Leitsatz (amtlich)

Zur Verjährungseinrede des Schädigers, wenn zunächst die Berufsgenossenschaft gemäß § 565 Abs. 2 RVO die Heilbehandlung des Verletzten übernommen hatte, dieser aber, als er an den Unfallfolgen erneut erkrankt, die ihm zu gewährenden Leistungen gemäß § 565 Abs. 1 RVO von der Krankenkasse erhält.

 

Normenkette

BGB §§ 412, 404; RVO §§ 1542, 565

 

Verfahrensgang

OLG Bamberg (Urteil vom 22.06.1976)

LG Würzburg (Urteil vom 28.10.1974)

 

Tenor

I. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 22. Juni 1976 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Revision des Beklagten wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es auf die Berufung der Klägerin unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Würzburg vom 28. Oktober 1974 zum Nachteil des Beklagten erkannt hat.

Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil wird auch insoweit zurückgewiesen.

III. Die Kosten beider Rechtsmittelzüge fallen der Klägerin zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der bei der klagenden Ortskrankenkasse versicherte Bauarbeiter Arthur F. wurde am 8. Dezember 1974 auf dem Heimweg von der Arbeitsstelle von dem vom Beklagten gesteuerten Personenkraftwagen angefahren und verletzt; u.a. erlitt er einen Bruch seines linken Unterschenkels, weshalb er längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden mußte.

Die Klägerin zahlte an ihn seit dem Unfalltag Hausgeld. Die zuständige Berufsgenossenschaft gewährte ihm Heilbehandlung und verglich sich schließlich, nachdem er ab April 1966 die Arbeit wieder aufgenommen hatte, mit dem Haftpflichtversicherer des Beklagten im September 1967 dahin, daß durch Zahlung von 13.600,– DM die Ansprüche aus dem Unfall abgegolten sein sollten. Diesen Betrag hat sie der Berufsgenossenschaft gezahlt.

Am 13. Oktober 1969 erkrankte F. auf Grund der Unfallverletzungen, die indes nur ambulante ärztliche Behandlung erforderlich machten. Die Klägerin kam dafür auf und erstattete dem Arbeitgeber ihres Versicherten gemäß § 10 LFZG 80 % des fortgezahlten Arbeitsentgeltes gegen Abtretung des auf diesen übergegangenen Anspruchs gegen den Beklagten (§ 12 LFZG). Sie macht mit ihrer am 11. Oktober 1972 bei Gericht eingegangenen Klage ihre Aufwendungen, gestützt auf § 1542 RVO bzw. §§ 4, 12 LFZG geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin führte zur Verurteilung des Beklagten auf Grund des vom Arbeitgeber des Verletzten abgetretenen Anspruchs; im übrigen blieb sie erfolglos, weil das Berufungsgericht insoweit Verjährung angenommen hat.

Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Anspruch weiter; der Beklagte hat sich dem Rechtsmittel mit dem Ziel der gänzlichen Klageabweisung angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

