Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung Inkassoauftrag. Unwirksame Klausel über Anspruch auf volle Vergütung gegen Unternehmer § 9 AGBG

 

Leitsatz (amtlich)

Eine formularmäßige Klausel, wonach ein Inkassobüro für jeden Fall der Kündigung des Inkassoauftrages die volle Vergütung als Festbetrag - unabhängig von dem Stand der bis dahin erbrachten Leistungen - beanspruchen kann, ist gem. § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG unwirksam.

Wird eine solche Klausel ggü. einem Unternehmer verwandt, ist sie nach § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam.

 

Normenkette

AGBG § 10 Nr. 7 Buchst. a, § 9; BGB § 628 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 20.02.2004; Aktenzeichen 25 U 131/03)

LG Hagen

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 25. Zivilsenats des OLG Hamm v. 20.2.2004 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte beauftragte die Klägerin durch "Überwachungsauftrag (Einzug einer ausgeklagten Forderung)" v. 17.10.2000, eine titulierte Forderung gegen R. S. i.H.v. 410.530 DM beizutreiben. In dem formularmäßigen Auftrag erkannte der Beklagte die "Geschäftsbedingungen" der Klägerin an, in denen es in Abs. 12 heißt:

"Bereits rechtskräftig titulierte und bislang nicht zu realisierende Forderungen werden von e. ≪= KLÄGERIN≫ überwacht. Das gesamte Kostenrisiko trägt e. ab Übernahme des Auftrages. Die Gesamtforderung ist mit Annahme des Auftrages (Originaltitel) i.H.v. 30 % zzgl. MWST (Bearbeitungsvergütung) an e. abgetreten. Bei jedem Zahlungseingang erfolgt entsprechende Verrechnung. Bei Kündigung des Auftrages ist die gesamte Bearbeitungsgebühr, sowie die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten in voller Höhe zu erstatten."

Die Klägerin erreichte nicht, dass der Schuldner zahlte. Mit Schreiben v. 24.4.2002 kündigte der Beklagte den Inkassoauftrag mit sofortiger Wirkung. Daraufhin stellte ihm die Klägerin am 29.4.2002 eine Bearbeitungsvergütung i.H.v. 30 % der Forderung sowie Gerichtsvollzieherkosten, insgesamt 83.278,22 EUR, in Rechnung.

Eingeklagt ist von der vorgenannten Rechnung ein Teilbetrag von 5.500 EUR, nämlich 5.118,60 EUR Bearbeitungsvergütung und 381,40 EUR von der Klägerin verauslagte Vollstreckungskosten, nebst Zinsen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage i.H.v. 877,40 EUR zzgl. Zinsen stattgegeben. Mit der von dem Berufungsgericht zu ihren Gunsten zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung von (insgesamt) 5.500 EUR nebst Zinsen weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Die Klägerin könne nach der Kündigung des Inkassoauftrages gem. § 675 Abs. 1, §§ 628, 612, 670 BGB i.V.m. Abs. 12 S. 5 ihrer (vorzitierten) Geschäftsbedingungen Erstattung der bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten verlangen. Darunter seien nicht nur ihre Auslagen, sondern auch diejenigen - nach Zeitaufwand unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 50 EUR zu ermittelnden - Aufwendungen für Personal und Organisation zu verstehen, die mit dem Inkassoauftrag zusammengehangen hätten (insgesamt 877,40 EUR einschließlich Umsatzsteuer).

Dagegen könne die Klägerin nicht darüber hinaus eine Vergütung fordern. Die Regelung in Abs. 12 S. 5 ihrer Geschäftsbedingungen, wonach bei Kündigung des Auftrages - zusätzlich zu den bis dahin angefallenen Kosten - die gesamte Bearbeitungsgebühr "zu erstatten" sei, halte der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht stand. Die Klägerin lasse sich hierdurch eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen versprechen, was gem. § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG nicht zulässig sei. Jedenfalls liege in einer solchen Abwicklungsregelung eine von wesentlichen Gedanken der gesetzlichen Regelung abweichende, den Beklagten unangemessen benachteiligende Bestimmung, die gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam sei. Das Prinzip, dass Bezahlung (nur) für geleistete Tätigkeiten geschuldet sei, werde auf den Kopf gestellt.

Nach der - an die Stelle der unwirksamen Geschäftsbedingungen tretenden - gesetzlichen Regelung (§ 628 Abs. 1 S. 1 BGB) habe der Klägerin eine anteilige Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nicht zugesprochen werden können; denn sie habe insoweit die tatsächlichen Voraussetzungen nicht dargelegt.

II.

Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung stand.

