Entscheidungsstichwort (Thema)

Höferecht

 

Leitsatz (amtlich)

Gehören Grundstücke im Baulandqaulität zum Hof, so hängt ein Zuschlag zum Hofeswert (§ 12 II 3 HöfeO) nicht davon ab, ob der Hofeigentümer den Wert der Baulandqualität schon realisiert hat oder dies konkret (etwa über entsprechende Verwertungspläne) beabsichtigt. Die Zuschlagsregelung gilt vielmehr auch, wenn der Hofeigentümer die Grundstücke weiter nur landwirtschaftlich nutzen will.

 

Normenkette

HöfeO § 12 Abs. 2

 

Gründe

I.

Die Beteiligten sind die einzigen Kinder des am 24. September 1987 verstorbenen Landwirts F. K. H (Erblasser). Dieser war Eigentümer eines im Grundbuch von B eingetragenen ca. 35 ha großen Hofes (sog. U) und von Grundbesitz in O zur Größe von ca. 11.53 ha.

Während im Grundbuch von B nach wie vor der Hofvermerk eingetragen ist, wurde der im Grundbuch von O eingetragene Hofvermerk gelöscht, weil der Wirtschaftswert unter 10.000 DM gesunken war. Im Grundbuch von B ist eingetragen, daß zum Hof auch der Grundbesitz in O gehört.

Der Erblasser übertrug seinen gesamten obengenannten Grundbesitz durch notariellen Übergabevertrag vom 19. Dezember 1986 auf den Antragsgegner und vereinbarte mit notariellem Änderungsvertrag vom 8. Mai 1987, daß das Eigentum erst im Zeitpunkt des Todes auf den Antragsgegner übergehen solle. Nach einem gemeinschaftlichen Testament des Erblassers und seiner am 11. Oktober 1989 verstorbenen Ehefrau hat der Antragsgegner der Antragstellerin als "Erbabfindung" den ihr zustehenden Pflichtteilsanspruch nach der Höfeordnung zu gewähren, worauf ein bereits gezahlter Betrag von 26.000 DM anzurechnen sein soll. Im Übergabevertrag verpflichtete sich der Antragsgegner, der Antragstellerin 34.000 DM als endgültige Abfindung aus dem Hof zu zahlen. Diese Leistung hat er erbracht.

Der Antragsgegner wohnt mit seiner Ehefrau in einem von ihm in O auf dem damaligen Grundbesitz seines Vaters errichteten Zweifamilienhaus (A weg), in dem bis zu ihrem Tode auch der Erblasser und seine Ehefrau gelebt hatten. In dem Gebäude der angrenzenden ehemaligen Hofstelle (A weg) wohnt die Tochter des Antragsgegners. Beide Wohnhäuser, benachbarte Wirtschaftsgebäude und größere Teile angrenzender Grünlandflächen zur Größe von insgesamt 14.250 qm liegen im Geltungsbereich rechtsverbindlicher Bebauungspläne, welche die Flächen als reines Wohngebiet ausweisen. Die Flurstücke 379/2, 379/3 und 379/4 übertrug der Erblasser 1982/83 im Wege der Schenkung auf seine Enkeltöchter I. H und U. W. Das Flurstück 379/3 ist mit einem Wohnhaus bebaut.

Die Antragstellerin ist unter anderem der Auffassung, die am A weg gelegenen Ländereien seien wegen ihrer Baulandqualität mit dem Verkehrswert anzusetzen. Sie hat aus einem bereinigten Nachlaßwert von 2.976.378 DM eine Pflichtteilsquote von 363.279 DM (l/8) errechnet und setzt davon den nach dem Übergabevertrag gezahlten Betrag von 34.000 DM ab. Sie hat beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von 329.297 DM nebst Zinsen zu verpflichten.

Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - hat den Antrag abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie nur noch Zahlung eines Betrages von 250.644, 50 DM nebst Zinsen begehrt, hat das Oberlandesgerichts - Landwirtschaftssenat - zurückgewiesen. Dagegen richtet sich das als "Nichtzulassungsbeschwerde" bezeichnete Rechtsmittel der Antragstellerin, mit der sie beantragt, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde aufzuheben und die Beschwerde zuzulassen. Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

1.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig.

