Leitsatz (amtlich)

Als Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB sind nur diejenigen Gegenleistungen anzusehen, die dem Nachlaß zufließen. Unentgeltlich ist eine Verfügung des Vorerben, durch die aus den Nachlas etwas aufgegeben und weggegeben wird, ohne daß die dadurch eintretende Verringerung des Nachlasses durch Zuführung eines entsprechenden Vermögensvorteils aufgewogen wird.

 

Normenkette

BGB § 2113 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 08.10.1951)

LG Lüneburg (Urteil vom 02.02.1951)

 

Tenor

Das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Celle vom 8. Oktober 1951 wird aufgehoben. Das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts in Lüneburg vom 2. Februar 1951 wird insoweit geändert, als nach dem Antrag der Widerklage erkannt ist. Die Widerklage wird als unzulässig abgewiesen. Im übrigen wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die 1877 geborene Klägerin ist die Witwe des 1945 verstorbenen Dachdeckermeisters Gustav S.. Aus der Ehe der Klägerin sind der Beklagte, seine Schwester Mathilde gesch. P. verw. T. und sein Bruder Gustav, der seit 1944 im Osten vermißt ist, hervorgegangen.

Gustav S. errichtete durch Erklärung zu notariellem Protokoll im Jahre 1941 ein Testament, in dem es heißt:

„Ich setze meine Ehefrau … zu meiner Vorerbin ein. Nacherben sollen meine drei Kinder zu gleichen Teilen werden. Mein Sohn Gustav muß sich auf seinen Erbteil 3.000 RM anrechnen lassen, die er für seine Berufsausbildung vorausempfangen hat …

Meine Frau soll als Vorerbin von allen gesetzlichen Beschränkungen eines Vorerben befreit, sein. Sie soll über meinen gesamten Nachlaß frei nach ihrem Willen verfügen können.

Der Wert meines gegenwärtigen Vermögens ist 20.000 RM.”

Der Nachlaß des Gustav S. besteht aus einem landwirtschaftlichen Grundstück, dessen Einheitswert 1935 auf 10.260 RM festgesetzt worden ist.

Die Klägerin hat durch einen notariellen „Übergabe- Altenteils- und Abfindungsvertrag” vom 8. Oktober 1948 in Verbindung mit dem Abänderungsvertrag vom 4. Oktober 1949 den Grundbesitz der Schwester des Beklagten gegen einen Altenteil im Werte von 5.500 DM, eine an den Beklagten zu zahlende Abfindung von 4.500 DM und eine an den Bruder Gustav zu zahlende Abfindung von 1.500 DM übertragen. Die Abfindungen sollten erst beim Tode der Klägerin fällig werden. Falls der Bruder Gustav innerhalb von 5 Jahren nicht zurückkehren sollte, sollte die an ihn zu zahlende Abfindung entfallen, die an den Beklagten zu zahlende Abfindung sich dagegen um 750 DM erhöhen. Das Altenteil und die an den Beklagten zu zahlende Abfindung, soweit sie 5.000 DM nicht übersteigt, sollten in das Grundbuch eingetragen werden.

Die Verträge sind von der unteren Landwirtschaftsbehörde genehmigt und die entsprechenden Eintragungen im Grundbuch gemacht worden. Die untere Landwirtschaftsbehörde hat nach § 32 LVO die Eintragung eines Widerspruchs in Grundbuch veranlaßt.