1. Zur Revision der Klägerin

I. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dem Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer Aufwendungen für die Krankenpflege des Verletzten in den Jahren ab 1969 wie auch ihrem Begehren auf Feststellung der Erstattungspflicht hinsichtlich künftiger gleichartiger Versicherungsleistungen stehe die Einrede der Verjährung entgegen. Es geht dabei (entsprechend BGHZ 48, 181) davon aus, daß Schadensersatzansprüche des Versicherten gegen den Schädiger gemäß § 1542 RVO bereits im Zeitpunkt des Entstehens auf den zur Versicherungsleistung verpflichteten Sozialversicherungsträger (SVT) übergehen, wenn dessen Leistungspflicht in Betracht zu ziehen ist und auch nur eine entfernte Möglichkeit dafür besteht, daß es zu einer Leistung kommen wird. Das Oberlandesgericht bejaht diese Voraussetzungen, meint daher, daß die Ersatzansprüche schon „im Augenblick der Verletzung” auf die Klägerin übergegangen seien, und führt weiter aus: Diese habe bereits zwei Tage nach dem Unfall von dessen Folgen Kenntnis erlangt und rückwirkend zum 8. Dezember 1964 Zahlungen an den Verletzten geleistet; ihr sei auch bekannt gewesen, daß mit Spätfolgen zu rechnen sei, so daß auf sie im Falle einer Wiedererkrankung erneute Leistungen zukommen könnten, falls die Berufsgenossenschaft die weitere Heilbehandlung und die damit zusammenhängenden Kosten nicht gemäß § 565 Abs. 2 RVO übernehme. Habe sie somit schon seit Dezember 1964 Schädiger und Schaden gekannt, so seien die übergegangenen Ansprüche im Zeitpunkt der Klageeinreichung verjährt gewesen. Gegenstand des Vergleichs vom September 1967 seien nur die Leistungen der Berufsgenossenschaft für Heilbehandlung und Verdienstausfall sowie für deren weitere Aufwendungen bis zum 65. Lebensjahr des Verletzten gewesen, nicht dagegen Leistungen, die die Klägerin in Zukunft noch werde erbringen müssen. Ansprüche könne diese daraus nicht herleiten, noch viel weniger könne sie geltend machen, die Ersatzansprüche ihres Mitglieds als Rechtsnachfolgerin der Berufsgenossenschaft erworben zu haben, da dieser nach Vergleichsabschluß solche Ansprüche auch für die Zukunft nicht mehr zugestanden hätten.

II. Diese Ausführungen stoßen zwar hinsichtlich der Verjährung auf rechtliche Bedenken. Gleichwohl kann die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben, weil das Ergebnis des Berufungsgerichts aus anderen rechtlichen Erwägungen Bestand hat.

1. Die grundsätzliche Auffassung des Berufungsgerichts zum Zeitpunkt des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 1542 RVO auf den zur Leistung verpflichteten Sozialversicherungsträger entspricht gefestigter Rechtsprechung (BGHZ 19, 177; 48, 181, 186 ff); sie wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Dem Berufungsgericht ist auch beizupflichten, wenn es annimmt, daß der Anspruch des Verletzten auf Ersatz des Unfallschadens insoweit bereits mit dem Entstehen auf die Klägerin übergegangen ist, als dessen Inhalt mit ihrer Leistungspflicht kongruent war. Denn sie war nach § 565 Abs. 1 RVO als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung dem Verletzten gegenüber erstrangig und allein leistungsverpflichtet (vgl. BGHZ 27, 107 zum Innenverhältnis zwischen Unfallversicherer und Krankenversicherer).

Fehlerhaft ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, an diesem Forderungsübergang habe sich in der Folgezeit nichts geändert, so daß die Klägerin Gläubigerin des Ersatzanspruchs geblieben sei.

Im Streitfall hat nämlich die Berufsgenossenschaft entsprechend der Entscheidung des „Durchgangsarztes” (§ 557 Abs. 2 RVO) berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung gewährt, hat also von der in § 565 Abs. 2 RVO eröffneten Möglichkeit der Übernahme der Heilbehandlung Gebrauch gemacht. Sie ist damit auch Gläubigerin des in der Person ihres Versicherten entstandenen und zunächst auf die Klägerin übergegangenen Anspruchs gegen den Beklagten geworden; bei dieser, deren Leistungspflicht mit der Übernahme der Heilbehandlung durch die Berufsgenossenschaft erlosch (§ 565 Abs. 2 Satz 2 RVO), ist daher wegen des Wegfalls der in § 1542 RVO geforderten Voraussetzung eben dieser Leistungspflicht auch kein Teil des Anspruchs auf Ersatz von Heilungskosten verblieben (vgl. dazu schon Wussow SozVers 1955, 344 ff).