Nähme man sie beim Wort, wäre sie allerdings nicht statthaft, weil es im Bereich des Landwirtschaftsverfahrensrechts keine Nichtzulassungsbeschwerde gibt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Nichtzulassung ist vielmehr für den Senat bindend und kann nicht angefochten werden (vgl. st. Rspr. des Senats im Anschluß an den Beschl. v. 12. Februar 1963, V BLw 37/62, RdL 1963, 66).

Der Senat versteht das Rechtsmittel der Antragstellerin aber als Abweichungsrechtsbeschwerde im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 1 LwVG, weil sie geltend macht, das Beschwerdegericht sei von der Senatsentscheidung vom 24. April 1986 (BLw 9/85, AgrarR 1986, 319) abgewichen. Als solche ist sie zulässig.

Das Beschwerdegericht lehnt einen Zuschlag zum Hofeswert ab. Seine Entscheidung bezieht sich allerdings auf § 12 Abs. 2 S. 3 HöfeO n.F. Nach dieser Bestimmung können auf Verlangen nach billigem Ermessen Zuschläge gemacht werden, wenn besondere Umstände des Einzelfalls, die für den Wert des Hofes von erheblicher Bedeutung sind, in dem Hofeswert nicht oder ungenügend zum Ausdruck kommen. Die genannte Senatsentscheidung betrifft dagegen § 12 Abs. 2 S. 2 HöfeO a.F., der angemessene Zuschläge zum zuletzt festgestellten Einheitswert in enumerativ aufgezählten Fällen vorsah, unter anderem für Grundstücke, bei denen nach ihrer Lage oder Beschaffenheit anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienen (§ 12 Abs. 2 S. 2 Buchst. b HöfeO a.F.). Regelmäßig ist zwar ein Abweichungsfall nicht gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung und diejenige Entscheidung, von der abgewichen sein soll, auf verschiedener Gesetzesgrundlage ergangen sind (vgl. BGHZ 7, 339, 341 ff; 9, 179, 181; Senatsbeschl. v. 5. Juli 1955, V BLw 79/54, RdL 1955, 251, 253). Hier liegt der Fall jedoch anders, weil mit der Neufassung der Höfeordnung die Zuschlagsvoraussetzungen zwar allgemeiner gefaßt worden sind, darunter aber nach wie vor - wie das Beschwerdegericht selbst ausführt - solche Hofgrundstücke fallen, bei denen nach ihrer Lage und Beschaffenheit anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienen. Eine solche Nutzungsänderung sei - wovon das Beschwerdegericht unter Hinweis auf die genannte Senatsentscheidung ebenfalls ausgeht - insbesondere dann zu erwarten, wenn Hofgrundstücke zum Bewertungszeitpunkt als Bauland oder auch als Bauerwartungsland anzusehen sind. Für den Fall einer bereits vorliegenden Baulandqualität hat der Senat aber ausgesprochen, daß dann regelmäßig ein Zuschlag zum Hofeswert zu machen sei (vgl. AgrarR 1986, 320). Diesen Rechtssatz, der nach dem eigenen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts auch im Rahmen der neu gefaßten Höfeordnung (§ 12 Abs. 2 S. 3) gilt, hält es allerdings nicht uneingeschränkt für gültig, sondern will den Zuschlag "nur dann" vornehmen, wenn sich die Möglichkeit einer Nutzungsänderung auch "konkret" abzeichne, weil sonst der Hoferbe in ungerechtfertigter Weise finanziell belastet werde. Es liegt mithin eine Abweichung von der genannten Senatsentscheidung vor, auf der die Entscheidung des Beschwerdegerichts auch beruht, weil es auf der Grundlage verschiedener tatrichterlicher Feststellungen zu dem Ergebnis kommt, auch für die als Bauland ausgewiesenen Flächen zeichne sich "konkret" noch keine Nutzungsänderung ab.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, daß bei der Baulandqualität von Hofgrundstücken regelmäßig ein Zuschlag zum Hofeswert in Betracht kommt. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einschränkung entspricht weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Zuschlagregelung. Während die ursprüngliche Fassung der Höfeordnung (§ 12 Abs. 2 S. 2 Buchst. b) immerhin noch auf eine in absehbarer Zeit anzunehmende Nutzungsänderung abstellte, setzt die Neufassung nur noch besondere Umstände des Einzelfalls voraus, die für den Wert des Hofes von erheblicher Bedeutung sind und in dem Hofeswert (= das 1 1/2-fache des zuletzt festgestellten Einheitswerts) nicht oder ungenügend zum Ausdruck kommen. Mehr noch als die bisherige Gesetzesfassung zeigt mithin schon der Wortlaut von § 12 Abs. 2 S. 3 HöfeO n.F., daß die Bedeutung der besonderen Umstände des Einzelfalls (hier: bereits vorhandene Baulandqualität von Grundstücken) für den Wert des Hofes ausschlaggebend sein soll, nicht aber die tatsächliche oder sich konkret abzeichnende Nutzung. Grundstücke mit Baulandqualität werden im Verkehr in aller Regel höher bewertet als mit dem steuerlichen Einheitswert, und zwar unabhängig von einer etwa weitergeführten landwirtschaftlichen Nutzung, denn der Eigentümer hat planungsrechtlich jederzeit Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung und kann die dadurch eingetretene Werterhöhung auch jederzeit realisieren. Es ist deshalb sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn und.Zweck des Gesetzes verfehlt, darauf abzustellen, ob der Hofeigentümer den Wert der Baulandqualität schon realisiert hat oder dies bereits ganz konkret (etwa über entsprechende Verkaufspläne) beabsichtigt. Demgemäß wird eine solche Einschränkung auch in der einschlägigen Literatur überwiegend nicht gemacht (vgl. Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, HöfeO, 3. Aufl., § 12 Rdn. 22; Steffen, HöfeO, Nachtrag 1987, § 12 Rdn. 9 a; Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 6. Aufl., § 12 HöfeO Rdn. 22; Becker, AgrarR 1976, 181, 183 ff; Lüpke, AgrarR 1977, 264 in einer Anmerkung zu OLG Celle). Soweit Lüdtke-Handjery (HöfeO, 9. Aufl., § 12 Rdn. 46) dennoch auf eine sich "konkret abzeichnende Möglichkeit der Nutzungsänderung" abstellt und ganz allgemein § 12 Abs. 2 S. 3 HöfeO n.F. in "Wechselbezug" zur Nachabfindungsregelung nach § 13 Abs. 4 Buchst. b HöfeO auslegen will, kann dem der Senat nicht folgen (ablehnend auch Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo aaO.; Lüpke aaO.; Steffen aaO., § 12 Rdn. 9 b; Wöhrmann/Stöcker aaO.). Der Gesetzeswortlaut stellt ganz allgemein auf den Wert des Hofes ab, der infolge besonderer Umstände des Einzelfalls im 1 1/2-fachen Einheitswert nicht genügend zum Ausdruck kommt, und es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein noch nicht realisierter Mehrwert davon ausgenommen werden sollte. Nach Auffassung des Senats läßt sich die Zuschlagsregelung zur Abfindung nicht mit der Abfindungsergänzung verknüpfen. § 12 HöfeO dient dem Vermögensausgleich im Zeitpunkt des Erbfalls. Die Abfindung weichender Erben soll nach dem eindeutigen Wortlaut von § 12 Abs. 2 S. 3 HöfeO positiv wie negativ durch Zu- und Abschläge zum Hofeswert betroffen sein.