Da der Beklagte die Ansicht vertritt, die Verträge verstießen gegen § 2113 Abs. 2 BGB, hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag,

  1. festzustellen, daß der Übergabevertrag vom 8. Oktober 1948 mit Nachtrag vom 4. Oktober 1349 – Not. Reg. Nr. …3/…8 und …6/49 des Notars … in W. – dem Beklagten als Nacherben gegenüber wirksam sei,
  2. den Beklagten zu verurteilen, darin zu willigen, daß der im Grundbuch von W. Bd. XIII Bl. Nr. …6 in Abt. II Nr. 5 eingetragene Widerspruch gelöscht werde.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat Widerklage erhoben mit dem Antrag,

festzustellen, daß die beiden im Klageantrag erwähnten Verträge dem Beklagten gegenüber unwirksam seien und daß der Widerspruch zu Recht bestehe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und nach dem Widerklageantrag erkannt. Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts geändert, die Widerklage abgewiesen und nach dem Klageantrag erkannt. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, mit der er seine vor dem Berufungsgericht gestellten Anträge weiter verfolgt. Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Parteien streiten darum, ob der von der Klägerin abgeschlossene Grundstücksübergabevertrag nebst Nachträgen bei Eintritt der Nacherbfolge wirksam bleibt. In diesem Sinne sind die von den Parteien gestellten Feststellungsanträge zu verstehen. Diese Klagen sind nur unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO zulässig.

Gegen die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Feststellungsklage bestehen keine Bedenken. Ein Rechtsverhältnis ist jedes durch die Herrschaft der Rechtsnorm über einen konkreten Tatbestand als Rechtsfolge dieses Tatbestandes entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einen Rechtsobjekt. Dabei kann nach § 256 ZPO auch die Feststellung einzelner rechtlicher Beziehungen, die nur Ausfluß eines weitergehenden Rechtsverhältnisses sind, begehrt werden. Die Klägerin begehrt mit der von ihr erhobenen Klage die Feststellung solcher rechtlicher Beziehungen.

Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse daran, daß dieses Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde. Dieses besteht, da der Beklagte die volle Wirksamkeit der Verfügung der Klägerin bestreitet. Dadurch ist die Rechtslage der Klägerin unsicher geworden. Diese Unsicherheit kann ihr unter den gegebenen Umständen zum Nachteil gereichen.

Dagegen konnte das Berufungsgericht über die von den Beklagten erhabene, auf Feststellung gerichtete Widerklage nicht sachlich entscheiden. Diese Klage mußte vielmehr als unzulässig abgewiesen werden. Obwohl der Nacherbfall noch nicht eingetreten ist, ist das Anwartschaftsrecht des Beklagten allerdings ein schon gegenwärtiges Recht. Dieses Anwartschaftsrecht kann an sich ebenso wie die darin wurzelnden rechtlichen Beziehungen Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Dennoch ist die von dem Beklagten erhobene Feststellungswiderklage unzulässig, da es hierfür an dem von § 256 ZPO geforderten rechtlichen Interesse an alsbaldiger Feststellung fehlt. Es kann dahingestellt bleiben, ob unter den gegebenen Umständen überhaupt ein solches Feststellungsinteresse bestehen kann. Denn es ist jedenfalls mit Rücksicht auf die von der Klägerin erhobene Klage, die nach § 271 ZPO nicht ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden kann, zu verneinen. Der Beklagte erreicht das von ihm erstrebte Ziel ohne weiteres durch die Entscheidung über seinen auf Klageabweisung gerichteten Antrag, so daß es darüber hinaus der weiteren von ihm begehrten Feststellung nicht bedarf.