Diese Rechtsfolge scheint das Berufungsgericht nicht erkannt zu haben, wenn es bei der Beurteilung des zwischen der Berufsgenossenschaft und dem Haftpflichtversicherer des Beklagten abgeschlossenen Abfindungsvergleichs meint, Gegenstand dieser Vereinbarung seien nicht auch Leistungen der Klägerin gewesen, zu denen diese in Zukunft noch verpflichtet sein könnte. Da die Berufsgenossenschaft damals alleinige Gläubigerin des dem Versicherten zustehenden Ersatzanspruchs war, dürfte sie auch grundsätzlich befugt gewesen sein, über diesen umfassend zu verfügen, sich daher rechtswirksam mit dem Beklagten (vertreten von seinem nach § 10 Abs. 5 AKB als bevollmächtigt geltenden Versicherer) dahin vergleichen können, daß auch zukünftige Erkrankungen des Verletzten keinen Rückgriffsanspruch aus § 1542 RVO mehr zur Entstehung zu bringen vermochten. Daher kann es zweifelhaft sein, ob die Klägerin durch das Wiederaufleben ihrer Leistungspflicht – bewirkt durch die erneute Erkrankung ihres Versicherten und die Entscheidung des Durchgangsarztes, diesen jetzt der Krankenkassen-Versorgung zuzuweisen – überhaupt noch einen Anspruch erwerben konnte. Allerdings scheint das Berufungsgericht den Vergleich dahin auszulegen, daß zukünftige Ansprüche gegen den Beklagten nur insoweit in die Abfindung einbezogen sein sollten, als sie gemäß § 1542 RVO auf die Berufsgenossenschaft als die Partnerin des Vergleichs übergehen würden. Dann allerdings stünde diese Abfindungsvereinbarung einer Forderung der Klägerin nicht im Wege.

2. Ob diese Auslegung des Berufungsgerichts dem Willen der Berufsgenossenschaft und vor allem des den Beklagten vertretenden Haftpflichtversicherers entsprach, kann indessen dahinstehen. Im Ergebnis ist nämlich dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß dieser jedenfalls einer auf die Klägerin übergegangenen Forderung die Verjährungseinrede entgegensetzen kann.

a) Die Klägerin war, wie ausgeführt, in dem Zeitraum, während dem die Berufsgenossenschaft auf Grund ihrer Übernahmeerklärung (§ 565 Abs. 2 RVO) die dem Verletzten zustehenden sozialversicherungsrechtlichen Leistungen (§ 557 ff RVO) erbrachte, nicht – und zwar auch nicht teilweise – Gläubigerin des gegen den Beklagten gerichteten Schadensersatzanspruchs. Sie erwarb diesen vielmehr erst im Oktober 1969 mit dem Wiederaufleben ihrer Leistungspflicht, als der Durchgangsarzt mit dem ärztlichen Nachschaubericht vom 13. Oktober 1969 die kassenärztliche Behandlung des Verletzten anordnete. Nun hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 21. Januar 1958 (VI ZR 295/56 = VersR 1958, 153) bereits ausgesprochen, der durch Wohnsitzwechsel eines Versicherten bewirkte Übergang der Leistungspflicht von der zunächst zuständig gewesenen Krankenkasse auf einen anderen Krankenversicherer (§ 212 RVO) führe kraft Gesetzes zum Übergang des über § 1542 RVO vom zuerst verpflichteten SVT erworbenen Ersatzanspruchs des Geschädigten auf die nach der Wohnsitzverlegung zuständige Krankenkasse als Rechtsnachfolger des ursprünglichen Versicherungsträgers (ebenso Urteile vom 30. Januar 1973 – VI ZR 4/72 = VersR 1973, 371 und vom 26. März 1974 – VI ZR 217/72 = VersR 1974, 862, 863). Ob diese einen Wechsel der leistungspflichtigen Krankenkassen betreffenden Erwägungen auch im Streitfall gelten, könnte vielleicht zweifelhaft sein. Im Streitfall handelt es sich nämlich nicht bloß um einen Wechsel, der seinen Grund in der Veränderung der die örtliche Zuständigkeit gleichartiger Versicherungsträger bestimmenden Umstände hat; vielmehr beruht der Übergang der Leistungspflicht auf Rechtsvorschriften, die die sachliche Zuständigkeit zwischen ihrer Art nach verschiedenen Leistungsträgern regeln und zugleich zeitlich abgrenzen. Wenn auch rechtssystematisch einiges für eine Gleichbehandlung beider Fälle spricht, so braucht doch diese Frage hier nicht endgültig entschieden zu werden. Selbst wenn man eine Rechtsnachfolge kraft einer dem Pflichtenübergang des § 565 RVO entsprechenden Legalzession zwischen der Berufsgenossenschaft und der Klägerin hinsichtlich ihrer Gläubigerstellung gegenüber dem Beklagten nicht annehmen wollte, so müßte mindestens der Rechtsgedanke der Vorschrift des § 404 BGB, die gemäß § 412 BGB auch bei gesetzlichem Forderungsübergang gilt, auch im vorliegenden Fall Anwendung finden. Einem Wechsel in der Leistungsverpflichtung, zu dem die in § 565 RVO vorgesehene Regelung führt, muß als Korrelat auch ein Wechsel in der auf § 1542 RVO beruhenden Berechtigung entsprechen, was jedenfalls im Ergebnis einem Forderungsübergang zwischen den beiden Sozialversicherungsträgern gleichkommt. Vor allem liegt von der Sicht des Beklagten als des Schuldners aus gesehen ein Wechsel in der Person des Gläubigers vor. Dessen Interesse daran, daß diese Veränderung seine Rechtsstellung nicht beeinträchtigt, besteht in gleicher Weise wie in dem Fall eines – rechtlich eindeutigen – Forderungsübergangs kraft Gesetzes. Auch hier liegt, ähnlich dem dem Senatsurteil vom 27. Juni 1958 zugrundeliegenden Fall (BGHZ 28, 68 ff), gewissermaßen eine Konkurrenz mehrerer Versicherungsträger vor, die im Außenverhältnis zum Schadensschuldner so gelöst werden muß, daß dessen Rechtsstellung nicht erschwert wird (vgl. BGHZ a.a.O. S. 74). Es ist daher § 404 BGB zumindest analog heranzuziehen, so daß die Klägerin im Oktober 1969 den nunmehr geltend gemachten Anspruch nur in dem rechtlichen Zustand erwerben konnte, wie er sich zur damaligen Zeit darstellte.