Demgegenüber betrifft die Abfindungsergänzung allein die spätere Entwicklung und zweckwidrige Verwendung des Hofvermögens. Die Zuschlagsregelung läßt sich auch deshalb nicht mit der Nachabfindung nach § 13 Abs. 4 Buchst. b HöfeO verknüpfen, weil letztere ganz entfällt, wenn der Hoferbe die Gewinne gar nicht oder erst nach Ablauf von 20 Jahren nach dem Erbfall realisiert und sie sich um ein Viertel bzw. die Hälfte nach Ablauf von 10 bzw. 15 Jahren vermindert (§ 13 Abs. 5 S. 6 HöfeO). Die Interessen der weichenden Erben sind durch etwaige Nachabfindungsansprüche damit gerade nicht ausreichend gewährt. Andererseits wird der Hoferbe auch nicht etwa doppelt oder sonst unzumutbar belastet, weil auf Nachabfindungsansprüche die "bereits empfangene Abfindung" voll anzurechnen ist (§ 13 Abs. 1 S. 1 HöfeO). Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn der zugrunde gelegte Hofeswert durch Zuschläge erhöht worden ist (vgl. Wöhrmann/Stöcker aaO.; Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo aaO.; Steffen aaO. Rdn. 9 c).

Nach allem wird das Beschwerdegericht das Verlangen der Antragstellerin nach einem Zuschlag zum Hofeswert erneut prüfen müssen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1456042

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