Soweit das Berufungsgericht sachlich über die Klage entschieden hat, mußte das Urteil gleichfalls aufgehoben werden. Das angefochtene Urteil stellt nicht eindeutig fest wie das Testament des Erblassers auszulegen ist. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts, es liege nahe, anzunehmen, daß der Erblasser die Klägerin nicht als befreite, sondern als Vollerbin habe einsetzen wollen und daß die Begriffe Vorerben und Nacherben unter Verkennung dieses Willens von dem beurkundenden Notar in das Testament aufgenommen worden seien, kann nicht geschlossen werden, daß das Berufungsgericht eine dahingehende Feststellung hat treffen wollen, zumal das Berufungsgericht außer dem Wortlaut des Testaments keine Tatsachen angeführt hat, auf die sich diese Annahmen stützen könnten. Der Wortlaut des Testaments läßt es aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht als naheliegend erscheinen daß der Erblasser die Klägerin zur Vollerbin hat einsetzen wollen. Das Testament ist von einem Notar errichtet. Es muß daher, solange das Gegenteil nicht erwiesen ist, angenommen werden, daß der Notar den Inhalt des Testaments eingehend mit dem Erblasser erörtert hat, und daß er diesen auch über die Bedeutung der in dem Testament verwandten Begriffe Vor- und Nacherbe aufgeklärt hat. Daraus würde folgen, daß der Erblasser tatsächlich eine Vor- und Nacherbschaft anordnen wollte. Eine andere Auslegung ist auch schon deswegen nicht möglich, da die zugunsten der Kinder in dem Testament getroffenen Verfügungen sonst überhaupt keine praktische Bedeutung gehabt hätten. Denn der Erblasser konnte über den Nachlaß seiner Ehefrau keine Bestimmungen treffen. Die Bestimmung „meine Frau soll als Vorerbin von allen gesetzlichen Beschränkungen eines Vorerben befreit sein. Sie soll über meinen gesamten Nachlaß frei nach ihrem Willen verfügen können”, steht auch nicht mit den vorher zugunsten der Kinder getroffenen Verfügungen in Widerspruch. Der zweite Satz dieser Bestimmung bringt vielmehr nach der Auslegungsregel des § 2137 Abs. 2 BGB im Zweifel nur das zum Ausdruck, was im ersten Satz bereits ausdrücklich gesagt ist. Irgendwelche Anhaltspunkte, die es ermöglichen, aus dieser Bestimmung mehr zu entnehmen, ergibt der Wortlaut des Testaments nicht.

Das Berufungsgericht scheint der Ansicht gewesen zu sein, der Erblasser habe der Klägerin durch die eben erwähnte Bestimmung des Testaments auf jeden Fall das Recht verschafft, in der hier geschehenen Weise über das Grundstück zu verfügen, auch wenn diese Verfügung gegen § 2113 Abs. 2 BGB verstoßen würde. Sollte das Berufungsgericht diese Rechtsansicht seinem Urteil zugrunde gelegt haben, so hätte es damit gegen § 2136 BGB verstoßen. Der Erblasser kann den Vorerben nur von den in § 2136 BGB aufgeführten Bestimmungen befreien. Dazu gehört § 2113 Abs. 2 BGB nicht. Der Erblasser kann daher einem Vorerben nicht die Befugnis einräumen, unentgeltlich über Nachlaßgegenstände zum Sachteil des Nacherben zu verfügen.

Das Berufungsgericht hat sodann weiter ausgeführt, daß die Verfügung der Klägerin auch nicht gegen § 2113 Abs. 2 BGB verstoße.