Dies läßt die Revision außer acht, wenn sie meint, gegen die Klägerin könne die Verjährungsfrist hinsichtlich dieses übergegangenen Anspruchs erst vom Zeitpunkt des Übergangs an, also ab Oktober 1969, zu laufen begonnen haben. Vielmehr wirkt der bis zum Forderungsübergang abgelaufene Teil der Verjährungsfrist auch gegenüber der Klägerin, so daß es – entgegen auch der Meinung des Berufungsgerichts – nicht darauf ankommt, daß diese Kenntnis vom Schaden und Schädiger bereits bald nach dem Unfall erlangt hat und ob insoweit der Ansicht von Marburger VersR 1972, 11, 12 zuzustimmen wäre.

b) Entscheidend ist daher, ob der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch im Zeitpunkt des Erwerbs durch diese schon verjährt war, oder, falls dies zu verneinen ist, ob während der Gläubigerschaft der Klägerin noch vor Klageerhebung Verjährung eingetreten ist. Letzteres muß bejaht werden.

Selbst wenn man – ausgehend von der oben aufgezeigten Rechtslage, derzufolge die Berufsgenossenschaft im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Jahre 1967 alleinige Gläubigerin dieses gegen den Beklagten gerichteten Schadensersatzanspruchs war – zugunsten der Klägerin annimmt, daß die im Zuge dieser Vereinbarung vom Haftpflichtversicherer für den Schädiger geleistete Zahlung gemäß § 208 BGB die Verjährung auch desjenigen Teils der Forderung unterbrochen hat, der nach der vom Berufungsgericht für richtig gehaltenen Auslegung des Vergleichs von diesem nicht betroffen worden sein soll, begann nach dieser Leistung die Verjährung zwar erneut zu laufen, war aber spätestens Ende des Jahres 1970 vollendet. Verjährungshemmende oder -unterbrechende Tatsachen sind nicht festgestellt und werden von der Klägerin selbst nicht behauptet.

c) Billigkeitserwägungen, wie sie die Revision offenbar im Auge hat, führen nicht dazu, dem Beklagten die Berufung auf Verjährung zu verwehren. Das Gesetz hat in § 404 BGB die Entscheidung dahin gefällt, daß die Interessen des Schuldners an der Erhaltung begründeter Einreden und Einwendungen auch im Falle eines Gläubigerwechsels denen des neuen Gläubigers an dem Erwerb einer nicht einredebehafteten Forderung vorgehen. Im Streitfall kommt noch hinzu, daß die Klägerin in der Lage war, nach Erwerb der Forderung, also vom Oktober 1969 an, während des noch laufenden letzten Jahres der Verjährungsfrist die Vollendung der Verjährung durch Klageerhebung zu verhindern, zumal sie zu dieser Zeit schon Leistungen an den Verletzten erbracht hat; sie wäre daher sogar zur Leistungsklage berechtigt gewesen.

