericht übernimmt die Berechnung des Beteiligten zu 1 zu Ansprüchen nach § 44 LwAnpG und weist Einwendungen der Beklagten als verspätet zurück. Diese Entscheidung hält weder prozessual noch materiell einer rechtlichen Überprüfung stand.

1.

a)

Rechtsfehlerhaft ist bereits das Verfahren des Kreisgerichts. Rechtsstreitigkeiten aus dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz - zweifelsfrei geht es hier um einen solchen Streit - sind den Landwirtschaftsgerichten zugewiesen (§ 65 Satz 1 LwAnpG). Ausdrücklich verweist das Gesetz zwar nicht auf anwendbare Verfahrensvorschriften. Da solche aber zur Verfügung stehen müssen, ist die genannte Norm sinnvollerweise dahin auszulegen, daß sie sich mittelbar auf das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen bezieht, dessen Geltungsbereich (§ 1 LwVG) damit konkludent erweitert wird (vgl. auch Senatsbeschl. v. 23. Januar 1992 aaO.). Nur in den bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten des § 1 Nr. 1 a LwVG findet aber die Zivilprozeßordnung Anwendung (§ 48 Abs. 1 LwVG). Daraus folgt, daß Streitigkeiten aus dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz nach den Vorschriften des Landwirtschaftsverfahrensgesetzes und hilfsweise denen des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu behandeln sind (§ 9 LwVG). Dies ergibt sich auch daraus, daß nach § 65 Satz 2 LwAnpG gegen die Entscheidungen des Landwirtschaftsgerichts nur die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof stattfindet, was in Verfahren auf der Grundlage der Zivilprozeßordnung systemwidrig wäre.

Der Beteiligte zu 1 hat zwar eine "Klage" eingereicht; diese hätte aber in einen Antrag nach § 14 Abs. 1 LwVG umgedeutet und im Beschlußverfahren entschieden werden müssen (§ 21 LwVG). Verfehlt ist damit auch die Anwendung zivilprozessualer Vorschriften über die Zurückweisung verspäteten Vortrags der Beteiligten zu 2 (§ 296 ZPO). Das Gericht hat vielmehr von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen (§ 12 FGG), wobei § 15 LwVG beachtet werden muß.

b)

Unklar ist das Urteil des Kreisgerichts im Hinblick auf den Entscheidungsumfang und damit auf seine Rechtskraftwirkung. Der Antragsteller verlangt einen Teilbetrag aus einer Reihe selbständiger Ansprüche (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LwAnpG, Urteil des Kreisgerichts S. 2/3). Er hätte deshalb im einzelnen angeben müssen, wie sich die geforderte Summe auf die verschiedenen Ansprüche verteilt oder in welchem Abhängigkeitsverhältnis die einzelnen Ansprüche zueinander stehen sollen. Diesen Mangel seines Antrages hatte der Senat von Amts wegen zu beachten, weil er die unverrückbare Grundlage des Verfahrens überhaupt betrifft (vgl. BGHZ 11, 192, 194). Es handelt sich im vorliegenden Fall um ein sog. echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in dessen Rahmen das Gericht grundsätzlich an die Sachanträge der Beteiligten gebunden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 1. Dezember 1969, NJW 1970, 427; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG 12. Aufl. § 12 Rdn. 19 und 195 m.w.N.). Auch in diesen Verfahren ist es deshalb unerläßlich, den Entscheidungsumfang und damit den Umfang der materiellen Rechtskraft (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler aaO. § 12 Rdn. 195) von Anfang an klarzustellen. Es spricht zwar manches dafür, daß der Antragsteller die Ansprüche in Abhängigkeit nach der Reihenfolge ihrer Bezifferung in der "Klage" geltend machen will. Da sich das Kreisgericht aber in den Gründen seiner Entscheidung mit allen Ansprüchen befaßt, hat es anscheinend den Antragsteller anders verstanden. Dazu kommt, daß durch Urteil des Kreisgerichts vom 29. November 1991 bereits ein Teilbetrag von 5.000 DM zugesprochen ist. Diese Entscheidung will der Antragsteller auf Ansprüche beziehen, die den Betrag von 40.000 DM übersteigen. Es kommt aber nicht darauf an, welche Bestimmung er insoweit jetzt trifft, sondern darauf, über welchen Anspruch oder Teile von Ansprüchen damals entschieden worden ist, wozu das Kreisgericht ebenfalls keine Feststellungen trifft. Der Antrag kann aus den obengenannten Gründen auch nicht als unzulässig abgewiesen werden, weil dem Antragsteller Gelegenheit gegeben werden muß, seinen Vortrag entsprechend dem bisher nicht behandelten rechtlichen Gesichtspunkt zu ergänzen.

