Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 29.01.1959)

 

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 29. Januar 1959 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Revision werden den Klägerinnen auferlegt.

 

Tatbestand

Der Beklagte hatte in der Silvesternacht 1956/57 einige seiner Freunde nach einer Feier in seiner Wohnung mit seinem Kraftfahrzeug nach Hause gefahren. Auf der Rückkehr erbot er sich, die ebenfalls von einer Feier kommenden Klägerinnen sowie deren Ehemänner und die Tochter der Erstklägerin nach Hause zu fahren. Er setzte seine Fahrgäste jedoch vor deren Wohnung nicht ab, sondern fuhr mit ihnen, nachdem er dort kurz angehalten hatte, nach D. in der Absicht, eine Gaststätte aufzusuchen. In D. stieß er bei dem Versuch, einen anderen Wagen zu überholen, mit einer entgegenkommenden Straßenbahn zusammen, wobei die Klägerinnen verletzt wurden.

Am 24. Juli 1957 verurteilte das Schöffengericht in Duisburg den Beklagten wegen Vergehens nach §§ 239, 315 a Abs. 1 Ziff. 2 bis 4, 316 Abs. 2, 73 StGB kostenpflichtig zu einer Gefängnisstrafe von 3 Monaten. Die Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen und sein Führerschein mit der Maßgabe eingezogen, daß ihm vor Ablauf von 3 Jahren keine neue Fahrerlaubnis ausgestellt werden dürfe.

Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Berufung ein. Zu Beginn der Hauptverhandlung wurden die. Klägerinnen antragsgemäß als Nebenklägerinnen zugelassen.

Der Beklagte beantragte in der Berufungsverhandlung Freispruch wegen der Freiheitsberaubung und des Vergehens nach § 315 a Ziff. 4 StGB, im übrigen mildere Strafe und Strafaussetzung zur Bewährung sowie Rückgabe des Führerscheins.

Der Anwalt der Nebenklägerinnen beantragte die Verwerfung der Berufung, ebenso der Staatsanwalt, dieser jedoch milder Maßgabe, daß die Verurteilung nach § 315 a Ziff. 4 entfallen solle. Die Große Strafkammer hob das angefochtene Urteil auf. Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Verkehrsgefährdung (§§ 315 a Abs. 1 Ziff. 2, 316 Abs. 2 StGB) zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt. Dem Angeklagten wurde die Fahrerlaubnis entzogen mit der Maßgabe, daß ihm vor Ablauf von 2 Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden dürfe. Die Kosten des ersten Rechtszuges wurden dem Beklagten, die des Berufungsverfahrens der Staatskasse auferlegt. Eine ausdrückliche Entscheidung über die Kosten und Auslagen der Nebenklägerinnen ist in diesem Strafurteil nicht enthalten.

Die Klägerinnen haben im Kostenfestsetzungsverfahren versucht, einen Titel für die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen zu erlangen. Ihr Antrag wurde zurückgewiesen. Erinnerung und sofortige Beschwerde blieben erfolglos, weil der Beklagte wegen des Erfolges seines Rechtsmittels die nur im Berufungsverfahren entstandenen Kosten der Nebenklage nicht zu tragen brauche.

Mit der Klage haben die Klägerinnen einen restlichen Schadensersatzanspruch geltend gemacht, worin zusammen 560,98 DM Nebenklagekosten enthalten sind.

Die sonstigen Schadensersatzansprüche der Klägerinnen sind mit Ausnahme der geltend gemachten Zinsansprüche im Laufe des Rechtsstreits befriedigt worden. Nur diese Zinsansprüche wurden ihnen durch das Landgericht zugesprochen. Wegen der Nebenklagekosten ist Abweisung erfolgt.

Die Berufung der Klägerinnen hiergegen wurde zurückgewiesen. Ihre zugelassene Revision, um deren Zurückweisung der Beklagte bittet, verfolgt die Erstattung der Nebenklagekosten weiter.

 

Entscheidungsgründe

(1)

Der erkennende Senat hat bereits in seinem - auch vom Berufungsgericht zugrundegelegten - Urteil BGHZ 24, 263 ausgesprochen, daß der Kostenregelung des Strafprozesses entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, wonach der Prozeßerfolg über die Kostenlast zwischen den Parteien entscheidet, im Verhältnis zwischen Nebenkläger und Angeklagtem abschließende Bedeutung zukommt; wer sich als Nebenkläger am Strafverfahren beteiligt, kann sich dieser Prozeßfolge nicht entziehen und das Proseßrisiko auf dem Wege der Geltendmachung zivilrechtlicher Haftung einseitig auf den Angeklagten abwälzen. Dem Verletzten ist daher ein sachlich-rechtlicher Anspruch aus §§ 823, 249 BGB auf Ersatz der Nebenklagekosten abgesprochen worden.