Nach § 2113 Abs. 2 BGB ist eine unentgeltliche Verfügung des Vorerben über einen zum Nachlaß gehörigen Gegenstand im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Der Nacherbe hat kein Recht darauf, daß ihm die einzelnen zum Nachlaß gehörigen Gegenstände erhalten bleiben. Dem befreiten Vorerben ist es gestattet, auch über die zum Nachlaß gehörigen Grundstücke entgeltlich zu verfügen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll aber verhindert werden, daß das Recht des Nacherben durch unentgeltliche Verfügungen des Vorerben beeinträchtigt wird. Daraus folgt, daß grundsätzlich als Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB nur diejenigen Gegenleistungen angesehen werden können, die des Nachlaß zufließen. Ein Gegenwert, der nicht in die Nachlaßmasse, sondern in das freie Vermögen eines einzelnen Nacherben gelangt, bedeutet deshalb nichts für das Urteil über die Entgeltlichkeit einer Vorfügung. Unentgeltlich ist eine Verfügung des Vorerben, durch die aus dem Nachlaß etwas aufgegeben und weggegeben wird, ohne daß die dadurch eintretende Verringerung des Nachlasses durch Zuführung eines entsprechenden Vermögensvorteils aufgewogen wird (RG in DR 1959, 635). Das Reichsgericht hat jedoch den zunächst in dieser Weise bestimmten Begriff der Entgeltlichkeit in derselben Entscheidung weiter ausgedehnt. Zu dieser freieren Auslegung glaubte es durch die Berücksichtigung wirtschaftlicher Erwägungen veranlaßt zu sein. Dabei hat es ausgeführt, ob eine Verfügung unentgeltlich sei, hänge wesentlich mit ab von dem rechtsgeschäftlich gewollten wirtschaftlichen Ergebnis für die Vermögensmasse, aus der verfügt werde. Es kann zweifelhaft sein, wie diese Ausführungen zu verstehen sind. Sofern das Reichsgericht damit nur sagen wollte, eine Verfügung über einen Nachlaßgegenstand sei auch dann entgeltlich, wenn das Entgelt zwar nicht in die Nachlaßmasse gelange, aber dennoch die Nacherben bei Eintritt der Nacherbfolge auf Grund der getroffenen Vereinbarungen wirtschaftlich ebenso gestellt werden, als wenn das Entgelt in die Nachlaßmasse gelangt wäre, so wäre es überhaupt nicht notwendig, den Begriff der Entgeltlichkeit in dieser Weise auszudehnen. Denn insoweit würde sich die Wirksamkeit der Verfügung, selbst wenn sie als unentgeltlich angesehen wird, auf jeden Fall schon deswegen ergeben, weil durch sie das Recht des Nacherben nicht vereitelt oder beeinträchtigt würde. Wenn aber das Reichsgericht sagen wollte, die Verfügung sei schon dann entgeltlich, wenn nur der Wille des Vorerben dahin gegangen sei, die Nacherben ebenso zu stellen, als wenn das Entgelt in die Nachlaßmasse gelangt wäre, so könnte dem nicht beigetreten werden. Bei dieser Auslegung würde der von Gesetzgeber mit § 2113 Abs. 2 verfolgte Zweck vereitelt, wenn das gewollte wirtschaftliche Ergebnis tatsächlich nicht erreicht wird. Der Vorerbe könnte die Zahlung des Entgelts an diejenigen Personen vereinbaren, die in Augenblick seiner Verfügung noch als Nacherben berufen sind während im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vielleicht ganz andere Personen, die nicht einmal Erben der früher berufenen Nacherben zu sein brauchen, wirklich Nacherben werden. Eine solche Verfügung des Vorerben kann, um den Willen des Gesetzgebers zu genügen, nicht als entgeltlich angesehen werden. Es ist daher daran festzuhalten, daß als Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB nur solche Leistungen angesehen werden können, durch die dem Nachlaß selbst ein Vermögensvorteil zugeführt wird, der seine durch die Verfügung eingetretene Verringerung aufwiegt.

In dem hier vorliegenden Sachverhalt ist der Wert das Nachlasses um den Wert des der Schwester des Beklagten übereigneten Grundstücks geschmälert worden. Mag auch die Klägerin auf Grund des Übergabevertrags einen Anspruch darauf erworben haben, daß die Schwester des Beklagten die in dem Vertrag festgesetzten Abfindungsbeträge an die übrigen Nacherben zählt, so kann dieser Anspruch doch nicht als Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB angesehen werden. Denn er geht gleichfalls nur auf Zahlung an bestimmte Personen, nicht aber auf Zahlung an die beim Eintritt des Nacherbfalls schlechthin zu Nacherben Berufenen. Die Verfügung der Klägerin über das Grundstück erfolgte daher objektiv teilweise unentgeltlich.