c)

Unbegründet ist allerdings die Rüge nicht ordnungsgemäßer Besetzung des Kreisgerichts (§ 27 Abs. 2 LwVG i.V. mit § 551 Ziff. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde will insoweit auf ihre Behauptung zurückkommen, der ehrenamtliche Richter H. sei weder im Haupt- noch im Nebenberuf Landwirt (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 LwVG). Mit Recht hat das Kreisgericht aber ausgeführt, daß ein ehrenamtlicher Richter, der im Verfahren nach § 4 Abs. 1 und 2 LwVG berufen worden ist, dieses Amt solange ausübt, als er nicht seines Amtes enthoben worden ist (§ 7 LwVG; vgl. auch BGHSt 27, 105, 106 zu §§ 52, 54 GVG).

2.

Auch materiell läßt sich das Urteil des Kreisgerichts nicht aufrechterhalten. Es verstößt gegen § 51 a, § 44 LwAnpG.

Rechtsfehlerhaft trennt das Kreisgericht schon nicht in der gebotenen Weise zwischen Ansprüchen, die der Antragsteller als Erbe nach seinen Eltern und solchen die er aufgrund eigener Mitgliedschaft geltend macht. Da die Mitgliedschaft in einer LPG mit dem Tod des Mitglieds endete (vgl. Senatsbeschl. v. 4. Dezember 1992, BLw 37/92BLw 37/92), kommt es darauf an, ob die Eltern des Antragstellers vor dem 16. März 1990 verstorben sind (§ 51 a Abs. 1 und Abs. 2 LwAnpG), weil davon der Anspruchsumfang abhängt. Die vor dem 16. März 1990 ausgeschiedenen Mitglieder sowie deren Erben sind auf einen Anspruch nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG beschränkt. Im übrigen gilt folgendes:

a)

Zwar ist einem ausgeschiedenen Mitglied der Wert der Inventarbeiträge zurückzugewähren, wozu auch der Wert des übernommenen Feldinventars zählt, soweit dieses nicht als Inventarbeitrag angerechnet wurde (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 LwAnpG). Übersteigt der so ermittelte Wert aller Inventarbeiträge das Eigenkapital, so sind die Ansprüche ausscheidender Mitglieder aber entsprechend zu kürzen (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 LwAnpG). Hierzu trifft das Kreisgericht aber keine Feststellungen. Dies beruht wohl in erster Linie auf seinem fehlerhaften Verfahren, indem es die Einwendungen der Beklagten insbesondere deren Abschlußbilanz (vgl. § 44 Abs. 6 LwAnpG) als verspätet nicht berücksichtigt hat.

b)

Weitergehende Ansprüche des Antragstellers nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 LwAnpG, nämlich eine Verzinsung der Inventarbeiträge in Höhe von 3 % und eine Mindestvergütung für die Überlassung der Bodennutzung (2 DM je Bodenpunkt pro Jahr und Hektar), kommen nur dann in Betracht, wenn das Eigenkapital die Summe der Inventarbeiträge im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1 LwAnpG übersteigt, wobei auch in diesem Fall eine Kürzung der Abfindungsansprüche geboten ist, soweit alle ermittelten Vergütungen für Boden- und Inventarbeiträge 80 % des noch verbleibenden Eigenkapitals überschreiten (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 Satz 4 LwAnpG). Auch hierzu fehlt jede Feststellung im angefochtenen Urteil.

c)

Noch weitergehende Ansprüche auf das Eigenkapital nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG sind schließlich nur dann gegeben, wenn das Eigenkapital die Summe aller Ansprüche aus den Nrn. 1 und 2 (oben a und b) übersteigt. Auch hierzu trifft das Kreisgericht keine Feststellungen. Es sei bereits hier darauf hingewiesen, daß nur 50 % des überschießenden Eigenkapitals überhaupt im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 3 LwAnpG verteilungsfähig sind.

Das Urteil des Kreisgerichts ist damit insgesamt aufzuheben. Über die Sache muß im Sinne der obigen Ausführungen neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat hat nach § 42 Abs. 1 Satz 1 LwVG von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456074

BGHWarn 1992, 793

JR 1993, 291

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