Die Anwendbarkeit dieser Rechtsgrundsätze beschränkt sich nicht auf den Fall eines Freispruchs des angeklagten Schädigers. Es kommt ihnen vielmehr eine weitergreifende Bedeutung zu, so daß sie auch die Fälle erfassen, daß das Strafverfahren gegen den Urheber des Unfalls auf Grund eines Straffreiheitsgesetzes eingestellt oder selbst der Angeklagte im Strafverfahren verurteilt worden ist (Urteile des erkennenden Senats vom 24.9.1957 - VI ZR 300/56 = VersR 1957, 719 f, und vom 20.5.1958 - VI ZR 127/57 - LM Nr. 20 zu § 7 StVG). In dieser letzten Entscheidung ist die Auffassung, daß wegen der Nebenklagekosten ein sachlich-rechtlicher und ein verfahrensrechtlicher Erstattungsanspruch in Unabhängigkeit nebeneinander bestehen, als rechtsirrtümlich zurückgewiesen und hervorgehoben worden, daß nur die Möglichkeit gegeben ist, die Kostenerstattung auf dem im Strafprozeß eröffneten Wege zu erlangen; ein materieller Schadenersatzanspruch auf Erstattung dieser Kosten scheidet daneben aus.

(2)

Die Revision geht davon aus, daß die Strafkammer eine Entscheidung über die Kosten der Nebenklage weder ausdrücklich, noch stillschweigend getroffen habe, und meint, in diesem Falle könne ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerinnen, ihre Ansprüche im Zivilprozeß durchzusetzen, nicht wegen Klageüberlagerung verneint werden, da es an einem § 321 ZPO entsprechenden Ergänzungsverfahren im Strafprozeß fehle. Sei aber die Entscheidung im Strafprozeß offen geblieben, so müsse darüber im Zivilprozeß entschieden werden können, falls man nicht schlechthin auch in solchen Fällen eine Klageüberlagerung annehmen wolle.

(a)

Schon der Ausgangspunkt der Revision erweist sich indessen als rechtsirrig.

Der Anspruch des Strafkammerurteils, daß die Kosten des Berufungsverfahrens die Staatskasse trägt, enthält nämlich eine klare Entscheidung über die Kosten der Nebenklage in dem Sinne, daß eine Erstattungspflicht des Angeklagten hinsichtlich dieser (ausschließlich im Berufungsrechtszuge erwachsenen) Kosten verneint wird. Daß die 2. Große Strafkammer diese Regelung bewußt getroffen hat, ergibt sich auch aus dem Kostenbeschwerdebeschluß derselben Kammer vom 10. Juni 1958, in dem ausgeführt wird, die Kosten des Berufungsverfahrens seien der Staatskasse auferlegt worden, weil der Angeklagte mit seinen Rechtsmittelanträgen durchrang, indem seine Verurteilung wegen Freiheitsberaubung entfiel und sowohl die Strafe, als auch die Dauer der Sicherungsmaßregel ermäßigt wurden. Demnach, so fährt die Strafkammer fort, sei der Angeklagte nicht verpflichtet, den Nebenklägerinnen ihre notwendigen Auslagen im Rechtsmittelverfahren zu erstatten. Der Nebenkläger trägt eben das Risiko, daß sich seine mitwirkende Tätigkeit als nutzlos erweist und er umsonst Auslagen erbracht hat (Löwe-Rosenberg-Schäfer Anm. 4 a zu § 473 StPO); seine eigenen Kosten fallen daher ihm zur Last, wenn die Staatskasse die Rechtsmittelkosten zu tragen hat (Löwe-Rosenberg-Sarstedt Anm. 9 e zu § 397 StPO).

Vergebens zieht die Revision auch die sachliche Richtigkeit der von der Strafkammer getroffenen, dem Prozeßerfolg übrigens durchaus entsprechenden Kostenentscheidung in Zweifel (vgl. RGSt 63, 312 f). Denn diese ist nicht nur in Rechtskraft erwachsen, weil die Nebenklägerinnen Revision nicht eingelegt haben, sondern wäre auch ohnedies einer Überprüfung und Korrektur im Zivilprozeßverfahren nicht zugänglich.

(b)

Selbst wenn indessen eine Entscheidung über die Kosten der Nebenklage im Strafverfahren nicht ergangen wäre, würde das der Revision nicht zum Erfolge verhelfen können. Nach der bereits angeführten Senatsentscheidung vom 20. Mai 1958 (LM Nr. 20 zu § 7 StVG) kann nämlich die Erstattung von Nebenklagekosten ausschließlich auf dem durch die StPO hierzu eröffneten Wege verfolgt werden, so daß neben diesem strafverfahrensrechtlichen ein zivilrechtlicher Kostenerstattungsanspruch ausscheidet. Denn die strafprozessuale Kostenerstattungspflicht entspringt allein aus dem Prozeßrechtsverhältnis und ist in der StPO abschließend geregelt, so daß bürgerliches Recht insoweit grundsätzlich nicht zur Anwendung kommt. Eine abweichende Beurteilung würde zudem wegen der andersartigen Voraussetzungen und Auswirkungen der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Haftbarkeit zu unannehmbaren Folgerungen führen. Vermag daher der Nebenkläger einen Erstattungsanspruch im Strafverfahren nicht durchzusetzen so muß er seine Prozeßkosten endgültig selbst tragen.

(3)

Schließlich ist der geltendgemachte Erstattungsanspruch auch materiellrechtlich nicht begründet, weil der durch Aufwendung der Nebenklagekosten verursachte Vermögensschaden vom Schutzzweck des § 823 BGB und der verletzten Strafrechtsnormen nicht umfaßt wird (BGHZ 27, 137).

Die Revision war hiernach mit Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3018569

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