1. Die Klägerin kann nur die rechtskräftig zuerkannten 877,40 EUR Personal- und Vollstreckungskosten nebst Zinsen beanspruchen. Der von der Revision weiter geltend gemachte Aufwand zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses nach erfolgter Kündigung war schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er nicht durch entsprechenden substantiierten Parteivortrag belegt war.

2. Die Klägerin kann darüber hinaus keine Vergütung fordern.

a) Zwar ist in Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen bestimmt, dass bei Kündigung des Inkassoauftrages - außer den bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten - die gesamte Bearbeitungsgebühr (oder - im selben Sinn -: "Bearbeitungsvergütung" ≪VGL. ABS. 12 S. 3 DER GESCHÄFTSBEDINGUNGEN≫) i.H.v. 30 % der beizutreibenden Gesamtforderung zzgl. Umsatzsteuer "zu erstatten" ist. Diese Regelung ist aber, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, unwirksam. Das ergibt sich aus § 10 Nr. 7 Buchst. a oder - sofern unternehmerischer Geschäftsverkehr vorgelegen haben sollte - aus § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 des AGB-Gesetzes i.d.F. der Bekanntmachung v. 29.6.2000 (BGBl. I, 946), das auf den vorliegenden, v. 17.10.2000 bis zum 24.4.2002 dauernden Inkassoauftrag noch anwendbar ist (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB).

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist die in Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen getroffene Regelung der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG unterworfen; denn durch sie wurde eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung vereinbart (§ 8 AGBG).

(1) Abreden, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und der hierfür geschuldeten Vergütung unmittelbar bestimmen, unterliegen allerdings nicht der Regelung durch Rechtsvorschriften, sondern sind von der den Parteien eingeräumten Vertragsfreiheit umfasst. Mit solchen Preisabsprachen ist daher im nicht preisregulierten Markt keine Änderung oder Ergänzung von Rechtsvorschriften i.S.d. § 8 AGBG verbunden. Kontrollfähig sind dagegen vorformulierte Vereinbarungen, die mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung haben (Nebenabreden) und an deren Stelle, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Hierzu zählen insb. Klauseln, die in einer die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung berührenden Weise die Entstehungsvoraussetzungen für den Vergütungsanspruch regeln (BGH, Urt. v. 22.2.2002 - V ZR 251/00, BGHReport 2002, 485 = MDR 2002, 752 = ZIP 2002, 808 [809], m.w.N.; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., 2001, § 8 Rz. 21; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., 1999, § 8 Rz. 18 f.). So liegt der Streitfall.

(2) Die von den Parteien vereinbarte Einziehung von Forderungen des Beklagten durch die als Inkassobüro tätige Klägerin ist als Geschäftsbesorgungsdienstvertrag (§ 675 Abs. 1 BGB) zu qualifizieren (BGH, Urt. v. 29.4.2004 - III ZR 279/03, MDR 2004, 1126 = BGHReport 2004, 1065). Ein solcher Vertrag ist für den Auftraggeber nach § 627 Abs. 1 BGB jederzeit kündbar (BGH, Urt. v. 29.5.1991 - IV ZR 187/90, MDR 1991, 1134 = WM 1991, 1642 - zum Partnerschaftsanbahnungsdienstvertrag), weil Inkassoaufträge auf Grund besonderen Vertrauens erteilt zu werden pflegen (BGH, Urt. v. 29.5.1991 - IV ZR 187/90, MDR 1991, 1134 = WM 1991, 1642 - zum Partnerschaftsanbahnungsdienstvertrag). Im Fall der Kündigung durch den Auftraggeber kann der Dienstverpflichtete (nur) einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen (§ 628 Abs. 1 S. 1 BGB). Über diese gesetzliche Regelung geht Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen der Klägerin zum Nachteil des Auftraggebers hinaus. Denn nach Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen soll der Auftraggeber bei Kündigung des Auftrages stets die volle Bearbeitungsgebühr schulden.