2. Zur Anschlußrevision des Beklagten

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung der von ihm ausgesprochenen Verurteilung des Beklagten aus abgetretenem Recht im wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe diesen Anspruch gemäß §§ 4, 10 und 12 des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27. Juli 1969 (LFZG) erworben. Der ursprünglich dem Verletzten persönlich zustehende Anspruch auf Ersatz seines Verdienstausfalls sei auf dessen Arbeitgeber übergegangen, der ihn in Höhe des von der Klägerin geleisteten Erstattungsbetrages an diese abgetreten habe. Eine Verjährung gemäß § 852 BGB sei bis zur Klageerhebung nicht eingetreten gewesen, weil der nach § 4 LFZG auf den Arbeitgeber übergegangene und von diesem abgetretene Anspruch erst durch das Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes am 1. Januar 1970 frühestens zur Entstehung habe gelangen können. Es handele sich insoweit um einen neuen gesetzlichen Anspruch.

II. Diese Erwägungen sind rechtlich nicht haltbar.

1. Unrichtig ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der gemäß § 4 LFZG auf den Arbeitgeber übergegangene Anspruch habe frühestens mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Januar 1970 zur Entstehung gelangen können. Dabei übersieht das Oberlandesgericht, daß der Anspruch, dessen Übergang § 4 LFZG anordnet, den Ersatz für unfallbedingten Erwerbsausfall (§ 842 BGB) zum Inhalt hat und dem Verletzten dem Grunde nach bereits im Unfallzeitpunkt erwachsen ist. In diese Rechtsbeziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem hat das Lohnfortzahlungsgesetz nicht eingegriffen. Ein Arbeitgeber, der unter Berufung auf § 4 LFZG von dem seinem Arbeiter zum Ersatz von Verdienstausfall verpflichteten Schädiger praktisch die Erstattung des während der Arbeitsunfähigkeit von ihm weitergezahlten Lohnes verlangt, macht damit keinen ihm originär erst mit dem Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes erwachsenen Anspruch, sondern diejenige Forderung geltend, die in der Person seines Arbeiters entstanden ist. Daher muß er, falls in der Zwischenzeit diese Forderung erloschen oder einredebehaftet geworden sein sollte, dies gegen sich gelten lassen (§§ 412, 404 BGB).

Der Forderungsübergang nach § 4 LFZG unterscheidet sich dadurch wesentlich von demjenigen gemäß § 1542 RVO, daß er sich nicht schon dann vollzieht, wenn eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers – sei es auch nur entfernt – in Betracht kommt; das Gesetz verlangt vielmehr als entscheidende Voraussetzung die erbrachte Leistung durch den Arbeitgeber (vgl. auch § 67 VVG). Dies führt im Streitfall entsprechend den Feststellungen im Berufungsurteil dazu, daß der Arbeitgeber des Verletzten als der Zedent der Klägerin frühestens am 21. August 1970 den Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten erworben haben konnte, weil er erstmals von diesem Tage an den Lohn fortgezahlt hat.

2. Es kommt daher entscheidend darauf an, ob zu diesem Zeitpunkt der Verletzte den Anspruch auf Ersatz für Verdienstentgang noch besaß und ob, wenn dies bejaht werden muß, diesem Anspruch die Einrede der Verjährung erfolgreich entgegengehalten werden kann.