Der Maßstab für die Entgeltlichkeit einer Verfügung des Vorerben ist allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts der sich auch der Bundesgerichtshof bereits angeschlossen hat (NJW 52, 698), nicht nur aus einer objektiven Beurteilung der Sachlage zu gewinnen. Eine unentgeltliche Verfügung liegt vielmehr vor, wenn der Vorerbe objektiv ohne gleichwertige Gegenleistung Opfer aus der Erbmasse bringt und subjektiv entweder weiß, daß dem Opfer keine gleichwertige Gegenleistung an die Erbmasse gegenübersteht, oder doch bei ordnungsmäßiger Verwaltung der Masse unter Berücksichtigung seiner künftigen Pflicht, die Erbschaft an den Nacherben heraus zugeben, das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen. Dabei ist eine teilweise unentgeltliche Verfügung einer voll unentgeltlichen gleichzusetzen. Auch eine nur teilweise unentgeltliche Verfügung ist bei Eintritt des Nacherbfalls unwirksam.

Daß das Altenteil allein keine angemessene Gegenleistung für das Grundstück darstellte, hat, wie den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts entnommen werden kann, auch die Klägerin erkannt. Wenn aber die Klägerin der Ansicht gewesen sein sollte, die Verfügung sei deswegen entgeltlich, weil sie die Schwester des Beklagten auch verpflichtet hatte, die übrigen Nacherben abzufinden, so könnte diese subjektive Erwägung nicht dazu führen, ihrer Verfügung den Charakter einer entgeltlichen in Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB zu geben. Subjektive Erwägungen des Vererben können nur für die Bemessung des Wertes der einzelnen Gegenleistung berücksichtigt werden, der ein Entgelt im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB darstellt, nicht aber dafür, ob eine bestimmte Gegenleistung überhaupt als ein Entgelt im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden kann.

Die Verfügung der Klägerin war daher unentgeltlich im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB. Daraus folgt jedoch noch nicht, daß sie bei Eintritt der Nacherbfolge unwirksam ist, Unwirksam würde sie nur insoweit sein, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Ob das der Fall ist, ist ausschließlich nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden. Hierbei ist auf das wirtschaftliche Ergebnis der Verfügung abzustellen (RG a.a.O.). Zu beachten ist, daß der Nacherbe, wie gesagt, bei einer befreiten Vorerbschaft kein Recht auf Erhaltung bestimmter Nachlaßgegenstände hat. Eine Beeinträchtigung des Rechts der Nacherben kann daher nicht schon, darin gesehen werden, daß das Grundstück durch die Verfügung aus den Nachlaß ausscheiden würde. Es kommt vielmehr darauf an, festzustellen, ob die Nacherben unter Berücksichtigung der Übergabeverträge bei Eintritt der Nacherbfolge wirtschaftlich ebenso gestellt sind, wie sie stehen würden, wenn der dem Grundstück entsprechende Gegenwert voll zum Nachlaß gelangt wäre.

Die Entscheidung dieser Frage hängt wesentlich mit davon ab, welchen Wert des Grundstück tatsächlich hat. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Wert nicht mehr als 20.000 DM betrage. Zutreffend rügt die Revision, daß diese Feststellung unter Verletzung formellen Rechts getroffen sei. Der Beklagte hatte behauptet, das Grundstück habe einen Wert von etwa 35.000 DM. Diese Behauptung hat er im einzelnen näher ausgeführt und auch auf eine Bescheinigung der Stadt Witten Bezug genommen. Zur Begründung des von ihm angenommenen Wertes hat das Berufungsgericht nur auf den Einheitswert und auf seine Feststellungen in der Verhandlung vom 3. März 1950 verwiesen. Da in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit am 3. März 1950 keine Verhandlung vor den Berufungsgericht stattgefunden hat, kann nur die Verhandlung vor dem 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Celle in der Sache LwP 17/49 des Amtsgerichts Hankensbüttel gemeint sein. Sollten die Richter des Berufungsgerichts bei dieser Verhandlung bestimmte tatsächliche Feststellungen getroffen haben, die Schlüsse auf den Wert des Grundstücks zulassen, und sollten diese festgestellten Tatsachen auch von einer der Parteien in diesem Rechtsstreit vorgetragen worden sein, dann hätten sie unter Umständen nach § 291 ZPO als gerichtsbekannt keines Beweises bedurft. Sie hätten dann dem Berufungsgericht als Grundlage für die Ermittlung des Grundstückswertes dienen können. Das Berufungsgericht hätte dann aber in dem angefochtenen Urteil ausführen müssen, inwieweit diese Tatsachen, auch gegenüber den von dem Beklagten aufgestellten Behauptungen, die von ihm getroffene Feststellung des Grundstückswerts rechtfertigen. Diese Begründung fehlt dem angefochtenen Urteil. Sie kann auch nicht aus dem Zusammenhang des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe entnommen werden, da das angefochtene Urteil überhaupt nicht erkennen läßt, welche für die Wertbemessung entscheidenden Tatsachen, abgesehen von dem unstreitigen Einheitswert, die Parteien vorgetragen haben, die dem Gericht durch die Verhandlung vom 3. März 1950 bekannt geworden sind. Die Niederschrift über diese Verhandlung enthält, soweit sie sich auf den Grundstückswert bezieht, im wesentlichen nur Angaben über den Einheitswert.

Das Berufungsgericht ist bisher erkennbar davon ausgegangen, daß das Grundstück der einzige Nachlaßwert ist, daß Nachlaßverbindlichkeiten nicht vorhanden sind, daß die der Schwester des Beklagten auferlegten Abfindungsbeträge ausreichend gesichert sind. Falls unter diesen Voraussetzungen auch die Lastenausgleichspflicht mit 4.000 DM richtig bewertet und angesetzt und die übrigen Nacherben hierfür nicht in Anspruch genommen werden können, könnte, wenn der Wert des Grundstücks nicht mehr als 20.000 DM beträgt, das Recht der Nacherben durch die Verfügung der Klägerin nicht beeinträchtigt sein. Da aber die Abfindungssumme an den Beklagten persönlich gezahlt werden soll, ist hierfür Voraussetzung, daß auch er oder seine Erben bei Eintritt des Nacherbfalls zur Nacherbschaft berufen sind. Das Berufungsgericht wird daher erforderlichenfalls auch in dieser Richtung unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 2103 Abs. 2 BGB Feststellungen treffen müssen. Darauf, ob auch die Schwester des Beklagten Nacherbin wird oder wer an ihrer Stelle als Nacherbe in Frage kommen kann, kommt es nicht an. Ihr Verhalten ergibt, daß sie die Verfügung der Klägerin genehmigt hat. Diese Genehmigung muß auch bei Eintritt des Nacherbfalls der evtl. an ihre Stelle tretende wirkliche Nacherbe gelten lassen. Denn in dem Augenblick, als die Schwester des Beklagten genehmigte, stand ihr das Anwartschaftsrecht tatsächlich zu. Die evtl. an ihre Stelle tretenden Nacherben rücken erst zu späterer Zeit in die Rechtsstellung des Nacherben ein (vgl. BGB RGR § 2113 Abs. 6).

Über den Antrag der Klägerin, den Beklagten zu verurteilen, in die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Widerspruchs zu willigen, wird gleichfalls neu zu entscheiden sein. Das angefochtene Urteil mußte auch insoweit aufgehoben werden, denn für die Entscheidung über diesen Antrag enthält das Urteil überhaupt keine Begründung. Im Tatbestand des Urteils ist nur gesagt, „die untere Landwirtschaftsbehörde hätte nach § 32 LVO die Eintragung eines Widerspruchs für den Beklagten veranlaßt.” § 32 LVO enthält auch Bestimmungen darüber, wann und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Widerspruch zu löschen ist. Es hätte näherer Ausführungen im Urteil bedurft, aus welchem Grunde der Beklagte verpflichtet ist, in die Löschung des Widerspruchs zu willigen und gegebenenfalls aus welchem Grunde die Klägerin, die das Grundstück an die Schwester des Beklagten übereignet hat, von dem Beklagten die Einwilligung hierzu verlangen kann.

 

Unterschriften

Dr. Lersch, Raske, Johannsen, v. Werner, Scheffler

 

Fundstellen

Haufe-Index 1622030

NJW 1953, 219

DNotZ 1953, 97

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