bb) Nach dem - somit gem. § 8 AGBG anwendbaren - Klauselverbot des § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG ist eine Bestimmung unwirksam, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für erbrachte Leistungen verlangen kann. Richtschnur für die rechtliche - also entgegen der Auffassung der Revision einem Sachverständigenbeweis nicht zugängliche - Angemessenheitsprüfung ist jeweils das, was - ohne die Klausel - nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldet wäre (BGH, Urt. v. 8.11.1984 - VII ZR 256/83, MDR 1985, 486 = NJW 1985, 632; Urt. v. 29.5.1991 - IV ZR 187/90, MDR 1991, 1134 = WM 1991, 1642 - zum Partnerschaftsanbahnungsdienstvertrag; Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., 2001, § 10 Nr. 7 Rz. 1). Angemessen wäre demnach eine Vergütung, die den vom Dienstverpflichteten bis zur Kündigung durch den Auftraggeber erbrachten Leistungen entspräche (§ 628 Abs. 1 S. 1 BGB). Darüber greift die von der Klägerin verwandte formularmäßige Regelung indes hinaus und unterliegt deshalb dem Klauselverbot des § 10 AGBG (BGH v. 25.5.1983 - IVa ZR 182/81, BGHZ 87, 309 [319] = MDR 1983, 915). Die Klägerin hat sich in Abs. 12 S. 5 ihrer Geschäftsbedingungen für jeden Fall der Kündigung die volle Vergütung ("gesamte Bearbeitungsgebühr") als Festbetrag - unabhängig von dem Stand ihrer bis dahin erbrachten Leistungen - versprechen lassen. Der Beklagte sollte die gesamte Vergütung selbst dann schulden, wenn er zu einer Zeit kündigte, als die Klägerin noch nichts unternommen hatte. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte die Klägerin im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung sogar noch mehr erhalten als bei Beendigung nach vollständiger Vertragserfüllung, nämlich die gesamte Bearbeitungsgebühr und vollen Ersatz der ihr entstandenen Kosten (Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen). Bei erfolgreichem Forderungseinzug hätte sie zwar ebenfalls die Bearbeitungsgebühr erhalten, aber die Beitreibungskosten selbst tragen müssen (vgl. Abs. 12 S. 2 der Geschäftsbedingungen). Bei nur teilweisem Forderungseinzug hätte die Klägerin - im Fall der ordentlichen Vertragsbeendigung - nur eine anteilige Vergütung erhalten und wiederum die Beitreibungskosten selbst tragen müssen.

Die AGB-förmige Bestimmung einer offensichtlich überhöhten Vergütung für den Fall der Kündigung wird nicht durch ein Interesse der Klägerin gerechtfertigt, den Auftraggeber so an einer vorzeitigen Kündigung des Inkassovertrages zu hindern. Im Gegenteil ist darin, dass dem Auftraggeber durch Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen die Ausübung seines gesetzlichen Kündigungsrechts (§ 627 Abs. 1 BGB) erschwert wird, eine weitere, die Unangemessenheit der Vergütungsregelung verstärkende, einseitige Benachteiligung zu sehen. Dieses Recht auszuhebeln, besteht kein rechtlich anzuerkennendes Interesse. Was die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen angeht, ist der Dienstverpflichtete durch die Vergütungsregelung in § 628 Abs. 1 S. 1 BGB hinreichend geschützt.

cc) Nichts anderes, nämlich Unwirksamkeit der Vergütungsregelung, gälte, wenn § 10 AGBG hier nicht Anwendung fände, weil die Geschäftsbedingungen der Klägerin - was das Berufungsgericht bezüglich des Beklagten offen gelassen hat - ggü. einem Unternehmer verwendet worden wären (§ 24 S. 1 AGBG). Denn Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen der Klägerin ist auch nach dem - im Verkehr mit Unternehmern uneingeschränkt anwendbaren - § 9 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. In § 628 Abs. 1 S. 1 BGB ist für den Dienstvertrag festgelegt, dass sich die tatsächlich erbrachten Dienstleistungen und die Vergütung im Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung entsprechen müssen. Überhaupt wird Bezahlung grundsätzlich nur für geleistete Tätigkeiten geschuldet (vgl. § 611 Abs. 1 BGB). Mit diesem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ist Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen nicht vereinbar. Denn dort wird - wie oben im Zusammenhang mit § 10 Nr. 7 Buchst. a AGBG ausgeführt - das vorbeschriebene Äquivalenzprinzip mißachtet und letztlich auch für eine Nichtleistung ein Entgelt festgesetzt (Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., 2001, § 8 Rz. 21b).

b) Auf Grund der von Abs. 12 S. 5 der Geschäftsbedingungen nicht verdrängten gesetzlichen Regelung des § 628 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Klägerin eine höhere (anteilige) Vergütung als zuerkannt nicht zugesprochen werden. Nach der - nicht angegriffenen - Feststellung des Berufungsgerichts ist dem Parteivorbringen nicht zu entnehmen, welche Gesamtleistungen die Klägerin zu erbringen hatte. Die von ihr durchgeführten Tätigkeiten können deshalb nicht ins Verhältnis zu der geschuldeten Gesamtleistung gesetzt und so eine anteilige (höhere) Vergütung nicht bemessen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1325001

DB 2005, 827

NWB 2005, 1392

BGHR 2005, 683

NJW-RR 2005, 642

WM 2005, 699

ZIP 2005, 492

InVo 2005, 331

MDR 2005, 738

VuR 2005, 159

GuT 2005, 66

RdW 2005, 240

VE 2005, 61

ZGS 2005, 166

ZVI 2005, 144

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