a) Entsprechend der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes ging der Anspruch des Verletzten auf Ersatz von Verdienstausfall gemäß § 1542 RVO auf den leistenden Sozialversicherungsträger über. Die Regelung in § 565 RVO, die primär auch bei Vorliegen eines Arbeitsunfalls die Leistungspflicht des Trägers der Krankenversicherung festlegt, der Berufsgenossenschaft als dem Träger der Unfallversicherung aber Recht und Pflicht zur Übernahme der Heilbehandlung und der dabei notwendig werdenden Geldleistungen eröffnet, bewirkte, daß auch der Anspruch des Verletzten auf Ersatz des Verdienstausfalls auf die Ortskrankenkasse bzw. wegen der auf der Entscheidung des Durchgangsarztes beruhenden Übernahme nach § 565 Abs. 2 RVO sogleich auf die Berufsgenossenschaft überging; die Krankenhilfe gemäß § 182 RVO bzw. das Übergangsgeld (§ 560 RVO) hatten nämlich Lohnersatzfunktion, so daß die sachliche Kongruenz zum Anspruch des Verletzten auf Ersatz seines Verdienstausfalls gegeben war.

Infolgedessen war die Berufsgenossenschaft zu dem Zeitpunkt des Abfindungsvergleichs vom September 1967 auch Gläubigerin des ursprünglich dem Verletzten zustehenden Anspruchs auf Ersatz von Verdienstausfall, hatte daher grundsätzlich die Befugnis, auch diesen Teil der Schadensersatzforderung mit zu vergleichen. Ob eine solche umfassende Erledigung seinerzeit von den Vergleichspartnern gewollt war oder ob die Berufsgenossenschaft die Abfindung nicht nur auf den Teil des Ersatzanspruchs erstrecken wollte, der bei einer weiteren Schadensentwicklung möglicherweise infolge Wegfalls der Voraussetzung des § 565 Abs. 2 RVO nach der damaligen, vor Inkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes geltenden Rechtslage auf die Klägerin übergehen konnte, braucht auch hier letztlich nicht entschieden zu werden. Denn der Beklagte hat jedenfalls mit seiner Verjährungseinrede Erfolg; auch der Anspruch auf Verdienstausfallersatz ist so wie der oben (bei der Prüfung der Revision der Klägerin) behandelte Anspruch auf Heilungskosten spätestens Ende 1970 verjährt.

b) Auch hinsichtlich dieses Teils des Ersatzanspruchs kann allenfalls die Zahlung der Abfindungssumme von 1967 als letzter verjährungsunterbrechender Tatbestand (§ 208 BGB) gewertet werden. Bis zur Klageerhebung im vorliegenden Rechtsstreit hat aber keiner der möglichen Gläubiger, insbesondere auch nicht der Arbeitgeber des Verletzten, dafür Sorge getragen, daß der Eintritt der Verjährung zum Ende des Jahres 1970 vermieden wurde. Auf die Frage, ob zum Zeitpunkt der Abtretung der Ersatzforderung an die Klägerin (§ 12 LFZG) die Verjährung bereits eingetreten war, kommt es ebensowenig an wie auf den Umstand, daß ein weiterer Teil dieser Forderung auf den Arbeitgeber erst mit seiner für die Zeit vom 8. Juni bis 19. Juli 1972 geleisteten Lohnfortzahlung kraft Gesetzes übergegangen ist; denn all dies ist erst in einem Zeitpunkt geschehen, zu dem die Verjährung bereits eingetreten war. Nach dem Grundsatz des § 404 BGB, der sowohl für den gesetzlichen Gläubigerwechsel wie auch für die Abtretung gilt, darf es bei einem Forderungsübergang auch dann nicht zu einer Beeinträchtigung der Stellung des Schuldners kommen, wenn der neue Gläubiger die Umstände, die das rechtliche Schicksal der Forderung bestimmen, nicht kennt. Auch in diesem Falle besteht daher kein Anlaß, dem Beklagten die Berufung auf die eingetretene Verjährung zu verwehren. In seinem Verhalten läßt sich kein Verstoß gegen Treu und Glauben erkennen.

3. Ergebnis

Die vorstehenden Ausführungen ergeben, daß die Revision der Klägerin zurückgewiesen werden muß, während die Anschlußrevision des Beklagten sich als begründet erweist und zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils insoweit führt, als es auch die auf Verdienstausfallersatz gestützte Klage abgewiesen hat.

 

Unterschriften

Dr. Weber, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Ankermann, Dr. Deinhardt

 

Fundstellen

Haufe-Index 1742393

Nachschlagewerk BGH

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge